Psychiatr Prax 2007; 34(4): 159-161
DOI: 10.1055/s-2007-970830
Editorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Erinnern - Durcharbeiten - Zusammenführen

Zum Verhältnis von Psychosomatik und PsychiatrieRemembering - Working Through - Bringing TogetherThe Relationship Between Psychosomatic Medicine and PsychiatryKarl  H.  Beine1
  • 1St. Marien-Hospital Hamm, Abteilung für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik, Klinik der Universität Witten/Herdecke
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Publication Date:
23 May 2007 (online)

Prof. Dr. Karl H. Beine

Vordergründig besteht der Konflikt darin, wo denn bestimmte psychisch kranke Menschen besser aufgehoben sind: Bei einem „Arzt für Psychosomatik und Psychotherapie” oder bei einem „Arzt für Psychiatrie und Psychotherapie”, in einer psychiatrischen oder in einer psychosomatischen Klinik. Vordergründig geht es um den Streit, ob es spezifische psychosomatische Diagnosen gibt, die sich von psychiatrischen Diagnosen unterscheiden und ob denn neue und zusätzliche Kliniken für Psychosomatik entstehen sollen [1].

1992 beschloss der deutsche Ärztetag, dass es in Zukunft einen Arzt für „Psychiatrie und Psychotherapie” und einen für „Psychosomatik und Psychotherapie” geben solle. Diese Entscheidung war sowohl Ausdruck als auch Verstärker eines Konfliktes, der lange schwelt und längst nicht beigelegt ist [2].

Ein wirklicher Dissens über das rechte Krankheitsverständnis ist nicht zu erkennen: Jede „Fraktion” würde bestätigen, dass es um den ganzen Menschen, um die komplexen körperlich-seelischen Wechselwirkungen, um ein „biopsychosoziales” Krankheitsverständnis geht. Und auch die therapeutischen Prinzipien dürften zwischen Psychosomatik und Psychiatrie wenig strittig sein: Bei psychischer Erkrankung wird eine individuell angepasste Kombination aus somato-, sozio- und psychotherapeutischen Verfahren für erforderlich gehalten.

Wenn die tatsächlichen Differenzen aber gar nicht so gravierend sind, wie ist dann der Dissens zu erklären? Da hilft vielleicht der Blick zurück ein Stückchen weiter.

Literatur

  • 1 Hildenbrand G, Jansen P. Aktuelle Probleme der Krankenhausplanung in der Psychosomatischen Medizin und Psychotherapie.  Psychotherapeut. 2005;  50 229-235
  • 2 Fritze J, Berger M. Weitere vollstationäre Kapazitäten für Psychosomatik?.  Nervenarzt. 2003;  74 387-393
  • 3 Weingart P, Kroll J, Bayertz K. Rasse, Blut und Gene. Geschichte der Eugenik und Rassenhygiene in Deutschland. Frankfurt; Suhrkamp Verlag 1988
  • 4 Lockot R. Erinnern und Durcharbeiten. Zur Geschichte der Psychoanalyse und Psychotherapie im Nationalsozialismus. Gießen; Psychosozial-Verlag 2002
  • 5 Bräutigam W, Teller C. John Rittmeister zum 100. Geburtstag.  Z Psychosom Med Psychoanal. 1998;  44 203-213
  • 6 Bührig P. Psychoanalytiker im Nationalsozialismus: „Durchschnittliche Deutsche”.  Dtsch Ärztebl. 2002;  99 1646
  • 7 Hoffmann S O, Schepank H, Speidel H. Denkschrift '90. Zur Lage der Psychosomatischen Medizin und Psychotherapie an den Hochschulen der Bundesrepublik Deutschland. Ulm; PSZ-Verlag 1991
  • 8 Rüger U. Annemarie Dührssen.  Nervenarzt. 1999;  70 482-483
  • 9 Dührssen A, Jorswiek E. Eine empirisch-statistische Untersuchung zur Leistungsfähigkeit psychoanalytischer Behandlung.  Nervenarzt. 1965;  36 166-169
  • 10 Bericht über die Lage der Psychiatrie in der Bundesrepublik Deutschland. Zur psychiatrischen und psychotherapeutisch/psychosomatischen Versorgung der Bevölkerung. Deutscher Bundestag 7. Wahlperiode 1975. Drucksache 7/4200. 
  • 11 Helmchen H, Linden M, Rüger U. Psychotherapie in der Psychiatrie. Berlin, Heidelberg, New York; Springer-Verlag 1982
  • 12 Kunze H, Kaltenbach L. Psychiatrie-Personalverordnung. Stuttgart; Kohlhammer Verlag 2003
  • 13 Rüger U. Historische und konzeptuelle Anmerkungen zur Psychotherapie in der Psychiatrie.  Psychotherapie im Dialog: PiD. 2005;  6 239-245

Prof. Dr. Karl H. Beine

St. Marien-Hospital Hamm, Abteilung für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik, Klinik der Universität Witten/Herdecke

Knappenstraße 19

59071 Hamm

Email: karl-h.beine@marienhospital-hamm.de

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