Diabetologie und Stoffwechsel 2006; 1 - A399
DOI: 10.1055/s-2006-944124

Diabetes mellitus Typ 3c. Ein unterdiagnostiziertes Krankheitbild? Erste Ergebnisse einer retrospektiven Studie mit 1922 Patienten

N Ewald 1, C Kaufmann 1, A Raspe 1, HU Klör 1, RG Bretzel 1, PD Hardt 1
  • 1Universitätsklinikum Gießen und Marburg, Medizinische Klinik und Poliklinik III, Gießen, Germany

Einleitung: Die aktuelle Diabetes-mellitus-Klassifikation erfasst die Typen 1–4. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass im klinischen Alltag meist nur die Typen 1 und 2 Beachtung finden. Kürzlich wurde mehrfach die hohe Prävalenz der chronischen Pankreatitis in der allgemeinen Bevölkerung beschrieben. In dieser Studie wurden Patienten mit bekanntem Diabetes mellitus nach standardisierten Kriterien reklassifiziert, um die Prävalenz des pankreopriven Diabetes mellitus (Typ 3c) zu untersuchen.

Methodik: 1922 Patienten, die in einem Zeitraum von 24 Monaten in unserer Klink mit der Diagnose Diabetes mellitus behandelt worden waren, wurden an Hand der Krankenakten kritisch auf die Diabetes-Klassifkation hin untersucht. Die Klassifikation erfolgte nach dem Vorschlag der ADA (1997) und DDG (2001).

Ergebnisse: Unter 1922 behandelten Diabetikern befanden sich 157 Patienten mit Diabetes mellitus Typ 3c (8,2%). Von diesen konnte bei 120 (76,4%) Patienten ätiologisch eine chronische Pankreatitis verantwortlich gemacht werden, 12mal hereditäre Hämochromatose, 14mal Pankreas-Neoplasie und 7mal cystische Fibrose. Eine chronische Pankreatitis als Ursache eines Diabetes mellitus trat in diesem Kollektiv somit in 6,2% aller Fälle auf. Fehlklassifikationen dieser Patienten waren häufig. Insgesamt wurden nur 45,8% richtig klassifiziert. 43,3% der Typ 3c Patienten waren ursprünglich als Typ 2, 6,7% als Typ 1 und 4,1% als „nicht klassifizierbar“ eingestuft. In 17,5% der Fälle konnte Alkoholmissbrauch diagnostiziert werden.

Schlussfolgerung: Chronische Pankreatitis als Ursache eines Diabetes mellitus (Typ 3c) erscheint mit einer Prävalenz von 6,2% unter den hier untersuchten Diabetiker häufiger als generell angenommen. Das allgemeine Bewusstsein über die Existenz dieses Diabetes Typs erscheint gering ausgeprägt, da Fehlklassifikationen überaus häufig sind. Differentialdiagnostische Probleme entstehen meist zwischen Typ 2 und Typ 3 Diabetikern. Eine exakte Klassifikation ist jedoch wichtig, da bei Patienten mit Diabetes mellitus Typ 3c therapeutische Besonderheiten zu berücksichtigen sind.