Einleitung

In österreichischen Krankenhäusern werden laut Spitalsentlassungsstatistik jährlich mehr als 1,2 Mio. Operationen durchgeführt. Schon vor dem Hintergrund dieser großen Zahl Betroffener kommt der perioperativen Schmerzversorgung eine große Bedeutung zu.

Trotz aller positiven Entwicklungen wird jedoch postoperativen Schmerzen und ihrer Behandlung nach wie vor nicht jene Aufmerksamkeit geschenkt, die sie verdienen [50]. Starke Schmerzen nach chirurgischen Eingriffen betreffen mit 20–40 % einen erheblichen Anteil der Patienten [52, 102]. Postoperative Schmerzen bleiben also offenbar nach wie vor oftmals ungenügend behandelt [134]. Das ist problematisch, weil sich diese Tatsache auf den unmittelbaren Rekonvaleszenzprozess negativ auswirkt und die Grundlage für eine Schmerzchronifizierung bilden kann.

Ein adäquates und effektives Management perioperativer Schmerzen erfordert geeignete organisatorische Strukturen. Das vorliegende Positionspapier, das die Österreichische Gesellschaft für Anästhesiologie, Reanimation und Intensivmedizin und die Österreichische Schmerzgesellschaft initiiert und gemeinsam mit zahlreichen mit der Thematik befassten Fachgesellschaften und Berufsverbänden entwickelt haben, soll dabei unterstützen, das perioperative Schmerzmanagement optimal zu gestalten und bewährte Konzepte zu nutzen. Ein ergänzender Abschnitt beschreibt Besonderheiten der perioperativen Schmerztherapie bei ausgewählten Eingriffsarten.

Zu wichtigen aktuellen Entwicklungen im perioperativen Schmerzmanagement, die in dem Positionspapier aufgegriffen werden, gehören:

  • Das perioperative Schmerzmanagement ist heute eine in hohem Maß interdisziplinäre Aufgabe.

  • Statt monotherapeutischer Zugänge stehen heute multimodale Therapieansätze im Mittelpunkt der Bemühungen.

  • Zunehmend setzten sich auch individualisierte, an die jeweilige patientenspezifische Situation angepasste therapeutische Strategien durch.

  • Optionen der patientenkontrollierten Analgesie (PCA) gewinnen an Bedeutung, auch vor dem Hintergrund neuer Verabreichungsformen [60, 62, 64, 79, 106, 109, 111, 146].

  • Es werden klare Grenzwerte für schmerztherapeutische Interventionen definiert.

  • Neben medikamentösen Verfahren wird auch die Bedeutung nichtmedikamentöser Interventionen diskutiert.

Methodik

Das vorliegende Positionspapier beschreibt auf der Basis wissenschaftlicher Evidenz und der Erfahrungen der teilnehmenden Expertinnen und Experten organisatorische Standards des perioperativen Schmerzmanagements und fasst den Stellenwert wichtiger schmerztherapeutischer Interventionen zusammen. Die letzte Empfehlung der Österreichischen Schmerzgesellschaft zu diesem Thema stammt aus dem Jahr 2003, eine aktuelle Positionierung war also erforderlich.

Im August 2015 wurden von der Österreichischen Gesellschaft für Anästhesiologie, Reanimation und Intensivmedizin (ÖGARI) und der Österreichischen Schmerzgesellschaft (ÖSG) Fachgesellschaften und Berufsverbände mit Relevanz für das perioperative Schmerzmanagement eingeladen, sich an dem Prozess zur Erstellung eines Positionspapiers zu beteiligen. In der Expertengruppe vertreten waren neben den beiden genannten initiierenden Fachgesellschaften 17 weitere wissenschaftliche Fachgesellschaften oder Berufsverbände, vertreten durch die Autorengruppe. 25 Expertinnen und Experten aus 17 Fachbereichen nahmen am Prozess teil (Infobox  1 ).

Infobox 1 Teilnehmende Fachgebiete

  • Allgemeinchirurgie

  • Anästhesiologie

  • Chirurgie

  • Gynäkologie und Geburtshilfe

  • Gefäßchirurgie

  • Herz-Thorax-Chirurgie

  • HNO

  • Minimal-invasive Chirurgie

  • Neurochirurgie

  • Orthopädie und orthopädische Chirurgie

  • Pflege

  • Physikalische Medizin und Rehabilitation

  • Physiotherapie

  • Plastische, ästhetische und rekonstruktive Chirurgie

  • Schmerzmedizin

  • Unfallchirurgie

  • Urologie

Entwickelt wurde das Positionspapier in einem mehrstufigen Prozess. Im Rahmen von zwei persönlichen Treffen (Dezember 2015 und Juni 2016) wurden die Ergebnisse der Literaturreviews, die die beteiligten Expertinnen und Experten für ihre jeweiligen Fachbereiche durchgeführt haben, präsentiert und diskutiert und Empfehlungen abgeleitet. Aufnahme in den Prozess der Entwicklung von Empfehlungen fanden aber auch Expertenmeinungen zu Maßnahmen oder Interventionen, die durch evidenzbasierte Daten nicht gut belegt sind, sich aber nach der Erfahrung von Teilnehmern klar als zweckmäßig erweisen. Zunächst kontroverse Empfehlungen wurden dann in das Positionspapier aufgenommen, wenn im Zuge der Diskussion der Nutzen plausibel gemacht und von einer Mehrheit der Teilnehmer akzeptiert wurde.

Auf Basis der Präsentationen, Diskussionen und weiterer schriftlicher Stellungnahmen von Vertretern der Fachgesellschaften wurde der im Mai 2015 in der Arbeitsgruppe zirkulierte Erstentwurf mehrfach überarbeitet und schließlich in einem schriftlichen Abstimmungsprozess finalisiert und verabschiedet. In einigen der beteiligten Fachgesellschaften wurde das Positionspapier in den Leitungsgremien beschlossen.

Defizite in der perioperativen Schmerztherapie und ihre Ursachen

Eine Reihe von Faktoren und Ursachen sind mitbestimmend dafür, dass die Realität der perioperativen schmerztherapeutischen Versorgung in vielen Ländern, auch in Österreich, nach wie vor hinter ihren Möglichkeiten zurückbleibt [21, 47].

Unter anderem erweisen sich die Erfassung, Dokumentation und damit auch die Wahrnehmung des Vorliegens postoperativer Schmerzen und der Schmerzintensitäten als Basis für Therapieentscheidungen oftmals als unzureichend [43, 70, 86].

Ein anderer Faktor sind fehlende oder mangelhaft umgesetzte Konzepte bzw. Vereinbarungen zur perioperativen Schmerztherapie in einem Krankenhaus, zum Beispiel unzureichend geregelte Verantwortlichkeiten.

Auch fehlende Angebote strukturierter Fortbildung für alle am Schmerzmanagement beteiligten Berufsgruppen, knappe personelle Ressourcen oder eine hohe Personalfluktuation sind Hürden für eine angemessene perioperative Schmerzversorgung. Aufgrund von Spardruck und Personalmangel drohen in Österreich allerdings zunehmend spezialisierte Strukturen wie Akutschmerzdienste eingeschränkt oder nicht fortgeführt zu werden [151].

Weitere Faktoren, die ein gutes perioperatives Schmerzmanagement behindern, sind sprachliche Barrieren oder eine fehlende bzw. unzureichende Patientenaufklärung zu diesem Thema. In manchen Fällen dürfte eine Unterversorgung überdies an einem auf den ersten Blick paradoxen Verhalten von Patienten liegen: Wie Daten zeigen, neigen diese dazu, weniger Schmerzmittel anzufordern, als eigentlich ihrer Schmerzwahrnehmung entsprechen würde [40].

Mit welchen organisatorischen Strukturen und Maßnahmen solchen Defiziten entgegengewirkt werden kann, zeigt in der Folge Abschn. Organisation des perioperativen Schmerzmanagements.

Dazu kommt, dass Ergebnisse aus randomisierten klinischen Studien nur eingeschränkten Nutzen für die tägliche Praxis der perioperativen Schmerztherapie haben. Ist der Nachweis einer überlegenen analgetischen Wirkung eines Verfahrens oder einer Substanz erbracht, kann nicht notwendigerweise davon ausgegangen werden, dass sich die Methode in Bezug auf andere Kriterien wie Nebenwirkungen oder Morbidität im perioperativen Setting genauso günstig verhält [56, 92].

Konsequenzen eines unzureichenden perioperativen Schmerzmanagements

Negative Auswirkungen unzureichender Akutschmerzversorgung

Nicht oder unzureichend behandelter akuter postoperativer Schmerz kann als Stressfaktor das Wohlbefinden betroffener Patienten beeinträchtigen, es kann zu perioperativen Morbiditäten und physiologischen Auswirkungen auf das gesamte Behandlungsergebnis kommen [50, 112].

Schlecht kontrollierte perioperative Schmerzen tragen zu einer Verschlechterung von Komorbiditäten und Outcome bei. Bei Patienten mit einer bestehenden koronaren Herzkrankheit beispielsweise kann eine inadäquate Schmerzbehandlung das Risiko für koronare Komplikationen erhöhen [120]. Bei Patienten mit unzureichend kontrollierten postoperativen Schmerzen besteht ein erhöhtes Risiko, an einer Pneumonie zu erkranken [17, 45] oder Infektionen zu erleiden, auch eine erhöhte Rate von tiefen Beinvenenthrombosen ist nachgewiesen [126]. Die endokrinen Stressreaktionen können die Wundheilung negativ beeinflussen [45]. Akuter postoperativer Schmerz wirkt sich zudem negativ auf Blutdruck und Schlaf der Patienten aus [76, 167]. Postoperative Schmerzen können auch mit der Entstehung von deliranten Zustandsbildern einhergehen.

Eine insuffiziente Schmerztherapie kann die postoperative Mobilisierung verzögern und die zu erwartende Rehabilitationsdauer verlängern. Umgekehrt sind eine gute Schmerzkontrolle und eine präoperative Patientenschulung wichtige Voraussetzungen für die Umsetzbarkeit von „Fast-Track“- bzw. „Enhanced-Recovery-after-Surgery“(ERAS)-Konzepten.

Eine angemessene perioperative Schmerzbehandlung hingegen verbessert die Lebensqualität und den Heilungsverlauf von Patienten und kann die Behandlungsdauer verkürzen und das Risiko von Komplikationen verringern [32].

Schon deshalb ist un- oder unterbehandelter postoperativer Schmerz letztlich auch ein betriebs- und volkswirtschaftliches Problem. Komorbiditäten und Outcome-Verschlechterungen resultieren in längeren Krankenhausaufenthalten, die Spitalsbudgets sowie das gesamte Gesundheits- und Sozialsystem belasten.

Perioperative Schmerzen bzw. deren effektive Behandlung haben schließlich auch einen entscheidenden Einfluss darauf, wie die Behandlungsqualität durch die Patienten beurteilt wird und wie zufrieden sie damit sind [92]. Die tatsächliche oder auch nur kolportierte Qualität der Schmerztherapie beeinflusst die Krankenhauswahl durch Patienten in einem wesentlichen Ausmaß [145].

Faktoren, die Auftreten und Intensität akuter postoperativer Schmerzen beeinflussen

Chirurgische Eingriffe verursachen bei jedem Patienten individuell unterschiedlich ausgeprägte postoperative Schmerzen.

Auftreten und Ausmaß akuter postoperativer Schmerzen sind von einer Reihe von Faktoren beeinflusst. So korrelieren sie, unabhängig von der Art der Operation, negativ mit dem Alter, positiv mit dem Vorhandensein präoperativer chronischer Schmerzen und positiv mit dem weiblichen Geschlecht [53].

Hingegen steht die Intensität akuter postoperativer Schmerzen nicht in Zusammenhang mit der Größe des chirurgischen Eingriffs oder dem Ausmaß der Gewebeschädigung. Kleine „Routineoperationen“ wie die offene Appendektomie, die offene Cholezystektomie oder die Tonsillektomie sind häufig mit starken Schmerzen verbunden [53]. Große abdominelle Operationen wie Gastrektomie oder Hemikolektomie werden hingegen von Patienten als deutlich weniger schmerzhaft erlebt [42], möglicherweise auch, weil hier oft kontinuierliche epidurale Analgesie zur Anwendung kommt [52, 103].

Eine besondere Herausforderung stellt im perioperativen Setting die Betreuung von Patienten dar, bei denen eine Opioidabhängigkeit besteht oder die sich in einer Opioiderhaltungstherapie (Substitutionstherapie) befinden. Bedingt durch eine opioidinduzierte Hyperalgesie haben betroffene Patienten in der Regel eine deutlich herabgesetzte Schmerzschwelle. Unsicherheiten beim Einsatz von Opioidanalgetika in dieser Patientengruppe tragen zu ihrer schmerzmedizinischen Unterversorgung bei. Eine Therapie mit Opioidanalgetika ist hier keineswegs ausgeschlossen, allerdings sind Spezifika wie eine häufig verminderte Wirksamkeit von Opioidanalgetika zu beachten [75]. Bei abhängigen Patienten in Opioiderhaltungstherapie (Substitutionstherapie) sollte diese perioperativ jedenfalls beibehalten werden, da Entzugssymptome die Schmerzempfindlichkeit weiter erhöhen.

Schmerzchronifizierung

Un- oder unterbehandelter postoperativer Schmerz trägt potenziell zur Schmerzchronifizierung bei. Chronisch-persistierender postoperativer Schmerz liegt definitionsgemäß dann vor, wenn er nach einer Operation neu auftritt und dann mehr als drei Monate anhält, und wenn andere Ursachen ausgeschlossen wurden [85].

Je nach Art des Eingriffs entwickeln 10–50 % der Patienten nach einer Operation anhaltende chronische Schmerzen [77, 113]. Insbesondere starke akute postoperative Schmerzen sind prädiktiv für die Entstehung von persistierenden Schmerzen nach Operationen [9, 30, 51, 76, 84, 134, 167].

Risikofaktoren für die Entwicklung chronischer postoperativer Schmerzen

Zu einem erhöhten Risiko für anhaltende chronische postoperative Schmerzen kann eine Reihe von Faktoren beitragen. Die Stärke akuter postoperativer Schmerzen und insbesondere der Zeitraum, während dessen ein Patient am ersten postoperativen Tag unter starken Schmerzen leidet, stellen signifikante Risikofaktoren für die Entwicklung anhaltender chronischer Schmerzen dar (Tab. 1; [47]). Der Zeitraum bis zum Einsetzen einer anhaltenden Schmerzlinderung gilt daher auch als wichtige Evaluierungsgröße für die Qualität des postoperativen Schmerzmanagements [137, 153].

Tab. 1 Risikofaktoren für die Entwicklung chronischer postoperativer Schmerzen

Die Art bzw. das Areal des chirurgischen Eingriffs haben sich als Prädiktoren für eine postoperative Schmerzchronifizierung erwiesen. Besonders hoch ist das Risiko nach Thorakotomie, Brust- oder Leistenhernienoperationen. Nach Amputationen treten häufig Phantomschmerzen auf [138].

In das perioperative Schmerzmanagement muss auch der präoperative Patientenstatus (Alter, Geschlecht, präoperativer Schmerz, Psyche, Grunderkrankung, Eingriffsart etc.) einfließen.

Am besten eignen sich zur Prädiktion chronischer postoperativer Schmerzen Risiko-Scores, mit deren Hilfe die bekannten Risikofaktoren abgefragt werden, zum Beispiel der einfache Risikoindex mit fünf Prädiktoren von Althaus et al. ([8]; Infobox  2 ) oder die Faktoren nach Aasvang et al. [1]. Diese sollten routinemäßig im Rahmen der präoperativen Anästhesieaufklärung eingesetzt werden. Patientinnen und Patienten mit einem hohen Chronifizierungsrisiko benötigen eine besonders engmaschige schmerzmedizinische Betreuung [138, 140].

Infobox 2 Risikoindex für chronische postoperative Schmerzen: 5 Faktoren nach Althaus [8]

  • Überlastungssyndrom

  • Präoperative Schmerzen im Operationsgebiet

  • Andere chronische präoperative Schmerzen

  • Akuter postoperativer Schmerz

  • Stress

Organisation des perioperativen Schmerzmanagements

Definitionsgemäß handelt es sich beim Begriff Schmerztherapie um alle therapeutischen Maßnahmen, die zu einer Reduktion von Schmerzen führen. Der Begriff Schmerzmanagement umfasst alle planenden, überwachenden und steuernden Maßnahmen, die für die Gestaltung einer effektiven Schmerztherapie erforderlich sind [33].

In Einrichtungen, in denen chirurgische Eingriffe durchgeführt werden, müssen organisatorische Voraussetzungen für eine optimale perioperative schmerzmedizinische Versorgung geschaffen werden [32, 124] – die betrifft Strukturen, Personal, Verantwortlichkeiten und Abläufe. In der Folge werden Empfehlungen zu diesen Bereichen beschrieben.

Patienteninformation und -aufklärung

Im Rahmen eines angemessenen perioperativen Schmerzmanagements sollten Patienten über den zu erwartenden postoperativen Schmerzverlauf, Methoden der Schmerzerfassung, mögliche Einflussfaktoren sowie Optionen und geplante Maßnahmen der perioperativen Schmerztherapie informiert werden, wobei auch die individuellen Vorstellungen von Patienten berücksichtigt werden sollten.

Die Einbeziehung in den Prozess soll Patienten jedenfalls zu einer aktiven Beteiligung befähigen [21, 32, 49, 113, 142]. Je besser Patienten aufgeklärt sind, desto besser können sie erfahrungsgemäß mit der Situation rund um den chirurgischen Eingriff und dem Schmerz umgehen. Die Patientenzufriedenheit korreliert mit den erhaltenen präoperativen Informationen und dem Ausmaß, in dem Betroffene in die Therapieentscheidung einbezogen waren [118, 136].

Die Aufklärung über geplante Maßnahmen der perioperativen Schmerztherapie ist eine interdisziplinäre Aufgabe [32] und sollte durch die betreuenden Chirurgen und Anästhesisten erfolgen. Ebenso ist eine Schulung und Beratung der Betroffenen durch die präoperative Pflegevisite wünschenswert: dies speziell zu den Methoden der Schmerzerfassung, den Interventionsgrenzen und den Möglichkeiten der nichtmedikamentösen Schmerztherapie.

Pflegefachkräfte spielen eine wichtige Rolle in der Beratung von Patienten, nicht zuletzt um diese zu bestärken, ihre postoperativen Schmerzen einzuschätzen, mitzuteilen und aktiv zu beeinflussen [141], und um sie mit den eingesetzten Instrumenten der Schmerzerfassung vertraut zu machen [45].

Zusätzlich zur mündlichen Information und Aufklärung erweisen sich schriftliche Patientenunterlagen zu diesem Thema als zweckmäßig. Diese sollten es ihnen erleichtern, im Lauf der Behandlung zusätzliche Fragen an das Team zu richten und sich mit den schmerzmedizinischen Möglichkeiten auseinanderzusetzen.

Schmerzerfassung, Schmerzdokumentation und Überprüfung des Therapieerfolgs

Die Schmerzerfassung sowie die Dokumentation der Schmerzen, der therapeutischen Maßnahmen und ihres Erfolgs liefern wichtige Grundlagen für ein effektives perioperatives Schmerzmanagement.

Schmerzerfassung

Die regelmäßige Erfassung postoperativer Schmerzen ist eine wichtige Voraussetzung für angemessene schmerzmedizinische Interventionen. Auch wenn der Stellenwert der regelmäßigen Schmerzmessung bei chronischen Schmerzen zuletzt auch Gegenstand kritischer Debatten war [29, 70], ist ihre Bedeutung für das akute postoperative Setting groß [16, 103]. Schmerzmessung allein bringt noch keine Verbesserung der schmerzmedizinischen Versorgung, allerdings trägt sie zu einer höheren Aufmerksamkeit für das Problem bei und schafft damit die zentrale Grundlage für eine angemessene Therapie.

Die Schmerzen sollten nicht nur beim Erstgespräch und bei der Aufnahme erfasst werden, sondern auch unmittelbar postoperativ im Aufwachraum. Eine Verlegung der Patienten aus dem Aufwachraum sollte erst ab einer Schmerzintensität von ≤3 auf der numerischen Rating-Skala (NRS) erfolgen.

Wegen der großen klinischen Relevanz sollten zwei- bis dreimal täglich sowie jedenfalls in einem angemessenen Abstand nach einer schmerzmedizinischen Intervention die Schmerzen erfasst und dokumentiert werden, wobei sowohl der Ruheschmerz als auch der Belastungsschmerz relevant ist. Die optimale Frequenz für die Erfassung orientiert sich auch an individuellen Faktoren. Neben Schmerzmuster und Schmerzintensität sollten die Schmerzlokalisation, auch von Schmerzen außerhalb des Operationsgebiets, die Schmerzqualität, schmerzauslösende oder -verstärkende sowie schmerzlindernde Faktoren, funktionelle Beeinträchtigungen und Faktoren erfasst werden, die eine Selbsteinschätzung des Schmerzes möglicherweise beeinträchtigen können [32].

Die optimalen Voraussetzungen für die Umsetzung dieser Empfehlungen sind dann gegeben, wenn prä- und postoperative Schmerzvisiten durch Anästhesie und Pflege durchgeführt werden.

Bleiben die Schmerzen ohne Therapie länger als 24 h unter den Interventionsgrenzen (siehe Abschn. Grenzwerte für schmerztherapeutische Interventionen), ist keine weitere Schmerzerfassung erforderlich. Treten neuerlich Schmerzen auf, muss auch die Schmerzerfassung wieder regelmäßig durchgeführt werden [32, 141] und das Vorliegen einer postoperativen Komplikation als mögliche Ursache für das Wiederauftreten der Schmerzen ausgeschlossen werden.

Es stehen vielfältige bewährte Methoden zur Erfassung der subjektiven Schmerzintensität zur Verfügung, wobei der Grundsatz gilt: Jede Erfassungsmethode ist besser als keine. Sind Patientinnen und Patienten voll orientiert, kann eine numerische Rating-Skala (NRS) benutzt werden. Bewährt haben sich auch verbale Rating-Skalen (VRS). Weitere gut eingeführte Methoden sind die visuelle Analogskala (VAS) und die Faces Pain Scale-revised (FPS-r) [24, 28, 68]. Um den Therapieverlauf angemessen darstellen zu können, sollte eine Skala durchgehend verwendet werden [45].

Auch bei verbal und kognitiv eingeschränkten Patienten können Schmerzen zuverlässig erfasst werden, wie Studien zeigen (Tab. 2).

Tab. 2 Scores und Skalen für verbal und kognitiv eingeschränkte Patienten

Bei der Fremdbeurteilung ist es sinnvoll, auch die Einschätzung der Angehörigen einzubeziehen, wenngleich diese eher dazu tendieren, die Schmerzen des Patienten überzubewerten [67].

Schmerzdokumentation

Die Schmerzerfassung sollte neben der Messung von Körpertemperatur, Blutdruck oder Puls als weiteres Vitalzeichen in die Standarddokumentation aufgenommen werden. Dabei sollten die Ergebnisse aller Schmerzmessungen und sämtliche schmerztherapeutischen Maßnahmen patientennahe dokumentiert werden, wobei auch unerwünschte Wirkungen von Interventionen festgehalten werden sollten. Dies ist eine wesentliche Voraussetzung für die Verlaufskontrolle (siehe auch Therapiemonitoring), wobei die Zuständigkeit für die Dokumentation klar geregelt werden muss.

Eine konsequente Dokumentation bildet die Basis für eine gute Informationsübermittlung im multiprofessionellen Team [22]. Dabei sollte die Schmerzdokumentation so gut wie möglich in das Gesamtdokumentationskonzept (digital oder Papier) eingebunden und für alle befassten Berufsgruppen leicht zugänglich sein. Spezielle Dokumentationsprogramme und -formulare können die Qualität der Informationen zu Schmerzbewertung und -messung verbessern [119]. Im stationären Setting hat sich die Dokumentation des erhobenen Schmerzwerts durch diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegepersonen in der Fieberkurve in einem eigens dafür vorgesehenen Bereich oder einem eigenen Schmerzbeiblatt bewährt.

Therapie-Monitoring

Einen zentralen Bestandteil der Dokumentation sollte auch eine regelmäßige Nutzen-Risiko-Evaluation bilden. Die postoperative Akutschmerztherapie sollte ausreichend lange durchgeführt werden, um eine sichere Chronifizierungsprophylaxe zu bieten, und so kurz wie möglich, um potenzielle Schäden durch Analgetika zu vermeiden. Das Ziel sollte eine maximal mögliche Schmerzreduktion bei minimalen Nebenwirkungen während der gesamten Behandlungskette sein, wobei die Behandlung laufend an die aktuellen Erfordernisse angepasst werden sollte [32]. Daher sollten Parameter wie das Ergebnis sowie unerwünschte Wirkungen der therapeutischen Maßnahmen, die Schmerzintensität sowie funktionelle Fortschritte dokumentiert werden.

Grenzwerte für schmerztherapeutische Interventionen

Als Grenzwerte, die eine schmerztherapeutische Intervention auslösen sollten, werden ein Wert von ≥3 auf der NRS für den Ruheschmerz und ein Wert ≥5 auf der NRS für den Belastungsschmerz bzw. ein Wert von ≥3 auf der Doloshort-Skala und ≥4 auf der FPS oder BESD empfohlen.

Ärztliche Anordnungen zum Einsatz schmerztherapeutischer Interventionen sollten sich an diesen Interventionsgrenzen orientieren, das Konzept einer Schmerzmedikation „bei Bedarf“ muss der Vergangenheit angehören und ist obsolet.

Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten für das perioperative Schmerzmanagement

Das perioperative Schmerzmanagement stellt eine multiprofessionelle und interdisziplinäre Verantwortung dar, in die jedenfalls die Anästhesiologie, das jeweils zuständige chirurgische Fach sowie die Pflege involviert sein müssen. Eine Einbindung der Physiotherapie, anderer höherer medizinisch-technischer Dienste oder des psychologischen Dienstes ist in Abhängigkeit der vorhandenen Ressourcen wünschenswert.

Ein erfolgreiches perioperatives Schmerzmanagement setzt die klare Zuordnung von Verantwortlichkeiten und eine funktionierende strukturierte Informationsvermittlung zwischen allen beteiligten Fachdisziplinen und Berufsgruppen voraus [22, 43, 166].

Die Verantwortlichkeiten sollten im Detail in einer abteilungsübergreifenden Vereinbarung festgelegt werden (siehe Abschn. Rahmenvereinbarung).

Sinnvoll ist die Einrichtung eines Teams, das aus Vertretern aller beteiligten Behandlungsbereiche und Berufsgruppen besteht und die Gesamtabläufe plant, steuert und gegebenenfalls anpasst [32]. Durch die Einbindung der verschiedenen Bereiche werden ein umfassender Überblick und eine hohe Akzeptanz von Entscheidungen gewährleistet [41].

Für die Einleitung bzw. Anpassung der Schmerztherapie sollten zuvor festgelegte Anordnungen für medikamentöse und nichtmedikamentöse Interventionen existieren, die bei Überschreiten der festgelegten Interventionsschwellen sofort umgesetzt werden.

Im Interesse eines optimierten perioperativen Schmerzmanagements ist die Verfügbarkeit von spezialisiertem Pflegepersonal („Pain Nurse“) für Schmerzvisiten wünschenswert. Ist dies in einem Haus nicht möglich, wird empfohlen, zumindest eine schmerztherapeutische Ansprechperson im Pflegebereich zu nominieren.

Akutschmerzdienst (ASD)

Neben klaren organisatorischen Strukturen und der Festlegung einer Hauptverantwortlichkeit für das perioperative Schmerzmanagement ist die Etablierung von interdisziplinären 24-Stunden-Schmerzdiensten (Akutschmerzdienst [ASD]) wünschenswert, die über eigene Personalressourcen verfügen (Infobox  3 ).

Der ASD sollte allen Abteilungen bzw. Stationen als Anlaufstelle in Fragen des perioperativen Schmerzmanagements zur Verfügung stehen. Relevant ist dies insbesondere, wenn Patienten ein hohes Risiko für starke postoperative Schmerzen haben, wenn sich Schmerzen schwer kontrollieren lassen, sowie zur Überwachung invasiver Therapieverfahren auf der Normalstation. In den erweiterten Aufgabenbereich des ASD fällt die Fortbildung und Schulung von Ärzten und Pflegepersonen zur perioperativen Schmerztherapie.

Infobox 3 Mindestanforderungen an einen Akutschmerzdienst [148]

  • Verfügbarkeit von eigenem, für die postoperative Schmerztherapie zuständigem Personal

  • Betreuung der Patienten rund um die Uhr

  • Entwicklung und Überwachung von Qualitätsstandards für eine regelmäßige Schmerzmessung und -dokumentation auf den Stationen

  • Bereitstellung von schriftlichen Protokollen/Leitfäden für das perioperative Schmerzmanagement

Akutschmerzdienste werden häufig von Anästhesiologen geführt, unter Berücksichtigung der spezifischen lokalen Gegebenheiten sind auch andere interdisziplinäre oder interprofessionelle Lösungen möglich. Ein Beispiel stellt das Modell eines pflegebasierten, von einem speziell geschulten Arzt geleiteten Schmerzdienstes dar, in dem für die Schmerztherapie besonders ausgebildetem Pflegepersonal mehr Verantwortung übertragen wird [92].

Die Implementierung eines ASD kann zu einer besseren postoperativen Schmerzreduktion beitragen und das Auftreten von unerwünschten Wirkungen der Schmerztherapie reduzieren [18, 147, 164]. Weitere Studien zur Überprüfung der Wirksamkeit von ASD sind wünschenswert [156].

Rahmenvereinbarung

Klare Verantwortlichkeiten tragen entscheidend zum Gelingen des perioperativen Schmerzmanagements bei. Übergeordnete schriftliche Rahmenvereinbarungen innerhalb eines Krankenhauses sollten von allen beteiligten Fachdisziplinen gemeinsam erarbeitet und schriftlich festgehalten werden. Eine solche Rahmenvereinbarung sollte die fachlichen Zuständigkeiten aller beteiligten Disziplinen und Berufsgruppen, organisatorische Aspekte oder Interventionsgrenzen festlegen.

Der Vertrag sollte bindenden Charakter haben, und von den Vorständen sämtlicher involvierten Abteilungen sowie der kollegialen Führung (ärztliche Direktion, Pflegedienstleitung und Verwaltungsleitung) unterschrieben werden.

Hausinterne Leitlinien und Algorithmen

Hausinternen Leitlinien bzw. Algorithmen erleichtern klinische Entscheidungsprozesse im Rahmen des perioperativen Schmerzmanagements und machen diese transparent [112, 158]. Es hat sich bewährt, für unterschiedliche Arten von Eingriffen bzw. Eingriffsgruppen abgestufte Konzepte zu entwickeln. Prozedurenspezifische Informationen haben eine große Bedeutung [139, 162], weil die eingesetzten Substanzen je nach chirurgischem Kontext unterschiedlich wirksam sein können und weil je nach Eingriff unterschiedliche Schmerzzustände versursacht werden [58, 80, 139]. Standardisierte prozedurenspezifische Therapiekonzepte treffen auf hohe Akzeptanz und sorgen für eine hohe Qualität der perioperativen Schmerztherapie (Infobox  4 ; [43, 155]).

Infobox 4 Elemente prozedurenspezifischer Algorithmen

  • Medikamentöse Interventionen

  • Nichtmedikamentöse Verfahren

  • Regionale Techniken

  • Katheter- und Pumpentechniken

  • Patienten-kontrollierte Analgesie (Patient Controlled Analgesia, PCA)

  • Periphere Blockaden

  • Präoperative und prophylaktische Maßnahmen

Das Spektrum von Konzepten und Substanzen zur Therapie postoperativer Schmerzen sollte überschaubar gehalten werden. Eine verwirrend große Anzahl von Konzepten und Analgetika erschwert die Durchführbarkeit und erhöht die Risiken.

Fort- und Weiterbildung

Eine strukturierte und standardisierte Fortbildung für alle beteiligten Berufsgruppen leistet einen wichtigen Beitrag zur Qualität der perioperativen Schmerztherapie [74, 101, 113]. Studien weisen einen positiven Effekt regelmäßiger Fortbildung auf die Häufigkeit und Regelmäßigkeit der Schmerzmessung, auf die Häufigkeit und Stärke der postoperativen Schmerzen und die Nebenwirkungen der Therapie nach [63, 82, 131].

Entlassungsmanagement und schmerztherapeutische Weiterversorgung

Klare Konzepte für die schmerzmedizinische Weiterbetreuung nach dem stationären Aufenthalt stellen einen wesentlichen Bestandteil des perioperativen Schmerzmanagements dar. Informationen und Empfehlungen zur Fortführung der Schmerztherapie müssen, am besten in schriftlicher Form, neben den betroffenen Patienten oder gegebenenfalls ihren Angehörigen auch an die niedergelassenen Behandler kommuniziert werden. Das kann zu einer optimierten schmerztherapeutischen Weiterversorgung der Patienten nach der Entlassung beitragen.

Solche Informationen sollten weiterhin einzunehmende Arzneimittel, Therapiedauer, mögliche Nebenwirkungen und deren Behandlung, nichtmedikamentöse Verfahren, Wundbehandlung, Anwendung von Hilfs- und Heilmitteln sowie Einschränkungen hinsichtlich bestimmter Aktivitäten beinhalten. Zentral ist auch die Nennung eines Ansprechpartners in der Einrichtung, in der der chirurgische Eingriff durchgeführt wurde, für Notfälle.

Die Aufklärung der Patienten über die Dauer der Analgetikaeinnahme sowie den Zeitpunkt der Beendigung der Schmerztherapie oder begleitender Maßnahmen ist auch deshalb von Bedeutung, weil ein erheblicher Anteil von Patienten, die vor der Operation keine Analgetika eingenommen haben, nach dem Eingriff über einen langen Zeitraum weiter Schmerz- und/oder Begleitmedikamente einnimmt [6, 35, 66].

Bei entsprechender Indikation sollte bei der Entlassung eine Behandlungseinleitung bzw. eine Weiterbehandlung mit physikalisch-rehabilitativen Maßnahmen veranlasst bzw. organisiert werden.

Diese Empfehlungen gelten auch für das Entlassungs- und Schnittstellenmanagement bei der zunehmenden Zahl an tagesklinisch durchgeführten Eingriffen. Laut Statistik Austria konnten 2014 bereits 22 % aller Spitalsaufenthalte in Österreich tagesklinischen Interventionen zugeordnet werden. Auch hier sind klare schmerztherapeutische Empfehlungen für die häusliche Pflege, den Grundsätzen der Multimodalität und des individuellen Ansatzes folgend (siehe Abschn. Grundsätze: Kombination und Individualisierung) wesentlich [32, 99, 139, 140]. Neben den jeweils geeigneten medikamentösen Interventionen erweisen sich Infiltrationen und periphere Nervenblockaden im tagesklinischen Setting als wesentliche Elemente.

Schmerzen zählen zu den häufigsten Ursachen für Wiederaufnahmen nach tagesklinischen Eingriffen [13, 143].

Stellenwert der Pflege im perioperativen Schmerzmanagement

Neben Pflegevisite, Patienteninformation und -aufklärung (siehe Abschn. Patienteninformation und -aufklärung) sowie Schmerzerfassung, Schmerzdokumentation und Überprüfung des Therapieerfolgs (siehe Abschn. Schmerz-Erfassung, Schmerz-Dokumentation und Überprüfung des Therapie-Erfolges) haben Pflegepersonen einen großen eigenverantwortlichen Tätigkeitsbereich im perioperativen Schmerzmanagement. Sie sind Ansprechpartner für Ärzte und Physiotherapeuten und wirken bei der medikamentösen Schmerztherapie im Sinne des Vorschlags- und Mitwirkungsrechts gemäß § 16 GuKG mit.

Pflegepersonen erkennen durch regelmäßige Beobachtung als Erste neben den Schmerzen weitere Symptome und Anzeichen möglicher postoperativer Komplikationen wie Fieber, Nachblutungen oder Infektionen. Sie sind auch die ersten, die entsprechende weiterführende Maßnahmen einleiten, die Ärzteschaft informieren und bereits verordnete Maßnahmen durchführen. Eine hohe Qualifikation von Pflegepersonen im Schmerzmanagement ist daher wesentlich und eine Spezialausbildung als „Pain Nurse“ zu empfehlen.

Die pflegerische Betreuung nach dem biopsychosozialen Modell ist auch im Hinblick auf die Entlassung ein wichtiger Tätigkeitsbereich, da Patienten über die weiterführenden pflegerischen Maßnahmen in der häuslichen Umgebung informiert sein müssen, wozu auch die korrekte Einnahme von Schmerzmedikamenten gehört.

Schmerztherapeutische Interventionen

Grundsätze: Kombination und Individualisierung

Grundsätzlich sollte für die perioperative Schmerztherapie ein multimodaler Ansatz gewählt werden. Durch die Kombination von unterschiedlichen analgetischen Substanzen mit unterschiedlichen Wirkungs- und Nebenwirkungsprofilen, unterschiedlichen Applikationsformen und gegebenenfalls nichtpharmakologischen Interventionen in der perioperativen Schmerztherapie sollen additive und synergistische Effekte erreicht werden. Diese können zu einer Verbesserung der Analgesiequalität und damit zu einer Vermeidung unangenehmer Schmerzerfahrungen, einer Minimierung der physiologischen Stressantwort auf Schmerz, einer Optimierung der Genesung, einer Verkürzung des Krankenhausaufenthalts sowie einer Reduktion der Inzidenz persistierender postoperativer Schmerzen beitragen [32, 133, 139]. Durch Substanzkombinationen lässt sich mehr Sicherheit erzielen, wie die Reduktion von Nebenwirkungen der einzelnen Substanzgruppen, was speziell für die ambulante Analgesie von großer Bedeutung ist [59, 89]. Dies gilt insbesondere für die Reduktion unerwünschter Opioidnebenwirkungen, die mit der Dosierung korrelieren [32, 165, 170].

Multimodale Therapiestrategien führen zu einer besseren Analgesie, einer höheren Patientenzufriedenheit und einem besseren allgemeinen Outcome als eine Monotherapie alleine [139].

Abhängig von der individuellen klinischen Situation des Patienten werden unterschiedliche Kombinationen von medikamentösen Therapien (siehe Tab. 3 und 4 im Online-Material für die Applikationsverfahren und Kombinationshinweise) sowie nichtmedikamentösen Interventionen (siehe Abschn. Nichtmedikamentöse schmerztherapeutische Verfahren) zur Anwendung kommen.

Neben dem verstärkten Einsatz multimodaler Konzepte im perioperativen Schmerzmanagement setzt sich zunehmend auch die Einsicht durch, dass therapeutische Strategien stärker als bisher individualisiert und an die jeweils patientenspezifische Situation, die Art des chirurgischen Eingriffs und das spezifische Setting angepasst werden sollten [32, 139]. Dies erfordert eine ausführliche präoperative Anamnese, die alle Komorbiditäten, auch psychiatrische, bestehende Medikationen, eine Vorgeschichte in Bezug auf chronische Schmerzen sowie Suchterfahrungen umfasst [32, 49].

Nichtmedikamentöse schmerztherapeutische Verfahren

Wichtige nichtmedikamentöse Verfahren, die erfolgreich komplementär in der perioperativen Schmerztherapie eingesetzt werden, sind Gespräch und Zuwendung, Kälte- und Wärmeanwendungen, Lagerungsmaßnahmen, Musik- und Entspannungsverfahren, psychosoziale Betreuung sowie die präoperative Schulung über postoperatives Atmen und Abhusten, Lagerungsmöglichkeiten und Ablenkungsmöglichkeiten.

Eine gezielte psychologische Vorbereitung auf den Eingriff kann einen positiven Einfluss auf die postoperativen Schmerzen, negative Emotionen und die Dauer des Spitalsaufenthalts haben, auch wenn die Evidenz für eindeutige Empfehlungen bezüglich der Methodik noch nicht ausreicht [130] und weitere Studien wünschenswert sind.

Präoperative Maßnahmen der Physiotherapie werden abhängig von hausinternen Strukturen, personellen Gegebenheiten oder Notwendigkeiten durchgeführt, jedoch nicht systematisch und flächendeckend. Die Evidenz reicht derzeit nicht für eine generelle Empfehlung zu präoperativen physiotherapeutischen Maßnahmen im Rahmen des perioperativen Schmerzmanagements. Tendenziell liegt Evidenz vor allem aus dem Bereich der inneren Medizin vor, die stärker auf die Verbesserung der allgemeinen kardiorespiratorischen Leistungsfähigkeit als auf die Schmerzwahrnehmung bezogen ist [117, 129].

Die aktuelle Evidenzlage zu präoperativen Maßnahmen zeigt eine Tendenz in Richtung positiver Beeinflussung der Faktoren Funktionalität, Schmerz und Krankenhausaufenthaltsdauer, diese erreichen allerdings aufgrund methodischer Mängel keine ausreichende Signifikanz. Ein Cochrane Review [107] beschreibt den niedrigen Qualitätsgrad an vorhandenen Studien und weist darauf hin, dass die Ergebnisse der inkludierten Arbeiten keine allgemeinen Aussagen oder Empfehlungen zulassen.

An einer Reihe von österreichischen Krankenhäusern wird präoperativ eine gezielte Bewegungstherapie angeboten. Die klinischen Erfahrungen weisen eindeutig darauf hin, dass nach derartigen Interventionen Patienten postoperativ früher mobilisierbar sind. Dass Bewegungstherapie und eine an den Patienten angepasste medizinische Trainingstherapie auch die Schmerzsituation verbessert, ist belegt, zeigt bei hoher subjektiver allerdings nur eine geringe statistische Signifikanz [122, 159].

Peri- und postoperativ belegt die Wirksamkeit der transkutanen elektrischen Nervenstimulation (TENS) ein Cochrane Review [78].

Perioperativ wird auch die Langzeitkryotherapie mit kaltem Moor, Eiswasser oder kaltem Topfen, mit Temperaturen von 4–10 Grad, erfolgreich eingesetzt [36, 88].

Muskeldetonisierende Massagetechniken erweisen sich im klinischen Alltag als sehr wirksam, auch wenn die Evidenz dazu schwach ist. In der klinischen Praxis bewährt sich die manuelle Lymphdrainage, die zu einer Steigerung der Peristaltik der Lymphbahnen führt, als schmerzlindernde Maßnahme. Ebenso trägt die angepasste perioperative Lagerung erfahrungsgemäß in hohem Maß zur Schmerzlinderung bei. Kontrollierte Studien liegen nicht vor. Es gilt dabei, im Rahmen der Wirkmechanismen einen potenziellen Placeboeffekt zu berücksichtigen, welcher einem eventuell mechanischen Effekt der manuellen Lymphdrainage überzuordnen ist.

Für den möglichen Nutzen verhaltenstherapeutischer Maßnahmen wie Entspannungsverfahren oder Hypnose im Rahmen eines multimodalen perioperativen Schmerzmanagements liegt nur schwache Evidenz vor [32].

In der Praxis spielt abhängig vom klinischen Bereich, der jeweiligen intra- und postoperativen schmerzmedikamentösen Versorgung, dem spezifischen (hausinternen) Prozedere und den jeweiligen Vorgaben des Operateurs postoperativ die Wiedererlangung größtmöglicher Mobilität mittels Physiotherapie eine wesentliche Rolle. Dies gilt insbesondere für die Dekubitusprophylaxe, Thromboseprophylaxe, Kontrakturprophylaxe sowie die Aufklärung [156].

Vor allem für den Bereich der neuromuskuloskeletalen operativen Versorgung liegt eindeutig eine Evidenz zugunsten von postoperativen physiotherapeutischen Interventionen vor, sowohl in Bezug auf Schmerz als auch Funktionsfähigkeit der betroffenen Region. Diese steht allerdings in engem Zusammenhang zur jeweiligen intra- und postoperativen medikamentösen Versorgung [19, 23, 25, 55, 98].

Der größte Benefit physiotherapeutischer Maßnahmen für die perioperative Schmerztherapie lässt sich durch klare Vorgaben und eine transparente Kommunikation zwischen Pflege, Physiotherapie, Arzt und Patient erzielen [157].

Medikamentöse schmerztherapeutische Verfahren

Applikationswege und Verfahren

Tab. 3 im Online-Material gibt eine Übersicht über Schmerztherapieverfahren.

Eingesetzte Analgetika

Die Grundlage der medikamentösen Schmerztherapie im perioperativen Setting ist eine ausreichende und konsequente Basisanalgesie, abhängig von der erwarteten Schmerzstärke. Weil in bestimmten Situationen gesteigerte Schmerzen auftreten können, sollte darüber hinaus eine suffiziente Bedarfsanalgesie („rescue medication“) zur Verfügung stehen. Diese sollte bei Überschreiten der Interventionsgrenzen oder prophylaktisch zum Einsatz kommen, um bei Mobilisation, bei klinischen Untersuchungen, Patiententransporten, schmerzhaften Lagerungen oder beim Verbandswechsel Schmerzspitzen im Ansatz ihres Entstehens zu vermeiden. Es muss gewährleistet sein, dass diese rasch verabreicht werden kann. Tab. 4 im Online-Material zeigt eine Übersicht über die in der perioperativen Schmerztherapie eingesetzten Substanzen.

Besonderheiten aus der Sicht ausgewählter Eingriffsarten

Einzelne Analgetika oder Verfahren wirken bei unterschiedlichen Schmerzursachen bzw. bei unterschiedlichen chirurgischen Eingriffen in unterschiedlicher Weise. Daher ist es aus schmerztherapeutischer Sicht sinnvoll und wichtig, unterschiedliche Strategien für unterschiedliche Eingriffstypen bzw. -gruppen vorzusehen [58, 162]. Einige Studien sprechen für die Anwendung prozedurenspezifischer Algorithmen, durch die bei verschiedenen operativen Eingriffen das perioperative Schmerzmanagement optimiert werden kann (siehe auch Abschn. Hausinterne Leitlinien und Algorithmen; [58]).

Die Vertreter der verschiedenen Fachgesellschaften haben einige Besonderheiten auf dem Gebiet ausgewählter Eingriffsarten zusammengefasst.

Abdominalchirurgie

Bestimmte Operationen, etwa an der weiblichen Brust, offene Cholezystektomie, offene Appendektomie oder thoraxchirurgische Eingriffe, sind häufig mit starken Schmerzen verbunden.

Die laparoskopische Operationstechnik (Galle, Appendix, Kolon etc.) trägt durch die Minimierung des Zugangstraumas zu einer Reduktion von Schmerzen bei, eine angemessene Schmerztherapie bleibt aber eine wichtige Aufgabe. Bei Eingriffen im chirurgischen Hochrisikobereich ist die Datenlage diesbezüglich nicht eindeutig: So zeigte sich nach offener Duodenopankreatektomie kein Unterschied im Analgetikabedarf gegenüber derselben Operation mit laparoskopischer Technik. Laparoskopische Chirurgie in Kombination mit Fast-Track-Management erweist sich bei Kolonresektion als beste Strategie zur Reduktion postoperativer Schmerzen [72, 160, 161]. Nach laparoskopischer Leberresektion war der Analgetikabedarf geringer als nach offener Operation [132]. Auch Anzahl und Durchmesser der Trokare können bei minimal-invasiven Eingriffen hinsichtlich der Schmerzintensität eine Rolle spielen [14, 128].

Warmes, feuchtes CO2 reduziert den postoperativen Schmerz nach laparoskopischen Eingriffen im Vergleich zu kaltem, trockenem CO2 [135]. Ein aktives Absaugen des Gases reduziert postoperative viszerale Schmerzen und Schulterschmerzen im Vergleich zum herkömmlichen Ablassen des Gases [15].

Die Epiduralanästhesie bei großen abdominellen Operationen (Gastrektomie, Hemikolektomie) führt zu einer maßgeblichen postoperativen Schmerzreduktion [42].

Sowohl Epiduralanästhesie als auch patientenkontrollierte Analgesie („patient-controlled analgesia“ [PCA]) kann nach laparoskopischer Kolonoperation eine zusätzliche positive Wirkung haben [12].

Bei der Appendektomie tragen subkutane Lokalanästhetikainjektionen in die Appendektomiewunde [4] und kontinuierliche Wundinfiltrationen via Katheter [154] erheblich zur Reduktion postoperativer Schmerzen bei.

Amputationen

  • Bei Amputationen besteht ein besonders hohes Risiko persistierender postoperativer Schmerzen, insbesondere Stumpf- und Phantomschmerzen.

  • Morphin, Gabapentin, Ketamin und Dextromethorphan reduzieren Phantomschmerzen im Vergleich zu Placebo. Kalzitonin reduziert Phantomschmerzen im akuten, nicht aber im chronischen Setting [10].

  • Eine kontinuierliche Regionalblockade sorgt bei Amputationen für eine gute postoperative Analgesie, wirkt jedoch nicht präventiv auf den Phantomschmerz [139].

  • Behandlungsansätze, die an der kortikalen Reorganisation ansetzen, wie Spiegeltherapie oder sensorisches Training, können den Phantomschmerz reduzieren [139].

  • Perioperative Epiduralanalgesie reduziert die Inzidenz von schweren Phantomschmerzen [139].

Gynäkologie und Geburtshilfe

Speziell in der Geburtshilfe werden Analgetika bei schwangeren oder stillenden Frauen oftmals zu restriktiv eingesetzt oder auch von Patientinnen skeptisch betrachtet. Schwangerschaft oder Stillen stellen jedoch keine Kontraindikationen für eine erforderliche analgetische Medikation dar. Nichtmedikamentöse schmerztherapeutische Verfahren haben ihre Bedeutung, sollten aber eine indizierte perioperative medikamentöse Therapie nicht verzögern.

Perioperative Schmerztherapie in der Schwangerschaft

Paracetamol wird noch immer als Mittel der ersten Wahl angesehen und kann während der gesamten Schwangerschaft verabreicht werden.

Opioide gelten in der passageren Anwendung als unbedenklich in der gesamten Schwangerschaft und können bei starken Schmerzen gut mit Paracetamol kombiniert werden.

Nichtsteroidale Antirheumatika können im ersten und zweiten Trimenon zum Einsatz kommen. Ab dem dritten Trimenon ist ihr Einsatz kritisch zu betrachten, da sie zu einem frühzeitigen Verschluss des Ductus arteriosus Botalli, zu einer Verschlechterung der fetalen Nierenfunktion und bei Gabe kurz vor der Entbindung zu einer nekrotisierenden Enterokolitis und zu einer intrakraniellen Blutung beim Neugeborenen führen können. Insgesamt ist bei der Zusammenschau der vorliegenden Literatur die Risikoerhöhung für jedes der möglichen Risiken gering. Der Einsatz von NSAR ab der 30. Schwangerschaftswoche sollte jedoch nur nach äußerst strenger Indikationsstellung erfolgen.

Die Verabreichung von COX-2-Inhibitoren in der Schwangerschaft wird aufgrund der noch unzureichenden Datenlage nicht empfohlen. Es ist davon auszugehen, dass die unter NSAR möglichen ungünstigen Wirkungen in der Spätschwangerschaft auch unter COX-2-Inhibitoren zu erwarten sind.

Für den Einsatz von Metamizol in der Schwangerschaft gibt es eine Arbeit, in der sich ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer Leukämie zeigte. In den aktuellen Studien zu Metamizol in der Schwangerschaft findet sich jedoch kein Hinweis auf ein fetotoxisches Potenzial. Bei strenger Indikationsstellung scheint somit der Einsatz von Metamizol in der Schwangerschaft möglich.

Lokalanästhetika können während der gesamten Schwangerschaft zur Anwendung kommen.

Ist die Verabreichung von Kortikosteroiden erforderlich, sollte ein Kortisonäquivalent von 10 bis 15 mg pro Tag Prednisolon nicht überschritten werden. Da die Datenlage für die Beurteilung der Sicherheit von Pregabalin und Gabapentin in der Gravidität noch unzureichend ist, kann ihre Anwendung in der Schwangerschaft derzeit nicht empfohlen werden.

Perioperative Schmerztherapie in der Stillzeit

Einzeldosen eines Analgetikums sind in den meisten Fällen unbedenklich und erfordern keine Einschränkung des Stillens. Oftmalige repetitive Gaben müssen hingegen kritischer bewertet werden. Eine Beobachtung des Säuglings hinsichtlich seiner Vigilanz, des Schlaf-Wach- und des Trinkverhaltens ist immer erforderlich.

Ibuprofen, Paracetamol und Diclofenac sind die Mittel der Wahl in der Gruppe der Nichtopioide.

Unter den Opioiden ist Tramadol aufgrund des geringen Übertritts in die Muttermilch als Mittel der Wahl anzusehen. Des Weiteren bestehen sehr gute Erfahrungen mit der i. v.-Applikation von Piritramid.

Lokalanästhetika und Kortikosteroide gelten als unbedenklich und auch unter antikonvulsiver Monotherapie kann weiter gestillt werden.

Perioperatives Management in der Gynäkologie

Positive Evidenz gibt es bei einigen gynäkologischen Eingriffen zu präemptiver Analgesie (Lokalanästhetika, Gabapentin) zur Prävention postoperativer Schmerzen:

  • Eine präemptive Parazervikalblockade vor vaginaler Hysterektomie führt zu verringerten Schmerzscores und verringertem Analgetikabedarf [71, 97, 121].

  • Zur präemptiven Lokalanästhesie der Inzisionsstelle bei gynäkologischen Laparoskopien gibt es keine eindeutigen Ergebnisse bezüglich Wirksamkeit, Agens und Zeitpunkt [34, 54, 91].

  • Präemptive Gabapentingabe bei abdominaler Hysterektomie senkt postoperative Schmerzscores, den Opioidbedarf und das Auftreten von Nausea [7].

Die energiebasierte Gefäßversiegelung bei vaginaler Hysterektomie senkt neben Operationsdauer und Blutverlust auch postoperative Schmerzscores [87].

Postoperative Therapie in der Gynäkologie und Geburtshilfe

Die meisten Operationen in der Gynäkologie und Geburtshilfe beeinträchtigen nicht den Verdauungstrakt, somit sind oral verabreichte Medikamente ab dem Verlassen des Aufwachraums meist gut möglich. Sie sind nicht an venöse Zugänge gebunden und verursachen keine zusätzliche Immobilisierung der Patientinnen, sind somit vorteilhaft im Sinne einer raschen Rekonvaleszenz.

Besonderheiten bei der Sectio

Die Ergänzung eines multimodalen Schmerzkonzepts bei Sectio durch intrathekales Morphin und orales Paracetamol bei hohem Risiko für postoperative Schmerzen reduziert die Schmerzscores [26].

Eine lokale Lidocaininfiltration der Inzisionsstelle reduziert postoperative Schmerzscores und den Analgetikabedarf [105].

Intravenöses Dexamethason reduziert die postoperative Schmerzintensität und den Analgetikabedarf [144].

Orales Oxycodon und intravenöses Piritramid resultieren in vergleichbar hoher Patientenzufriedenheit, das orale Konzept ist einfacher anzuwenden und ist ähnlich effektiv wie PCA [38].

Die extraperitoneale Sectio reduziert im Vergleich zum transperitonealen Zugang die Intensität postoperativer Schmerzen, den Analgetikabedarf und Nausea [152].

Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde, Kopf- und Halschirurgie

Bei vielen HNO-Eingriffen erleben Patienten eine geringe Schmerzintensität, insbesondere bei Nasennebenhöhlen-, Ohren-, Kehlkopf- und Weichteileingriffen. Tonsillektomien, Resektionen in Mundhöhle und Pharynx sowie Septorhinoplastiken hingegen verursachen häufig starke Schmerzen.

Auch wenn es keine eindeutigen Daten gibt, sind NSAR bei einigen HNO-Eingriffen kritisch zu sehen. Ein Zusammenhang zwischen NSAR und postoperativen Blutungen ist nicht auszuschließen [95]. Vor allem bei Operationen mit hohem Blutungsrisiko wie der Tonsillektomie und Operationen mit der Gefahr einer postoperativen Speichelfistelbildung wie der Laryngektomie wäre der Einsatz von COX-2-Hemmern zu bevorzugen, etwa Parecoxib oder Etoricoxib. Eine Kombination von Paracetamol und einem Opioid trägt dazu bei, NSAR einzusparen.

Tonsillektomie

  • Die vorliegende Evidenz erlaubt keine Aussage über eine postoperative analgetische Standardtherapie mit zuverlässigem Nachweis einer ausreichenden Schmerzreduktion [61].

  • Zur Frage, ob regelmäßige Analgesie ein besseres Ergebnis erzielt als die Verabreichung nach Bedarf oder ob beide Strategien gleichwertig sind, ist die Datenlage nicht einheitlich [149, 150].

  • Paracetamol und Codeinsaft sorgen nicht für ausreichende Analgesie [149].

  • Der Zusatz von Ibuprofen zu Paracetamol reduziert den Bedarf an Analgesie zwei Stunden nach dem Eingriff [127].

  • Lokalanästhesie im Operationsgebiet führt zu keiner Reduktion postoperativer Schmerzen [69].

  • Ketamin (i. v., retardiert oder lokal) entfaltet bei Kindern die gleiche Wirksamkeit wie Tramadol [168].

  • Antibiotika reduzieren den postoperativen Bedarf an Schmerzmitteln nicht [39].

Septorhinoplastik

Eine infraorale und -trochleare Nervenblockade intraoperativ reduziert den Bedarf an Morphinen und verkürzt den stationären Aufenthalt [27]. Es sind allerdings, unabhängig von der lokalen Therapie, systemische Morphine bei der Septorhinoplastik nur in Ausnahmefällen erforderlich.

Neurochirurgie

Für Tumor-, vaskuläre, Schädelbasis- sowie instrumentierende Wirbelsäulenoperationen hat aufgrund ihrer chirurgischen Komplexität und der Schwere des Eingriffs die postoperative Schmerztherapie einen besonderen Stellenwert.

Kraniale onkologische Eingriffe

Postoperativ sind diese Patienten auf eine i. v.-Analgesie angewiesen, da sie ja nach der Extubation zur Aspirationsprophylaxe nicht trinken dürfen. Hier haben sich i. v.-Opioide bewährt.

Wachkraniotomien

Bei Patienten, bei denen eine Schädeleröffnung/Trepanation im Wachzustand mit i. v.-Analgosedierung und Lokalanästhesie der Haut, des Periosts und gegebenenfalls der Dura durchgeführt wird, ist die Lokalanästhesie der Haut besonders bedeutsam [139]. Wegen der langen Operationsdauer wird eine Kombination aus Xylocain und Epinephrin, Mepivacain oder Bupivacain sowie Natriumbicarbonat empfohlen [31]. Durch die Verwendung dünner Subkutannadeln kann die maximale Injektionsmenge besser kontrolliert werden.

Die Dura mater kann mit einem mit Lokalanästhetika getränkten Tupfer belegt werden, um Schmerzen nachhaltig vorzubeugen.

Auf die Hirnoberfläche dürfen Lokalanästhetika nicht verabreicht werden, da damit die Bereitschaft für das Auftreten von epileptischen Anfällen erhöht wird. Ist die Betäubung der Haut und der umgebenden Strukturen zu kurz wirksam, verspürt der Patient einen diffusen starken Kopfschmerz [139]. Eine zusätzliche Gabe von NSAR oder intravenösem Paracetamol kann zweckmäßig sein.

Vaskuläre kraniale Eingriffe

Patienten mit rupturierten Aneurysmata müssen bereits vor der Operation optimal schmerztherapeutisch betreut werden, damit der schmerzbedingte Stress reduziert und das Risiko einer neuerlichen Blutung durch einen erhöhten Blutdruck gesenkt wird. In der Regel wird schon in der Notaufnahme mit einer kontinuierlichen i. v.-Opioidgabe begonnen [31].

Eingriffe im Bereich der hinteren Schädelgrube

Durch die Trepanation der hinteren Schädelgrube, der empfindlicheren Dura und durch einen niedrigeren Liquordruck im Kopf sind diese Eingriffe für Patienten sehr schmerzhaft. Es dauert bis zu einer Woche, bis Patienten sich von dem Reizzustand, bestehend aus Kopfschmerzen, Übelkeit und Erbrechen befreit fühlen. Die wirksame Medikation sollte daher für die erste Woche beibehalten und nicht reduziert werden.

Spinale Eingriffe

Hier gibt es Überschneidungen mit den Fachbereichen Unfallchirurgie und Orthopädie. Patienten mit Wirbelsäulenerkrankungen sind in der Regel chronische Schmerzpatienten mit einer hohen Expressionsrate an Rezeptoren an den Bandscheiben und an Wirbelgelenken nach mehrfachen entzündlichen Prozessen mit Einsprossung von Kapillaren und freien Nervenendigungen. Eine ausreichende Analgetikadosis muss alle Rezeptoren absättigen, um eine Wirksamkeit der Schmerztherapie zu erreichen.

Auf eine Gabe von Paracetamol sollte zugunsten von Ibuprofen verzichtet werden, das in ausreichend vielen Studien seine Überlegenheit bewiesen hat [37]. Eine Kombination mit Metamizol zeigt bei Knochen-, Bandscheiben- und Weichteilschmerzen eine hohe Wirksamkeit [65, 139].

Bei größeren Wirbelsäuleneingriffen wie Spondylodesen, Korrekturspondylodesen oder Skolioseoperationen sollte am Ende der Operation ein Epiduralkatheter gelegt werden. Diese Schmerztherapie ist in der ersten postoperativen Woche, erforderlichenfalls auch länger, durchzuführen. Hierbei ist das Infektionsrisiko abzuwägen.

Eingriffe an peripheren Nerven

Bereits vor dem Hautschnitt sollte das Areal mit Lokalanästhesie betäubt werden. Dadurch kann der Brennschmerz im Schnitt- und Nahtbereich vermindert oder vermieden werden.

Die orale Schmerztherapie soll postoperativ über mindesten fünf Tage konstant gehalten werden, bevor die Medikation reduziert werden kann. Dadurch wird auch die Fibroblastenaktivität verringert, wodurch sich weniger Narben bilden.

Orthopädie und orthopädische Chirurgie

Bei der Analgetikaauswahl sollten bei orthopädischen Eingriffen sekundäre Effekte wie die Ossifikationsprophylaxe und antiphlogistische Effekte von NSAR beachtet werden [45, 48].

Intravenöses Metamizol ist wirksamer als Parecoxib nach kleinen orthopädischen Eingriffen und Primäranalgesie mit epiduralem Dexamethason [93].

Beim Hüftgelenksersatz zeigt eine Kombination von Metamizol, Paracetamol und einem Opioid exzellente Schmerzlinderung, wobei Metamizol besser als Paracetamol wirkt [123]. Bei Fast-Track-Eingriffen in diesem Bereich ist ein in der Praxis bewährter Ansatz, bereits am Vortag mit einer Schmerztherapie mit Celecoxib p. o. zu beginnen, unmittelbar vor der Operation gefolgt von Celecoxib und Paracetamol p. o. und Opioiden im Aufwachraum, wobei perioperativ auch Ketamin zum Einsatz kommt.

Das postoperative Schmerzmanagement nach totaler Knieendoprothetik (TEP) stellt nach wie vor eine große Herausforderung dar. Neue intraartikuläre Infiltrationskathetersysteme sind vielversprechend im Hinblick auf Schmerzreduktion, Nebenwirkungen und Mobilisation, es liegt allerdings noch wenig Evidenz vor [89, 125]. Bei dieser Methode ist das Infektionsrisiko zu beachten, da bei den meisten Systemen insbesondere das postoperative Handling beim Wechseln oder Nachjustieren der Systeme Risiken birgt.

Distale und proximale Ischiadikusblockaden können wirksam nach Knie-TEP Schmerzen lindern [2]. Bei Fast-Track-Konzepten werden diese allerdings aufgrund der motorischen Schwächen nicht eingesetzt, sondern eher Saphenusblockaden. Infiltrationstechniken im Wundgebiet mit Lokalanästhetika am Ende der Operation zeigen deutliche Vorteile.

Bei Knie-TEP konnte ein Vorteil der Adduktorblockade gegenüber der Femoralblockade bezüglich einer früheren Mobilisierung gezeigt werden, aber kein Unterschied zwischen beiden beim Opioidbedarf [100], ebenso die Effektivität einer ambulanten kontinuierlichen Femoralblockade nach Knie-TEP [73].

Ein Review zeigt einen beschränkten Nutzen der kontinuierlichen lokalen Infiltration im Rahmen multimodaler postoperativer Therapiekonzepte bei Knie- und Hüftgelenksersatzoperationen [11]. Anderen Arbeiten zufolge lässt sich mit dieser Methode der Opioidbedarf reduzieren und eine effektive Schmerzlinderung erreichen [44, 169].

Die interskalenäre Plexusblockade hat bei Schultereingriffen postoperative Benefits durch eine Einsparung von Opioidanalgetika und Opioidnebenwirkungen [3].

Thorax- und Herzchirurgie

Minimal-invasive chirurgische Techniken reduzieren nicht immer signifikant die Schmerzen bei herz- und thoraxchirurgischen Eingriffen. Eine Woche nach der Entlassung von der ICU geben bis zu 80 % der herzchirurgischen Patienten an, der Schmerz sei die traumatisierendste Erinnerung an die ICU gewesen [84].

Eingriffsspezifisch sind Schmerzen nach der Sternotomie, nach großen Thorakotomien sowie Schmerzen an der Graft-Entnahmestelle an den oberen oder unteren Extremitäten [90, 110]. Endoskopischen Saphena- und Radialisentnahmen sind zur Schmerzprophylaxe zu favorisieren.

Liegende Thoraxsaugdrainagen können atemabhängig starke Schmerzen verursachen, die Therapie ist unter anderem die möglichst rasche Entfernung. Als Alternative bieten sich die lokale Infiltration oder eine optimierte Lagerung an, die allerdings nur kurzfristig schmerzlindernd wirken [5, 162].

Schmerzhafte Hustenattacken, insbesondere nach chronischem Nikotinabusus und bei COPD-Patienten, erfordern ebenfalls besondere Aufmerksamkeit. Die damit assoziierten Schmerzen im Sternotomiebereich oder vor allem im Bereich eventuell frakturierter Rippen können schwerwiegend werden. Der osteoartikuläre Schmerzanteil bedingt durch das thorakale Spreizmanöver selbst, Schmerzen durch Dislokationen oder abnorme Dehnungen im kostovertebralen Bereich sind beachtenswert. Nicht zu vergessen sind auch Schmerzen im Schultergelenk durch dessen Immobilisation [42, 116, 162].

Das instabile Sternum präsentiert sich durch chronische, bewegungsabhängige Schmerzen noch vor einer damit eventuell assoziierten Wundheilungsstörung. Die Datenlage zur Vermeidung von Instabilitäten durch eine Ruhigstellung des Sternums, beispielsweise durch das Tragen eines Cingulum, ist umstritten. Ein hoher Schmerzmittelbedarf kann ein Hinweis darauf sein, dass sich eine Instabilität oder eine Wundinfektion ankündigt.

Oberflächliche Wundheilungsstörungen am Sternum können VAC-Anlagen notwendig machen. Hier empfiehlt sich eine leichte Maskensedierung beim VAC-Wechsel. Alternativ kann ein lokales Anästhetikum bei kleinen VAC-Wechseln angewendet werden.

Zur Basistherapie nach kardiochirurgischen Eingriffen gehören i. v.-Opioide, um die non-neuropathischen Schmerzen zu behandeln [42, 81]. Additiv ist der Einsatz von Nichtopioiden von Vorteil, auch um die opioidbedingten Nebenwirkungen, vor allem bei betagten Patienten, hintanzuhalten. Metamizol, als Kurzinfusion langsam infundiert, wirkt stark analgetisch und ist unter Beachtung der Nebenwirkungen und in Anbetracht einer möglichen allergischen Reaktion einzusetzen.

NSAR sind bei aortokoronaren Bypassgraft-Patienten kontraindiziert [32, 108, 162]. Alle NSAR mit Ausnahme von Naproxen können das Risiko für Tod oder Reinfarkt erhöhen. Diese Kontraindikation ist bei Patienten ohne kardiovaskuläre Risikofaktoren, ohne Nierenfunktionseinschränkung, ohne Thrombozytenfunktionsstörung und ohne gastrointestinale Blutungsanamnese relativ. Paracetamol ist bei starken Schmerzen zu schwach schmerzlindernd und bei Überdosierung lebertoxisch.

Patientenkontrollierte Verfahren wie die i. v.-PCA (Piritramid, Morphin etc.) sollen in Einzelfällen jüngeren Patienten angeboten werden und vom Akutschmerzdienst betreut werden. Bei neuropathischen Schmerzen sind Antiepileptika und Antidepressiva Mittel der ersten Wahl. Im Einzelfall sind Lidocainpflasterapplikationen bei gut abgrenzbaren, neuropathischen Schmerzen hilfreich.

Neben den medikamentösen Therapieoptionen haben die nichtmedikamentösen Maßnahmen wie physiotherapeutische Maßnahmen, eine optimale Lagerung, die Verwendung von Aromaölen und die Reduktion psychischer Alterationen einen hohen Stellenwert.

Unfallchirurgie

Ein großer Teil der unfallchirurgischen Operationen sind keine elektiven Eingriffe. Die Hinweise zur ausführlichen Patientenvorbereitung sind daher in diesem Bereich häufig nicht umsetzbar.

Allgemeine Empfehlungen sind schon deshalb schwierig, weil die Art des Unfalls und der daraus resultierenden Verletzung einen großen Einfluss auf die Art und Stärke der Schmerzen und deren wirksame Therapie hat.

Präklinische Schmerztherapie

Präklinisch soll in der Unfallchirurgie vor allem eine rasche und schnell wirksame Schmerzlinderung erreicht werden. Empfohlen wird hier insbesondere der Einsatz von Ketamin sowie von Opioiden. Cave: Insbesondere Ketamin sollte vor kleineren Eingriffen, wenn nicht nötig, vorsichtig eingesetzt werden, um eine Verschleierung und mangelnde Beurteilbarkeit des Verletzungsausmaßes zu vermeiden.

Frühe innerklinische Schmerztherapie vor der operativen Versorgung

Präoperativ haben insbesondere lokale schmerztherapeutische Maßnahmen Bedeutung, zum Beispiel für Repositionen.

Parenteral kommen NSAR zum Einsatz, wobei deren Einfluss auf die Gerinnung zu beachten ist [57, 114]. Ebenso werden Coxibe, Tramadol, Metamizol, Ketamin und stark wirksame Opioide verwendet.

Postoperative Schmerztherapie

Postoperativ kommen in der Unfallchirurgie Schmerzpumpen (Infusionspumpen mit PCA-Funktion und Elastomerpumpen), Katheterverfahren sowie parenteral Metamizol, Coxibe und NSAR zum Einsatz, deren gerinnungshemmender Effekt zu beachten ist [57].

Beim Einsatz von Cyclooxygenasehemmern sollte bedacht werden, dass bei längerfristiger Anwendung Auswirkungen auf Knochen-, Knorpel- und Sehnenheilung in der Strukturierungsphase auftreten können. Diese werden zuweilen aber auch bewusst perioperativ eingesetzt, um zum Beispiel überschießende Heilungsprozesse (ektope Ossifikationen) zu vermeiden. Die Nutzen-Risiko-Bilanz ist allerdings unklar [45, 48].

Die zur Schmerzlinderung während der Wartezeit vor nichtelektiven, akuten Eingriffen, zum Beispiel nach Trauma, geeignete Palette von Maßnahmen reicht von frühzeitig eingesetzten regionalanästhesiologischen Verfahren bis zur Gabe von parenteralen Medikamenten. Hierbei ist – wie auch sonst üblich – auf Kontraindikationen wegen Vorerkrankungen zu achten. Bei eventuell vorhandener Hypovolämie sollten COX-Hemmer nicht eingesetzt werden.