Die Niere schwächelt im Verborgenen

Nicht immer werden Nierenfunktionsstörungen als bedrohlich eingestuft. Screeningprogramme können helfen, bei 40-bis 65-jährigen Risikopatienten potenzielle Nierenschäden zu vermeiden. Neun von zehn Menschen mit einer Niereninsuffizienz wissen nichts von ihrer Erkrankung, zumal die Erkrankung über lange Zeit symptomlos verläuft. Umso wichtiger, dass die Hausärzte hier ein besonderes Augenmerk auf frühzeitige Veränderung legen. Die Ärzte Woche sprach mit Prof. Dr. Sabine Horn, Vorständin der Medizinischen Abteilung Innere Medizin, LKH Villach, über die Diagnostik und ein sinnvolles Screening einer Nierenfunktionsstörung in der Hausarztpraxis. Ärzte Woche: Ist es zweckmäßig, generell in der Praxis auf Nierenerkrankungen zu screenen? Horn: Das ist ein großes Anliegen der Österreichischen Gesellschaft für Nephrologie. Wenngleich ein generelles Screening nicht sinnvoll ist, kann man in einer überschaubaren Gruppe von Patienten mit Adipositas, Hypertonie, Diabetes mellitus oder einer familiären Prädisposition die Nierenwerte über Blut und Harn einfach kontrollieren. Durch diese Vorselektion lässt sich in einer an sich recht jungen Altersgruppe zwischen 40 und 65 eine Nierenschädigung rechtzeitig identifizieren und entsprechende Maßnahmen einleiten. Das macht auch gesundheitsökonomisch Sinn und man kann über eine effiziente Therapie eine Verschlechterung der Nierenfunktion verlangsamen, eine potenzielle Dialysepflicht vermeiden oder nach hinten verschieben. Ärzte Woche: Wie sieht es mit den Diabetikern aus? Horn: Das ist sicher die größte Patientengruppe, die wir an der Dialyse sehen, gefolgt von Patienten mit Hochdruck und kardialen Erkrankungen. Viele der Betroffenen mit schweren Verläufen versterben im Endeffekt aber nicht an der Nierenerkrankung, sondern am plötzlichen Herztod oder anderen Herz-Kreislauferkrankungen. Daher ist jedes Früherkennungsprogramm von nephrologischen Erkrankungen gleichzeitig auch ein kardiovaskuläres Präventionsprogramm. Ärzte Woche: Was ist in diesem Präventionsprogramm besonders wichtig? Horn: Der Zusammenhang zwischen Bluthochdruck und der chronischen Niereninsuffizienz ist bekannt: Zwischen 70 und 85 Prozent aller Patienten mit einer CKD III weisen auch eine Hypertonie auf. Der Blutdruck treibt die Probleme in der Niere voran und bestimmt somit das Risiko für eine terminale Niereninsuffizienz. In der Praxis sollte man bei einer Nierenerkrankung Zielwerte unter 140/90 mmHg anstreben, bei Bestehen einer Albuminurie die Werte unter 130/80 mmHg bringen. Sind die Blutdruckwerte gut eingestellt, ist das die beste Prävention gegen eine chronisch fortschreitende Nierenschädigung. Ärzte Woche: Wie können Patienten mit der Diagnose „CKD“ unterstützt werden? Horn: Neben der regelmäßigen Kontrolle der Nierenfunktionsparameter geht es vor allem um die Aufklärung der Patienten, wie man einem weiteren Fortschreiten einer Nierenerkrankung entgegenwirken kann. Maßnahmen zur Nephroprotektion sollen umgesetzt und mit dem Patienten besprochen werden. Bezüglich Diabetes mellitus ist eine gute Stoffwechselkontrolle entscheidend, weiters ein gut eingestellter Hypertonus. Auch bezüglich Medikamenteneinnahme sollten die Betroffenen geschult werden. Wir versuchen daher bei uns in Villach bei der Patientenaufklärung auch auf die „Sick days“ hinzuweisen und zu informieren, welche Präparate bezüglich der Niere pausiert werden sollen, wenn die Betroffenen aus irgendwelchen Gründen nicht trinken können oder hohes Fieber oder Erbrechen auftritt. Ärzte Woche: Was würden Sie sich von Hausärzten wünschen? Horn: Es fehlt vielleicht mancherorts ein bisschen an nephrologischem Interesse und damit an Gespür, wann eine Nierenfunktionsstörung als bedrohlich einzustufen ist. Die Nierenerkrankungen sind hinter den kardialen und kardiovaskulären Erkrankungen ein wenig versteckt. Ich würde mir daher die Teilnahme an unserem Präventionsprogramm und natürlich an entsprechenden Fortbildungen wünschen. Da die Nephrologie im niedergelassenen kassenärztlichen Bereich eigentlich nicht vertreten ist, sondern wir vor allem in den Zentren arbeiten, ist im Zweifel ein kurzes Telefonat mit den Experten ratsam. Das funktioniert bei uns recht gut und man kann die kritischen Fälle besprechen. Wir brauchen die niedergelassenen Ärzte, damit wir gemeinsam diese Patienten behandeln können. Prof. Dr. Sabine Horn Vorständin der Medizinischen Abteilung Innere Medizin, LKH Villach, Kärnten privat × Entgeltliche Einschaltung AT-5049, Juni 2021

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