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Ärzte Woche

22.11.2021

Märchen ohne Happy End

Es hat nicht sein sollen. Der 71. Ärzteball wird um ein Jahr verschoben. Gerade ein Ball mit seiner gelösten Champagnerlaune wäre ein Kontrapunkt zu den Schrecknissen der COVID-Stationen gewesen. Wäre.

Baba Ballsaison. Was im September möglich schien, ist Mitte November praktisch undenkbar. Eltern, die davon geträumt hatten, ihren Kindern bei der ersten Ball-Eröffnung auf die Beine zu schauen, werden zumindest noch ein Jahr warten müssen. Für die Ärzteball-Organisatoren, die bis zuletzt hat auf eine märchenhafte Ballnacht – das Ballmotto lautete „Fairy Tale“ – gehofft hatten, mussten vor der Pandemie kapitulieren. . Doch aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Ärzteball-Chefin Dr. Isabella Heissenberger-Mass geht von einem Comeback 2023 aus. Sabine Jäger, PR-Verantwortlich bleibt mit dem Wiener Kaffeesiederball hingegen im Rennen. Schließlich hat man noch Zeit bis zum 18. Februar, um das „größte Kaffeehaus Österreichs“ aufzusperren.

Der Opernball, der am 24. Februar 2022 über die Bühne gehen soll, gibt sich ebenfalls noch widerständig, man will sich vom Virus nicht alles verderben lassen und hofft auf die Durchführbarkeit. Aktuelle Sprachregelung: „Ein Zeitpunkt für die finale Entscheidung kann derzeit nicht genannt werden.“ Und weiter: „Die Staatsoper ist mit der Bundesregierung und der Bundestheater-Holding in engem Kontakt. Weiters wird sie in allen COVID-19-Fragen von einem medizinischen Expertenbeirat rund um Prof. Siegfried Meryn beraten, mit dem die Situation laufend neu beurteilt werden wird.“

Die Vorfreude auf den Ärzteball war riesig. Selbst Ärzte aus den USA hatten sich angesagt. „Ich hätte gern getanzt, aber die Zahlen lassen uns keinen unbeschwerten Ballabend erwarten“, sagt Heissenberger-Mass. Dancing Star Andy Pohl, Trainer, Choreograf und Mitglied des Nationalkaders, ist seit Jahren mit dem Ärzteball verbunden. Er meint dennoch: „Die Entscheidung war richtig.“

Martin Krenek-Burger

Wir haben uns die Absage nicht leicht gemacht

„Der Ball wäre wichtig gewesen, weil wir ja versuchen, mit der Pandemie zu leben. Wir haben uns die Absage nicht leicht gemacht. Unser Sicherheitskonzept mit 1G plus PCR-Test hätte die Wahrscheinlichkeit, dass das Virus eingeschleppt wird, extrem gering gehalten. Alle, die sich in der Hofburg aufhalten – von den Zulieferern bis zu den Künstlern – wären getestet worden. Wir wollten zeigen, dass eine Großveranstaltung selbst in Corona-Zeiten sicher durchführbar ist. Die extreme Belastung des Gesundheitssystems hat uns aber einen Strich durch die Rechnung gemacht. In der aktuellen Infektionslage im Gesundheitsbereich – wir reden von Triagierung und davon, dass wichtige Operationen nicht mehr durchgeführt werden können – ist ein Tanzevent nicht verantwortungsvoll. Im Moment hat Österreich das Problem der 4. Welle, die schlimmer ausfällt als alle anderen davor. Unter solchen Bedingungen können Ärzte keinen Ball abhalten. Ehrlich gesagt: Wir haben es nicht in ausreichendem Maß geschafft, die Bevölkerung von der Richtigkeit der Impfung zu überzeugen.

Im Sommer hat es noch so ausgeschaut, als hätten wir die Situation im Griff. Im Herbst hat sich aber der Druck auf den Intensivbereich wieder erhöht. Ich wäre auch gern tanzen gegangen, aber aber die aktuellen Zahlen lassen uns leider keinen unbeschwerten Ballabend für Jänner erwarten.

Das Wohl unserer Patienten und unserer Kollegen steht über einem gesellschaftlichen Ereignis. Bei 3.500 Gästen aus aller Herren Länder kann man eine Sicherheitslücke trotz Sicherheitskonzepts nie ganz ausschließen.

Wir haben relativ lange zugewartet mit der Absage. Warum? Eine Ballveranstaltung wäre für die Kollegen ein guter Ausgleich zu den Schrecklichkeiten gewesen, die sie täglich zu Gesicht bekommen. Es ist nicht egal, ob wir unsere kulturellen Gepflogenheiten aufrechterhalten. Es hätte ein märchenhaftes Wiederauferstehen nach 1,5 Jahren werden sollen. Dieses Comeback ist jetzt auf Jänner 2023 verschoben. Und ich bin zuversichtlich, dass wir diesen Termin auch einhalten werden. Bleiben Sie gesund!“

Dr. Isabella Clara Heissenberger-Mass, Leiterin des Ärzteball-Referats der Ärztekammer für Wien

Ding der Unmöglichkeit, jetzt einen Ball durchzuführen

„Ich muss gestehen, dass ich – obwohl ich eine leidenschaftliche Choreographin und Ballbesucherin bin – verstehen kann, dass der Ärzteball auch heuer wieder abgesagt wurde. Wir hören täglich Berichte über Menschen, die ihre COVID-19-Erkrankung nicht überlebt haben. Man kann und soll nicht jede Veranstaltung absagen, aber meiner Einschätzung nach war es richtig, abzusagen – gerade weil es der Ball der Ärzte und Ärztinnen ist und diese eine ganz besondere Vorbildfunktion in der Gesellschaft haben. Mein Bruder ist Intensivmediziner und wenn er bildreich von seinem Berufsalltag erzählt, muss ich sagen: Es hätte nicht nur kein schlankes Bein gemacht, es wäre ein Ding der Unmöglichkeit, ein Großereignis wie den Ärzteball durchzuführen.

Die Situation für Künstler und Künstlerinnen ist schwierig, aber nicht hoffnungslos. Was ich so links und rechts mitkriege, haben die Regierungshilfen bei den meisten meiner Kollegen und Kolleginnen gegriffen. Es ist für selbstständige Künstler und Künstlerinnen nicht einfach, um Unterstützung anzusuchen, da sie ja kein fixes Einkommen haben, welches sie als Berechnungsbasis heranziehen können. Grundsätzlich funktioniert das System aber und wir sind in Österreich in einer echt privilegierten Situation. In Ungarn hat der Staat nichts gemacht. Die Tanzschulbesitzer und -besitzerinnen dort waren de facto auf sich allein gestellt. In Wien hat die Tanzschule Stanek früher als vorgeschrieben auf 2 G umgestellt. Alle, die hier tanzen, müssen geimpft oder genesen sein. Das hat nicht allen Kunden und Kundinnen gefallen, aber es hat sich schließlich durchgesetzt.“

Alexandra Scheriau, Dancing Stars-Profi und Ärzteball-Choreografin (gemeinsam mit Andy Pohl)

Diese Perspektive werden wir nicht so schnell aufgeben

„Wir werden so lange wie möglich an unserem Ball festhalten. Der Kaffeesiederball findet in der Hofburg statt. Keine Location in Wien bietet ein besseres Sicherheitskonzept. Wir verlangen von allen Gästen und Beschäftigten auf dem Ball 1G plus. Mittlerweile hat man in der Hofburg schon Erfahrungen mit großen Veranstaltungen, bei denen die 2G-Regel angewendet wurde. Die haben sehr gut funktioniert, es gab keine besonderen Vorkomnisse.

Hinter dem Ball steht der Klub der Wiener Kaffeehausbesitzer, das sind 160 Traditionscafés, die im vergangenen Jahr durch eine schwere wirtschaftliche Krisenzeit gegangen sind. Man kann sagen, dass der Ball etwas von einem Lichtblick in eine halbwegs normale Zukunft hat. Natürlich ist vieles zu kurz gekommen, vor allem die Vernetzung untereinander hat kaum stattgefunden. Virtuelle Meetings können den persönlichen Kontakt und das kulturelle Erlebnis eines Balls nicht ersetzen. Diese Perspektive wollen und werden wir nicht so schnell aufgeben.

Was uns heuer hilft und was ich lobend erwähnen möchte ist der Schutzschirm für Veranstaltung, den die Regierung gewissermaßen aufgespannt hat und der uns eine gewisse Planungssicherheit bietet. Der Klub finanziert sich durch Sponsoren, Klubbeiträge und den Kartenverkauf. Durch den Rettungsschirm können wir unseren Sponsoren Sicherheit geben, selbst wenn wir doch kurzfristig alles absagen müssen.

Ich kann nur hoffen, dass sich die Lage durch die Maßnahmen der Regierung und durch die steigende Zahl von Menschen, die eine Infektion durchgemacht haben und genesen sind, im Februar beruhigt hat.

Ein Ball ist ein Ort der Kommunikation, und zwar in allen Richtungen, kulturell und sozial. Am 18. Februar 2022 wird die Hofburg wieder zum größten Kaffeehaus Österreichs, darauf setzen wir. Das diesjährige Ballmotto lautet ,Genusswelt der Sinne’. Das haben wir uns verdient. Und ganz ehrlich: Genau das brauchen wir jetzt.

Für alle Ballgeher, die noch zögern, ob sie Karten kaufen sollen, habe ich einen Hinweis: Sollte der Ball, was wir alle nicht hoffen, doch nicht stattfinden, wird das Geld zurückerstattet. Sie sind auf der sicheren Seite.“

Sabine Jäger, Kommunikationschefin des Kaffeesiederballs 2022


Metadaten
Titel
Märchen ohne Happy End
Publikationsdatum
22.11.2021
Zeitung
Ärzte Woche
Ausgabe 47/2021

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