Erhöhtes Schilddrüsenkrebsrisiko könnte mit mehr Außenlichtexposition zusammenhängen

Wo es nachts draußen besonders hell ist, erkranken besonders viele Frauen an Schilddrüsenkrebs. Dass die nächtliche Beleuchtung für die steigende Inzidenz von Schilddrüsentumoren relevant ist, darf aber bezweifelt werden. Weshalb sich die Inzidenz von Schilddrüsenkrebs in Industrieländern in den vergangenen 50 Jahren verdreifacht hat, ist noch immer ein Rätsel. Immerhin schwächte sich der Trend zuletzt ab und die Inzidenz scheint langsam wieder zu sinken. Die üblichen Verdächtigen wie eine verbesserte Diagnostik, eine alternde Bevölkerung und die Adipositasepidemie können die deutlich gestiegene Inzidenz aber nicht ausreichend erklären, berichten Präventionsmediziner um Dr. Dong Zhang von der University of Arkansas in Little Rock. Eine mögliche Ursache ist vielleicht ein gestörter Tag-Wach-Rhythmus: Die Menschen machen immer mehr die Nacht zum Tag, schlafen deutlich weniger als früher und genehmigen sich abends oft noch eine melatoninabbauende Blaulichtdusche über ihre Handys, Tablets, Computer und Fernseher. Zirkadiane Störungen gelten schon seit einiger Zeit als Risikofaktor für bestimmte Tumoren, darunter Brustkrebs und eben auch Schilddrüsenkrebs. Viel nächtliches Licht könnte also das Risiko für Schilddrüsentumoren steigern. Das Team um Zhang verdächtigt allerdings weniger Smartphones und Tablets als vielmehr die Straßen- und Außenbeleuchtung: Überall dort, wo es draußen in der Nacht besonders hell ist, erkranken Menschen vermehrt an Schilddrüsentumoren, und hell ist es nachts natürlich vor allem in den dicht besiedelten Stadt- und Ballungszentren. Reiche Menschen leben eher im Dunklen Die Forscher um Zhang haben zum einen Angaben einer großen Kohortenstudie (NIH-AARP) ausgewertet, die in den Jahren 1995 und 1996 begann und knapp 570.000 Personen im Alter von 50–71 Jahren berücksichtigte. Sie stammten aus sechs US-Staaten sowie den Metropolregionen Atlanta und Detroit. Alle Teilnehmer füllten einen Fragebogen zu Lebensstil und soziodemografischen Faktoren aus. Berücksichtigt wurden nur Personen ohne Krebsdiagnose zu Beginn und mit durchgehend bekannten Adressen; letztlich konnten die Experten Angaben zu 464.000 Personen auswerten. Zum anderen schauten sie sich die nächtlichen Lichtverhältnisse an den Wohnorten der Teilnehmer anhand von Satellitendaten an, diese ermöglichen eine räumliche Auflösung von rund einem Kilometer. Die nächtliche Beleuchtung variierte beträchtlich: Im Quintil mit dem meisten Licht war es rund 15-mal heller (75 versus 5 nW/cm2/sr) als im dunkelsten Quintil. Zudem unterschied sich die Bevölkerung deutlich: Im Quintil mit der stärksten nächtlichen Außenbeleuchtung rauchten die Studienteilnehmer eher, waren körperlich weniger aktiv, schliefen weniger, tranken mehr Alkohol und waren häufiger an Diabetes erkrankt als die Teilnehmer in den dunkelsten Vierteln. Letztere waren sozioökonomisch bessergestellt und lebten in wohlhabenderen Gebieten mit höheren Eigentumspreisen. Die nächtlichen Außenlichtverhältnisse spiegelten in gewissem Maße also Wohlstand und Lebensstil wider. Krebsrisiko nur für Frauen erhöht Im Laufe von knapp 13 Nachbeobachtungsjahren konnten die Forscher anhand von Krebsregistern 856 Personen einen neu diagnostizierten Schilddrüsentumor zuordnen. Unter Berücksichtigung bekannter Lebensstil- und soziodemografischer Faktoren war die Erkrankungsrate im Quintil mit der stärksten nächtlichen Beleuchtung um 55% höher als in den dunkelsten Ecken. Besonders erhöht war die Rate unter Frauen (plus 81%) weniger unter Männern (plus 29%), bei ihnen erwies sich der Zusammenhang als nicht statistisch signifikant. Wurden nur papilläre Tumoren betrachtet, kamen die Forscher für Frauen in den nachthellsten Bezirken auf ein mehr als verdoppeltes Erkrankungsrisiko, Männer wiesen dort hingegen keine Häufung solcher Tumoren auf. Die Forscher um Zhang vermuten anhand ihrer Daten, dass die nächtliche Außenbeleuchtung einen Einfluss auf das Schilddrüsenkrebsrisiko haben könnte, dies sei auch biologisch plausibel, da viel nächtliches Licht die zirkadiane Rhythmik störe. Weniger plausibel ist aber, weshalb dann nicht eher die nächtliche Innenbeleuchtung relevant sein soll, der sind die Bewohner doch in einem viel stärkeren Maße ausgesetzt. Möglicherweise verbringen die Bewohner in den ärmeren, dichter besiedelten und daher auch stärker beleuchteten Stadtvierteln einfach mehr Zeit mit ihren elektronischen Geräten als die Bewohner der Vorstadthäuser, oder es gibt noch relevantere Risikofaktoren, die viel mit Lebensstil und Einkommen zu tun haben und wenig mit der Zahl der Straßenlaternen in der Umgebung. Quelle: Zhang D et al.: Associations Between Artificial Light at Night and Risk for Thyroid Cancer: A Large US Cohort Study. Cancer 2021; https://doi.org/10.1002/cncr.33392

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