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Ärzte Woche

08.11.2021

Medizinmuseum in Bern eröffnet

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Das Inselspital in Bern eröffnet ein digitales Medizinmuseum. Ein guter Ort. Denn das Krankenhaus ist aus einem mittelalterlichen Hospiz hervorgegangen, das nur für Kranke gedacht war – vor 600 Jahren ein völlig neuer Gedanke.

Werfen wir zuerst einen Blick in die Vergangenheit des Schweizer Inselspitals, das im Mittelalter gegründet wurde. Wie sahen Spitäler damals eigentlich aus? Das typische mittelalterliche Spital war nicht explizit medizinisch, sondern nahm im Sinne von „Hospital“ – das Wort leitet sich vom Lateinischen Hospes, der Gast, ab – auch Arme und Pilger auf, und kann als eine Art Alters- und Pflegeheim bezeichnet werden. Es gab eine medizinische Betreuung, aber keine ärztliche, sondern nur eine rudimentäre Pflege.

Anna Seilers Testament

Das Inselspital hingegen war eine Besonderheit: Im Jahr 1354 stiftete die Gründerin Anna Seiler ein Spital mit 13 Betten, und zwar nur für Kranke. Sobald diese wieder gesund waren, mussten sie wieder gehen. Damit war diese Stiftung die erste rein medizinisch ausgerichtete Institution der Schweiz.

Die Stifterin, über die man fast nichts weiß, scheint eine sogenannte „Hands-on“-Frau gewesen zu sein, mit einem Bewusstsein dafür, dass eine gewisse Kontrolle nötig ist. Beispielsweise gibt es in ihrem Testament die Regelung, dass das Spital durch die Berner Regierung geführt werden sollte: Wenn die Regierung das Spital nicht so leiten würde, wie Anna Seiler verfügt hat, sollte das gesamte Stiftungsvermögen an fünf andere Spitäler übergehen. Rückblickend kann man eine solche Spitalstiftung als pionierhaft bezeichnen.

Das Digitale Museum behandelt zwar primär die Zeit ab 1850, aber mit Ausnahme der Geschichte des Inselspitals, die eben viel weiter zurückreicht. Anhand der Entwicklung des Hauses kann man sehen, dass bis in das 19. Jahrhundert lokale Lösungen medizinischer Art vorherrschten, die ab 1850 immer internationaler und standardisierter wurden. Ein Berner Unikum ist die explizite medizinische Ausrichtung des Inselspitals, andere Schweizer Spitäler folgten dem erst später. Ab Ende des 19. Jahrhunderts kam dann mit Theodor Kocher die Medizinaltechnik auf, was charakteristisch für Bern ist, sagt Direktor Hubert Steinke. Zum Motto des neu eröffneten Digitalen Medizinmuseums meint er: „Uns allen ist wohl noch zu wenig bewusst, dass wir nicht nur Empfänger der Medizin sind, wenn wir krank werden und behandelt werden. Wir alle sind Teil der Medizin: nicht nur als Patienten, sondern auch, wenn wir Krankenkassenbeiträge zahlen oder über medizinische Themen abstimmen – wie aktuell bei Corona. Medizin wird ein immer wichtigerer Teil unserer Gesamtgesellschaft.“

Aus der medizinischen Praxis von früher lässt sich für heute manches lernen, sagt Steinke. „Wir lernen dadurch, indem wir Prozessen durchlaufen. Wenn wir Geschichte als etwas Abgeschlossenes betrachten, wird es schwierig, etwas für das heutige Verständnis zu gewinnen. Nehmen wir das Beispiel der Impfungen: Da sind wir mitten in einem Prozess. Zurückschauen hilft für das Verständnis, wir können gewisse Grundstrukturen verstehen. Nicht in einem banalen Sinn, indem wir einfach sagen: es gab schon vor 200 Jahren Impfkritiker, die gibt es heute noch – also ist das dasselbe. Nein, ist es nicht! Aber es gibt gewisse prozessuale Merkmale, die gleich sind: da versucht eine aufgeklärte Wissenschaftselite dem nicht ganz so verständigen Volk zu erklären, warum Impfen gut ist. Das läuft etwas einseitig ab. Kritiker als rationale Wesen wahrzunehmen, würde dem gegenseitigen Verständnis helfen. Um 1800 hatten Kritiker durchaus rationale Argumente. Da gibt es Parallelen zu heute. Neugierig geworden? Direktlink: www.medizinsammlung.ch .

Weitere Informationen:

www.medizinsammlung.ch

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Metadaten
Titel
Medizinmuseum in Bern eröffnet
Publikationsdatum
08.11.2021
Zeitung
Ärzte Woche
Ausgabe 45/2021

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