Impfen, impfen, impfen bei Krebspatienten

Zahlreiche Fragen hinsichtlich des COVID-19-Impfschutzes und Responses bei onkologischen und hämatologischen Erkrankungen sind noch nicht geklärt. Im folgenden Interview geben zwei Experten ihre Einschätzung über den aktuellen Wissensstand. Onko News: Wie ist die Datenlage zur COVID-19-Impfung bei Patienten mit hämatologischen Malignomen bzw. soliden Tumoren? Schmitt: Es liegen noch nicht genug Daten bei hämatologischen Patienten in Bezug auf die COVID-19-Impfung vor, um valide Aussagen zu allen damit verbundenen Fragestellungen treffen zu können. Vieles wissen wir ganz einfach noch nicht. Die großen Zulassungsstudien zu den bekannten Impfstoffen wie Pfizer / BioNTech, Moderna oder AstraZeneca haben Patienten mit immunkompromittierender Medikation oder einer Tumoranamnese in den letzten zehn Jahren weitgehend ausgeschlossen und keine expliziten Subgruppendaten zu den wenigen dort tatsächlich geimpften Tumorpatienten veröffentlicht. In der aktuellen Situation der Pandemie gibt es eine Fülle von drängenden Fragestellungen und eine Vielzahl an Studien, die gerade durchgeführt werden. Zahlreiche Publikationen befinden sich noch im Stadium der Vorveröffentlichung, befinden sich im Peer-Review-Verfahren und können sich daher noch ändern. Ein ganz aktuell vollpublizierte Arbeit aus New York sagt uns, dass Patienten mit hämatologischen gegenüber solchen mit soliden Tumorerkrankungen häufiger keinen Antikörperschutz nach Impfung aufbauen können, und dass dies im Besonderen der Fall nach einer Behandlung mit einem CD20-Antikörper oder einer Blutstammzelltransplantation ist. Jost: Ähnliches gilt für Patienten mit soliden Tumoren. Wir wissen definitiv, dass onkologische Patienten per se ein höheres Risiko haben einen schweren Verlauf einer COVID-19-Infektion zu entwickeln. Daher sollten diese Patienten priorisiert geimpft werden. Onko News: Was ist der optimale Zeitpunkt für die COVID-19-Impfung bei Patienten mit hämatologischen Malignitäten? Schmitt: Die Frage stellt sich so im klinischen Alltag ja gar nicht. Da auch Patienten mit hämatologischen Neoplasien ein gesichert deutlich erhöhtes Risiko für einen schweren beziehungsweise ungünstigen COVID-19-Verlauf haben – was vielschichtige Gründe hat – sollten wir möglichst frühzeitig impfen. Idealerweise ist das vor Einleitung einer Systemtherapie, aber oft auch, weil aus Gründen rascher Tumorkontrolle gar nicht anders vertretbar, mit ihrem Start überlappend und gegebenenfalls auch unter einer bereits begonnenen oder nach einer vor Kurzem abgeschlossenen Behandlung. Oder zugespitzt formuliert: Wenn während einer aktiven Pandemie wie der derzeitigen COVID-19-Pandemie ein hämatoonkologischer Patient mit einer aktiven Erkrankung vor mit sitzt, würde ich dann eine COVID-19-Impfung hintanstellen, wenn ich die Vermutung eines verminderten Impfresponses habe? Die Antwort ist ein klares Nein! Denn als Mediziner kann ich derzeit nicht abschätzen, ob ein mutmaßlich verminderter Impfresponse bereits eine ausreichende Impfresponse ist oder nicht bzw. ob der Impfschutz vollumfänglich gewährleistet ist oder nur teilweise. Selbst wenn ich – jenseits klar negativer Impfantworten – einen gegenüber „Immungesunden“ deutlich schwächeren Antikörperresponse detektiere, kann man daraus momentan keine Schwelle ableiten, ab der ein neutralisierender Impfschutz gegeben ist. Die umgekehrte Frage wäre, ob es Argumente gibt, bei Patienten mit hämatologischen Erkrankungen in einem aktiven Stadium bzw. unter Therapie die Impfung später durchzuführen oder ganz darauf zu verzichten – und diese Argumente gibt es anhand der vorliegenden Daten nicht. Daher würde ich zum gegenwärtigen Zeitpunkt keinem Patienten mit hämatologischer Grunderkrankung die COVID-19-Impfung vorenthalten. Jeder hämatologische Patient sollte zum frühestmöglichen Zeitpunkt geimpft werden, sofern Impfstoff vorhanden ist. Onko News: Wie sieht es für Patienten mit soliden Tumoren aus? Wann ist hier der optimale Zeitpunkt für die COVID-19-Impfung? Jost: Wann immer es möglich ist, sollte man die erste COVID-19-Impfung bei Patienten mit soliden Tumoren vor Beginn einer systemischen Therapie durchführen bzw. zwischen den Chemotherapiezyklen in einem therapiefreien Intervall. Wenn ein Patient bereits unter Chemotherapie ist, erscheint es sinnvoll für die COVID-19-Impfung einen zeitlichen Abstand von ca. einer Woche zu wählen, um überlappende, immunvermittelte Nebenwirkungen zwischen Impfung und Systemtherapie zu vermeiden und eine möglichst gute Immunreaktion zu erreichen. Grundsätzlich wollen wir aber Immuntherapien und Chemotherapien bei diesen Patienten auf keinen Fall verschieben oder aussetzen. Zur Frage, was der richtige Zeitpunkt für die COVID-19-Impfung bei Patienten mit soliden Tumoren hinsichtlich des Impfschutzes ist, gibt es relativ wenige Daten. Es zeigt sich aber, dass eine COVID-19-Impfung durchaus mit einer auch zyklisch wiederholten Chemotherapie kombiniert werden kann. Onko News: Gibt es Daten, welche Patienten bzw. welche Tumorentitäten priorisiert gegen COVID-19 geimpft werden sollten, also welche Krebspatienten besonders gefährdet sind einen schweren COVID-19-Verlauf zu entwickeln? Schmitt: Wir wissen aus verschiedenen Studien, dass Patienten mit soliden Tumoren, aber auch mit hämatologischen Malignitäten ein deutlich erhöhtes Risiko für einen schweren COVID-19-Verlauf haben. Daher müssen diese Patienten vorrangig geschützt werden. Warum hämatoonkologische Patienten überhaupt ein erhöhtes Risiko für einen schweren COVID-19-Verlauf haben bzw. in der Pandemiesituation ein erhöhtes Mortalitätsrisiko aufweisen, ist dabei weniger klar, als man annehmen könnte. Sicher tragen Begleiterkrankungen, Organbeteiligungen durch die Tumorerkrankung und durchgemachte Infektionen zum Gesamtrisiko bei. Die naheliegende Vermutung, die erkrankungs- oder therapiebedingte Schwächung der Immunlage würde einen schwereren COVID-19-Verlauf begünstigen, ist womöglich gar nicht richtig. Es wäre hilfreich, Daten mit anderen immunsupprimierten Patienten ohne maligne Erkrankung zu haben, etwa nach Organtransplantation, um vergleichen zu können, ob auch diese Patientengruppe schwerere COVID-19-Verläufe durchmacht. Denkbar wäre auch das Gegenteil, nämlich, dass gerade jene Patienten, die keinen eskalativen Immunresponse aufbauen können, mildere Systemerkrankungsverläufe und somit auch mildere Verläufe einer COVID-19-Infektion aufweisen. Wir müssen einfach mit etwas Geduld den Daten entgegensehen, die momentan weltweit – und so auch am Kepler Universitätsklinikum in Linz – hierzu erhoben werden. Erst mit wachsender Zahl und Qualität derartiger Arbeiten werden wir zwischen Patienten mit soliden Tumoren und hämatologischen Malignitäten differenzieren können sowie Einflüsse wie Ausdehnung des Tumorgeschehens, vorangegangenen Tumortherapien, letzter Tumortherapie etc. würdigen können. Wir werden bei vielen unserer systembehandelten Patienten eine fehlende Antikörperantwort verzeichnen. Welches Risiko für eine SARS-CoV-2-Infektion bzw. einen schweren COVID-19-Verlauf sich hingegen hinter schwachen Antikörpertitern verbirgt, werden erst Verlaufsbeobachtungen dieser Patientensubgruppe hinsichtlich Impfschutz und Impfwirkung über längere Zeiträume erlauben. Jost: Es gibt auch für Patienten mit soliden Tumoren keine klare Priorisierung, was Impfzeitpunkt und Tumorentität anbelangt. Alle Tumorpatienten sollten gemäß der nationalen Impfpläne so rasch wie möglich gegen COVID-19 geimpft werden bzw. ein Impfangebot erhalten. Es gibt mittlerweile Daten, die zeigen, dass Patienten mit metastasierten Tumoren eher schwerere COVID-19-Verläufe entwickeln als Patienten in früheren Tumorstadien. Auch Patienten mit Bronchialkarzinomen und pulmonal metastasierten Karzinomen haben bei einer COVID-19-Infektion einen schlechteren Outcome. Onko News: Wie ist der derzeitige Wissensstand darüber, in welchem Ausmaß Patienten mit soliden Tumoren durch die COVID-19-Impfung geschützt sind bzw., gibt es bestimmte Tumorentitäten, bei denen man davon ausgehen muss, dass der Impfschutz vermindert ist? Jost: Grundsätzlich ist der Impfschutz bei Patienten mit soliden Tumoren anfangs deutlich niedriger als in der Normalbevölkerung. Studien mit dem COVID-19-Impfstoff von Biontech haben gezeigt, dass der Impfschutz bei Tumorpatienten nach der ersten Impfung lediglich bei 39 Prozent, aber bei fast 95 Prozent nach der zweiten COVID-19-Impfung lag. Generell gibt es bislang wenige Studien, welche die Impfwirkung speziell für Tumorpatienten untersucht haben. Für die Impfstoffe von AstraZeneca und Moderna liegen noch so gut wie keine Daten zu diesem speziellen Thema vor. Schmitt: Wir haben natürlich Erfahrungen mit anderen Impfungen und können daher in etwa einschätzen, was wir hinsichtlich der Immunkompromittierung und in Bezug auf Impfresponse bei COVID-19-Impfung zu erwarten haben. Es ist für verschiedene Impfungen bekannt, dass Tumorpatienten generell schlechtere Serokonversionsraten erzielen. Außerhalb der besonderen Gefährdungslage einer Pandemiesituation würde ich bei einem hämatoonkologischen Patienten elektive Impfungen in einen Zeitraum verlagern, in dem der Patient keine immunsuppressiven Behandlungen, Chemotherapien oder B-Zell-depletierenden Therapien erhält. Man weiß zum Beispiel, dass in dieser Situation eine Hepatits-A- oder -B-Impfung weniger effektiv ist und man so zahlreiche Non-Responder generieren würde. Wir haben es hier aber mit einer besonderen Situation zu tun – wir befinden uns mitten in einer Pandemie und stehen unter großem Kontagiositäts- bzw. Infektionsdruck. Daher sollten wir all jene onkologischen Patienten impfen, bei denen wir davon ausgehen können, dass wir sie durch die COVID-19-Impfung nicht gefährden. Onko News: Lässt sich der zu erwartende Impfresponse bei hämatologischen Patienten für den Arzt einschätzen und was bedeutet er für die Klinik? Schmitt: Hämatologische Erkrankungen gehen oftmals per se mit einer Immunschwäche einher, zumal sie Erkrankungen des Immunsystems, des lymphatischen Systems bzw. mit Beteiligung des Knochenmarks sind. Oft sind die eingesetzten Therapien, insbesondere, wenn CD20-Antikörper wie Rituximab eingesetzt werden, massiv B-Zell-depletierend und häufig auch erheblich T-Zell-depletierend. Aus entsprechenden Lymphozytenmessungen lässt sich dann schon im Vorfeld vermuten, dass kein relevanter Antikörperresponse auf eine COVID-19-Impfung zu erwarten ist. Auch wenn wir diesen Zusammenhang zwischen CD19-Zellzahl und Antikörperantwort verstehen, lässt sich daraus nicht zwingend folgern, dass diese Patienten nicht gegen COVID-19 geimpft werden sollen. Denn selbst, wenn wir erwarten, dass die Antikörperbildung mindestens suboptimal, wenn nicht negativ ausfällt, wissen wir nicht, ob nicht zumindest eine ausreichende T-Zell-Antwort aufgebaut wird. Diese ist viel schwerer messbar als die B-Zell-Immunantwort und wird daher in der aktuellen Diskussion nur unzureichend berücksichtigt. Wir wissen aber nicht, ob nicht gerade die T-Zell-Antwort für den Impfschutz ebenso ausschlaggebend ist und eine wichtige Säule für den Impfresponse ist. Hierzu benötigen wir ebenfalls valide Daten. Jost: Wir möchten allen Patienten mit soliden Tumoren ein Impfangebot machen, unabhängig von der Frage, wer eine bessere oder schlechtere Response haben könnte. Denn dies lässt sich derzeit nur unzureichend einschätzen. Dennoch raten wir unseren Patienten auch nach der Impfung die Hygiene- und Abstandsregeln konsequent einzuhalten, um das individuelle Ansteckungsrisiko für sich selbst und andere möglichst gering zu halten. Onko News: Was weiß man bereits über das Ausmaß der humoralen und zellulären Immunität in Bezug auf die COVID-19-Impfung bei onkologischen Patienten? Jost: Es gibt dazu keine umfassenden Daten, aber diejenigen Studien, die es bislang gibt, sprechen dafür, dass Patienten mit soliden Tumoren eine verminderte zelluläre Immunantwort aufweisen. Dies betrifft sowohl die T-Zell-Response als auch die INF-g-Reaktionen, die bei Tumorpatienten niedriger sind als bei der Allgemeinbevölkerung. Welche onkologischen Patienten dies insbesondere betrifft, welche Vortherapien diese Patienten hatten, ist noch nicht ausreichend exploriert. Für die humorale Immunantwort gibt es noch weniger Daten. Hier müssen wir uns an einer Analogie an die Influenza-Impfung orientieren bei der wir sehen, dass nach schwer immunsuppressiven Therapien die humorale Reaktion auf die Impfung verzögert sein kann. Daher würden wir das bei der COVID-19-Impfung ebenfalls erwarten. Onko News: Denken Sie, dass man aufgrund der Spezifika in der Immunantwort bei onkologischen Patienten ein anderes Impfschema oder eine Fraktionierung benötigen wird? Jost: Das ist eine gute Frage. Wir wissen hier noch nicht genug über die Impfansprechraten im längeren Zeitverlauf für die verschiedenen zur Verfügung stehenden Impfstoffe. Aufgrund der Tatsache, dass Patienten mit soliden Tumoren erst nach der zweiten COVID-19-Impfung eine valide Impfreaktion aufbauen, empfehlen wir dringend, die zweite Impfung bei Krebspatienten nicht wegzulassen, wie es etwa in England für die Normalbevölkerung angedacht wurde. Auch die Abstände zwischen den beiden Impfungen sollten entsprechend der Herstellerangaben gewählt werden, weil wir für diese immunsupprimierten Patienten die beste Fraktionierung und das beste Schema benötigen, um den bestmöglichen Impfschutz aufzubauen. Onko News: Ist eine Impferfolgsüberprüfung bei Krebspatienten zielführend? Jost: Derzeit wird generell eine Impferfolgsüberprüfung nicht empfohlen, da noch kein Schutzkorrelat definiert ist und das Wissen, wie diese Daten zu bewerten wäre, noch nicht gesichert ist. Daten aus Impferfolgsüberprüfungen in Einzelfällen müssten daher in jedem Fall wissenschaftlich systematisiert und ausgewertet werden. An unserem Zentrum in Graz wenden wir derzeit keine Impfüberprüfungen an, wir werden aber eine Ergebnisstudie durchführen, um hierzu valide Daten zu generieren. Generell brauchen wir jedoch große Studien, die eine Antikörperdetektion im Serum von Krebspatienten nach Impfung überprüfen um zu evaluieren inwieweit die Impfung auch tatsächlich zu relevanten Antikörpertitern geführt hat. Und es ist zu klären, ob bzw. inwieweit diese Antikörpertiter im Blut dann auch mit einer echten klinischen Immunität korrelieren – und zwar gleichermaßen für onkologische Patienten im Vergleich mit der Allgemeinbevölkerung und für onkologische Patienten unter laufender Therapie und diversen Vortherapien wie Chemotherapie, Immuntherapie und Strahlentherapie Schmitt: Derzeit blicken wir auf die ersten Impfempfänger mit onkologischem Hintergrund, die beide Teilimpfungen erhalten haben, sodass nun der richtige Zeitpunkt gekommen ist, systematisch den Impfresponse zu evaluieren. Bei einem über die Norm erhöhten Antikörpertiter sind wir derzeit nicht in der Lage abzuschätzen, wo der Cut-off für einen ausreichenden Impfschutz liegt. Wir können unseren hämatologischen und onkologischen Patienten daher derzeit die Frage, ob sie adäquat durch die COVID-19-Impfung geschützt sind, noch nicht hinreichend beantworten. Bei den Antikörper-negativen Impf-Non-Respondern ist diese Information hingegen wichtig, weil sie Patienten einmal mehr an die Einhaltung der Grundregeln von Hygiene, Maske, Abstand und Vermeidung sozialer Kontakte erinnert und darüber aufklärt, sich als „Geimpfter“ nicht in trügerischer Sicherheit zu wähnen. Ein weiteres Thema bezüglich einer systematischen, in Studien aufbereiteten Antikörpertiterbestimmung kommt erst noch auf uns zu: Titer werden ja nicht nur erzeugt, sie fallen auch wieder. Diese Abfall-Dynamik richtig zu bewerten, wird epidemiologisch für alle, aber Tumorpatienten im Besonderen, sehr wichtig werden. Dieses – noch fehlende – Wissen, wird uns helfen, Zeitpunkte für mutmaßlich notwendige Auffrischimpfungen festzulegen und diese womöglich bei Tumorpatienten früher zu setzen. Onko News: Gibt es Empfehlungen, welcher COVID-19-Impfstoff bei Krebspatienten eingesetzt werden sollte? Schmitt: Wir sind nicht in der Situation bzgl. des Impfstoffes wählen zu können. Wir verfügen immer wieder über Impfstoffkontingente für Hochrisikopatienten, die wir an unserem Zentrum in Linz Risikopatienten verimpfen können. Es gibt unter den vier in Österreich derzeit zugelassenen Impfstoffen keinen, den ich unter der Abwägung von Nutzen und Risiko nicht an hämatoonkologische Patienten verabreichen würde. Es gibt auch noch keine Daten, die belegen, dass die Intensität oder Art der Impfnebenwirkungen bei onkologischen / hämatologischen Patienten von Gesunden abweichen würden oder stärker ausgeprägt seien. Jost: In Bezug auf Wirksamkeit kann grundsätzlich jeder Impfstoff auch für Tumorpatienten verwendet werden. Die Impfnebenwirkungen, die wir sehen, sind bei Krebspatienten nicht sehr viel stärker ausgeprägt als in der Normalbevölkerung. Wie bereits erwähnt achten wir aber auf einen zeitlichen Abstand zwischen einer systemischen Tumortherapie und der COVID-19-Impfung von ca. einer Woche, damit eventuelle Nebenwirkungen nicht kumulieren und die Patienten doppelt belastet sind. Onko News: Inwieweit ist Vorsicht beim Einsatz von Kortikosteroiden in Zusammenhang mit der COVID-19-Impfung geboten und welche onkologischen Patienten betrifft das? Jost: Neben einzelnen Tumortypen wie z. B. dem Prostatakarzinom in bestimmten klinischen Situationen gibt es nur recht wenige Tumorentitäten, bei denen wir regulär Kortikosteroide einsetzen. Die meisten Tumore werden mit Kortison nur im Rahmen der Chemotherapie als unterstützende Medikation behandelt. Wir würden in diesem Fall die Kortisongabe nicht unterbrechen, wenn sie als Zusatz zur Chemotherapie benötigt wird, sondern den zeitlichen Abstand zwischen Chemotherapie und COVID-19-Impfung wahren und ggf. ausdehnen bzw. die Impfung zwischen die Chemotherapiezyklen legen. Onko News: Gibt es Patienten, die Sie aus heutiger Sicht nicht gegen COVID-19 impfen würden? Schmitt: Hier bewegen wir uns in einem ethischen Grenzbereich. Aus momentaner Perspektive und in Hinblick auf die derzeitige Impfstoffverknappung würde ich nur dann einen Krebspatienten nicht gegen COVID-19 impfen, wenn die Erkrankung bereits stark fortgeschritten ist und die Lebenserwartung des Patienten zeitlich äußerst begrenzt ist und sich auf wenige Wochen bis Monate beläuft. Eine fortgeschrittene Krebserkrankung per se ist kein Argument gegen eine COVID-19-Impfung, im Gegenteil. Jost: In dieser Fragen schließe ich mich Prof. Schmitt vollinhaltlich an. Ausschließlich Patienten, die eine bekannte Allergie gegen eine Komponente bzw. gegen einen Inhaltsstoff des Impfstoffs aufweisen, sollten nach derzeitigem Wissensstand nicht geimpft werden, dies ist aber unabhängig vom Vorliegen einer onkologisch / hämatologischen Grunderkrankung. Prof. Dr. Philipp A. Jost, MedUni Graz MedUni Graz × Prof. Dr. Philipp A. Jost ist Vorstand der Klinischen Abteilung für Onkologie, Medizinische Universität Graz. Prof. Dr. Clemens Schmitt, Linz privat × Prof. Dr. Clemens Schmitt ist Vorstand der Abteilung für Hämatologie und Internistische Onkologie am Kepler Universitätsklinikum in Linz.

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