Frühzeitige Diagnose essenziell bei thrombotisch-thrombozytopenischer Purpura

Mit einer Prävalenz von etwa 3:1.000.000 zählt die erworbene thrombotisch-thrombozytopenische Purpura (aTTP) zu den Orphan Diseases. Unbehandelt liegt die Letalität bei über 90%. Eine frühzeitige Diagnose der aTTP ist ausschlaggebend für ein gutes Patienten-Outcome. Oftmals aber werden die diffusen und nicht exakt zuordenbaren Symptome lediglich von Spezialisten rechtzeitig erkannt. Univ. Prof. Dr. Paul Knöbl, Klinik für Innere Medizin I, Abteilung für Hämatologie und Hämostaseologie, Medizinische Universität Wien, und Karl-Landsteiner Institut für seltene Erkrankungen in der Hämatologie, ist ein solcher Experte. psychopraxis.neuropraxis sprach mit Prof. Knöbl über die Herausforderungen und rezenten Fortschritte auf dem Gebiet der aTTP. Herr Prof. Knöbl, was genau versteht man unter einer aTTP? Knöbl: Die aTTP ist eine seltene lebensbedrohliche Erkrankung aus der Gruppe der thrombotischen Mikroangiopathien (TMA). Patienten mit akuter aTTP zählen zu den schwierigsten hämatologischen Notfällen und müssen rasch einer Behandlung zugeführt werden. Ursächlich für die Thrombusbildung ist ein Mangel der Zinkprotease ADAMTS13 (a disintegrin and metalloproteinase with a thrombospondin type 1 motif, member 13). ADAMTS13 spaltet normalerweise den von-Willebrand-Faktor (vWF), welcher essenziell für die Aktivierung und das Anheften der Thrombozyten an beschädigte Gefäßwände ist. Unterbleibt diese Spaltung, entstehen sehr lange vWF-Multimerketten. In der Folge aggregieren an diesen viele Thrombozyten, dadurch verstopfen kleine Gefäße, die Mikrozirkulation wird gestört und es entstehen erhebliche Organschäden. Der Tod ist meist kardialer oder neurologischer Natur. Der ADAMTS13 Mangel wird in den meisten Fällen durch Autoantikörper verursacht, die das Enzym blockieren. Sehr selten ist ein angeborener ADAMTS13-Mangel, der durch rezidivierende TTP-Episoden charakterisiert ist. Warum spielt die aTTP, als hämatologische Erkrankung, für Neurologen eine Rolle? Knöbl: Dies liegt in der Vielfalt der Beschwerden begründet, mit denen Patienten erstmalig vorstellig werden. Wir beobachten fast immer neurologische Symptome wie Kopfschmerzen, Verwirrung, motorische Ausfälle, Sensibilitätsverlust und zerebrale Abnormitäten. Diese neurologischen Symptome sind oft unspezifisch und können sich in Ausprägung und Intensität rasch ändern. Aber auch kardiale Symptome (myokardiale Minderperfusion, Enzymerhöhungen, EKG-Veränderungen oder Rhythmusstörungen) sowie renale Funktionseinschränkungen sind häufig. Hinweisend auf aTTP sind zudem Laborveränderungen (Kombination aus Thrombozytopenie und mikroangiopathischer hämolytischer Anämie mit Erythrozytenfragmentierung). Welche Auslöser für eine aTTP sind bekannt? Knöbl: In den meisten Fällen findet man keine eindeutige Ursache, aber besonders Schwangerschaften oder Infektionen können solche Autoimmunerkrankungen auslösen. Sehr ähnliche Symptome, aber eine komplett andere Pathophysiologie (ohne ADAMTS13 Mangel) haben andere Formen von TMAs, die bei Tumorerkrankungen, bestimmten Medikamenten oder nach Organ- oder Blutstammzelltransplantationen auftreten können. Wie kann eine Verdachtsdiagnose bestätigt werden? Knöbl: Die diagnostische Aufarbeitung umfasst ein klinisches Screening der Organfunktionen, insbesondere von Gehirn, Herz, Nieren und Metabolik. Erforderlich sind zudem ein Differentialblutbild, Serumchemie, Troponin, Fragmentozyten und Retikulozyten, Haptoglobin, Lipase, Gerinnungsparameter, Harnanalyse, Blutgruppenbestimmung, direkter Coombs-Test, ADAMTS13-Aktivität, Stuhlanalyse auf Shiga-Toxin und Virologie. Auf diese Weise lassen sich Differentialdiagnosen abklären und andere TMA-Formen ausschließen. Wichtig ist, dass die Behandlung durch die Diagnostik nicht verzögert wird. Falls die ADAMTS13-Aktivität nicht rasch verfügbar ist, kann die Wahrscheinlichkeit eines Mangels mithilfe des PLASMIC- Scores abgeschätzt werden. Wie wird eine aTTP behandelt? Knöbl: Optimalerweise wird möglichst früh ein Spezialist für die TTP hinzugezogen. Bei Verdacht auf einen ADAMTS13-Mangel ist der sofortige Therapiebeginn mit Caplacizumab indiziert. Die tägliche Plasma-Austauschtherapie, die bis vor kurzem noch Standard war, tritt zunehmend in den Hintergrund und wird nur mehr bei klinischer Notwendigkeit durchgeführt. Hinzu kommt eine immunsuppressive Therapie mit Methylprednisolon 1 mg/kg für 7–21 Tage, sowie Rituximab. Supportivmaßnahmen beinhalten unter anderem Folat-Substitution, Thromboseprophylaxe und Monitoring von Katheterinfektionen. Quelle: Springermedizin.de

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