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Ärzte Woche

13.05.2024 | Notfall + Rettungsmedizin

„Das Feuer brennt noch“

verfasst von: Stefan Schocher

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Das heimische Rote Kreuz ist 144 Jahre alt. Der unrunde und dennoch runde Geburtstag steht im Zeichen von Klimakrise und Kriegen, die auch in der Bewegung für Unruhe sorgen.

144 Jahre – so alt ist das Österreichische Rote Kreuz. Die Pflege von Kriegsverwundeten, Waisen und die Versorgung von Witwen – das waren ursprünglich die Kernaufgaben. Und 144 Jahre später: Da ist aus der „Österreichischen Gesellschaft vom Rothen Kreuze“, so lautete der damalige Gründungsname, eine humanitäre Dampfmaschine geworden, ein Standbein, eine Säule des sozialen und humanitären Leben des Landes. Denn: Ohne ÖRK kein Spenderblut, ohne ÖRK ein nur sehr eingeschränkter Rettungsdienst, das ÖRK arbeitet international in der Katastrophen- und Krisenhilfe. In Zahlen waren das im Jahr 2023: 3,5 Millionen Fahrten im Rettungsdienst, 102.000 Personen die über Pflege- und Gesundheitsdienste betreut wurden und 157.000 Liter Spenderblut. All das bewerkstelligt von 11.000 hauptberuflichen Mitarbeitern, 4.000 Zivildienern, und vor allem: 75.000 Freiwilligen.

„Das Feuer der Freiwilligkeit ist auch nach 144 Jahren nicht erloschen“, sagte Gerald Schöpfer, Präsident des ÖRK unlängst. Österreich sei vielleicht „ein kleines Land“ aber doch immerhin eine „humanitäre Großmacht“.

Eine, die vor Herausforderungen steht. Und so dürfte der momentane Umfang an Aktivitäten auch längst nicht das Ende der Fahnenstange sein. Neue Zeiten, neue Krisen. „Hitzewellen, Dürren, Stürme und Starkregen-Ereignisse werden für unsere Gesellschaft zu einer immer größeren Belastung – psychisch, körperlich und materiell“, sagte Vizepräsidentin Anja Oberkofler. Die Klimakatastrophe werde „uns in Österreich und weltweit vor enorme Herausforderungen stellen“.

Klimakatastrophe verändert unsere Gesellschaft tiefgreifend

Wenn man flächendeckend arbeitet und in allen Ecken und Winkeln des Landes vertreten ist, dann kann man in einer Lage wieder dieser auch solche Projekte voran treiben: Um einen besseren Überblick über die Hitzesituation zu bekommen, sollen Rotkreuz-Fahrzeuge künftig mit Wärmesensoren ausgestattet, um eine Hitzekarte erstellen zu können. Auf diesem Weg sollen Hitze-Hot-Spots ausfindig gemacht werden – weit detaillierter, als das über klassische Wetteraufzeichnungen momentan möglich ist. Und auch Drohen will das RK künftig einsetzen, um etwa Vermisste in unwegsamem Gelände zu suchen.

„Krisen und Katastrophen machen etwas mit unserer Gesellschaft“, so Anja Oberkofler.

Und Krisen und Katastrophen machen auch etwas mit dem Roten Kreuz. Denn so fest verankert es in Österreich auch ist, im Gebälk des Internationalen Roten Kreuzes knirscht es. Menschlichkeit, Unparteilichkeit, Neutralität, Unabhängigkeit, Freiwilligkeit, Einheit, Universalität – so lauten die Grundsätze der internationalen Rot-Kreuz-Bewegung. Diese Worte mit Inhalt zu füllen, ist zu einer Herausforderung geworden in Kriegs- und Krisenzeiten.

Und so ist aktuell zum Beispiel Gegenstand von Untersuchungen, wie es das russische Rote Kreuz mit diesen Grundsätzen hält. Die Vorwürfe wiegen schwer: Von offener Unterstützung des Ukraine-Krieges Russlands bis zur Hilfe bei der militärischen Ausbildung von Kindern und Jugendlichen durch das russische Regime. Mehrere russische RK-Vertreter lobten Russlands Krieg ungefragt offen und laut. Eine Vorständin wünschte den Soldaten zum Beispiel „Sieg, Sieg, Sieg an allen Fronten“. Und personell gibt es enge Überschneidungen mit der Allrussischen Volksfront, die zum Beispiel die Urheberrechte am „Z“-Symbol hält. Das strahlt aus: Erst einmal in die Ukraine, wo die nationale RK-Gesellschaft aber auch das Internationale Komitee vom Rote Kreuz einen schweren Stand haben, aber eben auch weiter.

Aber mit den Aufgaben wachsen die Ausgaben – zunächst einmal ungeachtet der Turbulenzen. Und vor allem: Weil man das Vertrauen der Menschen habe, sagte Präsident Schöpfer. „2023 war für das ÖRK das finanziell intensivste Jahr in der internationalen Arbeit“, erläuterte Michael Opriesnig, Generalsekretär des Österreichischen Roten Kreuzes. Satte 56 Millionen Euro wurden in Summe umgesetzt. Das lag an den mannigfaltigen Krisen. Aber nicht zuletzt eben am Einsatz in der Ukraine. Zwölf Personen hatte das ÖRK in der Ukraine permanent stationiert. Mit großen Projekte war das ÖRK aber auch im Libanon oder Ruanda.

Eine „emotional aufgeladene öffentliche Diskussion“ tobe um die aktuelle Konflikte, sagte Michael Opriesnig. Gerade daher „müssen wir unsere Neutralität wahren“, teilte der Generalsekretär über die Arbeit des RK mit. Denn erst „dieses Grundprinzip ermöglicht es uns, Menschen zu erreichen“. Dieses Grundprinzip zu wahren, angesichts der tiefen gesellschaftlichen Risse, wird aber eben zunehmend zum Drahtseilakt.

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Metadaten
Titel
„Das Feuer brennt noch“
Publikationsdatum
13.05.2024
Zeitung
Ärzte Woche
Ausgabe 21/2024