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Erschienen in: Journal für Klinische Endokrinologie und Stoffwechsel 3/2020

Open Access 15.06.2020 | Hyperprolaktinämie | Originalien

Hyperprolaktinämie aus gynäkologischer Sicht

verfasst von: Prof. Dr. med. K. Hancke, J. M. Weiss

Erschienen in: Journal für Endokrinologie, Diabetologie und Stoffwechsel | Ausgabe 3/2020

Zusammenfassung

Eine Hyperprolaktinämie kann idiopathisch bedingt sein oder physiologisch im Rahmen von Schwangerschaft, Stillzeit, Stress, Schlaf oder körperlicher Aktivität vorkommen. Andererseits können eine Hypophysen- oder Hypophysenstielpathologie, Wechselwirkungen durch Medikamente, eine Hypothyreose oder Niereninsuffizienz eine Hyperprolaktinämie verursachen. Die Symptome können ganz gering ausgeprägt sein oder sich sehr vielfältig im Sinne einer Oligo‑/Amenorrhö, einer Galaktorrhö oder eines unerfüllten Kinderwunsches darstellen. In dieser Übersichtsarbeit sollen die verschiedenen Aspekte der Hyperprolaktinämie aus gynäkologischer Sicht dargestellt werden.
Hinweise
Aktualisierung von: Hancke K, Weiss JM (2012) Hyperprolaktinämie aus gynäkologischer Sicht. J Klin Endokrinol Stoffw 5(3):16–19

Hinweis des Verlags

Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.

Einleitung

Die Hyperprolaktinämie kommt physiologisch in der Schwangerschaft und Stillzeit vor und wird in diesem Rahmen selten überprüft oder nachverfolgt. Allerdings ist die Hyperprolaktinämie im Kontext mit einem unregelmäßigen Menstruationszyklus, einem unerfüllten Kinderwunsch oder einer Milchsekretion außerhalb der Stillperiode zu beachten. Das Prolaktinom ist in einem gynäkologischen Setting eher eine Seltenheit und wird daher in dieser Arbeit nur der Vollständigkeit halber erwähnt und nicht ausführlich diskutiert. Ebenso soll die männliche Symptomatik nicht diskutiert werden.

Pathophysiologie und technische Aspekte

Prolaktin ist ein Peptidhormon, das v. a. in den laktotrophen Zellen des Hypophysenvorderlappens (HVL) gebildet wird [1]. Im Gegensatz zu den anderen hypophysären Hormonen wird die Sekretion von Prolaktin vor allem durch eine Hemmung reguliert – Dopamin ist der sogenannte Prolaktin-Releasing-Inhibiting-Faktor (PIF) und der wichtigste Hemmfaktor [1]. Auch wenn Thyreotropin-Releasing-Hormone (TRH) und Gonadotropin-Releasing-Hormon (GnRH) die Prolaktinsekretion provozieren können, ist ein „eigener Prolaktin-Releasing-Faktor“ (PRF) bisher nicht identifiziert worden [2].
Prolaktin wirkt nicht nur auf die Brustdrüsen und stimuliert die Milchbildung, sondern hat auch einen direkt supprimierenden Effekt auf die Gonadotropine FSH (follikelstimulierendes Hormon) und LH (luteinisierendes Hormon) und somit auf die Östradiol- und Progesteronsekretion im Ovar [20]. Bei pathologischer Erhöhung von Prolaktin kann daher ein Hypogonadismus mit niedrigen Östradiolspiegeln eine Folge sein. Des Weiteren hemmt Prolaktin den positiven Feedback-Effekt von Östradiol auf die LH-Sekretion und verändert dadurch auch die adrenale Androgensekretion [3].
Die Bestimmung der Serum-Prolaktinwerte kann im Prinzip zu jeder Tageszeit durchgeführt werden, allerdings sollten einmalig leicht erhöhte Werte zunächst kontrolliert werden, da starke körperliche Anstrengung, emotionaler oder physischer Stress, intensive Bruststimulation oder proteinreiche Kost die Serumwerte erhöhen können [3]. Des Weiteren muss die Makroprolaktinämie von der „echten“ Hyperprolaktinämie abgegrenzt werden. Prolaktin kann im Serum in biologisch aktiver monomerischer Form oder in biologisch gering aktiver Aggregatform gebunden an seinen Antikörper, als sogenanntes Makroprolaktinom, zirkulieren, was durch herkömmliche Assays nicht sicher unterschieden wird [21]. Immer, wenn eine Hyperprolaktinämie ohne jegliche Symptomatik vorliegt, sollte diese Makroprolaktinämie ausgeschlossen werden. Dies gelingt mit der etwas teureren Methode der PEG-Fällung (Polyethylenglykol), die weniger anfällig für die Aggregatform ist und so die biologisch aktive Form besser darstellt [2]. Funktionstests (z. B. Prolaktinbelastungstest/TRH-Test) spielen heutzutage keine große Rolle mehr, da sie in der Diagnostik den Einzelbestimmungen nicht überlegen sind, und werden daher nicht weiter abgehandelt.

Hyperprolaktinämie – physiologische Ursachen (Tab. 1)

Tab. 1
Ursachen der Hyperprolaktinämie. (Modifiziert nach [22])
Physiologische Ursachen
Pathologische Ursache
Pharmakologische Ursachen
Eisprung (Ovulation)
Prolaktinom
Neuroleptika
Schwangerschaft
Inaktiver Hypophysentumor
Antidepressiva
Stillperiode
Niereninsuffizienz
Antiemetika
Stress/Sport
Leberzirrhose
Opioide
Brustwarzenstimulation
Hypothyreose
Antihypertensiva
PCOS
Epilepsie/Anfälle
PCOS Polyzystisches Ovarialsyndrom
Während des Menstruationszyklus verändern sich die Prolaktinwerte u. a. abhängig vom Östradiol-Serumlevel. Östradiol erhöht die Prolaktinsekretion direkt, aber auch über die Verminderung der Dopaminrezeptoren und über die Stimulation der laktotrophen Zellen im Hypophysenvorderlappen [22].
In der Schwangerschaft steigen die Serum-Prolaktinwerte physiologisch kontinuierlich an – mit einem Maximum zum Zeitpunkt der Entbindung [5, 6]. Die Absolutwerte sind individuell sehr unterschiedlich. Bei stillenden Frauen sinkt der Prolaktinwert ca. 6 Wochen nach der Entbindung gemeinsam mit den Östradiolwerten und steigt nur noch während der aktiven Stillzeit mit Manipulation der Brustwarze an [7].
Die Stimulation der Brustwarze führt auch außerhalb der Laktation zu einem physiologischen Anstieg der Serum-Prolaktinwerte. Allerdings ist dieser Anstieg bei der laktierenden Mamma nur in den ersten 6 Wochen postpartal besonders stark ausgeprägt (s. a. Galaktorrhö). Bei der nicht laktierenden Mamma sind diese physiologischen Peaks nicht sehr stark ausgeprägt, nichtsdestotrotz sollte eine Brustwarzenstimulation kurz vor der Kontrolle der Prolaktinwerte vermieden werden.
Physischer und psychischer Stress bzw. belastende Lebenssituationen können ebenfalls ein Grund für eine Hyperprolaktinämie im Serum sein [4]. Allerdings sind die Serumwerte von Prolaktin selten deutlich über 40 ng/ml allein durch Stress erhöht. Des Weiteren kann Schlaf oder ausgedehnte sportliche Betätigung zu erhöhten Prolaktinwerten führen [8].

Hyperprolaktinämie – nichtphysiologische Ursachen

Das Prolaktinom ist ein gutartiger Tumor der laktotrophen Zellen des HVL. Die Prolaktinserumwerte sind in der Regel höher als 100 ng/ml, daher ist das Prolaktinom meist bereits durch die Höhe des Wertes gegenüber anderen Ursachen der Hyperprolaktinämie abzugrenzen [1, 9]. In der Regel korrelieren Tumorgröße und Prolaktinwert, sie können aber auch diskordant sein. Das Prolaktinom kann alleine oder in Kombination mit einem hormonaktivem oder -inaktiven Hypohpysenvorderlappenadenom vorkommen [1, 10]. Man unterscheidet das Mikroprolaktinom (≤10 mm) und das Makroprolaktinom (>10 mm) [1]. Die Symptome beim Prolaktinom können ganz gering ausfallen und bestehen u. a. aus einer Milchsekretion der Mammae, unregelmäßigem Menstruationszyklus, Müdigkeit, Libidoverlust. Bei einem Makroprolaktinom treten häufig zusätzlich Gesichtsfeldausfälle und Kopfschmerzen auf. Die Therapie besteht in der Regel aus Dopaminagonisten (s. unten). Nur bei großen therapierefraktären Makroprolaktinomen muss eine chirurgische Intervention durchgeführt werden [4].
Bei hormoninaktiven Hypophysenadenomen oder granulomatösen bzw. entzündlichen Prozessen an Hypophyse oder Hypothalamus kann es zum Beispiel durch Kompression zu einer Begleithyperprolaktinämie kommen.
Des Weiteren können verminderte Dopamin-Serumspiegel, Wechselwirkungen mit Medikamenten (z. B. Neuroleptika, Antidepressiva oder Östrogen [1, 11]), eine Hypothyreose oder eine chronische Niereninsuffizienz eine Hyperprolaktinämie hervorrufen. Auf diese Ursachen soll im weiteren Verlauf aufgrund des Umfangs nicht genauer eingegangen werden. Außerdem wird bei einigen Patientinnen trotz umfangreicher Diagnostik keine Ursache der Hyperprolaktinämie gefunden. Es handelt sich dann um eine sogenannte idiopathische Hyperprolaktinämie.

Therapie der Hyperprolaktinämie

Die Hyperprolaktinämie wird in der Regel mit oralen Dopaminagonisten behandelt (Tab. 2). Während früher meist Bromocriptin eingesetzt wurde, ist heute Cabergolin das Mittel der Wahl. Als weiteres Präparat steht Quinagolid zur Verfügung.
Tab. 2
Dosierung und Anwendung der Dopaminagonisten
Name
Dosierung
Dosierung zum primären Abstillen
Bromocriptin
2,5 mg/Tag
ggf. langsame Steigerung auf 10 mg/d
4 × 1,25 mg/d (14 Tage)
Cabergolin
0,5–1 mg/Woche
ggf. langsame Steigerung auf 1 mg/d möglich
2 × 0,5 mg einmalig
Quinagolid
1.–3. Tag: 25 µg/Tag
4.–6. Tag: 50 µg/Tag
Ab 7. Tag: 75 µg/Tag
ggf. langsame Steigerung auf 150–300 µg/Tag
Die Wirkung besteht über die Dopaminrezeptoren aus der Hemmung der Synthese und der Sekretion von Prolaktin. Da die Nebenwirkungen vor allem aus Schwindel, Übelkeit und Hypotension bestehen können, sollte die Therapie abends vor dem Schlafengehen idealerweise zu einer kleinen Mahlzeit eingenommen werden. Cabergolin hat eine längere Bioverfügbarkeit als Bromocriptin und kann daher ein- bis zweimal pro Woche verabreicht werden (0,5–1 mg/Woche). Quinagolid wird mit einer niedrigen Halbwertszeit täglich appliziert. Aufgrund des Nebenwirkungsprofils wird aktuell Cabergolin als Mittel der ersten Wahl empfohlen.
Die Dauer der Therapie mit Dopaminagonisten ist von der Ansprechrate und der Ursache der Hyperprolaktinämie abhängig (s. auch Absatz „Hyperprolaktinämie aus gynäkologischer Sicht“). Bei einem Mikro- oder Makroprolaktinom kann bei Erreichen der physiologischen Prolaktinlevel bzw. bei kernspintomografischer Remission ein Auslassversuch durchgeführt werden. Die Rezidivrate ist allerdings hoch, sodass eine Therapiedauer von mehreren Jahren, zum Teil sogar lebenslang, empfohlen wird. Erst wenn die medikamentöse Therapie des Markoprolaktinoms versagt, sollte eine chirurgische Intervention geplant werden.
Muss Cabergolin mit einer hohen Dosierung von 2–3 mg/Woche über mehrere Jahre verwendet werden, ist eine kardiologische Mitbetreuung angeraten, da es in solchen Fällen sehr selten zu einer Herzklappeninsuffizienz kommen kann [23].
Dopaminagonisten werden außerdem als Medikamente zum Abstillen verwendet. Dafür werden innerhalb der ersten 48 h postpartal (primäres Abstillen) 2 Tabletten Cabergolin 0,5 mg einmalig verabreicht. Dies führt in der Regel zu einem fehlenden Milcheinschuss und Ausbleiben der Laktation. Falls nach einer längeren Periode des Stillens die Laktation beendet werden soll (sekundäres Abstillen), ist meist eine Therapiedauer von ca. 14 Tagen notwendig. Aufgrund des Nebenwirkungsprofil sollte für das sekundäre Abstillen niedrige Dosierungen auf den ganzen Tag verteilt werden (z. B. 2–4 × tgl. 0,25–0,5 mg Cabergolin).

Hyperprolaktinämie aus gynäkologischer Sicht

Oligo‑/Amenorrhö

Die Hyperprolaktinämie ist in 10–20 % der Fälle von einer sekundären Amenorrhö (außerhalb der Schwangerschaft) ursächlich verantwortlich [2]. Die Hyperprolaktinämie führt über eine Hemmung der GnRH-Sekretion zu einer verminderten Ausschüttung von LH und FSH, sodass es zu einem fehlenden Follikelwachstum und niedrigen Östradiolwerten kommt [12, 13]. Dieser relative Östrogenmangel kann bei länger bestehender Hyperprolaktinämie und hohen Prolaktinwerten (über 100 ng/ml) auch zu einem Rückgang der Knochendichte führen [14], sodass eine Substitution mit Vitamin D oder sogar eine Hormontherapie erwogen werden muss. Meist liegt eine milde Hyperprolaktinämie (Prolaktinwerte zwischen 30 und 60 ng/ml) mit fehlender Ovulation und nachfolgender Oligomenorrhö oder Amenorrhö vor. Zusätzlich zur Follikelreifungsstörung kann die Hyperprolaktinämie zu verminderten Progesteronwerten in der Lutealphase führen [10, 15].
Die Therapie mit Dopaminagonisten führt in 25 % bereits nach kurzer Zeit zu einem regelmäßigen Menstruationszyklus, in 60 % nach 2 Monaten und in 80 % innerhalb von 10 Monaten [2]. Dementsprechend ist die durch eine Hyperprolaktinämie bestehende Amenorrhö sehr einfach und schnell zu behandeln. Ein Auslassversuch der Dopaminagonisten kann bei einem regelmäßigen Menstruationszyklus durchgeführt werden, spätestens mit Eintritt einer Schwangerschaft sollte die Medikation abgesetzt werden (s. unten).
Der Vollständigkeit halber soll hier auch die so genannte „Stillamenorrhö“ erwähnt werden, die durch die Hyperprolaktinämie mit konsekutiver Eizellreifungsstörung verursacht ist [1]. Dennoch wird heutzutage den jungen Müttern empfohlen, in der Stillperiode zusätzliche Kontrazeptiva zu verwenden, da diese physiologische, relative postpartale Anovulation nur bei regelmäßigen und häufigen Stillzeiten eintritt und keinen sicheren Konzeptionsschutz darstellt.

Unerfüllter Kinderwunsch und Schwangerschaft

Bei Patientinnen mit unerfülltem Kinderwunsch sollte immer die Serumkonzentration von Prolaktin überprüft werden, insbesondere wenn Zyklusunregelmäßigkeiten bestehen (s. oben), aber auch bei einem regelmäßigen (28-tägigen) Menstruationszyklus. Aus oben genannten Gründen können durch eine bereits milde Hyperprolaktinämie (zwischen 20 und 60 ng/ml) anovulatorische Zyklen oder eine Lutealinsuffizienz Ursache für den unerfüllten Kinderwunsch sein [1, 12, 13]. Die Therapie mit Dopaminagonsten sollte bis zum Eintritt einer Schwangerschaft durchgeführt, bei einem positiven Schwangerschaftstest allerdings abgesetzt werden.
Frauen, die Bromocriptin oder Cabergolin wegen eines Mikro- oder Makroprolaktinoms einnehmen, müssen darüber aufgeklärt werden, dass unter dieser Therapie eine Schwangerschaft eintreten kann und dass sie – falls keine Schwangerschaft gewünscht ist – zusätzlich verhüten sollten. Falls Frauen mit einem Prolaktinom allerdings einen dringenden Kinderwunsch haben, muss diesen nicht von einer Schwangerschaft abgeraten werden. Das Risiko für ein Wachstum des Prolaktinoms ist während einer Schwangerschaft sehr gering: ca. 2 % bei einem Mikroprolaktinom und ca. 21 % bei einem Makroprolaktinom [20]. Bei Eintritt einer Schwangerschaft bei bekanntem Prolaktinom wird aktuell empfohlen, abzuwarten und regelmäßige augenärztliche Kontrollen (Gesichtsfelduntersuchungen) bei diesen Frauen durchzuführen [1, 3]. Falls während einer Schwangerschaft die Therapie mit Dopaminagonisten fortgesetzt werden muss, sollten nach heutigem Wissensstand Dopaminagonisten hinsichtlich einer entstehenden Schwangerschaft und möglicher teratogener Nebenwirkungen sicher sein.
Bromocriptin ist diesbezüglich das am besten untersuchte Medikament. Es konnte bisher kein Nachweis für ein erhöhtes Abortrisiko, für fetale Fehlbildungen, Mehrlingsschwangerschaften oder postpartale Veränderungen bei den Nachkommen gezeigt werden [2427]. Bei Cabergolin konnte ebenfalls in mehreren Studien kein teratogener Effekt gezeigt werden [16, 28, 29]. Aufgrund des besseren Nebenwirkungsprofils wird aktuell Cabergolin als Mittel der Wahl empfohlen [20].
Nichtsdestotrotz sollte die Einnahme von Dopaminagonisten mit positivem Schwangerschaftstest möglichst beendet werden, damit die fetale Exposition so gering wie möglich gehalten werden kann.

Fallbeispiel

Eine 34-jährige Patientin mit unerfülltem Kinderwunsch berichtet, dass sie ein orales Kontrazeptivum vor ca. drei Jahren abgesetzt hat, dass der Zyklus zunächst regelmäßig einmal im Monat war, aber dass seit etwa zwei Jahren die Periode sehr unregelmäßig sei – mal trete erst nach 6–8 Wochen eine Blutung auf, mal schon nach drei Wochen. Sämtliche Schwangerschaftstests seien negativ gewesen.
In der Blutanalyse zeigten sich die Hormonwerten der gonadotropen Achse unauffällig, der Prolaktinwert war mit 52 ng/ml erhöht. Eine Nüchternkontrolle eine Woche später ergab einen Prolaktinwert von 43 ng/ml, sodass eine Therapie mit Cabergolin 0,5 mg 1×/Woche begonnen wurde.
Nach fünf Monaten erfolgte eine Wiedervorstellung, die Patientin berichtet, dass seit Einnahme von Cabergolin die Periodenblutung von zunächst fünfwöchentlich sich auf 28-tägig reguliert hätte. Die Prolaktinkontrolle ergab einen Wert von 12 ng/ml. Die Dosierung sollte so beibehalten werden.
Erneute Wiedervorstellung nach drei Monaten. Nun berichtet die Patientin, dass die Periode erneut seit ca. acht Wochen nicht aufgetreten sei, die Medikation habe sie nicht verändert. Nach Durchführung einer Vaginalsonografie zeigte sich eine intakte intrauterine Gravidität der 8. Schwangerschaftswoche (SSW) entsprechend. Cabergolin wurde abgesetzt. Die Patientin hatte einen unauffälligen Schwangerschaftsverlauf mit problemloser Spontangeburt in der 40. SSW und hat sieben Monate gestillt. Eine Prolaktinspiegelkontrolle nach dem Abstillen war zweimal in Folge normwertig. Die Periode ist seit dem Abstillen regelmäßig.

Galaktorrhö

Die Galaktorrhö ist eine meist beidseitige milchige Brustsekretion, die außerhalb einer Schwangerschaft bzw. Stillzeit auftritt. Klinisch wird zwischen drei Schweregraden unterschieden: Galaktorrhö 1. Grades: ein Tropfen, Galaktorrhö 2. Grades: mehrere Tropfen, Galaktorrhö 3. Grades: spontane Sekretion [1]. Beachtet werden muss hier, dass eine Galaktorrhö auch ohne Hyperprolaktinämie auftreten kann. Daher sollte bei einer Galaktorrhö nicht nur die Prolaktinkonzentration im Serum überprüft werden, sondern das Sekret auch zytologisch untersucht werden. Bei blutiger Galaktorrhö sollte außerdem ein malignes Geschehen ausgeschlossen werden und ggf. eine Galaktografie und Mammografie erfolgen. Bei reiner Milchsekretion und normalen Prolaktinwerten muss keine weitere Therapie erfolgen, und die Galaktorrhö sistiert meist innerhalb weniger Monate. Wenn die Prolaktinwerte erhöht sein sollten, kann eine niedrig dosierte Therapie mit Cabergolin 0,5 mg/Woche begonnen werden.

Hirsutismus und Hyperandrogenämie

Hirsutismus ist definiert als verstärkte Behaarung bei der Frau vom männlichen Behaarungstyp und geht häufig mit einer Hyperandrogenämie einher [17]. Seit vielen Jahren wird immer wieder ein Zusammenhang zwischen der Hyperprolaktinämie und einer Hyperandrogenämie postuliert [18, 19]. Prolaktin kann über eine Enzymhemmung (3β-Hydroxysteroid-Dehydrogenase, 5‑Reduktase) einerseits den Serumspiegel von Dehydroepiandrosteron (DHEA) erhöhen und andererseits über den gleichen Mechanismus zu einer Reduktion des biologisch aktiven Dihydrotestosteron führen [19]. Daher haben die meisten Frauen mit einem reinen Prolaktinom keine Androgenisierungserscheinungen (Hirsutismus oder Akne), sodass es zwar einen Zusammenhang mit erhöhtem DHEA gibt, aber nicht mit Hirsutismus oder Akne. Dementsprechend sollte bei diesen Beschwerden immer nach anderen Ursachen (z. B. adrenogenitales Syndrom, polyzystisches Ovarsyndrom) gesucht werden.

Fazit für die Praxis

Die Hyperprolaktinämie ist in einem gynäkologischen Setting insbesondere bei Zyklusunregelmäßigkeiten und unerfülltem Kinderwunsch von klinischer Bedeutung. Bei der Galaktorrhö und der Hyperandrogenämie spielt sie eher eine untergeordnete Rolle. Wegen der geringen Nebenwirkungen und der langen Halbwertszeit ist heute Cabergolin das Mittel der Wahl für alle Formen der Hyperprolaktinämie und zum Abstillen.

Einhaltung ethischer Richtlinien

Interessenkonflikt

K. Hancke und J.M. Weiss geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diesen Beitrag wurden von den Autoren keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.
Open Access. Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden.
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Metadaten
Titel
Hyperprolaktinämie aus gynäkologischer Sicht
verfasst von
Prof. Dr. med. K. Hancke
J. M. Weiss
Publikationsdatum
15.06.2020
Verlag
Springer Vienna
Erschienen in
Journal für Endokrinologie, Diabetologie und Stoffwechsel / Ausgabe 3/2020
Print ISSN: 3004-8915
Elektronische ISSN: 3004-8923
DOI
https://doi.org/10.1007/s41969-020-00100-1

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