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AWMF-Leitlinien Register Nummer: 060/006

Entwicklungsstufe: S3

Convenor/Leitliniensekretariat: Prof. Dr. Frank Buttgereit

Methodische Beratung: Dr. Uta Kiltz, C. Weseloh

Besonderer Hinweis: Die Medizin unterliegt einem fortwährenden Entwicklungsprozess, sodass alle Angaben, insbesondere zu therapeutischen Verfahren, immer nur dem Wissensstand zur Zeit der Drucklegung der Leitlinie entsprechen können. Hinsichtlich der angegebenen Empfehlungen zur Therapie wurde die größtmögliche Sorgfalt beachtet.

Der Benutzer selbst bleibt verantwortlich für jede diagnostische und therapeutische Applikation, Medikation und Dosierung.

Die Polymyalgia rheumatica (PMR) ist die zweithäufigste entzündlich rheumatische Autoimmunerkrankung bei Personen im höheren Lebensalter nach der rheumatoiden Arthritis [1]. Da es für die PMR keinen spezifischen Nachweis gibt, ist die Erkrankung nicht immer leicht zu diagnostizieren, und so lässt sich die Diagnose oft erst nach Ausschluss klinisch ähnelnder Differenzialdiagnosen stellen [2]. Die PMR tritt fast ausschließlich bei Menschen oberhalb des 50. Lebensjahres auf, wobei Frauen etwa 3‑mal häufiger betroffen sind als Männer. Wichtig ist, dass die PMR überzufällig häufig gemeinsam mit einer Riesenzellarteriitis auftreten kann, was dann eine Therapieeskalation zur Folge hat [1].

Die Ätiopathogenese der PMR ist noch nicht vollständig geklärt. Es wird jedoch vermutet, dass genetische Faktoren, Infektionen, Alterungsprozesse des Immun- und Gefäßsystems und Störungen endokriner Achsen zur Entstehung und Ausprägung der Erkrankung beitragen. Möglichweise handelt es sich bei der PMR um eine frühe, subklinische Vaskulitis mit prominenter systemischer, artikulärer und periartikulärer Entzündungssymptomatik [1].

Klinisch stehen bei der PMR bilaterale Schulterschmerzen im Vordergrund, über die bis zu 95 % der Patienten berichten [3]. Ebenfalls sehr häufig sind Nackenschmerzen und/oder Schmerzen im Beckengürtelbereich, die meist akut oder subakut auftreten. Charakteristisch ist auch eine ausgeprägte Morgensteifigkeit. Des Weiteren treten Gelenkentzündungen und Tenosynovitiden sowohl an proximalen (Schultern, Hüften) als auch distalen Gelenken (Hände, Knie) auf, ebenso Allgemeinsymptome wie Fieber, Appetitlosigkeit, Schwäche und/oder Gewichtsverlust [1, 4]. Eine PMR wird diagnostiziert, wenn typische Symptome bzw. klinische Befunde in Kombination mit entsprechenden Laborergebnissen (in der Regel ist die Blutsenkungsgeschwindigkeit beschleunigt und/oder das C‑reaktive Protein erhöht) vorliegen [3]. Befunde in der bildgebenden Diagnostik wie eine Bursitis subdeltoidea, Bizepssehnentenosynovitis und/oder eine Synovitis der Glenohumeralgelenke erhöhen die diagnostische Sicherheit [3]. Als relevante Differenzialdiagnosen sollten u. a. die rheumatoide Arthritis des höheren Lebensalters, Riesenzellarteriitis, Chondrokalzinose, Infektionen und Malignome in Betracht gezogen werden [1, 2].

Begründung für die Erstellung der Leitlinien

Diese Leitlinie wurde erarbeitet, weil trotz der relativ großen Anzahl an PMR erkrankter Patientinnen und Patienten ein sehr heterogenes Vorgehen im deutschsprachigen Sprachraum (aber auch europa- und weltweit) bei der Behandlung existiert.

Ziel und Adressaten der Leitlinie

Diese Leitlinie soll unter Berücksichtigung der derzeitig vorliegenden Evidenz als Unterstützung und Entscheidungshilfe bei der Behandlung von PMR-Patienten in der klinischen Praxis dienen. Die individuellen Behandlungsentscheidungen obliegen dem betreuenden Arzt. Bei dieser Leitlinie steht die Frage im Mittelpunkt, wie bei Patientinnen und Patienten mit dieser Erkrankung pharmakologische und nichtpharmakologische Maßnahmen angewandt werden sollen, um ein bestmögliches Nutzen-Risiko-Verhältnis bei der Behandlung zu erzielen. Im Sinne der besseren Lesbarkeit sprechen wir nachfolgend nicht immer wieder von „Patientinnen und Patienten“, sondern sehen „den Patienten“ als die Zusammenfassung von Männern und Frauen. Die Patientenzielgruppe umfasst alle erwachsenen Patienten mit einer klinisch gesicherten PMR. Die Leitlinie richtet sich an alle Ärzte/Ärztinnen, die Patienten mit PMR betreuen, primär an Rheumatologen sowie zur Information auch an andere Ärzte und Angehörige nichtärztlicher Berufsgruppen, die sich direkt oder indirekt an der Betreuung von Patienten mit PMR beteiligen. Die Leitlinie kann darüber hinaus zur Orientierung für an einer PMR erkrankte Patienten und deren Angehörige dienen.

Methoden zur Erstellung der S3-Leitlinien

Vor dem Hintergrund der 2015 publizierten Quellleitlinie, den 2015 EULAR-ACR-Empfehlungen zum Management der Polymyalgia rheumatica (PMR) [5, 6], wurde diese hier vorliegende S3-Leitlinie im Auftrag der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRH) und in Kooperation mit der Österreichischen Gesellschaft für Rheumatologie und Rehabilitation (ÖGR) und der Schweizerischen Gesellschaft für Rheumatologie (SGR) erarbeitet. Aus diesem Grund setzte sich die Leitlinienkommission wie folgt zusammen: je 1 Vertreter der vorgenannten Gesellschaften, je 1 Delegierte(r) der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie (DGG), der Deutschen Rheuma-Liga, der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM), der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie (DGOOC) sowie der Deutschen Gesellschaft für Physikalische Medizin und Rehabilitation (DGPMR). Als Moderatorin fungierte Frau Uta Kiltz, beratend standen der Kommission Matthias Schneider (Präsident der DGRh 2013–14 und Leitlinienbeauftragter der DGRh) und Christiane Weseloh (wissenschaftliche Mitarbeiterin der DGRh) zur Seite. Ein(e) Vertreter/in der Fachassistenz konnte ebenso wenig wie ein(e) Delegierte(r) der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin für die Mitarbeit gewonnen werden. Die Leitlinienkommission konstituierte sich anlässlich des ersten Treffens im April 2016, legte sich auf das grundsätzliche Vorgehen fest und formulierte die Schlüsselfragen. Das zweite Treffen fand im Februar 2017 statt, um im Ergebnis der Literaturarbeit die Empfehlungen zu diskutieren und zu konsentieren.

Bei der Erarbeitung dieser S3-Leitlinie wurden dieselben Methoden angewandt wie zur Entwicklung der Quellleitlinie, den 2015 EULAR-ACR-Empfehlungen zum Management der Polymyalgia rheumatica (PMR) [5, 6]. Die Entwicklung der Empfehlungen basierte dabei auf der Grading of Recommendations Assessment, Development and Evaluation(GRADE)-Methode [7]. Die Schlüsselfragen („key questions“), die die Grundlage für die systematische Literatursuche (SLR) bildeten, wurden im sog. PICO-Format (=Population, Intervention, Comparator, Outcome) formuliert. Für die 2015 EULAR-ACR-Empfehlungen wurden diese durch eine internationale Expertenkommission, bestehend aus männlichen und weiblichen Rheumatologen, Internisten, Allgemeinmedizinern, Vertretern der rheumatologischen Gesundheitsberufe („health care professionals“) und Patienten, entwickelt. Für die aktuelle S3-Leitlinie wurden die Schlüsselfragen von der Leitlinienkommission im Ergebnis einer ausführlichen Diskussion komplett übernommen.

Insgesamt wurden 12 PICO-Fragen zu Interventionen und 10 PICO-Fragen zu Prognosefaktoren entwickelt. Diese sind in Tab. 1 dargestellt. Die Liste der „Outcomes“, also der Ergebnisparameter der einzelnen Studien, wurde ebenso vom 2015 EULAR-ACR-Projekt übernommen und ist in Tab. 2 dargestellt. Im ursprünglichen Projekt wurden die Outcome-Parameter in einem Teilprojekt definiert, bei welchem zuerst eine Liste an möglichen Parametern durch eine nichtsystematische Literatursuche und Experteninput erstellt wurde. Anschließend wurde diese Liste mithilfe einer Online-Umfrage unter Rheumatologen, Allgemeinmedizinern und Patienten verfeinert und schließlich von der Kommission zur Erstellung der 2015 EULAR-ACR-Leitlinien zur Abstimmung gebracht.

Tab. 1 PICO-Fragen
Tab. 2 Ergebnisparameter („outcome parameters“), welche für die systematische Literatursuche angewendet wurden

Literatursuche

Zur Erstellung der S3-Leitlinie wurde folgende Literatur herangezogen: (1) Studien, die in der SLR für die 2015 EULAR-ACR-Empfehlungen identifiziert wurden, und (2) Arbeiten, die in einer Update-Suche für den Zeitraum von 04/2014 bis 07/2016 gefunden wurden. Die Methoden für die Update-Suche waren dabei identisch mit denen, die für die SLR der Quellleitlinie angewandt wurden.

Für die SLR erfolgte eine sensitive Suche zur Identifikation aller Artikel zum Thema PMR, die seit Januar 1970 publiziert wurden. Im 2015 EULAR-ACR-Projekt wurde die SLR von Christian Dejaco (Graz, Österreich) und Yogesh Singh (Southend, Vereinigtes Königreich) durchgeführt. Die Update-Suche zur vorliegenden Leitlinie erfolgte durch Christian Dejaco (als R1 in Abb. 1 bezeichnet) und Frank Buttgereit (Charité Berlin, Deutschland; R2 in Abb. 1). Die SLR wurde jeweils von den 2 Gutachtern unabhängig durchgeführt, und im Falle einer fehlenden Übereinstimmung wurde der Konsens in der Diskussion gesucht. Konnte kein Konsens gefunden werden (dies betraf 15,6 % der Artikel im 2015 EULAR-ACR-Projekt, 0 % in der Update-Suche) wurde ein weiterer Kollege (in der Quellleitlinie Andrew Hutchings, London, England) hinzugezogen.

Abb. 1
figure 1

Aktualisierung der systematischen Literatursuche für den Zeitraum Januar 2014 bis Juli 2016

Suchstrategie und Datenbanken

Für die SLR der Quellleitlinie und für die Update-Suche wurden identische Suchstrategien angewendet. In folgenden elektronischen Datenbanken wurde gesucht: Medline (Ovid), Embase, CINAHL, Web of Science und Cochrane Library. Für jede Datenbank wurden als Schlüsselwörter die sog. „Thesauri“ (= Wortvorrat), Volltextwörter, verkürzte Wörter und Abkürzungen angewendet (s. Tab. 3 für die Suchstrategie für Medline [Ovid]). Die „Grey Literatur“ (damit sind insbesondere publizierte Abstracts der Kongresse von EULAR, ACR, British Society of Rheumatology und von internationalen Kongressen mit den Themen PMR, Riesenzellarteriitis [RZA] und ANCA-assoziierte Vaskulitiden gemeint) und Studienregister wurden manuell mit dem Ziel durchsucht, weitere Vollpublikationen von relevanten Studien zu identifizieren. Zusätzlich wurden die Referenzlisten von Volltextartikeln durchsucht, und es wurden Experten zu möglichen weiteren Publikationen befragt.

Tab. 3 Schlüsselwörter für die Literatursuche in Medline (Ovid)

Ein- und Ausschluss von Studien, Datenmanagement

Die Zitate und Abstracts der identifizierten Artikel wurden in eine Bibliografie-Software (Zotero Version 4.0.20, Fairfax, VA, USA) übertragen, Duplikate wurden mithilfe der Software entfernt. Danach wurde ein Screening der Titel und Abstracts durchgeführt, um nichtrelevante Literatur zu entfernen. Die verbleibenden Artikel wurden im Volltext durchgesehen und hinsichtlich der Ein- und Ausschlusskriterien überprüft.

Eingeschlossen wurden nur solche Artikel, die für ein oder mehrere PICO-Fragen relevant waren. Alle Studien, die keine Originaldaten berichteten, Patienten untersuchten, die nicht an einer PMR litten, oder Patienten mit PMR und RZA als eine einzige Gruppe untersuchten, wurden ausgeschlossen. Zudem wurden alle Studien zu Prognosefaktoren ausgeschlossen, wenn sie Parameter untersuchten, die nicht in der klinischen Routine verfügbar waren. Alle relevanten Studiendetails der eingeschlossenen Studien wurden in einer vorgefertigten Extraktionstabelle („data extraction sheet“) aufgelistet.

Qualitätsbeurteilung

Sowohl in der Quellleitlinie als auch beim Update-SLR wurde die Qualität der Studien zu Interventionen mithilfe der GRADE-Methode und die Qualität der Studien zu Prognosefaktoren mit dem Quality-In-Prognosis-Studies(QUIPS)-Tool beurteilt. Bei GRADE wird die Qualität der gesamten Evidenz über mehrere Studien hinweg für jeden Outcomeparameter beurteilt. Es ist daher möglich, dass eine Studie, die mehrere Outcomes adressiert, für jedes der Outcomes unterschiedliche Evidenzqualitäten aufweist. GRADE teilt die Qualität der Evidenz in folgende Stufen ein: hoch, moderat, niedrig, sehr niedrig. Folgende Domänen werden dabei zur Beurteilung der Evidenzqualität (LoE) herangezogen: (1) Studienlimitationen (Limitationen bei der Randomisierung, Geheimhaltung der Gruppenzuordnung, Verblindung der Intervention, Anzahl der Patienten, die die Studie nicht abgeschlossen haben, Nichtanwendung des Intention-to-Treat-Prinzips, vorzeitiger Studienabbruch und selektives Berichten von Outcomes), (2) Inkonsistenz der Ergebnisse über mehrere Studien hinweg, (3) indirekte Evidenz (indem Population, Intervention und/oder Outcome in den Studien nicht oder nur teilweise denen der PICO-Frage entsprechen), (4) fehlende Präzision der Ergebnisse und (5) Publikationsbias. Randomisierte Studien starten mit hoher Evidenzqualität, können aber im Falle von Limitationen um je 1 bis 2 Grad(e) niedriger eingestuft werden. Nicht randomisierte Studien starten hingegen bereits mit einer niedrigen Qualität. Unter bestimmten Umständen ist allerdings auch ein Höherstufen der Evidenzqualität möglich [8]. Beim QUIPS-Tool wird der mögliche Bias (bewertet als hohe, moderate oder niedrige Gefahr für Bias) für jede der folgenden Kategorien (insgesamt 8 Kategorien, wobei die letzten beiden dem originalen QUIPS-Tool hinzugefügt wurden) einzeln bewertet: (1) Auswahl der Studienteilnehmer, (2) Zahl und Eigenschaften der Teilnehmer, welche die Studie nicht abgeschlossen haben, (3) Messung des Prognosefaktors, (4) Berücksichtigung von Störvariablen, (5) Messung der Outcomes, (6) statistische Analyse, (7) die mögliche Beeinflussung durch Einschluss von RZA-Patienten und (8) andere Möglichkeiten von Bias. Im Ergebnisteil wird die Anzahl der Kategorien mit einem niedrigen Risiko für Bias („Low risk of Bias“ [LoB]) dargestellt.

Wann immer möglich und sinnvoll, wurde v. a. bei Interventionsstudien versucht, eine Metaanalyse durchzuführen. In allen anderen Fällen wurden die Ergebnisse für jede Studie einzeln präsentiert.

Der Leitlinienkommission wurde die Evidenzqualität nach GRADE vorgestellt. Um dem Leser einen besseren Überblick über die Evidenzlage zu ermöglichen und auch den Richtlinien für die Präsentation von S3-Leitlinien folgend, wurde zusätzlich der Evidenzgrad der einzelnen Empfehlungen anhand des Oxford Centre for Evidence-Based Medicine (OCEBM) bestimmt (http://www.cebm.net/index.aspx?o=5653). Diese Bewertung dient nur zur Information des Lesers und spielte bei der Erstellung der Leitlinien keine Rolle.

Anhand des OCEBM wird der Evidenzgrad für Interventionsstudien in 5 Stufen eingeteilt: Level 1 – systematischer Review von mehreren randomisierten Studien, Level 2 – einzelne randomisierte Studie mit ausgeprägtem Effekt, Level 3 – nicht randomisierte Studie, Level 4 – Fallserien, Case-control-Studie oder Studie mit historischen Kontrollen, Level 5 – Expertenmeinung.

Formulierung der Empfehlungen

Für die Formulierung der Empfehlungen wurde ein nominaler Gruppenprozess angewendet. Als Grundlage für die Diskussion dienten die ins Deutsche übersetzten Empfehlungen der 2015 EULAR-ACR Recommendations. Die Übersetzung wurde von Frank Buttgereit (Charité Berlin, Deutschland) durchgeführt. Zudem wurden bei der Sitzung der Leitlinienkommission im Februar 2017 die gesamte Evidenz und deren Qualität präsentiert. Dazu gehörten alle Studien, die im Rahmen des 2015 EULAR-ACR-Projekts identifiziert wurden, sowie alle in der Update-SLR identifizierten Artikel.

Für die Formulierung der Empfehlungen anhand von GRADE sollten durch die Leitlinienkommission folgende Aspekte berücksichtigt werden: (1) Qualität der Evidenz, (2) Verhältnis zwischen erwartetem Nutzen und Risiko einer Intervention, (3) angenommene Werte und Präferenzen der Patienten und (4) Ressourcenverbrauch. Die Daten zu den Prognosefaktoren wurden zur Bildung von Subgruppen angewendet, für welche die Empfehlungen in Folge genauer zugeschnitten wurden.

Im Unterschied zu GRADE, wonach der Grad einer Empfehlung „stark“ oder „bedingt“ „dafür“ oder „dagegen“ sein kann, einigte sich die Leitlinienkommission dieser S3-Leitlinie auf das AB0-System bezüglich der Stärke von Empfehlungen. Dabei wurde für A (starke Empfehlung) die Formulierung „soll“, für B (bedingte Empfehlung) die Formulierung „sollte oder kann“ und für 0 die Aussage „Dazu kann keine Empfehlung abgegeben werden“ verwendet.

Nach Diskussion und Modifikation der vorgeschlagenen Empfehlungen für die S3-Leitlinie wurde von der Leitlinienkommission über die Annahme der Empfehlungen abgestimmt, wobei eine Zustimmung von zumindest 75 % aller stimmberechtigten Mitglieder der Leitlinienkommission zum Endprodukt notwendig war.

Wie in den 2015 ACR-EULAR-Empfehlungen wurden auch für die S3-Leitlinie sog. „übergeordnete Prinzipien“ vorangestellt (eng.: „overarching principles“), die nach dem Verständnis der Leitlinienkommission dem aktuellen Betreuungsstandard in der Behandlung der PMR entsprechen und somit nicht direkt auf den Ergebnissen der SLR beruhen. Die Leitlinienkommission war der Ansicht, dass diese übergeordneten Prinzipien die „gute klinische Praxis“ widerspiegeln und es daher ethisch nicht vertretbar wäre, diese Prinzipien in einer placebokontrollierten Studie zu untersuchen.

Nach der zweiten Sitzung der Leitlinienkommission im Februar 2017 wurden die konsentierten und sprachlich optimierten Empfehlungen der S3-Leitlinie nochmals via E‑Mail an alle Kommissionmitglieder mit der Bitte um Kommentierung oder finale Zustimmung zugesandt. Das fertige Manuskript wurde mit allen beteiligten Fachgesellschaften abgestimmt.

Ergebnisse

Die für die 2015 EULAR-ACR-Empfehlung identifizierten (und für diese Arbeit herangezogenen Artikel) waren wie folgt: 16 Artikel zu therapeutischen Interventionen, 30 zu Prognosefaktoren und 6 zu Arbeiten, bei denen sowohl eine Intervention als auch ein prognostischer Faktor untersucht wurden [9].

Das Ergebnis der Update-Literatursuche ist in Abb. 1 dargestellt.

Insgesamt wurden 3 Artikel (1 zu therapeutischen Interventionen und 2 zu Prognosefaktoren) durch die Update-SLR identifiziert (Tab. 4 und 5). Eine offene Studie untersuchte die Wirksamkeit von Tocilizumab an 10 PMR-Patienten, und 10 Patienten, die für die Teilnahme an der Studie nicht geeignet waren, dienten als Kontrollen [10]. Eine Glukokortikoid-freie Remission nach 6 Monaten wurde bei 100 % der Patienten der Interventionsgruppe, allerdings bei keinem der Kontrollgruppe erreicht (LoE niedrig). Zumindest 1 Rezidiv innerhalb von 6 Monaten trat bei keinem Patienten in der Tocilizumab-Gruppe, hingegen bei 60 % in der Kontrollgruppe auf (LoE sehr niedrig). Die kumulative Glukokortikoid-Dosis (1,1 vs. 2,6 g, LoE niedrig) und die Dauer der Glukokortikoid-Therapie (3,9 vs. 14,1 Monate) waren in der Tocilizumab-Gruppe niedriger bzw. kürzer [10]. Die beiden anderen Studien beschäftigten sich mit dem Wert von Prognosefaktoren. Höheres Alter (LoB 2/8) und männliches Geschlecht (LoB 2/8) wurde in einer Studie mit 3249 Patienten mit einem erhöhten Risiko an kardiovaskulären Ereignissen assoziiert [11]. In einer anderen Studie wurde in Bezug auf das Ansprechen einer Glukokortikoid-Therapie kein Unterschied zwischen männlichem und weiblichem Geschlecht (LoB 6/8) und kein Unterschied zwischen Patienten mit und ohne periphere Arthritis (LoB 5/8) beobachtet [12].

Tab. 4 Interventionsstudie(n), welche durch die Update-Suche identifiziert wurde(n)
Tab. 5 Studien zu Prognosefaktoren, welche durch die Update-Suche identifiziert wurden

Die final konsentierten übergeordneten Prinzipien und die spezifischen Empfehlungen zur Behandlung von Patienten mit PMR sind in Tab. 6 und 7 dargestellt.

Tab. 6 Übergeordnete Prinzipien für die Behandlung von Patienten mit Polymyalgia rheumatica
Tab. 7 Spezifische Empfehlungen zur Behandlung von Patienten mit Polymyalgia rheumatica

Diskussion

Diese Leitlinie richtet sich in erster Linie an Rheumatologen/-innen, weil die Erkrankung PMR in dieses Fachgebiet gehört und Patienten mit PMR daher primär internistisch-rheumatologisch betreut werden sollten. Viele Patienten (mit unkomplizierter PMR) werden jedoch auch durch Ärzte/Ärztinnen anderer Fachrichtungen (z. B. hausärztlich und fachärztlich tätige Internisten, Fachärzte für Allgemeinmedizin, Orthopädie, Geriatrie oder physikalische und rehabilitative Medizin) behandelt, weswegen diese Leitlinie auch diese Fachgruppen sowie Angehörige nichtärztlicher Berufsgruppen anspricht, die sich direkt oder indirekt an der Betreuung von Patienten mit PMR beteiligen. Mit dem übergeordneten Prinzip C wird jedoch unterstrichen, dass PMR-Patienten mit atypischer Klinik, komplizierten Verläufen oder häufigen Rezidiven üblicherweise durch einen spezialisierten Rheumatologen betreut werden sollen.

Übergeordnete Prinzipien.

Diese Leitlinie geht davon aus, dass Erkrankungen mit PMR-ähnlichen Symptomen bereits ausgeschlossen worden sind. In diesem Zusammenhang wird in den übergeordneten Prinzipien für die Behandlung von Patienten mit PMR darauf hingewiesen, dass vor Einleitung der Therapie geeignete Labor- und/oder apparative Untersuchungen durchzuführen sind. Die Details dazu sind in den 2015 EULAR-ACR-Empfehlungen zum Management der Polymyalgia rheumatica (die als Quellleitlinie verwendet wurde) genannt und sind daher hier übernommen worden. Zusätzliche Informationen dazu sind in einem Review aus dem Jahr 2016 nachzulesen [3]. Die Leitlinienkommission schließt sich ebenfalls vollumfänglich den EULAR-ACR-Empfehlungen an, wonach bei jedem Patienten individuell existierende Komorbiditäten und Komedikationen sowie mögliche Risikofaktoren für einen ungünstigen Krankheitsverlauf (häufige Rezidive, verlängerte Behandlungsdauer mit und/oder Nebenwirkungen durch Glukokortikoide) berücksichtigt werden müssen. Patienten mit atypischen Zeichen und Symptomen, Auftreten oder hohem Risiko von bzw. für therapiebezogene(n) Nebenwirkungen, mit einer gegenüber der Glukokortikoid-Therapie refraktären PMR und/oder mit wiederholten Rezidiven (Rezidiv: Wiederkehr der Symptome der PMR und Anstieg der Entzündungsparameter) und/oder der Notwendigkeit zu einer sehr langen Therapie werden üblicherweise durch einen Spezialisten behandelt.

Es wird kontrovers diskutiert, ob ein Zusammenhang zwischen PMR und Tumorerkrankungen besteht [13]. Während einige longitudinale Studien keine Assoziation der PMR mit Malignomen zeigen konnten [14, 15], berichteten Haugeberg et al. über eine „erhöhte Frequenz von Tumorerkrankungen bei Patienten mit neu aufgetretenen polymyalgischen Symptomen, bei denen eine PMR vermutet wurde“ [16]. Daher ist die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass eine Paraneoplasiesymptomatik eine PMR vortäuscht. Die LL-Kommission hat dieser Tatsache mit der Formulierung des übergeordneten Prinzips A Rechnung getragen, wonach selbst bei Vorliegen einer klinisch hinreichenden Befundkonstellation Erkrankungen mit PMR-ähnlichen Symptomen (z. B. nichtentzündliche, entzündliche, medikamenteninduzierte, endokrine, infektiöse oder neoplastische Erkrankungen) ausgeschlossen werden sollten. Daraus kann jedoch keine Empfehlung zu einem generellen oder spezifischen, über das altersentsprechende, übliche Maß hinausgehenden Tumorscreening abgeleitet werden. Von möglicher klinischer Bedeutung sind die älteren Beobachtungen von Naschitz et al., wonach das Vorliegen einer paraneoplastischen PMR-Symptomatik in Betracht gezogen werden sollte bei Patienten mit sehr ausgeprägten konstitutionellen Symptomen in einem Alter von <50 Jahren, Asymmetrie der Symptome, fehlender Effektivität von Prednison, BSG von <40 oder >100 mm/h und einer peripheren Arthritis [17, 18]. Davon abweichend, haben Bellan et al. kürzlich als die stärksten Prädiktoren für eine paraneoplastische PMR die folgenden publiziert: 6 oder mehr schmerzhafte Gelenke, Alter >75 Jahre und männliches Geschlecht [13].

Von zentraler Bedeutung für den Behandlungserfolg sind Therapieentscheidungen, die gemeinsam durch Patient und behandelnden Arzt initial und anlässlich von Folgevisiten in geeigneten Intervallen getroffen werden, sowie eine angemessene Patientenschulung in Bezug auf die Auswirkungen der PMR (u. a. Einschränkung der Lebensqualität durch die Symptomatik, potenzielles Auftreten einer Riesenzellarteriitis) und deren Behandlung (insbesondere das Nutzen-Risiko-Verhältnis der Therapie mit Glukokortikoiden).

Empfehlungen.

Im Ergebnis der Arbeit der Leitliniengruppe sind die folgenden Empfehlungen erarbeitet und konsentiert worden. Mit Level* wird der jeweilige Evidence Level nach dem Oxford Centre for Evidence-Based Medicine (OCEBM) angegeben.

Empfehlung 1.

Bei Patienten mit PMR soll unmittelbar nach Diagnosestellung die Therapie mit Glukokortikoiden eingeleitet werden. (Level* 5)

Bei der Behandlung der PMR sind die Glukokortikoide (GC) nach wie vor Mittel der ersten Wahl, weil diese Behandlung bei den meisten Patienten eine rasche und deutlich ausgeprägte Linderung der Beschwerden bewirkt. Daher ist die Anwendung von GC in der Praxis sehr gut etabliert [1]. Nichtsteroidale Antirheumatika sollen nicht zur Therapie der PMR eingesetzt werden, weil das potenzielle Risiko für Nebenwirkungen größer ist als der zu erwartende, meist geringe therapeutische Nutzen. NSAR und/oder Analgetika können jedoch zusätzlich angewendet werden, wenn Schmerzen anderer Ursachen bestehen. Es können keine spezifischen Empfehlungen zu Analgetika gegeben werden.

Empfehlung 2.

Die Dosierung der Glukokortikoid-Therapie soll für jeden PMR-Patienten individuell angepasst werden. Sie sollte immer so hoch wie nötig, aber so niedrig wie möglich sein. (Level* 5)

Eine spezifischere Empfehlung kann nicht gegeben werden, weil es zu wenig Publikationen von hoher Evidenz zu dieser Frage gibt und weil zu viele Subgruppen von Patienten mit unterschiedlichem klinischem Profil existieren. Für die Quellleitlinie kam die Autorengruppe daher zu dem Konsensus, dass nur eine individualisierte, d. h. patientenspezifische Behandlung Mittel der Wahl sein kann (s. auch Empfehlung 2c und 2d). Damit ist gemeint, dass diese Therapie einerseits effektiv sein muss, andererseits jedoch Mindestwerte angestrebt werden sollen, was Dosis und Dauer der Behandlung mit GC betrifft. Dabei müssen patientenspezifische Risikofaktoren für das Auftreten von GC-induzierten Nebenwirkungen, Erkrankungsrezidiven und die Notwendigkeit zu einer Langzeitbehandlung ebenso wie Fragen nach dem Vorliegen von Komorbiditäten und Begleitmedikationen in die Therapieentscheidung einbezogen werden. Nur so kann ein bestmögliches Nutzen-Risiko-Verhältnis erreicht werden.

Empfehlung 2a (Art der Anwendung).

Glukokortikoide sollten bei der Behandlung der PMR oral angewandt werden. (Level* 5)

Im deutschsprachigen Raum wird die orale Anwendung von GC bevorzugt. Allerdings kann Methylprednisolon intramuskulär als eine Alternative zu oralen Glukokortikoiden in Betracht gezogen werden. Die Wahl zwischen oraler Glukokortikoid-Therapie und intramuskulärer Methylprednisolon-Anwendung unterliegt der Entscheidung des behandelnden Arztes. In einer erfolgreichen klinischen Studie wurden initial 120 mg Methylprednisolon alle 3 Wochen gegeben [19]. In Deutschland, Österreich und der Schweiz (und anderen Ländern) ist jedoch die intramuskuläre Anwendung von Methylprednisolon bei der PMR unüblich.

Empfehlung 2b (Zeitpunkt der Anwendung).

Glukokortikoide sollten in einer morgendlichen Einzeldosis gegeben werden. (Level* 5)

Es gibt keine Studien, die die Frage nach dem Zeitpunkt der Anwendung von konventionellen GC spezifisch adressiert hat. Basierend auf guten klinischen Erfahrungen mit der Einzelgabe und wegen der Befürchtung, dass Nebenwirkungen (z. B. eine Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Insuffizienz, Beeinträchtigungen der zirkadianen Rhythmik, Schlafstörungen) häufiger auftreten können, haben sich die Autoren der Quellleitlinie gegen die generelle Anwendung einer geteilten täglichen GC-Dosis bei der PMR ausgesprochen. Dagegen kann in speziellen Situationen sehr wohl die Dosis geteilt werden, z. B. wenn nächtliche Schmerzen während der Reduktion der GC-Dosis im Bereich unterhalb von 5 mg/Tag Prednison-Äquivalent auftreten.

Kürzlich wurde eine Studie publiziert, die Effektivität und Sicherheit von „modified-release“ (MR) Prednison bei Patienten mit neu diagnostizierter PMR untersuchte [20]. Obwohl infolge von Rekrutierungsschwierigkeiten nur 62 Patienten (400 waren geplant) eingeschlossen wurden, war der Anteil von Patienten mit vollständigem Ansprechen zu Woche 4 in der MR-Gruppe numerisch höher (53,8 %) als in der Vergleichsgruppe, die mit konventionellem Prednison behandelt wurde (40,9 %). Diese Evidenzlage rechtfertigt noch nicht den Eingang in Empfehlungen.

Empfehlung 2c (Initialdosis).

Die Glukokortikoid-Initialdosis sollte bei den meisten Patienten mit PMR zwischen 15 und 25mg Prednison-Äquivalent pro Tag liegen. Es sollen keine Initialdosen von ≤7,5mg/Tag oder von >30mg/Tag angewandt werden. (Level* 2)

Der empfohlene Bereich für die Initialdosis ist deshalb so breit, weil es sehr viele verschiedene Subgruppen von PMR-Patienten gibt, die sich bezüglich des Risikos für ein Rezidiv, die Notwendigkeit für eine lange Behandlungsdauer und/oder das Auftreten von GC-induzierten Nebenwirkungen sowie bezüglich der Komorbiditäten und Begleitmedikation teilweise erheblich voneinander unterscheiden. Daher können keine evidenzbasierten Empfehlungen für alle denkbaren Konstellationen gegeben werden. Wir raten jedoch dazu, eine höhere initiale Dosis innerhalb dieses Bereiches (also in Richtung 25 mg/Tag Prednison-Äquivalent) bei Patienten mit einem hohen Rezidivrisiko und einem niedrigen Risiko für das Auftreten von Nebenwirkungen in Betracht zu ziehen. Dagegen sollten bei Patienten mit relevanten Komorbiditäten (z. B. Diabetes, Osteoporose, Glaukom usw.) und anderen Risikofaktoren für das Auftreten GC-induzierter Nebenwirkungen eine niedrigere Dosis innerhalb des Bereichs (also eher 15 mg/Tag) bevorzugt werden. Der empfohlene Initialbereich in der Quellleitlinie ist mit 12,5–25 mg/Tag sogar noch weiter, aber im deutschen Sprachraum ist der Beginn mit 12,5 mg/Tag unüblich.

Empfehlung 2d (Dosisreduktion bzw. -anpassung).

Die Glukokortikoid-Dosis soll kontinuierlich reduziert werden, basierend auf einem regelmäßigen Monitoring der Krankheitsaktivität des Patienten, der Laborparameter und des Auftretens von Nebenwirkungen.

Die folgenden Prinzipien zur Reduktion bzw. Anpassung der Glukokortikoid-Dosis werden empfohlen: Bei der initialen Reduktion sollte eine Dosis von 10mg/Tag Prednison-Äquivalent innerhalb von 4 bis 8 Wochen erreicht werden. Danach sollte die tägliche Prednison-Dosis weiter um etwa 1mg alle 4 Wochen bis zum Absetzen reduziert werden.

Wird während des Absenkens der GC-Therapie die Krankheit wieder aktiv (Rezidiv), sollte die Prednison-Dosis zumindest auf die Prä-Rezidiv-Dosis erhöht und dann schrittweise innerhalb von 4 bis 8 Wochen wieder reduziert werden auf die Dosis, bei der das Rezidiv auftrat. (Level* 5)

Empfehlung 2e (Behandlungsdauer).

Die Dauer der Glukokortikoid-Therapie soll für jeden PMR-Patienten individuell angepasst werden. Die Behandlungsdauer sollte so lang wie nötig, aber so kurz wie möglich sein. (Level* 5)

In Übereinstimmung mit den übergeordneten Prinzipien und den zur Erklärung für die Empfehlung 2c vorgetragenen Argumenten sollte sowohl die Absenkung der GC-Dosis im Behandlungsverlauf als auch die Dosierung im Falle eines Rezidivs sehr individualisiert bzw. patientenspezifisch und in Abhängigkeit von den Ergebnissen des regelmäßigen Monitorings erfolgen. Daher handelt es sich bei den Dosis- und Zeitangaben eher um Eckwerte, die Richtschnur des Handels sein können, wenngleich Therapieerfolge auch mit alternativen Behandlungsregimen erzielt werden können. So sei darauf hingewiesen, dass bei Patienten mit einer höheren initialen GC-Dosis von z. B. 25 mg/Tag Prednison-Äquivalent in der Regel eine raschere Absenkung erfolgen kann als bei niedrigeren Initialdosierungen von z. B. nur 15 mg/Tag.

Der oben genannte Begriff „Monitoring“ umfasst sowohl klinische und laborchemische Verlaufskontrollen der PMR also auch die Beachtung der Empfehlungen zu Verlaufskontrollen unter Glukokortikoid-Therapie [21, 22]. Bezüglich der Knochengesundheit sind die aktuellen Empfehlungen des Dachverbandes Osteologie e. V. (DVO) zu beachten.

Empfehlung 3.

Zusätzlich zur Glukokortikoid-Therapie sollte die Gabe von Methotrexat frühzeitig in Betracht gezogen werden, insbesondere bei Patienten mit einem hohen Risiko für Rezidive und/oder für eine lange Therapiedauer sowie bei Patienten mit Risikofaktoren, Komorbiditäten und/oder Begleitmedikationen, bei denen Glukokortikoid-induzierte Nebenwirkungen mit höherer Wahrscheinlichkeit auftreten.

Methotrexat kann auch erwogen werden bei Patienten mit Rezidiv(en), unzureichendem Ansprechen auf Glukokortikoide oder bei Auftreten Glukokortikoid-induzierter Nebenwirkungen. (Level* 1)

Es gibt keine prototypische klinische Situation bei der PMR, die ohne jeden Zweifel die Anwendung von Methotrexat (MTX) erfordert. Vielmehr wird auch bei der Anwendung von MTX sehr individualisiert bzw. patientenspezifisch entschieden. In Betracht gezogen werden sollte MTX als Komedikation zu GC jedoch insbesondere bei Patientinnen [23,24,25,26,27], Patienten mit einer hohen BSG (>40 mm/h) [28,29,30,31,32,33], peripherer Arthritis [34] und oder Komorbiditäten, die durch eine GC-Therapie ungünstig beeinflusst werden können. Es besteht allgemein Konsensus darüber, dass MTX als Komedikation auch bei Patienten (i) mit PMR Rezidiv(en), (ii) ohne ausreichende Reaktion auf eine GC-Therapie und (iii) mit GC-induzierten Nebenwirkungen infrage kommt. Grundlage für diese Aussagen sind Beobachtungen, die in sowohl randomisierten und kontrollierten Studien als auch in einer retrospektiven Studie gemacht worden sind. Die Ergebnisse dieser Studien waren teilweise widersprüchlich. Allerdings waren die Studien, die von einer guten Wirksamkeit von MTX berichteten (bezüglich Rezidivrate, kumulative GC-Dosis, Möglichkeit des Absetzens der GC), von deutlich höherer Qualität als die Studien, die zu negativen Ergebnissen kamen. Details dazu sind in der Quellleitlinie [5, 6] und in Übersichtsarbeiten [1, 3] zusammenfassend dargestellt und kommentiert. Bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion sollte MTX zurückhaltend und wenn, dann nur unter sorgfältig durchgeführten Verlaufskontrollen angewandt werden. Aktuell ist die Kosteneffektivität einer MTX-Anwendung bei Patienten mit PMR nicht klar, weitere Studien sind daher notwendig. Für die Anwendung von anderen konventionellen Basistherapeutika – wie sie z. B. in der Behandlung der rheumatoiden Arthritis eingesetzt werden – können in Ermangelung von geeigneten Studiendaten keine Empfehlungen gemacht werden.

Empfehlung 4.

PMR-Patienten sollen nicht mit TNF-α-blockierenden Substanzen behandelt werden. Zu anderen Biologika inklusive Tocilizumab kann derzeit keine Empfehlung abgegeben werden. (Level* 1)

Von der Anwendung von TNF-α-Hemmern wird abgeraten, weil es keinen Beweis für deren Wirksamkeit bei der PMR, wohl aber bekannte Daten zu deren potenziellen Nebenwirkungen und hohen Kosten gibt. Es liegt derzeit eine Studie zur Behandlung von PMR-Patienten mit Tocilizumab vor, die ein positives Ergebnis zeigte [10]. Aufgrund der kleinen Fallzahl und der geringen methodischen Qualität kann daraus noch keine Empfehlung zum Einsatz von Tocilizumab bei der PMR abgeleitet werden kann. Für andere Biologika kann keine Empfehlung abgegeben werden, weil bisher keine prospektiven Studien publiziert worden sind. Allerdings laufen aktuell klinische Untersuchungen zur Wirkung von verschiedenen monoklonalen Antikörpern.

Empfehlung 5.

Insbesondere älteren und/oder gebrechlichen Patienten sollte zusätzlich zur medikamentösen Therapie ein individualisiertes Übungsprogramm angeboten werden. (Level* 5)

Es gibt keine Studien, die den positiven Wert von physiotherapeutischen Maßnahmen belegen. Dennoch stellen die Erhaltung von Muskelmasse und -funktion und die Reduktion des Sturzrisikos erstrebenswerte Ziele dar. Daher wird – trotz der fehlenden Evidenz, aber auch dem dringenden Patientenwunsch folgend – ein individualisiertes Übungsprogramm empfohlen, was vornehmlich bei älteren und/oder gebrechlichen Patienten als nutzbringend angesehen wird.

Zusammenfassend bleibt zu konstatieren, dass zur Behandlung der PMR nach wie vor GC die Medikamente der ersten Wahl sind. Bei den meisten Patienten wird rasch eine Linderung der Beschwerden erzielt. Daher ist diese Therapie in der Praxis sehr gut etabliert, obwohl für Eckdaten, wie z. B. Initialdosis, Reduktionsschemata und Behandlungsdauer, die Evidenzlage schlecht ist. Das liegt u. a. auch daran, dass es sehr viele verschiedene Subgruppen von PMR-Patienten gibt. Trotzdem geben wir hier aktualisierte Empfehlungen, die auf den 2015 EULAR-ACR-Empfehlungen für die Behandlung der PMR beruhen, insofern einen internationalen Konsens darstellen. Durch die Arbeit der Leitliniengruppe wurden diese nicht nur aktualisiert, sondern auch auf die aktuelle Situation in Deutschland, Österreich und der Schweiz angepasst. Wir hoffen, dass es dadurch gelungen ist, eine Unterstützung und generelle Entscheidungshilfen bei der Behandlung von PMR-Patienten in der klinischen Praxis zur Verfügung zu stellen, auch wenn die individuelle Therapie immer patientenspezifisch erfolgen muss.