Lernziele

Nach der Lektüre dieses Beitrags …

  • können Sie den Stellenwert der Anästhesie im Rahmen eines orthogeriatrischen Managements erkennen,

  • sind Sie in der Lage, die anästhesiologische Bedeutung von Komorbiditäten und präoperativen Einschätzungen beim geriatrischen Frakturpatienten zu erkennen,

  • wissen Sie, wie Sie einen geriatrischen Patienten präoperativ anästhesiologisch beurteilen können,

  • können Sie die Pro-und-kontra-Argumente einer Regionalanästhesie bzw. einer Allgemeinanästhesie in dieser Patientengruppe gegeneinander abwägen,

  • wissen Sie, welche Kontraindikationen, Nebenwirkungen und Maßnahmen Sie beachten müssen, wenn Sie die für Ihren jeweiligen geriatrischen Patienten geeignetste Anästhesieform wählen wollen.

Hintergrund

Auch Menschen höheren Alters müssen sich zunehmend einer Anästhesie unterziehen. Dabei wird ein geriatrischer Patient einer physischen und psychischen Belastung ausgesetzt, die ein patientenadaptiertes Vorgehen notwendig macht. Obwohl der geriatrische Patient durch ein chronologisches Alter > 70 Jahre und mindestens 2 Komorbiditäten oder ein chronologisches Alter > 80 Jahre [1] definiert ist, ist für die anästhesiologische und medizinische Beurteilung des Krankheitszustandes ausschließlich dessen funktionelles und biologisches Alter ausschlaggebend [2]. Um den vielfältigen Herausforderungen gerecht zu werden, kommt der genauen präoperativen Risikoeinschätzung [3, 4] und dem entsprechenden frühzeitigen individuellen anästhesiologischen Vorgehen durch geriatrisch geschulte Anästhesisten große Bedeutung zu [5, 6].

Unsere gemeinsamen Bemühungen sollen helfen, die Mobilität und die Selbstständigkeit von geriatrischen Patienten zu erhalten. In der täglichen Arbeit für den geriatrischen Patienten ist das Zusammenwirken von Anästhesisten, Geriatern und Chirurgen gerade in der ersten Phase des perioperativen Managements ausschlaggebend. Die Langzeitergebnisse ohne ein multidisziplinäres Komanagement können als schlecht bezeichnet werden [7]. Daher ist ein organisiertes und koordiniertes orthogeriatrisches Komanagement angezeigt [1, 4, 8, 9, 10]. In diesem kommt dem Anästhesisten ein besonderer Stellenwert zu [1], um die Behandlung der geriatrischen Patienten zu verbessern [11]. Dies wird beispielsweise im Rochester-Modell [12] und im Tiroler Zentrum für Altersfrakturen (Tab. 1, [1, 13]) realisiert.

Tab. 1 Grundpfeiler des orthogeriatrischen Komanagements am Beispiel des „Tiroler Zentrums für Altersfrakturen“. (Modifiziert nach Kammerlander et al. [1, 13])

Daraus ergeben sich für das operative und anästhesiologische Management von geriatrischen Traumapatienten folgende Themenschwerpunkte:

  • Stellenwert der Anästhesie im Rahmen eines orthogeriatrischen Komanagements,

  • Bedeutung der präoperativen Evaluation, der Komorbiditäten und des Risikoprofils beim geriatrischen Traumapatienten,

  • Anwendung von Richtlinien für das anästhesiologische Vorgehen (Nüchternheit, Blutgerinnung, Absetzen der Medikamente, optimaler Operationszeitpunkt, postoperative Betreuung),

  • Vor- und Nachteile von Allgemein-, Regional- und Lokalanästhesie mit Anästhesie-Stand-by,

  • perioperativer Verlauf und Wahl der geeigneten Anästhesieform.

Frühe Einbindung der Anästhesie

Die frühzeitige Einbindung der Anästhesie in das Operationsmanagement von geriatrischen Frakturpatienten führt zur Optimierung des zeitlichen und organisatorischen Operationsablaufs [1]. Ein koordiniertes orthogeriatrisches Komanagementmodell, die Zusammenarbeit von Chirurgen, Geriatern und Anästhesisten, erbringt folgende Vorteile, die dem gemeinsam behandelten geriatrischen Patienten zugutekommen [1, 14, 15]:

  • Verkürzung der Wartedauer auf die Operation durch Wahl eines geeigneten Operationszeitpunkts,

  • weniger internistische Komplikationen,

  • frühzeitige Mobilisierung,

  • Verkürzung des Krankenhausaufenthalts,

  • Verbesserung des Patienten-Outcome und damit der Lebensqualität.

Dies wiederum führt zur schnellstmöglichen Wiederherstellung des Aktivitätszustandes beim Patienten, wie er vor dem Unfall bestand. Dies ist ein gemeinsames Ziel dieses Komanagements [4, 14].

Auch zeigt sich, dass gerade Maßnahmen zur Verminderung des erneuten Sturzrisikos große Bedeutung haben. Dementsprechend sind alle Mitglieder des Komanagementteams gefordert, bereits präoperativ Maßnahmen einzuleiten, um postoperativ eine effektive Sekundärprävention durchführen zu können, wie z. B. Osteoporosetherapie, Reduktion des Sturzrisikos und Gefahrenanalyse im häuslichen Umfeld des Patienten [3]. Auch die routinemäßige präoperative geriatrische Untersuchung könnte zusätzliche (wertvolle) Informationen für die anästhesiologischen Aufgaben liefern.

Präoperative Evaluation des anästhesiologischen Risikos

Ziel

Die frühzeitige ausführliche präoperative Evaluation ist ein wichtiges Element der anästhesiologischen Betreuung. Sie sollte, wenn möglich, in einer Anästhesieambulanz vorgenommen werden, um eine örtliche und zeitliche Distanz zur Operation zu gewährleisten. Ziel soll es sein, mit einer klinischen Durchuntersuchung, Evaluation der (meist alterstypischen) Komorbiditäten und des assoziierten Verletzungsmusters ein individuelles anästhesiologisches Risikoprofil zu erstellen [16, 17]. Dementsprechend kann die anästhesiologische Aufklärung erfolgen sowie das bestmöglichste Narkoseverfahren und die Narkoseführung geplant werden [2, 4, 17, 18, 19, 20].

Stufenweises Vorgehen

Im klinischen Alltag ist ein stufenweises Vorgehen zu wählen [19].

Die präoperative Evaluation beginnt mit folgenden Basismaßnahmen :

  • sorgfältiges Aktenstudium,

  • Anamneseerhebung,

  • fokussierte körperliche Untersuchung und

  • Feststellung der körperlichen Belastbarkeit.

Mit einer erweiterten Diagnostik mit z. B. EKG, Laborparameter, Ultraschalluntersuchung, kann die Untersuchung vervollständigt werden. Es muss jedoch darauf hingewiesen werden, dass bei sorgfältiger und gewissenhafter Durchführung der präoperativen Evaluation auf kostenträchtige weiterführende Untersuchungen verzichtet werden kann [19, 20]. Der Stellenwert einer Echokardiographie wird in einem folgenden Abschnitt erörtert. Ausführliche Empfehlungen sind in den Guidelines der verschiedenen Fachgesellschaften ersichtlich, wie z. B. „2014 ESC/ESA Guidelines on non-cardiac surgery“ [19] oder die „Practice advisory for preanesthesia evaluation“ der American Society of Anesthesiologists aus dem Jahr 2012 [20].

Komorbiditäten

Wie 2012 ausführlich von Herminghaus et al. dargestellt, treten mit zunehmendem Alter eines Menschen physiologische Veränderungen und Komorbiditäten auf, die eine Anästhesie und/oder den perioperativen Verlauf beeinflussen können [2]. Die Feststellung von Komorbiditäten ist integraler Bestandteil einer Risikoevaluation, um die Wahl in Richtung Regional- oder Allgemeinanästhesie treffen zu können. Erhoben werden:

  • kardiale Komorbiditäten, z. B. koronare Herzkrankheit, Myokardinfarkt, Herzinsuffizienz, Herzrhythmusstörungen,

  • pulmonale Komorbiditäten, z. B. chronisch-obstruktive Lungenerkrankung (COPD), Asthma,

  • zerebrovaskuläre und mentale Komorbiditäten, z. B. Demenz und anamnestischer Schlaganfall als Prädiktoren für ein postoperatives Delir [9],

  • renale Komorbiditäten z. B. Langzeittherapie mit Diuretika, Nierenersatztherapie.

Analog zur anästhesiologischen Untersuchung werden vom Geriater die geriatrische Evaluation und eine ausführliche kardiopulmonale Untersuchung/Beurteilung durchgeführt. Bei Problempatienten resultiert ein gemeinsamer Informationsaustausch. Dadurch könnten evtl. zeitraubende Zusatzuntersuchungen, wie z. B. Lungenfunktionsuntersuchung, Dopplersonographie der großen Gefäße, Echokardiographie und Koronarangiographie, auf das Notwendigste reduziert und/oder zeitlich beschleunigt organisiert werden. Da Geriater und Anästhesisten im orthogeriatrischen Team vor Ort sind, kann das Zeitmanagement günstig beeinflusst werden [4].

Echokardiographie

Über den Stellenwert der Echokardiographie in der präoperativen Evaluation und zur Detektion möglicher kardialer anästhesierelevanter Komorbiditäten wurde ausführlich diskutiert und hierzu eine rezente Richtlinie erstellt [21]. Eine ausführliche kardiale Anamnese und Untersuchung sowie die Durchführung eines EKG sind Voraussetzungen für die Indikation zu einer präoperativen Echokardiographie. Studien haben gezeigt, dass eine verminderte linksventrikuläre Ejektionsfraktion (LVEF) < 30 % zu einer erhöhten Komplikationsrate und einer erhöhten Langzeitmortalität (unabhängiger Risikofaktor) bei nichtkardialen Operationen führen kann [21, 22]. Daher wird eine präoperative Echokardiographie empfohlen bei Patienten mit:

  • neu aufgetretener Dyspnoe unklarer Genese [21, 23, 24] und

  • Verschlechterung bei bekannter Herzinsuffizienz [21, 23, 24].

Bei klinisch stabilen Patienten mit bekannter Dysfunktion des linken Ventrikels ist zwar die Mortalitätsrate nicht erhöht, jedoch der Krankenhausaufenthalt verlängert [25]. Eine stabile Herzinsuffizienz oder eine stabile bekannte koronare Herzkrankheit stellt keine Indikation zur präoperativen Echokardiographie dar [23]. Eine Echokardiographie ist nur dann in Erwägung zu ziehen, wenn das Assessment länger als ein Jahr zurückliegt [21]. Die Risikoeinschätzung bei Patienten mit Herzklappenerkrankungen, v. a. Aortenstenose und Mitralinsuffizienz, ist derzeit nicht eindeutig [23]. Es ist daher anzuraten, bei zuvor nichtbekanntem und nichtabgeklärtem Herzgeräusch auch dann eine präoperative Echokardiographie durchzuführen, wenn der Patient normal belastbar ist [23, 24]. Die Problematik der zeitlichen Verzögerung einer notwendigen Operation vs. Durchführung einer Echokardiographie ist kritisch abzuwägen. Nicht empfohlen wird die routinemäßige präoperative Echokardiographie [21, 23, 24].

Beurteilung

In der Beurteilung des anästhesiologischen Risikos ist nicht nur die Anästhesie(form) selbst, sondern der gesamte perioperative Verlauf zu beachten. Es zeigt sich, dass Herzinsuffizienz, Myokardinfarkt, apoplektischer Insult, Pneumonie und Pulmonalembolie die häufigsten perioperativen Ursachen eines fatalen Ausgangs sind [4, 26, 27, 28]. Daher sind die einzelnen Risikoarten, wie z. B. kardial, pulmonal, renal und schwieriger Atemweg, zu beachten und ggf. mit entsprechenden risikospezifischen Evaluationsinstrumenten zu belegen, wie in den Leitlinien der European Society of Cardiology (ESC) und der European Society of Anaesthesiology (ESA) aufgelistet [19]. Solche Instrumente sind beispielsweise der Revised Cardiac Risk Index als Prädiktor einer kardiovaskulären Komplikation [29], Laborparameter, wie z. B. Harnausscheidung, Serum-Kreatinin-Konzentration zur Beurteilung der renalen Funktion oder die Mallampati-Klassifikation zur Abschätzung des Schwierigkeitsgrades einer endotrachealen Intubation [30]. Mit dem metabolischen Äquivalent, das den Stoffwechselumsatz und die körperliche Belastbarkeit widerspiegelt, kann das perioperative kardiovaskuläre Risiko geschätzt werden [19].

Generell ist auch das operative Risiko zu beachten. Je länger eine Operation dauert und je höher die Wahrscheinlichkeit von Blutverlust, hämodynamischer Instabilität und intravasaler Flüssigkeitsumverteilung ist, desto größer ist auch das Risiko. Auf Basis der präoperativen Evaluation erfolgt die Einschätzung des anästhesiologischen Risikos und des perioperativen Verlaufs, wie z. B. intraoperative Komplikationen, postoperative verlängerte intensivmedizinische Betreuung oder Nierenersatztherapie, durch den Anästhesisten. Jedoch kann hier ein rechtzeitiges multidisziplinäres Vorgehen für ein Operationsmanagement zeitsparender und sinnvoller sein. Ein bereits etabliertes orthogeriatrisches Komanagement beweist hier bereits seine Vorteile.

Wichtige anästhesiologische Richtlinien und Grundsätze

Einige medizinische Gründe können eine Verzögerung des Narkosebeginns bewirken. Hierzu existieren Richtlinien und Standards von den Fachgesellschaften, wie z. B. der ESA [18]. Nüchternheitsgrenzen, Umstellung der Gerinnungstherapie und Intervalle nach Absetzen von Medikamenten sind beim Operationsmanagement zu berücksichtigen und müssen bei planbaren Operationen eingehalten werden. Es ist wichtig, dass die jeweils neuesten Richtlinien beachtet werden, daher müssen die hier angegebenen Fakten und Zahlen im Einklang mit dem Erstellungsdatum gesehen und auf Aktualitäten geprüft werden.

Nüchternheitsgrenzen

Die in Tab. 2 zusammengefassten Nüchternheitsgrenzen existieren. Anmerkend muss gesagt werden, dass es in den verschiedenen Ländern und Fachgesellschaften deutliche Unterschiede in der Umsetzung gibt, wie Weiß et al. [31] bereits ausgeführt haben. Beispielsweise haben die Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI) und der Berufsverband Deutscher Anästhesisten (BDA) folgendes präoperatives Nüchternheitsgebot festgelegt, das vor operativen Eingriffen beachtet werden sollte [32]:

  • Bis 6 h vor der Narkoseeinleitung kann feste Nahrung aufgenommen werden.

  • Klare Flüssigkeiten können bis zu 2 h vor Narkoseeinleitung getrunken werden.

  • Oral applizierbare (Dauer-)Medikamente und/oder Prämedikationspharmaka können am Operationstag mit einem Schluck Wasser bis kurz vor dem Eingriff eingenommen werden.

Tab. 2 Nahrungskarenz für elektive Eingriffe bei geriatrischen Patienten, deren Magenentleerung nicht pathologisch verlängert ist. (Empfehlungen aus [31, 36, 37])

Bezüglich Kaugummi, Bonbons und Rauchen gibt es keine klaren Empfehlungen. Es werden eher pragmatische Aussagen getroffen, wie z. B. erhöhte Aufmerksamkeit, Verschieben einer elektiven Operation hinterfragen [31, 33, 34, 38]. Ergänzend ist zu erwähnen, dass ein Nikotinverzicht 4 bis 8 Wochen vor einer geplanten Operation die anästhesiologische und die operative Komplikationsrate senkt [18]. Bei nüchternen geriatrischen Patienten muss insbesondere darauf geachtet werden, dass eine adäquate Flüssigkeitstherapie angeboten wird.

Blutgerinnung

Präoperatives Absetzen der Antikoagulanzientherapie.

Intervalle des präoperativen Absetzens von Antikoagulanzien sind in Tab. 3 und 4 aufgeführt. Die Richtlinien der einzelnen Fachgesellschaften bezüglich der Gerinnungsmedikation sollen dabei helfen, sich bei dieser schwierigen Fragestellung am jeweils neuesten Stand des Wissens orientieren zu können [39, 40, 41, 42]. Diese Notwendigkeit zeigt sich gerade bei den neuen direkten oralen Antikoagulanzien (DOAK), deren Datenlage zum Management noch sehr gering ist [43]. Die Pausenintervalle der DOAK sind abhängig von Dosis und Kreatinin-Clearance (Tab. 3; [40, 42]). Die Anwendung von rückenmarknahen Regionalanästhesieverfahren in Verbindung mit DOAK muss nach derzeitigem Kenntnisstand z. B. wegen der unterschiedlichen Ansprechbarkeit durch Komorbiditäten oder durch mögliche Interaktionen mit anderen Medikamenten sorgfältig abgewogen werden [44]. Plasmaspiegel von DOAK, Prothrombinzeit (PT) und Anti-Faktor-Xa-Aktivität können zur Entscheidungsfindung wertvolle Informationen beitragen.

Tab. 3 Wichtige Medikamente, die die plasmatische Gerinnung hemmen, präoperative Therapiepause und sensitive Laborwerte vor einer (Regional-)Anästhesie. (Empfehlungen nach [39, 41, 42])
Tab. 4 Wichtige Medikamente, die die zelluläre Gerinnung hemmen, präoperative Therapiepause vor einer (Regional-)Anästhesie. (Empfehlungen nach [39, 41, 42])

Vor jeder Indikationsstellung zur Regionalanästhesie müssen eine Blutungsanamnese erhoben und eine Gerinnungsdiagnostik durchgeführt werden. In Akutsituationen ist die Gabe von Vitamin K, Frischplasma und/oder Gerinnungsfaktoren kritisch in Erwägung zu ziehen [45, 46]. Eine präoperative Therapiepause bei einem Patienten mit unauffälliger Blutungsanamnese und Monotherapie mit Acetylsalicylsäure (100 mg Thrombo Ass®), nichtsteroidalen Antirheumatika und selektiven Zyklooxygenase-2-Hemmern ist nicht erforderlich [39, 40, 41]. Unter der Gabe von 100 mg Acetylsalicylsäure/Tag sollen zusätzlich verabreichte Antikoagulanzien mit 4 bis 5 Halbwertszeiten (Restaktivität 3,1–6,2 %) vor der Regionalanästhesie abgesetzt werden, ohne dabei Acetylsalicylsäure abzusetzen [42].

Hingegen besteht eine absolute Kontraindikation zur Regionalanästhesie für Dipyridamol (Persantin®) [42]. Bei der immer noch angewendeten Triple-Therapie mit Acetylsalicylsäure (Thrombo ASS®), Clopidogrel (Plavix®) und Vitamin-K-Antagonisten (Marcumar®), manchmal auch in Kombination mit direkten oralen Antikoagulanzien (DOAK), die eigentlich in Abhängigkeit von der kardiologischen Diagnose zeitlich limitiert sein sollte [47], soll grundsätzlich kein elektiver Eingriff erfolgen [48]. Klare Richtlinien sind aus der Literatur nicht ersichtlich. Eine Regionalanästhesie ist jedoch bei einer Triple-Therapie wegen des Blutungsrisikos nicht angezeigt.

Überbrückende Therapie („bridging“).

Gerade bei geriatrischen Patienten, die eine Vielzahl von Komorbiditäten aufweisen können, kann beim Absetzen einer Antikoagulanzientherapie ggf. eine überbrückende Therapie notwendig sein (Bridging, [45, 46]). Die Indikation zum Bridging wird jedoch in den letzten beiden Jahren wegen häufiger Blutungskomplikationen zunehmend restriktiver gestellt, und die kritische Abwägung ist daher angezeigt. Wenn jedoch das Risiko einer thrombembolischen Komplikation gesenkt werden soll, soll präoperativ, in Abhängigkeit vom Thrombose- und Blutungsrisiko der durchzuführenden Operation und der geplanten Anästhesieform, ein Bridging durchgeführt werden [42, 46, 49, 50]. Bei Patienten mit geringem Embolierisiko und/oder einer Operation mit geringem Blutungsrisiko, z. B. Kataraktoperation, Dentalchirurgie, Hernienoperationen, transösophageale Echokardiographie, wird ein Bridging als nicht sinnvoll erachtet [50].

Als wichtig erachtet wird Bridging bei [46, 50]:

  • Operationen mit hohem Blutungsrisiko und/oder

  • bei Patienten mit mäßigem bis hohem Embolierisiko, z. B. valvuläres Vorhofflimmern, stenosierendes Mitralklappenvitium, mechanischer Klappenersatz und Zustand nach einer Beinvenenthrombose/Thromboembolie.

Das thrombembolische Risiko bei Patienten mit nichtvalvulärem Vorhofflimmern lässt sich über den CHADS2-Score sehr gut abschätzen (C: Herzinsuffizienz [„congestive heart failure“], H: Hypertonie, A: Alter >75 Jahre, D: Diabetes mellitus, S: „stroke“; [45]). In der Literatur wird das Nutzen-Risiko-Profil einer Bridging-Therapie in Bezug auf Blutungsrisiko vs. Thromboseprophylaxe heftig diskutiert, und neuere Arbeiten berichten über günstige klinische Daten unter Verzicht auf die Bridging-Antikoagulation bei Patienten mit Vorhofflimmern, die sich einer nichtkardialen Operation unterziehen müssen [51]. Dies steht im Einklang mit Richtlinien des American College of Chest Physicians, die keine Bridging-Therapie bei Patienten mit geringem Risiko empfehlen [52].

Beim Absetzen einer Marcumar®-/Sintrom®-Therapie, um einen gewünschten Ziel-INR Wert zu erreichen, soll parallel ein Bridging erfolgen. Hierbei sich eignen z. B. niedermolekulare Heparine („low-molecular-weight heparin“ [LMWH], Lovenox®), da diese eine kürzere Halbwertszeit und somit eine bessere Steuerung aufweisen [46]. Das LMWH muss abhängig von der Dosis 12–24 h vor der Operation abgesetzt und ein INR-Wert < 1,4 angestrebt werden (Tab. 3; [42, 46]). Für Clopidogrel (Plavix®) ist ein Zeitintervall zwischen Absetzen und Operation von 7 bis 10 Tagen einzuhalten (Tab. 4; [42]); die Sinnhaftigkeit des Bridging ist bisher nicht bewiesen [45]. Auch muss erwähnt werden, dass über die Notwendigkeit eines Bridging nur insuffiziente Daten vorliegen und es somit immer bei einer Einzelfallentscheidung bleiben wird. Für Dabigatranetexilat (Pradaxa®) und Rivaroxaban (Xarelto®) wird ein LMWH-Bridging ab 12–24 h in Abhängigkeit von der Kreatinin-Clearance empfohlen, wenn die präoperative Pause länger als ein Tag ist [43, 45, 49]. Andererseits wird erwähnt, dass ein Bridging bei DOAK generell nicht notwendig ist [43, 50].

Antikoagulation und Antidot.

Bei einer akuten Blutung wird die Gabe von Antidoten empfohlen, deren Wichtigste in Tab. 5 zusammengestellt sind. Für DOAK ist seit 2015 Idarucizumab (Praxbind®) zur Reversion von Dabigatran [53] zugelassen und Andexanet alfa zur Reversion der Faktor-Xa-Inhibitor-Aktivität ist in Entwicklung [54]. Fachgesellschaften, wie z. B. die Österreichische Gesellschaft für Anaesthesiologie, Reanimation und Intensivmedizin (ÖGARI), empfehlen bei lebensbedrohlicher Blutung ein Monitoring mithilfe der Rotationsthrombelastometrie (ROTEM®). Darunter erfolgen die zielgerichteten Gaben von Fibrinogen- (Haemocomplettan®), Erythrozyten- und Thrombozytenkonzentraten sowie Frischplasmen zur Korrektur einer evtl. Verlustkoagulopathie, von Prothrombinkomplexkonzentraten (Beriplex®, Prothromplex®) und aktiviertem Prothrombinkomplexkonzentrat (FEIBA®) zur Reversion einer DOAK-Wirkung sowie als „Ultima Ratio“ von rekombinantem Faktor VIIa (Novoseven®) [55]. Bei der Anwendung von rekombinantem Faktor VIIa ist wegen des hohen Risikos der Thrombogenität und der damit einhergehenden Gefahr von thrombembolischen Komplikationen eine vorsichtige Nutzen-Risiko-Abwägung angezeigt [56].

Tab. 5 Wichtige Antikoagulanzien und deren Antidote. (Empfehlungen nach Pollack et al. [53])

Therapiebeginn nach Punktion bzw. Katheterentfernung.

Der Vollständigkeit halber wird erwähnt, dass auch vergleichbare Richtlinien vor dem erneuten Therapiebeginn bzw. nach Katheterentfernung bei Regionalanästhesie vorliegen. Hier wird auf diesbezügliche Richtlinien verwiesen [39, 41, 42].

Absetzen der Dauermedikation

Nicht nur bei einer Antikoagulanzientherapie, sondern auch bei diversen anderen Medikamenten ist das Zeitintervall von deren Absetzen bis zur Operation von Bedeutung. In Tab. 6 sind die entsprechenden Medikamente mit den jeweiligen Therapiepausen aufgelistet [18, 23, 57, 58]. Zu beachten ist, dass auch vermeintlich „unscheinbare“ Präparate bei aggregationshemmender Wirkung besonders in Kombination mit Acetylsalicylsäure präoperativ mindestens 10 Tage pausiert werden müssen. Hierzu zählen z. B. das oftmals als „Selbstmedikation“ verwendete Ginkgo oder Ginseng und auch Knoblauch.

Folgende Medikamentengruppen/Medikamente müssen vor der Operation/Anästhesie nicht abgesetzt werden: β‑Rezeptoren-Blocker, Kalziumantagonisten, 5‑HT3-Antagonisten, Antiarrhythmika, Antihypertensiva, Antikonvulsiva, Antiparkinsonmittel, antiretrovirale Therapie, Nitrate und Statine [57, 58]. Bei einigen anderen Medikamenten wird die Weiterführung der Dauertherapie mehrheitlich empfohlen, z. B. Digitalispräparate, Theophyllin [58]. Bei manch anderen Medikamentengruppen wird die Medikationsanpassung notwendig; hierzu gehören z. B. orale Antidiabetika, Insulin, Kortikosteroide, Diuretika, Psychopharmaka, Hormonersatztherapiepräparate, Antibiotika und Phytopharmaka [57].

Tab. 6 Dauermedikamente von geriatrischen Patienten, präoperative Therapiepause vor einer (Regional)Anästhesie. (Empfehlungen nach [18, 23, 54, 55])

Optimaler Operationszeitpunkt

Um das Outcome der Patienten zu verbessern, soll eine Operation beim geriatrischen Frakturpatienten innerhalb von 24 h [1, 3, 4, 7, 8, 13] oder, wie andere Autoren postulieren, innerhalb von 48 h [6] erfolgen. Diese zeitlichen Vorgaben können entweder durch krankheitsbedingte (Komorbiditäten) und/oder anästhesiologische und/oder managementbedingte Faktoren beeinflusst sein [1, 4]. Zusätzlich können medikolegale Fragestellungen zu einer Zeitverzögerung beitragen. Diese betreffen z. B. geriatrische Patienten mit (beginnender) Demenz, die gerade in den Anfangsstadien schwer zu diagnostizieren ist [9]. Auch müssen international anerkannte Richtlinien mit Dauermedikationspausen wie z. B. Richtlinien zum präoperativen Absetzen von Clopidogrel oder Rivaroxaban oder das Erstellen von Zusatzbefunden trotz Zeitverzögerung beachtet werden. Dies gilt besonders für Regionalanästhesieverfahren. Hier kann nicht einfach die Entscheidung zur Allgemeinanästhesie getroffen und dadurch dem Patienten/der Patientin die Wahlmöglichkeit in Richtung Regionalanästhesie genommen werden. Die Problematik des optimalen Operationszeitpunkts vs. Wahl des Anästhesieverfahrens ist kritisch abzuwägen.

Einzelne Anästhesieformen

Im klinischen Alltag erhebt sich die Frage, welche Anästhesieform für welchen geriatrischen Patienten am geeignetsten ist. Dass dies ein viel diskutiertes Thema ist, zeigt sich an zahlreichen weltweiten Publikationen [4, 9, 16, 17, 18, 26, 27, 28]. Es ist daher angezeigt, zusammenfassend die Pro-und-kontra-Argumente einzelner Anästhesieformen darzustellen.

Allgemeinanästhesie

Vorteile.

Die Vorteile einer Allgemeinanästhesie im Vergleich zur Regionalanästhesie liegen in der geringeren Inzidenz von Hypotonien und in kürzeren Operationszeiten (Schnitt-Naht-Zeit, [4, 27, 28]); Letztere wird jedoch kontrovers diskutiert [59, 60]. Bei geriatrischen Patienten führt die rechtzeitige operative Versorgung in Allgemein- oder Regionalanästhesie im Vergleich zu konservativen Therapien zu einer frühzeitigen Mobilisation und Rehabilitation. Die persönliche Unabhängigkeit des Patienten wird schneller wiedergeherstellt [61].

Komplikationen und Nachteile.

Die Gesamtkomplikationsrate bei geriatrischen Patienten wird zwischen 0,9 und 25 % angegeben; sie verteilt sich auf kardiale (0,8–12 %), pulmonale (1,2–12 %), zerebrovaskuläre (0,8–15 %), mentale (5,75–36,8 %) und renale Ursachen (2,6–12 %; [1, 17, 27, 28, 62, 63, 64]). Die Rate an allgemeinanästhesietypischen Komplikationen beträgt 0,16 %. Hierzu gehören Aspirationspneumonie, Intubationskomplikationen, Zahnschäden und Nebenwirkungen von Medikamenten [4, 17, 65]. Postoperative Komplikation, wie Bronchopneumonien, postoperative Konfusion/Delir sind bei Allgemeinanästhesie höher als bei Regionalanästhesieverfahren [7, 17, 27, 28, 63].

Regionalanästhesie

Vorteile.

Die Vorteile einer Regionalanästhesie beim geriatrischen Patienten mit dem Status > 3 in der ASA-Klassifikation im Vergleich zur Allgemeinanästhesie liegen im besseren postoperativen Outcome, in einer geringeren Komplikationsrate (Delirium, fatale Pulmonalembolie, tiefe Beinvenenthrombose) und geringeren Kosten [4, 27, 28, 66]. Krankenhausmortalität (< 1 %) und die Einmonatsmortalität (< 8 %) sind bei hüftgelenknahen Operationen und großen nichtkardialen Operationen bei einer Regionalanästhesie geringer, wenn auch nur mit geringer Signifikanz [27, 28]. Hypoxien sind selten anzutreffen, da bei geriatrischen Patienten unter Regionalanästhesie keine künstliche Beatmung, sondern bestenfalls eine Sauerstoffinsufflation mithilfe der Venturi-Maske durchgeführt wird [4, 67]. Die Vorteile der Regionalanästhesie gegenüber der Allgemeinanästhesie sind speziell bei geriatrischen Patienten mit hüftgelenknahen Operationen zu erkennen.

Auch eine postoperative Schmerztherapie kann im Rahmen einer Regionalanästhesie unter Anpassung an den geriatrischen Patienten sinnvoll durchgeführt werden. Zum Einsatz kommen die interskalenäre Blockade, die N.  - femoralis-Blockade und rückenmarknahe Verfahren. Hierdurch können kürzere Anschlagzeiten, längere sensorische und motorische Blockade und eine Dosisreduktion bei rückenmarknahen Verfahren erreicht werden. Vor allem systemisch wirkende Schmerzmittel wie Opioide werden eingespart [68, 69]. Als rückenmarknahe Verfahren sind prinzipiell die Spinalanästhesie und die Periduralanästhesie anwendbar, Letztere auch im Sinne einer suffizienten Schmerztherapie. Bei Patienten mit Hüftfrakturen ist von einer unmittelbar nach Einlieferung ins Krankenhaus durchgeführten Periduralanästhesie abzuraten, da eine N.-femoralis-Blockade mit deutlich geringerem Nebenwirkungsprofil zur Analgesie ausreichend ist [69].

Komplikationen und Nachteile.

Generell kann gesagt werden, dass geriatrische Patienten empfindlicher auf eine Regionalanästhesie reagieren als jüngere Patienten [68]. Dies zeigt sich bei peripheren Nervenblockaden an der kürzeren Anschlagzeit, der länger anhaltenden Blockade [70] und der höheren Ausbreitung des Anästhetikums [71]. Potenzielle allgemeine regionalanästhesiebedingte Nebenwirkungen beim geriatrischen Patienten sind:

  • Nervenschäden und

  • erhöhte Gefahr der systemischen Intoxikation.

Spezielle Komplikationen stellen bei rückenmarknahen Verfahren der postpunktionelle Kopfschmerz und die sympathikolysebedingte Hypotonie dar [4, 27, 28, 72, 73]. Die Inzidenz von sympathikolysebedingten Hypotonien ist bei rückenmarknaher Regionalanästhesie, z. B. bei hüftnahen Frakturen, höher als bei einer Allgemeinanästhesie und der Verbrauch an Vasopressoren erhöht [4, 17, 68, 74]. Es gibt auch Publikationen, die keinen Unterschied feststellen konnten, was am ehesten durch unterschiedliche Definitionen einer Hypotonie bedingt ist [4]. Klinisch ist jedoch eine Hypotonie durch rechtzeitige Volumen- und Medikamentengabe gut therapierbar (z. B. Norepinephrin [Arterenol®], Adrenalin [Epinephrin®]; [68]).

Unter Regionalanästhesie entwickeln sich weniger tiefe Beinvenenthrombosen, weniger tödlich verlaufende Pulmonalembolien und eine geringere Inzidenz von kurzzeitiger postoperativer Konfusion/kurzzeitigem postoperativem Delirium [4, 9, 27, 28]. Dies zeigt sich sowohl bei Patienten mit hüftgelenknahen Frakturen als auch bei allgemeinchirurgischen Operationen [17].

Lokalanästhesie mit patientenadaptierter Analgosedierung

Vorteil.

Je nach der Art der operativen Versorgung kann im Bedarfsfall eine Lokalanästhesie mit adaptierter Analgosedierung anwendbar sein. Hierunter fallen kleine traumatologische Operationen der Extremitäten mit dem „wide awake approach“ [75, 76].

Komplikationen und Nachteile.

Es können jedoch auch lokalanästhesietypische Komplikationen, z. B. Nervenschäden, unter Lokalanästhesie vorkommen [73]. Zusätzlich konnten allergische Reaktionen sowie Übelkeit und Erbrechen in geringerer Zahl beobachtet werden [77].

Anästhesieformunabhängige Komplikationen

Arrhythmien, besonders Bradyarrhythmien , die häufig in dieser Patientengruppe anzutreffen sind, Pulmonalembolie (Ausnahme: tödlich verlaufend), Nierenversagen, intraoperativer Blutverlust, Harnverhalten, Übelkeit und Erbrechen, Krankenhausaufenthaltsdauer und Zeitpunkt der postoperativen Mobilisation sind unabhängig von der gewählten Narkoseform [4]. Der Vollständigkeit halber ist zu erwähnen, dass chirurgische Komplikationen (2,9–10,4 %), z. B. Infektionen, chirurgische Blutung und Hämatome keinem der oben beschriebenen Anästhesieverfahren zuzuordnen sind [17]. Nach intraoperativen Blutungen entwickeln geriatrische Patienten mit einer hohen Wahrscheinlichkeit ein postoperatives Delirium. Dasselbe gilt für Harnwegsinfektionen [9]. Eine Untersuchung mit geriatrischen Patienten in 22 Krankenhäusern, die in England und Wales durchgeführt wurde, zeigte eine Dreißigtagemortalität von 8,3 % (2,2–25 %), mit großen Unterschieden zwischen den einzelnen Krankenhäusern [78].

Perioperatives Vorgehen und Wahl der Anästhesie

Präoperative Betreuung.

Nach chirurgischer Indikationsstellung ist eine präoperative anästhesiologische Evaluation mit Risikoeinschätzung, Aufklärung und schriftlicher Einwilligung zur Anästhesie durchzuführen. Die frühzeitige organisatorische Planung des Operationsablaufs ist immer eine multidisziplinäre Aufgabe . Notwendige organisatorische Maßnahmen können aber die zeitlichen Vorgaben z. T. deutlich verlängern und somit den gesamten perioperativen Ablauf beeinflussen. Vor der Festlegung des Operationszeitpunkts, der im Idealfall innerhalb von 24 h nach Krankenhausaufnahme sein soll [1, 3, 4, 8, 12, 13], sind postoperative Bedingungen, wie Ort der Betreuung nach der Operation, Ressourcen usw., sicherzustellen. Hierbei sind Chirurgen und Anästhesisten gleichermaßen gefordert, denn in Zeiten von Ressourcenknappheit ist gerade eine frühzeitige Planung und Informationsweitergabe essenziell wichtig. Das heißt: Je früher alle Beteiligten den Patienten medizinisch kennen, desto schneller und effektiver kann eine Operation durchgeführt werden.

Intraoperativer Verlauf und Wahl der Narkoseform.

Alle in dieser Publikation behandelten Anästhesieformen – Regional-, Allgemein- und Lokalanästhesie mit Anästhesie-Stand-by – sind bei geriatrischen Patienten anwendbar. Das präoperative Risiko hängt sehr stark von der durchzuführenden Operation, der individuellen präoperativen Risikoeinschätzung unter Beachtung der Komorbiditäten, der Art der Operation und den organisatorischen Faktoren ab [17]. Auch sind zusätzliche intraoperative Überwachungsmethoden , wie z. B. erweitertes kardiales und zerebrales Monitoring in Erwägung zu ziehen [68, 79]. Beispielsweise ist bei der operativen Versorgung einer hüftgelenknahen Fraktur eine Regionalanästhesie die Methode der Wahl [3, 4]. Allerdings muss die Wahl der Anästhesieform wegen der vielen individuellen Ursachen bei multimorbiden geriatrischen Patienten immer eine individuelle Einzelfallentscheidung bleiben [3]. Bei geriatrischen Frakturpatienten soll eine Operation innerhalb von 24 h angestrebt werden [1, 3, 4, 8, 12, 13]. Die Abwägung von zeitlichen Faktoren, aufwendigen Untersuchungen, z. B. kardiale Untersuchung mit Echokardiographie, und erweitertem Anästhesiemanagement , z. B. Pulmonaliskatheter, stellt eine immerwährende Diskussion dar, mit dem Ziel, die optimale ärztliche Versorgung und Betreuung für den Patienten sicherzustellen. Hierzu sind Anästhesisten entsprechend geschult und gefordert. Trotz aller Sorgfaltspflicht können aber lebensbedrohliche Situationen gerade in dieser Patientengruppe mit diesen akuten Krankheitsbildern jederzeit auftreten, und nicht alle anästhesiebedingten Todesfälle oder Komplikationen sind vermeidbar [80].

Postoperative Betreuung.

Die postoperative Betreuung ist Bestandteil eines jeden anästhesiologischen Vorgehens, deren Grundprinzipien und Behandlungsempfehlungen in Richtlinien festgelegt wurden [32]. Dabei ist die Wahl des Betreuungsortes, z. B. Intensivstation, „post anesthesia care unit“ (PACU) oder Aufwachstation, eine bereits präoperativ zu treffende Maßnahme. Dies gilt ebenso für die postoperativen Behandlungskonzepte , wie Überwachung der Vitalfunktionen, Schmerztherapie, Gerinnungsmanagement und Infektionsprophylaxe. Dabei ist eine PACU definiert als Ort/Station zur kurzfristigen postoperativen intensivmedizinischen Behandlung von z. T. intubierten und analgosedierten Patienten über mehrere Stunden, um die optimale patientenadaptierte Versorgung sicherzustellen [81, 82]. Der Begriff Aufwachstation ist definiert als Ort zum kurzzeitigen schonenden Erwachen des extubierten und überwachten Patienten [81, 82, 83, 84]. Die Wahl des postoperativen Betreuungsplatzes hängt daher sehr stark vom individuellen Risiko des geriatrischen Patienten, wie z. B. Gefährdung lebenswichtiger Organfunktionen oder Auftreten eines Deliriums, ab. Hieraus resultieren die Anforderungen an die notwendige Überwachung und Therapie. Die unmittelbare postoperative Betreuung ist eine mehrheitlich anästhesiologische Aufgabe, wird jedoch in der späteren Phase auf der Normalstation unter gewissen Umständen immer mehr zum multidisziplinären Vorgehen. Auch hier erweist sich ein Komanagementmodell als hilfreich [1, 12].

Fazit für die Praxis

  • Die Behandlung eines geriatrischen Frakturpatienten mithilfe des orthogeriatrischen Komanagements führt zur Optimierung der perioperativen Situation und zur Verbesserung der Lebensqualität des Patienten.

  • Präoperative Evaluation und Beurteilung der Komorbiditäten sind Voraussetzung für die Indikation zu zeitintensiven Zusatzuntersuchungen, z. B. Echokardiographie.

  • Herzinsuffizienz, Myokardinfarkt, apoplektischer Insult, Pneumonie und Pulmonalembolien sind die häufigsten perioperativen Ursachen des fatalen Ausgangs. Eine postoperative intensivmedizinische Betreuung muss rechtzeitig angedacht werden.

  • Bei allen plan- und aufschiebbaren Operationen sind die Nüchternheitsgrenzen und die Zeitintervalle vom Medikamentenabsetzen bis zum Operationszeitpunkt (Antikoagulanzientherapie, Dauermedikation) zu beachten. Für DOAK sind derzeit keine Antidote verfügbar.

  • Regional-, Allgemein- und Lokalanästhesie mit Anästhesie-Stand-by sind bei geriatrischen Patienten anwendbar. Bei hüftgelenknahen Operationen bietet die Regionalanästhesie relevante Vorteile.