Zusammenfassung
Die Einführung der Fallpauschalen-basierten Finanzierung der Krankenhäuser ist ein erneuter Versuch, die Kosten in diesem Bereich zu reduzieren. Folge dieses Anreizsystems ist u. a. eine deutliche Verkürzung der Verweildauer der Patienten im Krankenhaus. Das wiederum führt zu durchschnittlich kränkeren Patienten und einer deutlichen Arbeitsverdichtung für alle. Vor diesem Hintergrund wird anhand empirischer Daten die Situation der Pflege mit drastischen Einschränkungen beschrieben und es werden Hypothesen zur Begründung aufgestellt. Daran knüpft sich die Frage, welche Art der Versorgung die Patienten mit kürzer werdender Verweildauer und immer häufiger auftretenden chronischen Krankheiten neben der ärztlichen Therapie benötigen. Dies baut auf der Theorie der Aufgaben zur Krankheitsbewältigung auf, die Patienten befähigen sollen, mit Krankheiten in ihrem eigenen Sinne umgehen zu können. Die Kernaufgaben der Pflege werden hier mit dem Ziel der forcierten Förderung der Entlassungsfähigkeit verbunden mit einem Empowerment der Patienten verknüpft. Organisatorisch bietet sich als Lösung der Einsatz von Primary Nurses an. Die derzeitige Situation in der Pflege widerspricht den genannten Sollvorstellungen diametral. Im Sinne einer sicheren und effektiven Versorgung von Patienten im Krankenhaus muss der Pflegedienst inhaltlich völlig anders aufgestellt und mit weiteren Kompetenzen ausgestattet werden.
Abstract
Definition of the problem The introduction of case-based hospital financing is a new attempt to contain health care costs. Following this incentive system, a patient’s stay in the hospital is clearly reduced. This leads, on average, to sicker and more care-dependent patients and an intensified work load for all involved. Arguments By means of empirical results, the present situation of nursing with rigorous limitations is described, and hypotheses for justification are proposed. This is followed by the question which kind of care patients with very short hospital stays and increasing numbers of chronic diseases need. The essential tasks of nurses are built on the theory of coping with a disease and its resulting requirements which should enable patients to deal with their disease in their own sense. Nurses should support discharge competency of patients in conjunction with physical and mental/cognitive empowerment. The primary nurse system would be a good condition to facilitate empowerment. Conclusion The present conditions of hospital nursing in Germany show the diametric opposite of the intended. In order to guarantee safe and effective care, not only do the hospital nursing services have to be organized completely different, but further competencies are also required.
Notes
www.gbe-bund.de, zugegriffen 30. April 2009.
Vollzeitäquivalent = eine volle Stelle unabhängig davon, von wie vielen (teilzeitarbeitenden) Personen sie besetzt ist.
Zahl der pro Jahr von einer Vollkraft durchschnittlich versorgten vollstationären Fälle (einschließlich Stundenfälle). Ausgenommen sind psychiatrische Krankenhäuser [33].
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Die Autorin gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
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Bartholomeyczik, S. Schnellerer Durchlauf kränkerer Patienten im Krankenhaus: Wo bleibt die Pflege?. Ethik Med 23, 315–325 (2011). https://doi.org/10.1007/s00481-011-0160-x
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- Verweildauer im Krankenhaus
- Pflege im Krankenhaus
- Krankheitsbewältigung
- Entlassungsfähigkeit
- Primary Nursing