Schwerpunkt
EbM von unten: Sind Fragen nach Evidenz zu klinischen Alltagsproblemen beantwortbar?EbM from the Bottom Up: Are Questions Asking for Evidence in Daily Clinical Practice Answerable? – A Report from a Pilot Test to Assist General Practitioners with Using Evidence-based Medicine

https://doi.org/10.1016/j.zefq.2009.03.025Get rights and content

Zusammenfassung

Viele Ärzte sehen Vorteile in der Anwendung evidenzbasierter Medizin (EbM) im Alltag. Dennoch wird deren Umsetzung in die Patientenversorgung nur in geringem Umfang realisiert, da es sich häufig als schwierig erweist, geeignete Informationen für Alltagsfragen zu finden. Der „Fachbereich EbM in Klinik und Praxis des Deutschen Netzwerks EbM e.V.“ (DNEbM) initiierte deshalb einen Pilotversuch zur Verbesserung des Informationsmanagements im Alltag.

Im Februar 2007 wurde es Ärzten aus stationären und ambulanten Einrichtungen in Bayern ermöglicht, ihre frei formulierten Fragen aus der aktuellen Patientenversorgung an einen Pool aus EbM Experten zu stellen. 17 Experten verfassten eine Antwort innerhalb von drei Tagen. Neben dem Fragensteller erhielten alle teilnehmenden Ärzte regelmäßig eine Kurzfassung der behandelten Themen. Abschließend wurde mit einem Fragebogen die Zufriedenheit der Teilnehmer erhoben.

Von 5 Hausärzten und zwei Klinikabteilungen wurden in zwei Wochen 28 Fragen formuliert. Das Spektrum der Antworten reichte von ausführlichen Zusammenfassungen der Evidenz inklusive der zugeordneten Volltexte bis zur Erörterung unterschiedlicher Handlungsstrategien bei unsicherer Evidenzlage.

Die Zufriedenheit der teilnehmenden Ärzte war hoch. Alle Teilnehmer erachteten das Angebot als hilfreiche Unterstützung, ihr Vorgehen im Alltag kritisch zu hinterfragen und wünschten eine Fortführung des Projektes.

Weitere Untersuchungen müssen nun zeigen, ob das Angebot eines niederschwelligen Zugangs die Implementierung von EbM in die tägliche praktische Arbeit langfristig fördern und die Qualität der Versorgung verbessern kann.

Summary

Many physicians agree on the advantages of using Evidence-based Medicine (EbM) in daily practice, but they do not make use of this method very often. One reason for this lack of EbM implementation is that it is difficult to access clinically relevant and appropriate information in daily practice. The division “Principles and Practices of EbM” in the German Network for Evidence-based Medicine (DNEbM) initiated a pilot project to improve their information management.

During two weeks in February 2007 physicians in a local setting in the southeast part of Germany were offered an EbM expert service. They were asked to formulate open-ended questions arising from daily practice. Seventeen experts answered these questions within a three day period. In addition, all participants regularly received an edited version of these topics, and finally a questionnaire was sent out to evaluate physician satisfaction.

Five family doctors and two hospital departments formulated 28 questions in two weeks. There was a wide range of answers, from evidence summaries (including full texts of the trials or relevant guidelines) up to expert opinion together with a discussion of different action strategies in the case of uncertain evidence. The participating physicians’ satisfaction with this offer of low-barrier access to the best available evidence and the answers provided by the experts was high.

Apart from the suggested solutions to the respective problems the project initiated a critical self-analysis of their individual clinical practice among the participating physicians. All of them saw the need for continuing this project.

Further investigations are needed in order to optimise both the process of EbM implementation on a long-term basis and the health care quality by providing EbM expert services.

Section snippets

Einführung

Ärzte sehen sich in der klinischen Versorgung mit einer Vielzahl von Herausforderungen konfrontiert [1], [2], die den adäquaten Transfer wissenschaftlicher Erkenntnisse in den Alltag erschweren: Aktuelles Wissen altert rasch und viele der 400.000 jährlich publizierten Artikel zeigen erhebliche qualitative Mängel [3]. Methoden und Strategien der EbM erlauben es, medizinisches Wissen bezüglich Zuverlässigkeit, Praktikabilität und Anwendbarkeit auf den individuellen Patienten zu überprüfen. Diesem

Fragestellung

Ziel der Untersuchung war, zu ermitteln, ob ein niederschwelliges Angebot eines EbM Konsils durch Experten grundsätzlich angenommen wird. Weiter wurde betrachtet, ob die Fragen der Ärzte mit Hilfe möglichst praxisrelevanter EbM zufriedenstellend beantwortet werden konnten.

Methode

Auf der Basis eines Workshops auf dem 8. Jahrestag des DNEbM 2007 [19] wurden Möglichkeiten diskutiert, wie praktisch tätige Ärzte motiviert werden können, Fragen aus der täglichen Praxis zu stellen. Der Fachbereich konzipierte auf der Grundlage dieser Ergebnisse die vorliegende Pilotstudie (Machbarkeitsstudie der Phase I–II nach Campbell [20]), welche insbesondere auf unstrukturierte Fragestellung durch die Ärzte zielte.

Im Landkreis Regen (Bayern), Niederlassungsbereich des Studienleiters mit

Auswertung

Es wurde primär beobachtet, wie intensiv die Möglichkeit, Fragen frei zu stellen, genutzt wurde. Zusätzlich fand eine Unterteilung der Fragen danach statt, ob sie Evidenz zu der Behandlung eines bestimmten Patienten oder eine grundsätzliche Frage zu Strategien in Patientenbehandlung betrafen.

Die Teilnehmer wurden befragt, ob die Antworten eine Hilfe in der betreffenden Patienten-Arzt-Situation darstellten und der zeitliche Rahmen sowie die Form der Beantwortung der praktischen ärztlichen

Ergebnisse

In den zwei Wochen Beobachtungszeitraum wurden insgesamt 28 Fragen gestellt. 26 Fragen (93%) davon konnten zeitnah beantwortet werden, zwei Fragen (7%) wegen zeitlicher Überlastung der Experten erst mit mehrtägiger Verzögerung. Aus den beiden stationären Abteilungen wurden fünf (18%), aus dem ambulanten Bereich 23 Fragen (82%) gestellt. 12 Fragen (43%) betrafen die konkrete Behandlung eines Kranken, 16 Fragen (57%) zielten auf allgemeine Hilfestellungen in der Patientenbehandlung, oft ausgehend

Diskussion

Pilotprojekte zur Informationsberatung und der Vermittlung von evidenzbasierten Informationen für in Klinik und Praxis tätige Ärzte wurden in Deutschland mehrfach durchgeführt [12], [13], [15], [16], [17], [18].

Gemeinsames Charakteristikum aller Studien war, dass Fragen auf Basis des PICO-Schemas in einer für eine systematische Suche sinnvolle Form gebracht werden mussten. Dies setzt ein Mindestmaß an Kenntnissen der EbM voraus. Erforderlich war somit entweder eine Schulung der Ärzte oder die

Schlussfolgerung

Das Angebot, aus der alltäglichen Arbeit am Patienten heraus Fragen zur Evidenz so stellen zu können, wie sie in der Behandlungssituation auftreten, erscheint für Ärzte attraktiv. Das Ziel weiterer Untersuchungen sollte sein, institutionalisierte Strukturen zu erproben, die es dem praktisch tätigen Arzt erlauben, seine Fragen formlos zu stellen und zeitnah auf möglichst hohem wissenschaftlichen Niveau Antworten zu erhalten. Bedarf und Motivation sind anscheinend auch außerhalb universitärer

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Cited by (0)

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