Goering × Die Erstlinienbehandlung mit Osimertinib führt zu einem signifikant längeren Überleben bei Patienten mit EGFR-mutiertem fortgeschrittenem nicht-kleinzelligem Bronchialkarzinom (NSCLC). Die Patienten in der Vergleichsgruppe wurden mit Tyrosinkinaseinhibitoren (TKI) der ersten Generation behandelt. Die FLAURA-Ergebnisse wurden beim ESMO Congress 2019 präsentiert. Die finalen Überlebensdaten der Phase-III FLAURA-Studie wurden von Prof. Dr. Suresh S. Ramalingam, Haematology and Medical Oncology, Emory University, Winship Cancer Institute in Atlanta, USA, vorgestellt. Das mediane Gesamtüberleben mit Osimertinib betrug 38,6 Monate gegenüber 31,8 Monaten mit EGFR-TKIs der ersten Generation bei einer Hazard Ratio von 0,799 (p = 0,0462). Mehr als die Hälfte (54 %) der Patienten in der Osimertinib-Gruppe lebten nach drei Jahren, verglichen mit 44 % in der Vergleichsgruppe. [1] Ramalingam wies darauf hin, dass die bereits publizierten Ergebnisse ein signifikant verbessertes progressionsfreies Überleben (PFS) im Vergleich zu einem Erstgenerations-EGFR-TKI (Hazard Ratio [HR] 0,46, p <0,001) zeigten und damit den primären Endpunkt der Studie erreichten. [2] Osimertinib ist ein irreversibler oraler EGFR-TKI der dritten Generation, der sowohl EGFR-Mutationen als auch EGFR-T790M-Resistenzmutationen hemmt. Studien-Design In FLAURA wurden therapienaive Patienten im Alter von ≥ 18 Jahren (≥ 20 in Japan) mit Ex19del / L858R EGFR-mutiertem fortgeschrittenem NSCLC und WHO-Performancestatus 0 – 1 eingeschlossen. Patienten mit stabilen ZNS-Metastasen, die über 2 Wochen lang keine Steroide benötigten, wurden zugelassen. Nach 1:1 Randomisierung erhielten 279 Patienten einmal täglich 80 mg Osimertinib und 277 Patienten nahmen entweder 250 mg Gefitinib oder 150 mg Erlotinib pro Tag ein. Die Patienten wurden nach Mutationsstatus (Ex19del / L858R) und Rasse (asiatisch / nicht-asiatisch) stratifiziert. Patienten im Vergleichbar war ein Crossover in den Osimertinibarm möglich. Klinisch bedeutsame Ergebnisse Wie Ramalingam ausführte, wechselten 31 % der Patienten im Vergleichbar bei Krankheitsprogress in den Osimertinib-Arm. Diese repräsentieren 47 % der Patienten im Vergleicharm, die nach der Studie eine Therapie erhielten. „Dies entspricht unseren Erwartungen in der Praxis, da nur etwa 50 % der Patienten die T790M-Mutation entwickeln und damit Kandidaten für Osimertinib sind“, sagte er. „Die Überlebensergebnisse mit Osimertinib als Erstlinientherapie bei EGFR-mutierten NSCLC- Patienten sind sowohl statistisch signifikant als auch klinisch bedeutsam“, sagte der Studienautor. „Dies ist das erste Mal, dass ein TKI das Überleben im Vergleich zu einem anderen TKI in der Lungenkrebstherapie verlängert.“ Daher sollte Osimertinib die bevorzugte Estlinientherapie für fortgeschrittene NSCLC-Patienten mit EGFR-Mutation sein, schlussfolgerte Ramalingam. Diskussion der FLAURA-Daten Diskutant Prof. Dr. Pasi A. Jänne, Lowe Center for Thoracic Oncology, Dana Farber Cancer Institute, USA, betonte, dass Osimertinib gegenüber der Vergleichsgruppe das Gesamtüberleben um fast sieben Monate verlängern konnte und dabei eine hohe ZNS-Aktivität aufweise. Weitere Pluspunkte seien die bessere Verträglichkeit im Vergleich zu den Erstgenerations-TKI und das Auftreten von weniger Nebenwirkungen vom Grad 3 oder höher. Er plädierte dafür, die noch vielfach praktizierte Sequenztherapie – mit einem Erst- oder Zweitgenerations-TKi die Behandlung zu beginnen, und diejenigen Patienten, die eine EGFR T790 Reistenzmutatation entwickeln mit Osimertinib zu behandeln. Für den Therapiestart mit Osimertinib spreche auch, dass etwa 30 % der Patienten in beiden Therapiearmen keine Folgetherapie erhalten hätten. KOMMENTAR von OA Dr. Maximilian Hochmair, Leiter der pneumo-onkologischen Ambulanz und Tagesklinik zu den OS-Ergebnisse der FLAURA-Studie Die Überlebensdaten sind nur sehr knapp ‚positiv‘ und es bleiben viele Fragen offen. Die FLAURA-Studie wurde beim ESMO präsentiert. Aus meiner Sicht sind jedoch einige Diskussionspunkte offen geblieben. In die Studie waren ausschließlich NSCLC-Patienten mit del19- und L585-Mutationen eingeschlossen (n=556). Das betrifft hier in Österreich bzw. Europa etwa 10–15 % aller Patienten. Im Vergleichsarm waren mit Erlotinib und Gefitinib zwei gegen EGFR-gerichtete Tyrosinkinase-Inhibitoren (TKI) der ersten Generation eingesetzt worden. Bei uns in Österreich werden jedoch routinemäßig Afatinib (oder Dacomitinib), beides Zweitgenerations-TKI, eingesetzt, die eine stärkere Effektivität und auch eine gute ZNS-Gängigkeit im Vergleich zu den Erstgenerations-TKI zeigen. Ein Cross-over auf Osimertinib war progredienten Patienten nach einer positiven Testung auf T790M im Vergleichsarm erlaubt gewesen. Dies war ursprünglich nicht in der Studie vorgesehen, sondern geht auf eine Erweiterung des Studienprotokolls zurück. Das bedeutet, dass diese Studie vom Design her nicht geeignet ist, Schlüsse über mögliche Sequenztherapien zu ziehen. Man kann lediglich sagen, welche Substanz in der ersten Therapielinie hinsichtlich des progressionsfreien Überlebens (primärer Endpunkt) die bessere Substanz ist. Problem: Cross-over Wir können nicht sagen, ob es besser ist abzuwarten, bis Patienten einen T790 Resistenzmutation entwickeln und diese dann mit Osimertinib zu behandeln. In FLAURA haben mit 30,55 % nur sehr wenige Patienten des Vergleichsarms Osimertinib als Folgetherapie bekommen. Zum Vergleich: Bei unseren eigenen Patienten haben 75 % der progredienten Patienten, wenn sie mit einer hochsensitiven digital droplet PCR zur Resistenztestung untersucht werden, eine T790 Mutation und bekommen als Folgetherapie Osimertinib [3,4]. Diese Daten kann ich mit den auf dem ESMO präsentierten FLAURA-Daten nicht vergleichen und damit auch nicht beurteilen. Haarscharf‘ positiv Zusätzlich haben wir bei der FLAURA-Studie gesehen, dass die Wahrscheinlichkeit des Gesamtüberlebens angegeben ist als Hazard Ratio 0,799 mit einem Konfidenzintervall von 0,641 bis 0,997 (p = 0,0462). Betrachtet man den oberen Wert des Konfidenz-Bereichs, ist klar, dass diese Studie nur sehr knapp positiv ausgegangen ist. Denn nur ein oder zwei Patienten hätten anders laufen müssen, dann wäre der obere Wert auf über 1,0 gerutscht und das Ergebnis damit negativ, heißt statistisch nicht signifikant gewesen. Dieser gerade noch erzielt positive Outcome zeigt sich auch im p-Wert von 0,0462. Das bedeutet aber auch, wenn effektivere Zweitgenerations-TKI als Vergleichssubstanz eingesetzt worden wären oder mehr Patienten im Standard of Care Arm nach Progress mit Osimertinib behandelt worden wären, dann wäre das Studienergebnis nicht positiv gewesen. Subgruppenanalyse lässt Raum für Fragen Die Subgruppenanalyse in Bezug auf das Gesamtüberleben zeigt, dass drei Subgruppen keinen Vorteil haben, wenn sie mit Osimertinib in der Erstlinie behandelt werden. Das betrifft die Gruppe der Asiaten, die Patienten mit einem gutem Allgemeinzustand (WHO Performance-Status = 0, n = 228) und diejenigen mit einer L858R-Mutation (n = 207). 30% der Patienten bekommen keine Folgetherapie Auffällig war auch, dass sowohl im Osimertinib-Arm als auch im Kontroll-Arm 31 % bzw. 30 % keine Folgetherapie mehr bekommen. Von unseren EGFR-mutierten Patienten - diese haben in der Regel nie geraucht und sind sehr fit – erhalten ca. 90–95 % eine Folgetherapie. [3,4] Man muss natürlich sagen, dass es sich um eine internationale Studie gehandelt hat, mit teilnehmenden Ländern, in den der Zugang zur Therapie teilweise sehr begrenzt ist. Da hat man oft nur die Möglichkeit einmal zu behandeln und richtet die Behandlungsstrategie danach aus. Bei uns in Österreich bzw. in Europa ist das anders. Wir wollen unsere Patienten, die sich in der palliativen Situation befinden, möglichst lange chemotherapiefrei behandeln und suchen daher nach einer guten sequenztherapeutischen Strategie. Fazit Die Studie kann die Frage nach der Sequenzierung nicht beantworten. Die Gesamtüberlebensdaten helfen bei der Frage nach der besten Therapiestrategie nicht weiter, da die Studie dafür nicht gemacht wurde. Salomonisch kann man sagen: Wer Osimertinib in der Erstlinie bei diesen Patienten einsetzen will, kann das machen. Es ist jedoch genauso richtig, eine Sequenztherapie mit zunächst einem Zweitgenerations-TKI einzuleiten und im Progress nach entsprechender Mutationstestung auf Osimertinib umzustellen. 1. Ramalingam SS et al. ESMO 2019, LBA5_PR, Ann Oncol 2019,30 (suppl 5). 2. Soria JC et al N Engl J Med 2018;378:113-125. 3. Buder A, Hochmair MJ, Schwab S et al. J Thoracic Oncol 2018;13:821-830 4. Hochmair MJ, Buder A, Schwab S et al. Targeted Oncol 2019;14:75-83