Thomas Hofmann, Mathias Harzhauser, Wiener Naturgeschichten, Vom Museum in die Stratosphäre, Böhlau Verlag, 2021233 Seiten, Hardcover 36,00 EuroISBN 978-3-205-21383-3
Die hier erzählten naturwissenschaftlichen Streifzüge durch Wien sind keine Alltagskost. Die Autoren schürfen im Boden der Bundeshauptstadt, der übrigens rund um den Zentralfriedhof Leichen besonders rasch verwesen lässt, nach frischen Geschichten, die nicht zigmal aufgewärmt wurden.
Den Einband ziert ein zum Sprung ansetzendes Raubtier, das ihn nie vollenden wird. Der Coverlöwe, wie er von den Autoren despektierlich tituliert wird, steht im Naturhistorischen Museum und schaffte, wie man gleich zu Beginn der Lektüre erfährt, den Hüpfer in viele Gazetten der Bundeshauptstadt. Wer das „Naturhistorische“ besucht, merkt bald, wie es aus der Zeit gefallen ist. Wer kann es sich heute leisten, ausgestorbene Spezies ausgestopft in die Vitrine zu hieven. So gesehen, könnte man das Museum als Mahnmal menschlicher Zerstörungskunst verkaufen. Was für ein Kontrast zu seinem Zwilling, dem Kunsthistorischen Museum, in dem die Genialität humanen Schaffens gehuldigt wird.
In der Mitte des ungleichen Paares thront eine apostolische Habsburgerin mit ihrem Leibarzt. Welcher Platz wäre besser für den Start in eine Wien-Tour geeignet? Im Gepäck sollte man das vorliegende Buch haben, insbesondere wenn man Wiens naturwissenschaftliche Seite erkunden möchte. Halt! Es wäre ein Affront, dieses Buch als schnöden Reiseführer zu verkaufen. Es will nicht brav rechtwinkeligen Straßenzügen folgen, im Gegenteil, es ist herrlich unangepasst in seiner Diktion. Das passt auch zu den schrägen Geschichten, die man darin findet. Die Autoren, wiewohl gestandene Forscher, wissen zudem, was man tunlichst vermeiden sollte: sich einer wissenschaftlichen Sprache bemüßigen, wenn man Bonmots erzählen will. So werden die naturgeschichtlichen Geschichten aus der Bundeshauptstadt in bemessenen Happen serviert. Man will den Lesenden nicht das Schicksal von Miß Cora zumuten. Der männliche Löwe hinterließ zahlreiche Witwen, als er 1886 seiner Speiseröhre zu viel zumutete. Die Hintergründe zur Tragödie erfahren Sie gleich zu Beginn der Wiener Naturgeschichten .
Buchtipp
Thomas Hofmann, Mathias Harzhauser, Wiener Naturgeschichten, Vom Museum in die Stratosphäre, Böhlau Verlag, 2021, 233 Seiten, Hardcover 36,00 Euro, ISBN 978-3-205-21383-3
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