Der gegenwärtige Ausbruch der severe acute respiratory syndrome coronavirus 2 (SARS-CoV-2) Infektion stellt uns alle vor beispiellose Herausforderungen. In der Betreuung unserer Patienten sehen wir uns zunehmend mit Fragen und Sorgen konfrontiert, auf die es kaum Antworten gibt. Dies macht die Interaktion nicht einfach, führt zu einem Gefühl der Unsicherheit, aber nicht zur Beruhigung, und schürt tendenziell Angst, sowohl bei Patienten als auch bei Ärzten. Wir alle wünschen uns, dass diese Unsicherheit, die wir sonst im medizinischen Alltag so selten wahrnehmen, bald ein Ende findet. Die Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie e. V. (DGRh) hat ihre Kommission Pharmakotherapie beauftragt, in einem fortlaufenden Prozess aktuelle Empfehlungen für die Versorgung rheumatologischer Patienten zu erarbeiten, um Handlungshilfen für den Umgang mit der Therapie von Patienten mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen/systemischen Autoimmunerkrankungen während der aktuellen Bedrohung durch das SARS-CoV-2-Virus bereit zu stellen.

Bisher gibt es für Handlungsempfehlungen bei der Betreuung und Behandlung von Patienten mit rheumatischen Erkrankungen in Verbindung mit der SARS-CoV-2/Covid-19-Pandemie keine evidenzbasierten Daten. Dies betrifft insbesondere die speziellen Auswirkungen der Infektion auf Rheumakranke sowie den Einfluss der immunsuppressiven oder immunmodulierenden Antirheumatika auf die Infektion. Die nachfolgenden Empfehlungen fußen dementsprechend auf einem von der DGRh erstellten Expertenkonsensus. Er stützt sich auf Analogien zum Vorgehen bei anderen, länger bekannten Virusinfektionen, auf theoretischen Überlegungen und auf bisher bekannten Daten und Fakten zur SARS-CoV-2-Infektion. Es versteht sich, dass in jedem Einzelfall ein Abweichen von diesen Empfehlungen sinnvoll sein kann. Die DGRh wird ihre Empfehlungen ständig aktualisieren und diese Aktualisierungen auf ihrer Homepage (www.dgrh.de) veröffentlichen. Es wird dringend empfohlen, dass sich jeder Arzt auch über neue Entwicklungen während des Verlaufs der Infektion und über neue therapeutische Algorithmen, die sich aus den laufenden klinischen Versuchen bei der SARS-CoV-2/Covid-19-Pandemie ergeben können, informieren sollte, da sich hieraus stets Änderungen dieser Konsensusempfehlungen ergeben können.

Folgende allgemeine Empfehlungen werden gegeben:

1. Vermeidung von Infektionen

  • Es gelten die vom Robert-Koch-Institut für die Allgemeinbevölkerung und für speziell gefährdete Personen beschriebenen und täglich aktualisierten Maßnahmen.

  • Patienten mit rheumatischen Erkrankungen haben unter bestimmten Bedingungen ein erhöhtes Infektionsrisiko (Tab. 1). Ob dies auch für SARS-CoV-2-Infektionen gilt, ist nicht bekannt. Ob eine COVID-19-Erkrankung bei Patienten mit einer entzündlich-rheumatischen Erkrankung schwerer verläuft als bei nicht rheumatisch erkrankten Personen ist ebenso wenig bekannt wie die Antwort auf die Frage, ob die medikamentöse Immunsuppression ein zusätzliches Risiko für einen schweren Verlauf darstellt. Patienten mit rheumatischen Erkrankungen sollten daher Empfehlungen zur Kontaktvermeidung konsequent befolgen. Hierzu gehört auch, mit dem Arbeitgeber zu besprechen, inwieweit eine Kontaktvermeidung am Arbeitsplatz umsetzbar ist. Patienten können Atteste ausgestellt werden, dass sie eine immunsuppressive/immunmodulierende Therapie erhalten, mit dem sie sich an Betriebsärzte/Amtsärzte/Arbeitgeber wenden können (s. Link auf der Seite www.dgrh.de).

  • Kontakte zwischen SARS-CoV-2 Infizierten und Rheumatologen, bzw. zwischen Infizierten und rheumatologischen Versorgungseinrichtungen sollten vermieden werden, bis die Infektion abgeklungen ist (in der Regel >14 Tage nach Symptomende)

  • Notwendige Kontrollen zur Therapie- und Krankheitsüberwachung sollten zwar sichergestellt sein, im Einzelfall muss aber zwischen dem Risiko durch (Haus‑) Arztbesuche und dem Risiko durch fehlende Kontrollen abgewogen werden. So können bei Patienten in stabiler Krankheitseinstellung und mit bereits länger laufender Therapie vorübergehend längere Kontrollintervalle zur Vermeidung von Kontakten erwogen werden.

Tab. 1 Wichtige grundsätzliche Risikofaktoren für eine Infektion bei Patienten mit rheumatischen Erkrankungen

Die Behandlung der SARS-CoV-2-Infektion selbst sollte durch den Hausarzt (milde Fälle), einen Infektiologen, einen Pneumologen oder ggf. einen Intensivmediziner (schwere Fälle) gesteuert werden, wobei der Rheumatologe beratend verfügbar sein sollte.

2. Medikamentöse anti-rheumatische Therapie im Kontext der aktuellen COVID-19-Pandemie

Ein generelles Pausieren oder eine generelle Reduktion der Immunsuppression wird nicht empfohlen, da die Pandemie voraussichtlich länger andauern wird und immunsupprimierte Patienten im Falle einer Therapiereduktion oder eines Aussetzens der Immunsuppression einem erhöhten Risiko von Rezidiven ausgesetzt wären. Ein solches Rezidiv bzw. ein Schub der rheumatischen Grunderkrankung erhöht zum einen das Infektionsrisiko (siehe Tab. 1). Zum anderen zieht diese Destabilisierung die Notwendigkeit nach sich, die immunsuppressive Therapie wieder (und möglicherweise über das ursprüngliche Maß hinaus) zu intensivieren.

Immunsuppressive Therapien zur Remissionsinduktion (z. B. bei Vaskulitiden u. a.) sollten nicht verzögert oder unterdosiert werden, wobei etablierte Therapieregime mit geringeren Glucocorticoid (GC)-Dosen bevorzugt werden sollten.

Hydroxychloroquin (HCQ) sollte nicht abgesetzt werden, da dies möglicherweise eher nützlich als schädlich bei einer COVID-19-Infektion sein könnte.

Folgende spezielle Empfehlungen werden gegeben:

2.1 Patienten ohne Infektzeichen

  • Zum Remissionserhalt eingesetzte immunsuppressive und/oder DMARD-Therapien sollten nicht allein aus Furcht vor einer Infektion mit SARS-CoV-2 beendet oder dosisreduziert werden. Dosisreduktionen von GC können im Einzelfall bei anhaltend stabiler Einstellung aber erwogen werden.

  • Die Dosierungen der Immunsuppressiva bzw. DMARDs sollten wie üblich sorgfältig überprüft und ggf. korrigiert werden. Dies betrifft auch die in den Fachinformationen empfohlene Dosisanpassungen, z. B. bei Leukopenie.

2.2 Patienten mit SARS-CoV-2-Kontakt aber ohne Infektzeichen

  • Fortführen der Therapie wie unter Punkt 2.1 beschrieben.

2.3 Patienten mit SARS-CoV-2-Kontakt und Symptomen eines Infektes

  • Es sollte ein Abstrich auf SARS-CoV-2 erfolgen.

  • Bei leichten Symptomen und ohne Fieber sollte keine Therapieänderung erfolgen.

  • Bei deutlichen Infektzeichen und insbesondere Fieber (>38 °C) sollte die anti-rheumatische Medikation pausiert werden.

  • Eine etwaige GC-Dauertherapie sollte in gleicher Dosis fortgesetzt werden.

2.4 Patienten positiv auf SARS-CoV-2 getestet aber ohne Infektzeichen

  • Ein Pausieren oder Herauszögern einer ts- oder bDMARD-Therapie für die Dauer der mittleren Inkubationszeit sollte erwogen werden. Da häufig nicht bekannt ist, wann eine Infektion erfolgt ist, sollte eine Pause für 5–6 Tage nach Abstrich erwogen werden.

  • Eine etwaige GC-Dauertherapie sollte in gleicher Dosis fortgesetzt werden.

  • csDMARDs sollten nicht abgesetzt werden.

2.5 Patienten positiv auf SARS-CoV-2 getestet und Symptomen eines Infektes

  • Die antirheumatische Medikation sollte pausiert werden.

  • Eine etwaige GC-Dauertherapie sollte in gleicher Dosis fortgesetzt werden.

3. Supportive Maßnahmen (alle Patientengruppen)

  • Entsprechend den Empfehlungen der STIKO sollte der Impfstatus aktualisiert werden (Schwerpunkt: Pneumokokken, Influenza).

  • Eine PjP-Prophylaxe sollte bei entsprechender Indikation (v. a. Cyclophosphamidtherapie, GC >15 mg Prednisolonäquivalent) durchgeführt werden.

Diese Empfehlungen wurden von der Kommission Pharmakotherapie und dem Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie erstellt (Stand 14.04.2020).