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10.10.2018 | Onkologie und Hämatologie | Übersichtsartikel | Online-Artikel

Jahrestagung 2018: Von der vernetzten Forschung zur wissensgenerierenden Versorgung

verfasst von: Dr. Carola Göring

Einige Schlaglichter: Kongresspräsidentin Prof. Hildegard  Greinix betonte die medizinischen Fortschritte, OeGHO-Präsident Prof. Andreas Petzer zeigte auf, dass die immer stärkere Stratifizierung für die klinische Forschung eine große Herausforderung ist. DGHO Präsident Prof. Michael Hallek plädierte für eine stärkere Ver- quickung von klinischer Forschung und Versorgungsforschung im Sinne einer wissensgenerierenden Versorgung.

 Die Jahrestagung der Deutschen, Österreichischen und Schweizerischen Gesellschaften für Hämatologie und Medizinische Onkologie zog auch 2018 fast 6.000 Expertinnen und Experten auf dem Gebiet der Hämatologie und Onkologie nach Wien. Diese konnten sich fünf Tage lang über therapeutische, und medizinische Fortschritte informieren und aktuelle versorgungspolitische, ökonomische und ethische Fragestellungen diskutieren. 

 Kongresspräsidentin Prof. Dr. med. Hildegard Greinix von der Klinischen Abteilung für Hämatologie am LKH-Universitätsklinikum Graz wies trotz aller Fortschritte auf aktuelle Zahlen der Internationalen Agentur für Krebsforschung hin. Es wird geschätzt, dass die weltweite Krebslast im Jahr 2018 auf 18,1 Millionen Neuerkrankungen und 9,6 Millionen Todesfälle gestiegen ist. Das bedeutet, dass eine von fünf Männern und eine von sechs Frauen weltweit im Laufe ihres Lebens an Krebs erkranken und und einer von acht Männern und einer von elf Frauen sterben an der Krankheit. Das ist eine große Herausforderung für die HämatologInnen und OnkologInnen, nicht nur in Österreich.

Wissenschaftliches Highlight Zelltherapien

Eines der Highlights des diesjährigen Kongresses waren die zelltherapeutischen Ansätze und das T-Zell-Engineering. Mit der Ende August auch in Europa erfolgten Zulassung der Therapie mit chimären Antigen-Rezeptor-T-Zellen (CAR-T-Zellen) für die Behandlung von Patienten mit akuter lymphatischer Leukämie (ALL) oder diffus großzelligem B-Zell-Lymphom wird das therapeutische Portfolio um ein völlig neues, in ersten Studien teilweise hoch effektives Prinzip für die Behandlung von Patienten mit malignen hämatologischen Erkrankungen erweitert: „In klinischen Studien erreichen wir Ansprechraten von 60 bis 90 Prozent bei der ALL und 30 bis 50 Prozent bei Non-Hodgkin-Lymphomen in fortgeschrittenen Krankheitsstadien. Das ist bei diesen bisher schwer zu behandelnden Patienten weit mehr als mit anderen Therapien“, betonte Prof. Hildegard Greinix und Kongresspräsidentin der Jahrestagung 2018.

 ​​​​​​​Nobelpreisforschung kommt bei Krebspatienten an

Die CAR-T-Zellen sind dabei nur ein Beispiel für die enormen therapeutischen Fortschritte, die in den letzten Jahren speziell auf dem Gebiet der immunologisch basierten Anti-Tumor-Therapien zu verzeichnen sind. Zu den Immuntherapien zählen neben gentechnisch veränderten T-Zellen auch die so genannten Checkpoint-Inhibitoren, die unter anderem bei der Behandlung von Patienten mit malignem Melanom eine neue „therapeutische Ära“ eingeläutet haben. Für diese Formen der Immuntherapie haben kürzlich James P. Allison und Tasuku Honjo den Medizin-Nobelpreis 2018 für  verliehen bekommen.

 Immuntherapien sind ein gutes Beispiel dafür, wie langjährige und beharrliche Grundlagenforschung – in diesem Fall zu den Interaktionen zwischen Immunsystem und malignen Zellen – letztlich den Patienten zugutekommt.

Was für die Immuntherapien gilt, gilt auch für die gezielten Krebstherapien, die sich an den individuellen genetischen Eigenschaften des jeweiligen Tumors orientieren und daher als „personalisiert“ bezeichnet werden. Insgesamt wurden im Jahr 2016 von der Europäischen Kommission 14 neue Arzneimittel in der Hämatologie und Medizinischen Onkologie zugelassen. Im Jahr 2017 waren es bereits 19. Das ist deutlich mehr als in anderen Fachgebieten, illustriert die enorme Entwicklungsdynamik im Bereich der Hämatologie und Medizinischen Onkologie und macht deutlich, dass sich Investitionen in Forschung auszahlen.

 Vernetzte Forschung muss gestärkt werden

Die Fortschritte im Bereich der Grundlagenforschung und die letztlich daraus resultierende, immer stärkere Stratifizierung bzw. Personalisierung bei der Behandlung von Bluterkrankungen und soliden Tumoren sind dabei nicht nur ein Segen für viele Patienten. Gleichsam sind sie eine Herausforderung insbesondere für die klinische Forschung. Denn klinische Studien müssen heutzutage immer häufiger auf ganz bestimmte, oft kleine Subgruppen von Patienten zugeschnitten werden. Der Präsident der OeGHO, Prof. Dr. med. Andreas Petzer vom Ordensklinikum Linz, illustrierte das am Beispiel des Lungenkarzinoms – einer Entität, bei der mittlerweile zahlreiche therapierelevante genetische Mutationen bekannt sind, die zumindest teilweise nur einen einstelligen Prozentsatz aller Patienten mit Lungenkarzinom betreffen.

„Die Entwicklung zu immer mehr Subgruppen kann dazu führen, dass ein Zentrum, das an einer klinischen Studie zur Wirksamkeit eines neuen Arzneimittels teilnimmt, heute weniger Patienten in eine entsprechende Studie einbringen kann“, so Petzer. Für das Fachgebiet in den deutschsprachigen Ländern kann das ein Nachteil sein, weil sich kleinere oder mittelgroße Krankenhausstrukturen mitunter schwertun, genug Patienten zu rekrutieren, um für internationale Studienprojekte attraktiv zu sein. „Wir müssen deswegen Netzwerkstrukturen weiter ausbauen und klinische Studien besser zentrenübergreifend koordinieren, um unseren Patienten auch künftig frühzeitig innovative neue Therapieoptionen zur Verfügung stellen zu können“, so Petzer.

 Auf dem Weg in die wissensgenerierende Versorgung

Einen weiteren Ansatz, um in Zeiten steigender Behandlungskosten und immer stärkerer Ausdifferenzierung der therapeutischen Konzepte in der klinischen Forschung konkurrenzfähig zu bleiben und einen frühen Zugang von Patienten zu innovativen Krebsmedikamenten dauerhaft zu gewährleisten, brachte der Geschäftsführende Vorsitzende der DGHO, Prof. Dr. med. Michael Hallek vom Universitätsklinikum Köln, in die Diskussion. Er plädierte für eine stärkere Verquickung von klinischer Forschung und Versorgungsforschung im Sinne einer wissensgenerierenden Versorgung. Bei diesem Ansatz ist letztlich jede Behandlung auch gleichzeitig klinische Forschung, bei der die in der Hämatologie und Medizinischen Onkologie Tätigen Daten zum Therapieansprechen, zum langfristigen Outcome und zu unerwünschten Wirkungen unmittelbar auswerten.

„Eine wissensgenerierende Versorgung ermöglicht es, innovative Arzneimittel früh in die Versorgung zu bringen und gleichzeitig auf Basis aktueller Daten schnell zu reagieren, wenn sich eine Therapie beispielsweise in spezifischen klinischen Konstellationen oder bei bestimmten Subgruppen als besonders günstig oder ungünstig erweist“, so Hallek. Eine der Voraussetzungen für einen solchen Paradigmenwechsel sind umfassende Patientenregister, die in Echtzeit oder zumindest sehr zeitnah analysiert werden können. Das kann nur bei konsequenter, einrichtungsübergreifender und intelligent standardisierter Digitalisierung der Versorgungsdaten gelingen. Entsprechende Netzwerke und Register befinden sich in den USA bereits im Aufbau und sollten auch in Europa zügig umgesetzt werden.

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