Geburtshilfe Frauenheilkd 2022; 82(06): S44
DOI: 10.1055/s-0042-1750228
Abstracts | OEGGG

Operieren in der Schwangerschaft? Die Erhebung eines österreichweiten Stimmungsbildes unter chirurgisch-tätigen Ärzt*innen

N Taumberger
1   Universitätsklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Graz
,
P Fößleitner
2   Klinische Abteilung für Geburtshilfe und feto-maternale Medizin Universitätsklinik für Frauenheilkunde, Medizinische Universität Wien
,
K Windsperger
2   Klinische Abteilung für Geburtshilfe und feto-maternale Medizin Universitätsklinik für Frauenheilkunde, Medizinische Universität Wien
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Einleitung Bereits 2014 und 2017 wurden in Deutschland Bedarfserhebungen unter Chirurg*innen und Orthopädi*innen sowie unter Chirurg*innen und Gynäkolog*innen zum Thema „Operieren in der Schwangerschaft (SS)“ durchgeführt (1,2). Das daraufhin am 1.1.2018 in Kraft getretene reformierte Mutterschutzgesetz ermöglicht Ärztinnen nun, auf eigenen Wunsch, ein risikoadaptiertes Operieren in der SS (3). In Österreich ist es für Ärztinnen in chirurgischen Fächern bis heute nicht möglich, ihrer operativen Ausbildung während der SS nachzugehen.

Methodik Um ein aktuelles Stimmungsbild zu dieser Thematik zu erheben, wurde eine österreichweite Online-Umfrage auf Initiative der OEGGG (Österreichische Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe) von 1.6.2021 bis 24.12.2021 unter chirurgisch-tätigen angestellten Ärzt*innen durchgeführt.

Über die jeweiligen Fachgesellschaften konnten Kolleg*innen der Fachrichtungen Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Chirurgie, HNO, Urologie, Orthopädie- und Unfallchirurgie, Kinderchirurgie, Dermatologie und Kieferchirurgie kontaktiert und zur Teilnahme motiviert werden. Die Rücklaufquote betrug 20%. Der Fragebogen bestand aus 30 Fragen, die den Teilbereichen demographische Faktoren, Schwangerschaft und operative Tätigkeit, Elternkarenz, und beruflicher Wiedereinstieg zuzuordnen waren.

Ergebnisse Es nahmen insgesamt 503 Kolleg*innen an der Umfrage teil, davon 70.4 % (N=354) Frauen und 29.6% (N=149) Männer. Hinsichtlich der aktuellen Familiensituation gaben 63.8% (N=226) der Frauen an Kinder zu haben und 84.6% (N=126) der Männer (p<0.0001). Das Ausscheiden schwangerer Ärztinnen aus der operativen Tätigkeit erfolgte durchschnittlich in der 15. Schwangerschaftswoche (SSW) (min. 2. – max. 38.SSW). Im ersten Trimenon verbrachten schwangere Ärztinnen durchschnittlich 10 Stunden (min. 0 – max. 120 Stunden) im OP. Die Rate an Komplikationen in der SS unterschied sich nicht zwischen operierenden und nicht-operierenden schwangeren Kolleginnen (p=0.573). Auf die Frage, ob es auf ausdrücklichen Wunsch der Schwangeren erlaubt sein sollte, einer operativen bzw. invasiven Tätigkeit im sicheren Rahmen in der SS nachkommen zu dürfen, antworteten 93.2% der Teilnehmer*innen (N=469) mit „Ja“. Diese Antwort zeigte sich unabhängig von Geschlecht (p=0.217), Alter (p=0.083), Fachrichtung (p=0.351), beruflicher Position (p=0.619) und vorangegangenen SS (p=0.142). Die Elternkarenz wurde von 89.4% (N=202) der Frauen (für durchschnittlich 10 Monate/Kind) und von 17.5% (N=22) der Männer (für durchschnittlich 2 Monate/Kind) in Anspruch genommen (p<0.0001). Nach beruflichem Wiedereintritt (N=216) zeigten sich 22.2% (N=48) der Ärztinnen mit ihrer Ausbildungssituation unzufrieden, 47.7% (N=103) zufrieden und nur 13.9% (N=30) sehr zufrieden.

Zusammenfassung Die Ergebnisse unserer Umfrage zeigen eindeutig die Notwendigkeit auf, die Ausbildungsqualität für schwangere Ärztinnen zu optimieren. Im Einklang mit dem erhobenen Stimmungsbild in Deutschland, sprechen auch diese Daten für den Wunsch, dass Ärztinnen, unter Einhaltung von Schutzbestimmungen, operativen Tätigkeiten in der SS nachkommen dürfen. Dies würde einerseits ein kontinuierliches und rascheres Vorankommen in der operativen Ausbildung bedeuten, andererseits dem Trend, Schwangerschaften verzögert zu melden um länger operativ (ohne Schutzmaßnahmen) tätig bleiben zu können, entgegenwirken.

Danksagung Wir danken der OEGGG für die Unterstützung bei der Durchführung der Umfrage sowie allen Kolleg*innen, die an dieser teilgenommen haben [1] [2] [3].



Publication History

Article published online:
10 June 2022

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  • Literatur

  • 1 Knieper C, Ramsauer B, Hancke K, Woeckel A, Ismail L, Bühren A. et al. “Pregnant and Operating”: Evaluation of a Germany-wide Survey Among Female Gynaecologists and Surgeons. Geburtshilfe Frauenheilkd 2014; Sep 25 74 (09) 875-80
  • 2 Fritze-Büttner F, Dittmar R, Niethard M. Operieren während der Schwangerschaft – Regelungen und Bedarfe. Zentralblatt Für Chir – Z Für Allg Visz Thorax- Gefäßchirurgie 2017; Dec 142 (06) 575-80
  • 3 Gesetz zur Neuregelung des Mutterschutzrechts. Bundesgesetzblatt Teil I. 2017 May 29;(30):1228