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Open Access 06.05.2025 | Schon gewusst….?

Neue Guideline zum Management der prämaturen Ovarialinsuffizienz (POI)

verfasst von: Prof. Dr. Petra Stute

Erschienen in: Journal für Gynäkologische Endokrinologie/Schweiz

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Nachdruck mit freundlicher Genehmigung aus dem Newsletter der Deutschen Menopause Gesellschaft e. V. und der Schweizerischen Gesellschaft für Gynäkologische Endokrinologie und Menopause.
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Hinweis des Verlags

Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.
Originalpublikation
Panay N, Anderson RA, Bennie A, Cedars M, Davies M, Ee C, Gravholt CH, Kalantaridou S, Kallen A, Kim KQ, Misrahi M, Mousa A, Nappi RE, Rocca WA, Ruan X, Teede H, Vermeulen N, Vogt E, Vincent AJ; ESHRE, ASRM, CREWHIRL, and IMS Guideline Group on POI (2024) Evidence-based guideline: premature ovarian insufficiency. Hum Reprod Open. 2024(4):hoae065. https://​doi.​org/​10.​1093/​hropen/​hoae065.
Hintergrund.
Die prämature Ovarialinsuffizienz (POI) stellt eine grosse Herausforderung für die Gesundheit von Frauen dar und hat weitreichende körperliche und emotionale Folgen. Zu den möglichen Folgen gehören negative Auswirkungen auf die Lebensqualität, die Fertilität sowie die Knochen‑, Herz-Kreislauf- und Kognitionsgesundheit. Obwohl eine Hormontherapie (HT) einige dieser Auswirkungen lindern kann, sind noch viele Fragen zur optimalen Behandlung einer POI offen. Die Leitlinie wurde gemäss der strukturierten Methodik zur Entwicklung von ESHRE-Leitlinien entwickelt.
Relevante Aspekte zur POI-Diagnostik.
1.
Definition der POI: Verlust der ovariellen Aktivität vor dem 40. Lebensjahr, gekennzeichnet durch Oligo‑/Amenorrhoe, erhöhte Gonadotropin- und niedrige Östradiol (E2)-Serumspiegel.
 
2.
Prävalenz der nicht-iatrogenen POI in der Allgemeinbevölkerung: Der Range liegt zwischen 1 % in älteren Studien und 3,5 % in neueren Veröffentlichungen.
 
3.
Modifizierbare Risikofaktoren für eine POI: Gynäkologische Operationspraxis, Lebensstilfaktoren wie Rauchen, Behandlungsschemata für maligne und chronische Krankheiten.
 
4.
Diagnostische Kriterien einer POI: gestörte Menstruationszyklen (spontane Amenorrhoe oder unregelmässige Menstruationszyklen) über einen Zeitraum von mindestens 4 Monaten und eine erhöhte FSH-Konzentration > 25 IU/l. Die FSH-Bestimmung sollte nach 4–6 Wochen wiederholt werden, wenn diagnostische Unsicherheit besteht. FSH-Tests zur Diagnose einer POI müssen nicht an einen bestimmten Tag des Menstruationszyklus gebunden sein. Eine POI sollte nicht auf der Grundlage der E2- oder AMH-Serumkonzentration diagnostiziert werden.
 
5.
Differentialdiagnostische Überlegungen: Bei Frauen mit Amenorrhoe sollte eine Schwangerschaft ausgeschlossen werden. Die Anwendung einer Hormontherapie (einschliesslich orale, injizierbare oder lang wirkende Kontrazeptiva) kann eine Amenorrhoe oder unregelmässige Menstruationszyklen verschleiern oder verursachen und möglicherweise die FSH-Serumkonzentration senken. Einige Hormontherapien (z. B. kombinierte orale Kontrazeptiva) müssen möglicherweise abgesetzt werden, bevor eine POI-Diagnose bestätigt werden kann. Frauen, die vor dem 40. Lebensjahr einer beidseitigen Salpingo-Oophorektomie (BSO) unterzogen wurden, haben eine Diagnose POI, und es sind keine zusätzlichen diagnostischen Tests erforderlich.
 
6.
Abklärung von Ursachen für eine nicht-iatrogene POI:
a)
Genetische Tests: Chromosomenanalyse, FMR1-Prämutationstest (Fragiles-X-Syndrom-Gen), ggf. zusätzliche Gentests (z. B. Next-Generation-DNA-Test).
 
b)
Screening auf 21-Hydroxylase-Autoantikörper (21OH-Abs); Frauen mit einer POI und positiven 21OH-Antikörpern sollten zur Abklärung der Nebennierenfunktion an die internistische Endokrinologie überwiesen werden. Wenn 21OH-Antikörper bei Frauen mit einer POI negativ sind, besteht keine Indikation für eine Wiederholung der Untersuchung im späteren Leben, es sei denn, es treten Anzeichen oder Symptome einer Nebenniereninsuffizienz auf.
 
c)
TSH-Bestimmung alle 5 Jahre und Wiederholung bei Auftreten von Symptomen. Frauen mit POI und abnormalen TSH-Werten sollten auf Schilddrüsenhormonstörungen untersucht und behandelt werden.
 
d)
Kein Screening auf antiovarielle Autoantikörper,
 
 
7.
Beratung von Angehörigen von Frauen mit einer POI:
a)
Angehörigen von Frauen mit FMR1-Prämutation oder anderen identifizierten genetischen Ursachen einer POI sollte eine genetische Beratung und Untersuchung angeboten werden.
 
b)
Weibliche Verwandte (z. B. Schwestern oder Töchter) von Frauen mit nicht-iatrogener POI sollten darüber informiert werden, dass sie ein erhöhtes Risiko haben, selbst an einer POI zu erkranken; eine Testung der Ovarialreserve kann hilfreich sein.
 
c)
Weibliche Verwandte (z. B. Schwestern oder Töchter) von Frauen mit nicht-iatrogener POI sollten über die Anzeichen und Symptome einer POI aufgeklärt werden und bei Auftreten unverzüglich ärztlichen Rat einholen.
 
d)
Weibliche Verwandte (z. B. Schwestern oder Töchter) von Frauen mit nicht-iatrogener POI sollten darüber informiert werden, dass es keine etablierten Methoden zur Vorhersage oder Verhinderung einer POI gibt. Einige Angehörige möchten möglicherweise Optionen der Familienplanung und Fertilitätserhaltung in Betracht ziehen.
 
 
Management der POI.
  • Frauen mit einer POI sollten darüber informiert werden, dass eine POI ohne HT mit einer verkürzten Lebenserwartung verbunden ist, die hauptsächlich auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen zurückzuführen ist.
  • Frauen mit einer POI sollten darüber informiert werden, dass sie ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen haben, einschliesslich koronarer Herzkrankheit, Herzinsuffizienz und Schlaganfall.
  • Alle Frauen, bei denen das Turner-Syndrom diagnostiziert wurde, sollten von einem Kardiologen mit Erfahrung auf dem Gebiet der angeborenen Herzfehler untersucht werden.
  • Eine HRT wird für Frauen mit Östrogenmangel bis zum üblichen Menopausenalter als Primärprävention empfohlen, um das Morbiditäts- und Mortalitätsrisiko zu senken, unabhängig davon, ob Symptome eines Östrogenmangels vorliegen oder nicht.
  • Eine Östrogentherapie hat positive kardiometabolische Effekte, die das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen beeinflussen können. Eine Unterbrechung der Östrogentherapie ist mit einem erhöhten Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse und Mortalität verbunden, weshalb eine Östrogentherapie bis zum üblichen Menopausenalter empfohlen wird.
  • Alle Frauen mit einer POI sollten zum Zeitpunkt der Diagnose ein Lipidprofil und ein Diabetes-Screening erhalten. Danach sollte sich die Häufigkeit der Messungen nach dem Vorliegen von Hyperlipidämie, Hyperglykämie und zusätzlichen Risikofaktoren oder nach dem kardiovaskulären Gesamtrisiko richten.
  • Frauen mit einer POI sollten darüber informiert werden, dass es keine Massnahmen gibt, die nachweislich die Eierstockaktivität und die natürliche Empfängnisrate erhöhen.
  • Bei iatrogenen Ursachen einer POI kann vor der Behandlung eine Fertilitätserhaltung in Betracht gezogen werden. Bei den meisten Frauen mit nicht-iatrogener POI gibt es keine Möglichkeit der Fertilitätserhaltung, da der Follikelpool erschöpft ist.
  • Frauen mit einer POI haben ein erhöhtes Risiko für Osteoporose und Knochenbrüche im späteren Leben.
  • Bei der Diagnose einer POI wird die Messung der Knochenmineraldichte mittels Dual-Röntgen-Absorptiometrie (DXA) empfohlen.
  • Wenn die Knochenmineraldichte normal ist und eine adäquate systemische HT eingeleitet und eingehalten wird (s. unten), ist der Wert einer wiederholten DXA-Untersuchung innerhalb von 5 Jahren gering.
  • Bei Frauen mit einer POI, die an Osteoporose leiden oder eine niedrige Knochendichte haben, sollte die Knochenmineraldichte in Abhängigkeit von den individuellen Risikofaktoren alle 1–3 Jahre erneut mit DXA bestimmt werden.
  • Zur Optimierung der Knochenmineraldichte wird eine tägliche HT mit mindestens 2 mg oralem Östradiol oder 100 μg transdermalem Östradiol oder einer äquivalenten Dosis empfohlen. Wenn ein kombiniertes orales Kontrazeptivum verwendet wird, wird eine kontinuierliche oder verlängerte Therapie empfohlen, um eine kontinuierliche Östrogentherapie zu gewährleisten und einen Knochenverlust zu vermeiden.
  • Eine HT kann auch für die Muskelgesundheit vorteilhaft sein. Die Wirkung anderer Interventionen, einschliesslich der Testosterontherapie, auf die Muskelgesundheit von Frauen mit POI ist unklar und sollte daher nicht angeboten werden.
  • Frauen mit einer POI haben ein erhöhtes Risiko für kognitive Beeinträchtigung und Demenz.
  • Eine HT kann bei Frauen mit einer POI empfohlen werden, um die neurologische Funktion zu schützen, auch wenn keine Wechseljahresbeschwerden vorliegen.
  • Frauen mit einer POI können darüber informiert werden, dass es keine Hinweise darauf gibt, dass die Anwendung einer HT ihr Brustkrebsrisiko im Vergleich zu gleichaltrigen Frauen ohne POI erhöht.
  • Frauen mit BRCA 1/2-Mutationen ohne Brustkrebs in der Anamnese sollten darüber informiert werden, dass eine HT eine Option nach einer risikoreduzierenden beidseitigen Salpingo-Oophorektomie ist.
  • Es wird empfohlen, dass Frauen mit POI und Endometriose in der Anamnese auch nach Hysterektomie mit einer kombinierten Östrogen-Gestagen-HT behandelt werden sollten, um ein Wiederauftreten der Endometriose oder eine maligne Transformation zu verhindern.
  • Migräne sollte nicht als Kontraindikation für eine HT bei Frauen mit POI angesehen werden. Frauen mit POI und Migräne mit Aura sollte die Anwendung transdermaler Östrogene empfohlen werden.
  • Eine Testosterontherapie sollte bei Frauen mit (nicht-)iatrogener POI in Betracht gezogen werden, um das hypoaktive sexuelle Verlangen zu behandeln, wenn andere biopsychosoziale Ursachen ausgeschlossen werden können.
  • Eine kurzfristige Behandlung mit transdermalem Testosteron in Dosen, die nahe an den physiologischen prämenopausalen Spiegeln liegen, gilt zwar sicher ist, es liegen aber keine Daten zur Langzeitsicherheit vor.

Interessenkonflikt

P. Stute gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Open Access Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden. Die in diesem Artikel enthaltenen Bilder und sonstiges Drittmaterial unterliegen ebenfalls der genannten Creative Commons Lizenz, sofern sich aus der Abbildungslegende nichts anderes ergibt. Sofern das betreffende Material nicht unter der genannten Creative Commons Lizenz steht und die betreffende Handlung nicht nach gesetzlichen Vorschriften erlaubt ist, ist für die oben aufgeführten Weiterverwendungen des Materials die Einwilligung des jeweiligen Rechteinhabers einzuholen. Weitere Details zur Lizenz entnehmen Sie bitte der Lizenzinformation auf http://​creativecommons.​org/​licenses/​by/​4.​0/​deed.​de.

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Metadaten
Titel
Neue Guideline zum Management der prämaturen Ovarialinsuffizienz (POI)
verfasst von
Prof. Dr. Petra Stute
Publikationsdatum
06.05.2025
Verlag
Springer Vienna
Erschienen in
Journal für Gynäkologische Endokrinologie/Schweiz
Print ISSN: 1995-6924
Elektronische ISSN: 2520-8500
DOI
https://doi.org/10.1007/s41975-025-00391-0