Neurosonographie als Schlüsselelement in der ätiologischen Abklärung des ischämischen Schlaganfalls
Der Einsatz der Neurosonographie hat sich als Standarduntersuchung der ätiologischen Abklärung des ischämischen Schlaganfalls etabliert. Etwa 25 % aller ischämischen Schlaganfälle werden durch makrovaskuläre Pathologien verursacht. Ein wesentlicher Fokus der neurosonographischen Untersuchung liegt dahingehend auf der Detektion von hochgradigen Stenosen oder Verschlüssen der hirnversorgenden Gefäße. Die Ultraschalluntersuchung ist die geeignete Modalität, um neben dem Stenosegrad die Echogenität und Oberfläche von atherosklerotischen Plaques zu beurteilen. Das ist von besonderer Bedeutung bei der Beurteilung von Veränderungen an der extrakraniellen Karotis.
Jeder 4. ischämische Schlaganfall kann trotz umfassender Abklärung keiner eindeutigen Ätiologie zugeordnet werden. Rezente Studien zeigten, dass ein relevanter Anteil initial kryptogener Schlaganfälle durch ipsilaterale niedriggradige Karotisstenosen, also durch atherosklerotische Veränderungen mit unter 50 %iger Lumeneinengung, hervorgerufen wird. So konnten verschiedene Charakteristika der Plaquemorphologie identifiziert werden, die mit einem besonders hohen Risiko einer arterioarteriellen Embolie und einem konsekutiven Schlaganfallgeschehen assoziiert sind (Abb. 1a–d; [1‐3]). Diese Plaques werden als Risikoplaques bezeichnet. Für die Identifikation von Risikoplaques sollte der genauen Darstellung des entsprechenden Gefäßes im „brightness mode“ (B-Mode) besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden.
×
Anzeige
Folgende Charakteristika kennzeichnen eine Plaque mit erhöhtem arterioarteriell embolischem Risiko: [1, 4]
-
Die ulzerierte atherosklerotische Plaque: Diese beschreibt einen Einbruch der Plaqueoberfläche um zumindest 2 mm (Tiefe oder Breite) (Abb. 1a)
-
Die hypo-/anechogene Plaque: Diese ist durch einen > 50 % an- oder hypoechogenen Anteil charakterisiert und weist auf eine stark lipidhaltige oder eingeblutete Plaque hin. (Abb. 1b)
-
Die mobile Plaqueformation: Darunter versteht man eine mobile Komponente in oder an der Oberfläche einer Plaque; diese kann im Ultraschall besonders gut beurteilt werden. (Abb. 1c, d)
Die Identifikation der vom Stenosegrad unabhängigen Risikofaktoren der Plaquemorphologie rechtfertigt bei entsprechendem Schlaganfallmuster und fehlenden konkurrierenden Ursachen im Einzelfall auch weitere Überlegungen hinsichtlich Sekundärprophylaxe und interventionellen Maßnahmen wie Karotisthrombendarteriektomie oder Stent-PTA [5].
Fallbeispiel 1
Ein 69-jähriger Mann wird mit passagerer Parese der rechten oberen Extremität in der Notaufnahme vorstellig. Die Symptomatik habe etwa eine Stunde angehalten. Klinisch besteht somit der Verdacht auf eine transiente ischämische Attacke im Karotisstromgebiet links. Anamnestisch lässt sich ein Zustand nach linkshemisphäriellem Hirninfarkt vor 3 Wochen erheben, die Ätiologie des Schlaganfallgeschehens wurde nicht identifiziert. Der Patient wurde bei Minor Stroke unter dualer Thrombozytenfunktionshemmung (bei Aufnahme noch bestehend) entlassen; zudem besteht eine hochpotente Statintherapie. In der Magnetresonanztomographie zeigen sich rezente punktförmige, disseminierte Infarkte im Bereich der Grenzzone links. MR-angiographisch zeigen sich keine mittel- oder höhergradigen Stenosen.
Im Rahmen der neuerlichen Untersuchung im Ultraschalllabor finden sich im B‑Bild Auffälligkeiten im Abgangsbereich der linken A. carotis interna (Abb. 1b), im Sinne einer überwiegend anechogenen Plaque. Diese war weder intra- noch poststenotisch hämodynamisch relevant (40 % nach ECST), erschien jedoch auf Basis von Verlauf und Lokalisation (Rezidivereignis im selben vaskulären Territorium unter dualer Thrombozytenfunktionshemmung/hochpotenter Statintherapie) als wahrscheinliche Schlaganfallursache. Bei fehlenden konkurrierenden Ätiologien wurde im Einzelfall nach interdisziplinärer Diskussion die operative gefäßchirurgische Sanierung durchgeführt. Es traten über das Follow-up keine neuerlichen Ereignisse auf.
Anzeige
Einsatz der Neurosonographie in der Verlaufskontrolle nach gefäßrekanalisierenden Therapien
Die Durchführung der mechanischen Thrombektomie als Akuttherapie beim ischämischen Schlaganfall und zugrunde liegendem Großgefäßverschluss hat sich in den letzten Jahren als Routinetherapie etabliert und das Ergebnis dieser Patient:innenkohorte maßgeblich verbessert [6]. Umso wichtiger ist demnach das frühzeitige Erkennen und das Management periinterventioneller Komplikationen. Studien konnten zeigen, dass etwa ein Drittel aller Patient:innen nach mechanischer Thrombektomie Störungen der zerebralen Hämodynamik aufweisen. Ähnliche Phänomene wurden auch als seltene Komplikation nach Karotisthrombendarteriektomien oder nach Stent-PTA der hirnzuführenden Gefäße beobachtet [7, 8].
Veränderungen der Hämodynamik können sowohl mit transkranieller Dopplersonographie als auch mit Perfusionssequenzen der Magnetresonanztomographie dargestellt werden. Sonographiebasiert werden dazu die intrakraniellen Gefäßabschnitte insoniert und die Geschwindigkeiten beider A. cerebri mediae miteinander verglichen. Eine Erhöhung der Strömungsbeschleunigung von 30 % oder mehr (interveniertes versus kontralaterales Gefäß; MCA Index > 1,3) zeigt dabei eine Hyperperfusion an [9]. Die Hyperperfusion betrifft alle Abschnitte eines Gefäßes. Dieses Merkmal ist essenziell, um sie von fokalen Phänomenen wie Stenosen oder Vasospasmen abgrenzen zu können.
Das Hyperperfusionssyndrom ist eine schwere Komplikation nach Gefäßrekanalisation
Strömungsbeschleunigungen im Sinne einer Hyperperfusion sind mit einem erhöhten Risiko für Einblutungen im Infarktareal und Ödembildung assoziiert (Hyperperfusionssyndrom) [8, 10]. Das Blutdruckmanagement ist in diesen Fällen von besonderer Bedeutung, wobei ein Zielbereich von 120–140 mm Hg systolisch anzustreben ist. Eine strengere Blutdrucksenkung ist nicht indiziert. So wurden Blutdruckwerte < 100 mm Hg systolisch mit einem schlechten Ergebnis assoziiert.
Neben der Hyperperfusion ist auch eine Verminderung der Strömungsgeschwindigkeit von 30 % oder mehr (interveniertes versus kontralaterales Gefäß), im Sinne einer Hypoperfusion, mit einem schlechteren Ergebnis nach endovaskulärer Therapie verbunden. In diesen Fällen ist es von besonderer Bedeutung, Blutdruckabfälle strikt zu vermeiden.
Zusammenfassend ist sowohl das Auftreten von Hyper- als auch von Hypoperfusion nach gefäßrekanalisierenden Therapien mit einem schlechteren Ergebnis assoziiert. Patient:innen mit seitengleicher Perfusion weisen eine bessere Prognose auf. Die transkranielle Dopplersonographie ist als schnell durchführbare Bedside-Untersuchung die geeignete Methode, mögliche Störungen der Hämodynamik frühzeitig erkennen zu können. So können Risikopatient:innen identifiziert und Therapiekonzepte entsprechend angepasst werden [11].
Fallbeispiel 2
Eine 73-jährige Patientin wurde nach erfolgreicher mechanischer Thrombektomie eines M1-Verschlusses rechts (TICI 3) auf der Stroke Unit aufgenommen (Abb. 2c). Am Tag nach erfolgreicher Intervention zeigt sich in der transkraniellen Bedside-Sonographie eine Strömungsbeschleunigung im intervenierten Gefäß (114 cm/s ipsilateral versus 64 cm/s kontralateral, Abb. 2a, b) mit einem Index von 1,78. Diese war im gesamten einsehbaren M1-Segment sowie proximalen M2-Segment der A. cerebri media ersichtlich. Korrelierend dazu zeigt sich in der Magnetresonanztomographie eine Hyperperfusion im Infarktareal mit Einblutungszeichen (Abb. 2d, e).
×
Rechts-Links-Shunt-Diagnostik mit transkraniellem Ultraschall
Die ätiologische Abklärung von juvenilen Schlaganfällen stellt eine besondere Herausforderung in der Schlaganfallmedizin dar. Liegt ein embolisches, kortikales Schlaganfallmuster vor und bleibt die Schlaganfallursache nach initialer Diagnostik unklar, so empfiehlt es sich, bei Patient:innen unter 60 Jahren nach einem Rechts-Links-Shunt auf Basis eines persistierenden Foramen ovale (PFO) zu suchen.
Anzeige
Die transösophageale Echokardiographie gilt in der Diagnostik des PFO als Diagnostik der Wahl. Eine diagnostische Alternative stellt die Rechts-Links-Shunt-Detektion mittels transkraniellen Ultraschalls, dem sog. „Bubble-Test“, dar [12, 13].
Dabei wird die A. cerebri media auf einer oder beiden Seiten insoniert und dem Patienten/der Patientin über einen venösen Zugang ein Gemisch aus Eigenblut, Luft und isotoner Natriumchloridlösung injiziert. Alternativ können auch Ultraschallkontrastmittel verwendet werden. Die Sensitivität und Spezifität des diagnostischen Tests wird allerdings durch das Verwenden von Eigenblut erhöht [12]. Ist der Test positiv, so lassen sich über die Insonation der mittleren Hirnarterie transiente Mikroemboliesignale darstellen (Abb. 3). Dabei werden spontan auftretende Mikroemboliesignale von Mikroemboliesignalen nach Vasalva-Manöver unterschieden. Das Auftreten von mehr als 10 Mikroemboliesignalen charakterisiert ein großes zugrunde liegendes Shuntvolumen [12].
×
Transiente Mikroemboliesignale zeigen einen Rechts-Links-Shunt an
Die Rechts-Links-Shunt-Diagnostik mittels transkraniellem Ultraschall hat eine hohe diagnostische Genauigkeit, die beinahe der transösophagealen Echokardiographie entspricht. Hervorzuheben ist die exzellente Sensitivität, wodurch sich die Untersuchung als einfache Bedside-Methode ideal zum diagnostischen Screening eignet. In weiterer Folge sollte nach positivem Bubble-Test die Durchführung einer transösophagealen Echokardiographie ergänzt werden. Dadurch ist die direkte Darstellbarkeit des PFO inklusive seiner Größe, die Abgrenzung zu einem (seltenen) pulmonalen Shunt sowie die Erhebung etwaiger zusätzlicher Risikokonstellationen wie eines Vorhofseptumaneurysmas möglich [14].
Anzeige
Fallbeispiel 3
Eine 32-jährige Frau wird mit einer Schwäche der linken Halbseite und einer Dysarthrie vorstellig. Nach erfolgter Akuttherapie mit intravenöser Thrombolyse wird die Patientin an der Stroke Unit aufgenommen. Mittels Magnetresonanztomographie lässt sich ein ischämischer, vorwiegend kortikal disseminierter Infarkt im Mediastromgebiet rechts diagnostizieren. Es bestehen keine vaskulären Risikofaktoren. Die Patientin ist Nichtraucherin und die Familienanamnese hinsichtlich juveniler Schlaganfälle oder anderer thrombotischer Ereignisse ist leer. Der Schlaganfall sei im Rahmen einer sportlichen Betätigung aufgetreten.
Nach erfolgter unauffälliger Routineabklärung wird auf der Stroke Unit ein transkranieller Ultraschall mit Rechts-Links-Shunt-Diagnostik durchgeführt. Dabei lassen sich bereits spontan Mikroemboliesignale darstellen (Abb. 3a). Nach Valsava-Manöver zeigt sich ein „shower“ an unzähligen Mikroemboliesignalen (Abb. 3b). Die Diagnose eines persistierenden Foramen ovale bestätigt sich in einer ergänzend durchgeführten transösophagealen Echokardiographie. Bei einem ROPE-Score von 9 Punkten wird ein katheterinterventioneller Verschluss indiziert.
Fazit für die Praxis
-
Rezente Entwicklungen unterstreichen die Bedeutung der Neurosonographie als einfache Bedside-Diagnostik in der Stroke Unit.
-
Die morphologische Beurteilung von Karotisplaques stellt eine Domäne des Ultraschalls dar und sollte zur Abschätzung des individuellen arterioarteriellen embolischen Risikos komplementär zu CTA/MRA Verwendung finden.
-
Ulzerierte, hypo-/anechogene oder mobile Plaqueanteile stellen unabhängig vom Stenosegrad ein Risiko für arterioarterielle Embolien dar und charakterisieren die sogenannte Risikoplaque.
-
Der Einsatz der Neurosonographie nach gefäßrekanalisierenden Therapien ist die einfachste Modalität, um häufige periinterventionelle Veränderungen der zerebralen Hämodynamik frühzeitig zu erkennen.
-
Eine Hyperperfusion muss von fokalen Strömungsbeschleunigungen wie Stenosen oder Vasospasmen unterschieden werden.
-
Mithilfe des transkraniellen Ultraschalls kann ein „Bubble-Test“ zur Beurteilung eines Rechts-Links-Shunts durchgeführt werden. Die hohe Sensitivität unterstreicht seine Bedeutung als einfachen Screeningtest.
Einhaltung ethischer Richtlinien
Interessenkonflikt
M. Haidegger und M. Kneihsl geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Anzeige
Für diesen Beitrag wurden von den Autor/-innen keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.
Open Access Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden. Die in diesem Artikel enthaltenen Bilder und sonstiges Drittmaterial unterliegen ebenfalls der genannten Creative Commons Lizenz, sofern sich aus der Abbildungslegende nichts anderes ergibt. Sofern das betreffende Material nicht unter der genannten Creative Commons Lizenz steht und die betreffende Handlung nicht nach gesetzlichen Vorschriften erlaubt ist, ist für die oben aufgeführten Weiterverwendungen des Materials die Einwilligung des jeweiligen Rechteinhabers einzuholen. Weitere Details zur Lizenz entnehmen Sie bitte der Lizenzinformation auf http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de.
Hinweis des Verlags
Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.