Sepsis ist eine seit Jahrhunderten gefürchtete, weil häufig zum Tod führende Komplikation von Infektionserkrankungen. Ihr Morbiditäts- und Letalitätsbeitrag ist von einer häufig übersehenen fachübergreifenden Bedeutung, weil die hohe Sterblichkeit bei Sepsis die Behandlungsergebnisse fortgeschrittener Therapieverfahren zahlreicher Fachgebiete (z. B. Transplantationsmedizin und Hämatologie/Onkologie) gefährdet. Das Expertenwissen über die verschiedenen Aspekte der Sepsis ist über viele Fachdisziplinen hinweg verstreut; eine feste Zuordnung zu einer medizinischen Disziplin fehlt. Unkenntnis und Unsicherheit bedingen nicht selten Verzögern und Verkennen der Diagnose sowie den Einsatz nicht gesicherter bzw. fragwürdiger Therapieverfahren. Nach Lektüre dieses Beitrages wird der Leser über die neuesten Erkenntnisse in der Prävention, Diagnose, Therapie und Nachsorge der Sepsis unterrichtet sein.

Um die Versorgung von Patienten mit Sepsis zu optimieren, wurde 2005 erstmals eine Sepsisleitlinie erarbeitet, die 2010 reevaluiert wurde und Aspekte der Diagnostik und Therapie sowie Präventions- und Nachsorgemaßnahmen berücksichtigt. Ihre Hauptpunkte werden im Folgenden dargestellt, wobei jede zentrale Aussage der Leitlinie mit dem entsprechenden Empfehlungs- (A–E) und Evidenzgrad (I–V) gemäß dem Oxford Centre of Evidence Based Medicine angegeben wird (Tab. 1, Tab. 2).

Tab. 1 Evidenzgrade gemäß Oxford Centre of Evidence Based Medicine
Tab. 2 Empfehlungsgrade

Definition

Sepsis ist eine komplexe systemische inflammatorische Wirtsreaktion auf eine Infektion. Es gibt derzeit keinen Parameter, der allein zur Diagnose der Sepsis führen kann. Sepsis, schwere Sepsis und septischer Schock definieren ein Krankheitskontinuum, das über eine Kombination aus Vitalparametern, Laborwerten, hämodynamischen Daten und Organfunktionen definiert wird.

Eine Bakteriämie findet sich in Abhängigkeit von einer antibiotischen Vorbehandlung nur bei durchschnittlich 30% der Patienten mit schwerer Sepsis oder septischem Schock [7, 8, 38]. Insgesamt kann in etwa 30% der Fälle kein mikrobiologisch gesicherter Infektionsnachweis geführt werden, obwohl eine Infektion nach klinischen Kriterien wahrscheinlich ist [3].

Grundlage der heutigen Definition einer Sepsis stellen weiterhin die 1992 verabschiedeten Konsensuskonferenzkriterien des American College of Chest Physicians (ACCP) und der Society of Critical Care Medicine (SCCM) dar [4]. Dabei erfolgt die Diagnose Sepsis bei Patienten mit klinisch gesicherter oder vermuteter Infektion, die mindestens 2 von 4 Kriterien des so genannten systemischen inflammatorischen Responsesyndroms (SIRS: „systemic inflammatory host response“) aufweisen. Bei Vorliegen mindestens einer infektionsbezogenen Organdysfunktion wird eine schwere Sepsis angenommen. Der Begriff des septischen Schocks ist auf Patienten beschränkt, die trotz entsprechender Maßnahmen weiterhin ein Kreislaufversagen aufweisen (Tab. 3). Diese Kriterien weichen erheblich von den mikrobiologisch orientierten Kriterien der Centers of Disease Control (CDC) [27] ab, werden jedoch seit 2005 in der deutschen Version der International Classification of Diseases (ICD-10) und ab 2011 auch weltweit verwendet.

Tab. 3 ACCP/SCCM-Diagnosekriterien für Sepsis, schwere Sepsis und septischen Schock. (Nach [4])

Epidemiologie

Unter Verwendung der oben angegebenen diagnostischen Kriterien wurden im Rahmen einer prospektiven, querschnittlichen, multizentrischen, epidemiologischen Beobachtungsstudie des Kompetenznetzwerks Sepsis (SepNet) auf 454 deutschen Intensivstationen eine Prävalenz der schweren Sepsis und des septischen Schocks von 11% und eine 90-Tage-Sterblichkeit von 54% beobachtet [17]. Auf Gesamtdeutschland hochgerechnet bedeutet dies, dass pro Jahr 75.000 Einwohner (110 von 100.000) an einer schweren Sepsis bzw. einem septischen Schock erkranken. Mit 154.000 Erkrankten stellt die Sepsis damit die siebthäufigste Krankenhausentlassungsdiagnose unter den lebensbedrohlichen Erkrankungen dar.

Die in Studien aus anderen Industrieländern angegebene Inzidenz liegt zwischen 51/100.000 und 95/100.000 Einwohner, wobei der direkte Vergleich mit den deutschen Zahlen durch unterschiedliche Vergleichspopulationen und Methodologien erschwert wird.

Ökonomische Bedeutung

Die direkten anteiligen Kosten (Medikation, Routinelabor, Mikrobiologie, Einmalartikel, Unterkunft, Personal), die allein für die intensivmedizinische Behandlung von Patienten mit schwerer Sepsis in Deutschland anfallen, liegen bei etwa 1,77 Mrd. EUR. Damit werden etwa 30% des Budgets für Intensivmedizin in die Behandlung der schweren Sepsis investiert.

Die indirekten Kosten, welche durch Produktivitätsverlust entstehen, werden auf weitere etwa 4,5 Mrd. EUR geschätzt, sodass von Gesamtkosten im Krankenhaus von etwa 6,3 Mrd. EUR auszugehen ist, welche durch die schwere Sepsis in Deutschland verursacht werden [11, 41].

Biomarker und diagnostisches Monitoring

Der Zeitpunkt der Diagnose und damit die frühzeitige Initiierung therapeutischer Maßnahmen sind die entscheidenden Determinanten zur Reduktion der hohen Letalität. Sowohl im prä- als auch im intrahospitalen Verlauf der Erkrankung vergehen häufig jedoch mehrere Stunden bis Tage bis zur Diagnose und adäquaten Behandlung. Eine frühzeitigere Diagnose mittels sensitiver und spezifischer biochemischer oder immunologischer Marker kann dazu beitragen, die hohe Letalität und Morbidität zu reduzieren. Während die meisten neuen genomischen, mikrobiellen oder biochemischen Parameter zur Risikostratifizierung noch Gegenstand der Forschung sind, wurden andererseits einige schon in klinischen Studien z. T. umfangreich untersucht und werden bereits in der klinischen Routine verwendet (Tab. 4).

In den aktuellen Leitlinien wird der frühzeitige Nachweis von Prokalzitonin (PCT) im Serum zum Ausschluss einer schweren Sepsis bzw. zur Sicherung der Diagnose empfohlen (Grad C, IIb). Grund hierfür ist, dass in einer Vielzahl von Studien mittlerweile der Stellenwert von PCT als sensitivem und spezifischem Marker der schweren Sepsis und des septischen Schocks belegt werden konnte. Bei PCT-Plasmakonzentrationen <0,5 ng/ml im Serum sind eine schwere Sepsis oder ein septischer Schock unwahrscheinlich, ab einem Schwellenwert von 2,0 ng/ml hochwahrscheinlich. Dabei ist zu beachten, dass ein operatives Trauma und andere Ursachen zu einer transitorischen Prokalzitoninerhöhung führen können. Die Sensitivität und Spezifität von PCT in der Vorhersage einer Sepsis betragen 89–96% bzw. 78–94% bei einem Cut-off-Wert von 1,1–2,0 ng/ml. Prokalzitonin hat dabei eine höhere diagnostische Präzision als C-reaktives Protein und ist nach dem infektiösen Stimulus früher nachweisbar [13].

Im klinischen Alltag sollte jedoch die Indikatorfunktion klinischer Symptome und diesbezüglich unspezifischer Parameter im Einzelfall nicht unterschätzt werden. Insbesondere Faktoren, die Teil eines routinemäßigen laborchemischen Monitorings sind, können hilfreich sein. Hierzu gehören u. a. Parameter des Gerinnungssystems [Quick-Wert, PTT (partielle Thromboplastinzeit), Thrombozytenzahl] sowie Stoffwechselwerte und klassische Entzündungszeichen (Laktat, Leukozyten, Temperatur).

Tab. 4 In der klinischen Routine eingesetzter Marker zur Präzisierung der Sepsisdiagnose

Diagnose der Infektion

Nach wie vor gilt immer noch, dass bei klinischem Verdacht auf eine Sepsis bzw. Vorliegen eines oder mehrerer entsprechender Kriterien – Fieber, Schüttelfrost, Hypothermie, Leukozytose, Linksverschiebung im Differenzialblutbild bzw. Neutropenie – Blutkulturen zum Nachweis der Infektion und der Erregerresistenz (Antibiogramm ) abzunehmen sind [15].

Eine Erregeridentifizierung mittels Methoden der Polymerasekettenreaktion (PCR), wie Multiplex-(Identifizierung einer begrenzten Anzahl von Erregern) und Breitband-PCR (Identifizierung aller Erreger), ist eine viel versprechende Alternative und wird gegenwärtig in klinischen Studien untersucht. Empfehlungen für die klinische Praxis können aus den bisherigen Ergebnissen jedoch noch nicht abgeleitet werden, da viele Fragen zur Sensitivität und Spezifität, zeitnahen Verfügbarkeit, Resistenztestung und Kosten noch offen sind [50].

Die Entnahme für Blutkulturen muss nach adäquater Hautdesinfektion über eine periphere Venenpunktion erfolgen. Aufgrund des 2-fach höheren Kontaminationsrisikos sollten sie nur in Ausnahmefällen über einen zentralen Venenkatheter bzw. einen arteriellen Zugang vorgenommen werden. Für die Befüllung der Kulturflasche (mindestens 10 ml) muss eine sterile Nadel benutzt werden. Dabei sollten 2–3 Kulturen (jeweils aerobes und anaerobes Blutkulturpärchen) entnommen werden (Grad B, Ic) [46].

Darüber hinaus werden in der Leitlinie die Diagnostik der ventilatorassoziierten Pneumonie, katheter- und fremdkörperinduzierte Sepsis, chirurgische Infektionen, intraabdominaler Fokus, invasive Candidainfektionen sowie die akute bakterielle Meningitis näher behandelt. Diesbezüglich wird auf die Leitlinie verwiesen [47].

Prävention

Das bisherige Kapitel Prophylaxe wurde in Prävention umbenannt und angesichts der Bedeutung von Präventionsmaßnahmen für die Verhinderung von Krankenhausinfektionen in den Titel der Leitlinie aufgenommen.

Aktuell wird davon ausgegangen, dass in Deutschland jährlich 400.000–600.000 nosokomiale Infektionen (NI) vorkommen, von denen etwa 80.000–180.000 potenziell vermeidbar sind. Nimmt man bei 7500–15.000 Todesfällen wegen NI einen Anteil von 20–30% vermeidbarer Fälle an, könnten zwischen 1500 und 4500 Patienten pro Jahr in Deutschland an einer (potenziell) vermeidbaren NI versterben [21]. Laut auf der Prävalenzstudie des SepNet basierenden Hochrechnungen lag bei 70% (28.875) der verstorbenen Patienten mit einer schweren Sepsis oder einem septischen Schock primär eine NI vor [17]. Man muss davon ausgehen, dass je nach Art der Intensivstation 10–30% aller Patienten eine NI entwickeln [20].

Eine weitere wesentliche Änderung erfolgte bezüglich der Empfehlung hoher Evidenz (Grad A), eine

intensivierte intravenöse Insulintherapie mit dem Ziel der Wiederherstellung einer Normoglykämie [4,4–6,1 mmol/l (80–110 mg/dl)] bei Intensivpatienten außerhalb klinischer Studien

zur Prävention von hospitalassoziierten Infektionen nicht mehr anzuwenden. Diese Änderung wurde aufgrund neuer Evidenz durch zwischenzeitlich publizierte Studien und Metaanalysen vorgenommen, welche keinen Behandlungsvorteil durch eine intensivierte Insulintherapie sahen, sondern vielmehr zeigten, dass die Patienten durch gehäufte Hypoglykämieepisoden gefährdet sind [23].

Tab. 5 SDD- und SOD-Regime. (Nach [33]. Mod. nach [52])a

Aktuelle Leitlinie

Empfehlung

  • Regelmäßige Erfassung und Analyse der Rate an ventilatorassoziierten Pneumonien (VAP) und ZVK-assoziierten (ZVK: zentraler Venenkatheter) Bakteriämien sowie der verursachenden Erreger und deren Resistenzsituation (Grad B, IIc)

  • Einführung von an das Intensivpersonal gerichteten Schulungsprogrammen und Präventionsprotokollen (Grad B, IIc)

  • Etablierung der hygienischen Händedesinfektion nach Empfehlungen der WHO-Kampagne (WHO: Weltgesundheitsorganisation) „clean care is safer care“ (Grad A, Ia)

  • Aseptische Technik bei der Anlage von ZVK und anderen vergleichbaren zentralen intravasalen Kathetern (Grad A, Ib)

  • Unverzügliche Entfernung von intravasalen- und Harnwegskathetern, sofern diese nicht mehr indiziert sind (Grad A, Ic)

  • Möglichst häufige Oberkörperhochlagerung zur Vermeidung einer VAP (ventilatorassoziierte Pneumonie) bei intubierten Patienten – sofern hierfür keine Kontraindikation besteht (Grad B, IIb)

  • Frühe orale bzw. enterale Ernährung bei chirurgischen Patienten mit Operationen am Gastrointestinaltrakt (Grad B, Ia)

  • Perioperativer bzw. postoperativer Einsatz von immunmodulierenden Sondennahrungen (Arginin, ω3-Fettsäuren, Nukleotide) bei elektiven chirurgischen Patienten mit gastrointestinalen Tumoren oder Polytraumapatienten, die enteral ernährt werden können (Grad A, Ia)

  • Durchführung von selektiver Darmdekontamination (SDD) oder selektiver oraler Dekontamination (SOD) bei Patienten mit voraussichtlich längerer Beatmungsdauer (>48 h) unter Führen von Resistenzstatistiken (Grad A, Ia, Tab. 5)

  • Anwendung oraler Antiseptika zur Prophylaxe von Infektionen (Grad A, Ia)

  • Impfung von Patienten mit anatomischer oder funktioneller Asplenie laut aktuellen Empfehlungen (asplenie-net.org/)

Erwägenswert

Erwogen werden können:

  • Einsatz von Endotrachealtuben mit der Möglichkeit zur subglottischen Absaugung (Grad C, IIb)

  • i.v. moderate Insulintherapie zur Senkung erhöhter Glukosespiegel [Schwellenwert von >150 mg/dl (>8,3 mmol/l)] (Grad E, V)

Nichtempfohlene Maßnahmen

Von folgenden Maßnahmen ist abzuraten:

  • routinemäßiger Wechsel von intravasalen und Harnwegskathetern (Grad B, Ib)

  • routinemäßige Anwendung einer intensivierten i.v. Insulintherapie mit dem Ziel der Wiederherstellung einer Normoglykämie [4,4–6,1 mmol/l (80–110 mg/dl)] (Grad A, Ia)

  • präemptive antimykotische Behandlung (Grad E, V)

Kausale Therapie

Fokussanierung

Die vollständige Sanierung der septischen Infektionsquelle ist (Grund-)Voraussetzung für eine erfolgreiche Behandlung der schweren Sepsis und des septischen Schocks. Unzureichende Fokussanierung geht mit einer erhöhten Letalität einher [31]. Entsprechend wurde für verschiedene Krankheitsentitäten gezeigt, dass die Zeitdauer zwischen dem Auftreten der septischen Symptomatik und der Einleitung suffizienter Maßnahmen zur Beherrschung des septischen Fokus maßgeblich das Outcome des Patienten bestimmt [6]. Eine operative Fokussanierung kann durch eine oder mehrere Maßnahmen erfolgen und soll frühzeitig vorgenommen werden (Grad A, Ic).

Antimikrobielle Therapie

„hit early“

Ein wesentlicher Risikofaktor für eine erhöhte Sterblichkeit an Sepsis stellt die initial inadäquate Antibiotikatherapie dar [45]. Daten aus einer Studie von Patienten mit Pseudomonasbakteriämie zeigten, dass knapp 25% initial mit einem nicht gegen Pseudomonas wirksamen Antibiotikum behandelt worden waren. Die Sterblichkeit dieser Patienten war doppelt so hoch wie die der adäquat behandelten Patienten [40].

Adäquate Therapie beinhaltet jedoch nicht nur die Wahl des richtigen Antibiotikums, sondern bezieht sich auch auf die schnellstmögliche Einleitung der Therapie. In ihrer oft zitierten Studie untersuchten Kumar et al. [34] den Einfluss einer verspäteten Initiierung einer antimikrobiellen Behandlung bei 2154 Patienten mit septischem Schock. Die Sterblichkeit nahm mit jeder Stunde einer verspäteten Antibiotikagabe um etwa 7% zu. Sogar innerhalb der ersten „golden hour“ war ein Unterschied nachweisbar: Patienten, welche innerhalb der ersten 30 min behandelt worden waren, überlebten in 82,7%, solche, die erst in den zweiten 30 min der „golden hour“ therapiert worden waren, dagegen nur in 77,2% der Fälle [34]. Diagnostische Maßnahmen dürfen daher bei Patienten mit schweren Infektionen nicht zu einer Verzögerung der Therapieeinleitung führen. Eine weitergehende mikrobiologische Diagnostik – mit Ausnahme der Abnahme von 2 Blutkulturpärchen – ist initial in der Regel nicht möglich. Die antimikrobielle Behandlung sollte nach der Abnahme von Blutkulturen, jedoch frühestmöglich (innerhalb 1 h) nach Diagnosestellung der Sepsis erfolgen (Grad B, Ic).

„hit hard“

Die Notwendigkeit einer schnellen Therapieeinleitung zwingt generell zu einer initial möglichst breiten antibiotischen Therapie, da ein zuverlässiges mikrobiologisches Ergebnis frühestens nach 24–48 h vorliegt. Es wird empfohlen, ein pseudomonaswirksames Antibiotikum anzuwenden [Ureidopenicilline (Piperacillin)] oder Dritt- bzw. Viertgenerationszephalosporine (Ceftazidim oder Cefepim) oder Carbapeneme (Imipenem oder Meropenem) unter Berücksichtigung des individuellen Risikoprofils des Patienten und des lokalen Resistenzmusters einzusetzen (Grad E, V).

Die Überlegenheit einer Kombinationstherapie mit einem Aminoglykosid konnte nicht belegt werden [55], wobei die Datenlage zur Pseudomonassepsis nicht ausreicht und für die Kombination β-Laktam-Antibiotika plus Fluorchinolon außer einer negativen Studie bei VAP-Patienten [26] ebenfalls keine verlässlichen Daten vorliegen. Fluorchinolone sollten aufgrund der steigenden Resistenzlage bei Enterobacteriaceae und Pseudomonas nicht als Monotherapie verwendet werden. Ceftazidim muss mit einer Substanz im grampositiven Wirkungsbereich kombiniert werden. Bei dringendem Verdacht auf oder gesicherter MRSA-Infektion (MRSA: methicillinresistenter Staphylococcus aureus) wird empfohlen, eine MRSA-wirksame Therapie mit Linezoliden bzw. Daptomycin (Letzteres bei schweren Haut-, Weichteilinfektionen bzw. MRSA-Bakteriämie unklarer Genese) einzuleiten (Grad E, V). Eine Glykopeptidmonotherapie bei pulmonalen MRSA-Infektionen wird nicht empfohlen, da Glykopeptide schlecht in das Gewebe penetrieren (Grad C, IIb).

Bei Sepsis infolge einer ambulant erworbenen Pneumonie wird eine Kombination aus β-Laktam-Antibiotika und Makrolid empfohlen (Grad B, Ib).

Es wird nicht empfohlen, Antimykotika bei nichtneutropenischen, nichtimmunsupprimierten Patienten mit schwerer Sepsis oder septischem Schock routinemäßig als kalkulierte Therapie einzusetzen (Grad E, V).

Deeskalation und Therapiedauer

Es wird empfohlen, das gewählte antimikrobielle Regime alle 48–72 h anhand klinischer und mikrobiologischer Kriterien neu zu evaluieren, um das antimikrobielle Spektrum zu verengen und damit das Risiko von Resistenzen , die Toxizität und die Kosten zu verringern. Falls eine Infektion nach klinischen und/oder mikrobiologischen Kriterien nicht bestätigt werden kann, wird empfohlen, die antimikrobielle Behandlung einzustellen (Grad E, V).

Die Dauer der antimikrobiellen Therapie soll sich nach der klinischen Reaktion auszurichten, im Allgemeinen ist eine Therapiedauer länger als 7–10 Tage nicht erforderlich (Grad C, IIb). Um sie zu verkürzen, können PCT-Verlaufsmessungen erwogen werden (Grad C, IIb). Hintergrund hierfür ist, dass in 2 randomisierten Studien nachgewiesen werden konnte, dass die Dauer der Antibiotikatherapie bei Patienten mit schwerer Sepsis durch Verwendung von PCT als Marker im Vergleich zu einer routinemäßigen klinischen Entscheidungsfindung gefahrlos um etwa 3 Tage reduziert werden kann [10, 43, 51].

Supportive Therapie

Hierunter versteht man die elementaren organbezogenen intensivmedizinischen Standardmaßnahmen, bestehend aus Maßnahmen zur hämodynamischen Stabilisierung, Nierenersatzverfahren, Airway-Management und Beatmung.

Hämodynamik

Volumentherapie

Eine wesentliche Änderung im Bereich der supportiven Therapie im Vergleich zur Leitlinie aus dem Jahr 2005 erfolgte bezüglich der Empfehlung hoher Evidenz (Grad A), den Einsatz von HAES-Lösungen (HAES: Hydroxyethylstärke, 200/0,5 und 200/0,62) bei Patienten mit schwerer Sepsis bzw. septischem Schock nicht mehr zu empfehlen (Grad A, Ia). Grund hierfür sind u. a. die Ergebnisse aus der VISEP-Studie (VISEP: Volumen- und Insulintherapie bei schwerer Sepsis und septischem Schock), welche für mit HAES (200/05) behandelte Patienten eine höhere Inzidenz von akutem Nierenversagen und eine Verdopplung der Notwendigkeit eines Nierenersatzverfahrens zeigte [14]. Aufgrund dieser und weiterer Daten [49] sowie fehlender Evidenz für die Sicherheit und Effizienz von HAES-Lösungen bei Patienten mit schwerer Sepsis bzw. septischem Schock wurde weiterhin eine Empfehlung aufgenommen, auch niedermolekulare HAES-Lösungen und andere künstliche kolloidale Lösungen bei diesen Patienten nicht anzuwenden (Grad E, V).

Die Gabe von Humanalbumin 5% wurde entgegen der ursprünglichen Empfehlung der Nichtverwendung dahingehend verändert, den Einsatz dieser Substanz zu erwägen (Grad E, V). Zur hämodynamischen Stabilisierung wird somit primär die Anwendung von kristalloiden Lösungen empfohlen (Grad B, Ib).

Ziel der hämodynamischen Stabilisierung ist das Erreichen eines adäquaten zellulären Sauerstoffangebots unmittelbar nach Diagnosestellung der schweren Sepsis bzw. des septischen Schocks. Der Stellenwert einer frühen Kreislauftherapie konnte eindrucksvoll von Rivers et al. [48] belegt werden. Dabei sollten bei Patienten mit vermuteter Hypovolämie initial 500–1000 ml Kristalloide oder 300–500 ml Kolloide über 30 min verabreicht werden. In der Regel ist der Volumenbedarf von Patienten mit schwerer Sepsis oder septischem Schock initial jedoch erheblich höher. Eine Wiederholung der Volumengabe richtet sich nach Wirkung [Anstieg von Blutdruck, Diurese, SzvO2 (zentralvenöse Sauerstoffsättigung)] und Toleranz (Hinweis auf intravasale Hypervolämie) (Grad A, Ic).

Zur frühen hämodynamischen Stabilisierung wird ein Bündel von hämodynamischen Zielkriterien empfohlen (Grad C, IIc):

  • ZVD (zentralvenöser Druck) ≥8 bzw. ≥12 mmHg unter mechanischer Beatmung

  • MAP („mean aortic pressure“) ≥65 mmHg

  • Diurese ≥0,5 ml/kg/h

  • SzvO2≥70%

  • Laktat ≤1,5 mmol/l bzw. Abfall desselben

Eine Reihe von aktuellen Studien ergab, dass ein konsequentes Umsetzen der Maßnahmen zur Erreichung dieser Zielkriterien mit einer geringeren Sepsissterblichkeit einhergeht [42, 49]. Über den Stellenwert der einzelnen Maßnahmen des Bündels kann jedoch keine Aussage getroffen werden.

Therapie mit Vasopressoren und Inotropika

Besteht trotz Volumentherapie weiterhin ein eingeschränktes Herzzeitvolumen, empfehlen die Leitlinien Dobutamin als Katecholamin der ersten Wahl (Grad E, V), bei fehlender Besserung der linksventrikulären Pumpfunktion kann eine Therapie mit Adrenalin, Phosphodiesterasehemmern oder Levosimendan erwogen werden (Grad E, V). Hierbei ist jedoch zu beachten, dass Phosphodiesterasehemmer und Levosimendan die im septischen Schock typische arterielle Vasodilatation noch verstärken und den Vasopressorbedarf erheblich steigern können.

Eine prinzipielle Anhebung des Herzzeitvolumens auf prädefinierte supranormale Zielgrößen (Konzept der supramaximalen Sauerstoffversorgung) kann nicht empfohlen werden (Grad C, IIb).

Reicht die Volumentherapie nicht aus, einen adäquaten arteriellen Mitteldruck (>65 mmHg) zu erzielen bzw. die Organperfusion aufrechtzuerhalten, wird empfohlen, vasopressorische Katecholamine anzuwenden (Grad B, Ic), wobei die jetzige Datenlage eine eindeutige Empfehlung eines bestimmten Vasopressors nicht erlaubt. Die Leitlinien empfehlen den Einsatz von Noradrenalin als Substanz der ersten Wahl (Grad E, IIb). Im klinischen Alltag kann jedoch eine Vasopressortherapie auch bei lebensbedrohlicher Hypotension kurzfristig auch notwendig sein, wenn die Volumentherapie noch nicht ausgeschöpft ist. Für Adrenalin gibt es Hinweise für negative Auswirkungen auf die gastrointestinale Perfusion. Eine Kombination von Adrenalin und Dobutamin ist ebenso wie eine routinemäßige Anwendung von Vasopressin nicht zu empfehlen (Grad E, V).

Der Einsatz von niedrigdosiertem Dopamin (5 μg/kg/min) zur Nephroprotektion kann ebenfalls nicht empfohlen werden, da weder positive Effekte auf die Nierenfunktion noch auf das Überleben von Intensivpatienten nachgewiesen werden konnten und Dopamin unerwünschte endokrinologische und immunologische Nebenwirkungen hat (Grad A, Ia) [36].

Nierenersatzverfahren

Der Eintritt eines akuten Nierenversagens (ANV) bei Patienten mit schwerer Sepsis und septischem Schock ist ein unabhängiger Risikofaktor für die Letalität dieser Patienten [44]. Eine Optimierung der systemischen Hämodynamik ist die wichtigste Maßnahme, um die Entwicklung und Progression eines ANV günstig zu beeinflussen. Dabei ist zu beachten, dass die Gabe von Diuretika zu keiner Verbesserung der Nierenfunktion führt, auch gibt es keine Evidenz, dass sie das Outcome eines ANV günstig beeinflussen. Eine Diuretikagabe kann erwogen werden, um die Reaktion der Niere nach adäquater Volumentherapie zu testen oder um bei erhaltener Diurese das Volumenmanagement zu erleichtern (Grad E, V).

Art

Bei nicht ausreichender Diurese oder Beginn eines Nierenersatzes sollte die Diuretikabehandlung beendet werden, um Nebenwirkungen wie Ototoxizität zu vermeiden (Grad E, V).

Bei Patienten mit ANV im Rahmen einer schweren Sepsis oder eines septischen Schocks ist ein kontinuierliches, konvektives venovenöses Nierenersatzverfahren (CVVH: „continous venovenous hemofiltration“) einem intermittierenden diffusiven Verfahren (intermittierende Hämodialyse: IHD) als gleichwertig zu empfehlen (Grad B, Ib) [56]. Grundlage hierfür ist, dass in 2 Metaanalysen unter Berücksichtigung zahlreicher nichtrandomisierter Studien an kleinen Patientenzahlen kein signifikanter Unterschied bezüglich der Letalität von Patienten, die mit kontinuierlichen vs. intermittierenden Nierenersatzverfahren behandelt wurden, nachgewiesen wurde [30, 54]. Die neueste und größte prospektive, randomisierte Studien zu diesem Thema schloss 360 Patienten mit ANV und Multiorganversagen ein, davon hatten 69% in der IHD-Gruppe und 56% in der CVVH Gruppe eine Sepsis als Ursache für das ANV. Ein Unterschied hinsichtlich der Letalität fand sich zwischen den beiden Gruppen nicht [56].

Bezüglich der hämodynamischen Toleranz der einzelnen Nierenersatzverfahren gibt es derzeit keine eindeutigen Hinweise, welche eine Überlegenheit kontinuierlicher Verfahren belegen. Bei hämodynamisch instabilen Patienten wird jedoch eine CVVH empfohlen, da dieses Verfahren im Vergleich zu einer konventionellen IHD besser verträglich ist und die Flüssigkeitsbilanzierung erleichtert (Grad C, IIb), auch wenn in den Studien keine Verbesserung der Organperfusion [28] oder ein Überlebensvorteil [39] aufgezeigt werden konnten. Durch Modifikation einer IHD (z. B. längere Dialysezeiten, gekühltes Dialysat, reduzierter Blut- und Dialysatfluss) kann eine einer CVVH gleichwertige hämodynamische Stabilität erreicht werden (Grad B, Ib).

Indikation und Dosis

Zur Frage eines frühen oder späten Beginns eines Nierenersatzverfahrens kann aufgrund wenig robuster Daten keine klare Empfehlung gegeben werden. Diesbezüglich muss oft individuell entschieden werden. Um metabolische Entgleisungen und urämische Komplikationen zu vermeiden, sollte bei schwerstkranken Patienten mit einem sich rasch entwickelnden ANV und persistierender Oligurie (<500 ml/pro 24 h über 6–24 h trotz Therapie) der Beginn eines Nierenersatzverfahrens nicht verzögert werden (Grad E, V). Bei kritisch kranken Patienten mit ANV wird eine ausreichend hohe Dosis eines Nierenersatzverfahrens [CVVH oder CVVHDF („continous venovenous hemodiafiltration“): mindestens >20 ml/kg/h Ultrafiltrationsrate; IHD: mindestens 3-mal/proWoche; Kt/Vurea=1,2–1,4 (Kt/Vurea: „urea clearance index“)] empfohlen. Eine Intensivierung der Dosis (CVVHDF 35 ml/kg/h, IHD täglich) ist nach aktuellen Studien nicht mit einer Reduktion der Sterblichkeit dieser Patienten verbunden (Grad B, Ib).

Mediatorenelimination

Neuere extrakorporale Verfahren mit dem Ziel einer gesteigerten Elimination von Entzündungsmediatoren, wie „high volume“- (HVHF) oder „high cut-off“-Hämofiltration oder adsorptive Verfahren (z. B. Endotoxinadsorption, Immunadsorption), sind zwar prinzipiell geeignet, die Plasmakonzentrationen bestimmter Mediatoren zu beeinflussen, Nutzen und Gefahren dieser Methoden für den septischen Patienten müssen jedoch zuerst in randomisierten Outcome-Studien überprüft werden. Außerhalb von Studien kann der Einsatz dieser Verfahren zur Therapie der schweren Sepsis bzw. des septischen Schocks derzeit jedoch nicht empfohlen werden.

Konventionelle Nierenersatzverfahren (CVVH und IHD) hingegen sind nicht geeignet die Plasmakonzentrationen von Entzündungsmediatoren bei Patienten mit schwerer Sepsis bzw. septischem Schock signifikant zu beeinflussen. Über eine renale Indikation hinaus kann ihr Einsatz daher nicht empfohlen werden (Grad C, IIb).

Airway-Management und Beatmung

In etwa 25–42% der Fälle tritt bei Patienten mit schwerer Sepsis oder septischem Schock ein akutes Lungenversagen auf (Tab. 6). Die Entscheidung zur Intubation und mechanischen Beatmung sollte daher frühzeitig und großzügig gefällt werden (Grad E, V). Zu den Indikationen gehören schwere Tachypnoe (Atemfrequenz >35), muskuläre Erschöpfung (Einsatz der Atemhilfsmuskulatur), eingeschränkte Vigilanz und ein Sauerstoffsättigungsabfall ≤90% trotz Sauerstoffinsufflation (Grad B, Ic). Bei allen beatmeten Patienten sollte das Standardkörpergewicht (Tab. 7) routinemäßig bestimmt werden, und es wird empfohlen, Patienten mit schwerer Sepsis oder septischem Schock und ALI/ARDS („acute lung injury“/“adult respiratory distress syndrome“) mit einem niedrigen Atemzugvolumen (von 6 ml/kg Standardkörpergewicht) und einem Plateaudruck von <30 cmH2O zu beatmen (Tab. 6) (Grad A, 1b). Außerdem sollte eine mechanische Beatmung immer mit positiv endexspiratorischen Drücken (PEEP) durchgeführt werden (Grad B, Ic). Über deren Höhe kann zurzeit keine Empfehlung gegeben werden, die in Tab. 7 genannten Werte gelten als Orientierung. Bei Patienten, die bei niedrigen Tidalvolumina hohe pCO2-Werte (Kohlensäurepartialdruck) aufweisen, kann eine Hyperkapnie toleriert werden, jedoch ist ab einem pH-Wert von 7,2 eine Pufferung erforderlich (Grad D, IIIb) [37]. Bei Patienten mit erhöhtem intrakraniellem Druck besteht eine relative Kontraindikation für eine permissive Hyperkapnie, und es wird empfohlen, eine Behandlung nur unter Kontrolle des intrakraniellen Drucks und Abwägen der Risiken durchzuführen (Grad E, V).

Eine Bauchlagerung bzw. 135°-Seitenlage können bei schweren Oxygenierungsstörungen [paO2/FiO2≤88 mmHg (F i O 2 Fraktion des inhalierten Sauerstoffs, p a O 2 arterieller Sauerstoffpartialdruck)] die Sauerstoffsättigung signifikant verbessern und werden empfohlen (Grad C, IIb). Allerdings konnte ein Überlebensvorteil von Patienten nur bei schwerem ARDS nachgewiesen werden [22, 24].

Eine routinemäßige Therapie mit inhalativem Stickstoffmonoxid (NO) kann nicht empfohlen werden (Grad A, Ib). Darüber hinaus wird in den Leitlinien die Notwendigkeit der zeitgerechten Extubation Rechnung getragen. So wird empfohlen, alle Patienten, die hämodynamisch stabil, ansprechbar und ausreichend oxygeniert sind, 1-mal pro Tag einem Spontanatmungsversuch zu unterziehen, um die Möglichkeit einer Extubation zu überprüfen (Abb. 1) (Grad A, Ib).

Tab. 6 Definition von ALI und ARDS
Tab. 7 Beatmungsmanagement von Patienten mit ALI/ARDS gemäß ARDSNET. (Nach [2], mod. nach [15])
Abb. 1
figure 1

Beispiel eines Weaning-Schemas nach Kuhlen, SAT Spontanatmungstest. (Mod. nach [16, 18])

Adjunktive Therapie

Hierunter werden die potenziell zusätzlichen therapeutischen Ansätze, gemeinsam mit und zusätzlich zur kausalen und supportiven Therapie, bei der Versorgung von Patienten mit schwerer Sepsis oder septischem Schock verstanden. Auf die wichtigsten dieser evidenzbasierten adjunktiven Therapiemaßnahmen wird im Folgenden eingegangen.

Glukokortikoide

Die bisherige Empfehlung zur Gabe von Hydrokortison beruhte im Wesentlichen auf den Ergebnissen einer randomisierten, multizentrischen, placebokontrollierten Studie, in der Hydrokortison in einer Dosierung von 50 mg i.v. 6-stündlich plus Fludrokortison 50 mg p.o. 24-stündlich oder Placebo über 7 Tage verabreicht wurden. Es wurde über eine Reduktion der 28-Tage-Letalität von 63% auf 53% bei Non-Respondern auf einen zuvor durchgeführten ACTH-Test (ACTH: adrenokortikotropes Hormon) berichtet, welche allerdings erst nach einer komplexen Cox-Adjustierung um 6 Variablen nachweisbar war (p=0,04) [5]. In einer aktuellen europäischen multizentrischen Studie (CORTICUS: „corticosteroid therapy of septic shock“) auf der Basis von 499 Patienten wurde dagegen weder ein Effekt von Hydrokortison auf die 28-Tage-Letalität (39,2% vs. 36,1%) bei Non-Respondern noch im Gesamtkollektiv gefunden, gleichzeitig aber eine erhöhte Rate von Superinfektionen sowie Hyperglykämien und -natriämien beobachtet [53].

Aufgrund der veränderten Datenlage wird eine Behandlung sowohl mit hochdosierten Glukokortikoiden (Grad A, Ib) als auch mit niedrigdosiertem i.v. verabreichtem Hydrokortison in einer Dosierung von 200–300 mg/Tag von Patienten mit septischem Schock nicht mehr empfohlen (Grad B, Ib). Bei Patienten mit therapiefraktärem septischem Schock, die trotz Volumentherapie und Vasopressorentherapie in hoher Dosis nicht zu stabilisieren sind, kann der Einsatz von niedrigdosiertem Hydrokortison in einer Dosierung von 200–300 mg/Tag als Ultima Ratio erwogen werden (Grad E, V). Die Verabreichung ist als Bolus 3- bis 4-mal täglich oder als Dauerinfusion möglich, wobei eine kontinuierliche Infusion bevorzugt werden sollte (z. B. Vermeidung von Hyperglykämien). Es wird eine ausschleichende Beendigung der Hydrokortisonbehandlung nach klinischem Ermessen empfohlen, da hämodynamische und immunologische Rebound-Phänomene beschrieben wurden [29].

Intensivierte Insulintherapie (IIT)

Nach der anfänglichen Euphorie zum Stellenwert einer IIT bei nichtdiabetischen Intensivpatienten Anfang der ersten Dekade dieses Jahrhunderts kam es in den vergangenen Jahren zu einer Ernüchterung und Reevaluierung des Konzepts. So konnten in der multizentrischen randomisierten VISEP-Studie günstige Effekte einer IIT weder hinsichtlich der Morbidität noch der Letalität von Patienten mit schwerer Sepsis bzw. septischem Schock aufgezeigt werden. Dagegen war die Rate an schweren Hypoglykämien unter dieser Behandlung um den Faktor 6 erhöht [14]. Weitere randomisierte, kontrollierte Studien und auch Metaanalysen kamen zu demselben Schluss, folglich wird eine IIT zur Senkung erhöhter Glukosespiegel [Schwellenwert von >110 mg/dl (>6,1 mmol/l)] bei Patienten mit schwerer Sepsis oder septischem Schock nicht mehr empfohlen (Grad B, Ib).

Bei erhöhten Blutzuckerwerten sollten zunächst die parenteral zugeführte Glukosemenge evtl. reduziert und die Indikation einer evtl. bestehenden Medikation mit Glukokortikoiden überprüft werden. Bei weiterhin erhöhtem Glukosespiegel [Schwellenwert von >150 mg/dl (>8,3 mmol/l)] kann eine i.v. Insulintherapie zur Blutzuckersenkung bei Patienten mit schwerer Sepsis oder septischem Schock erwogen werden (Grad E, V). Zu beachten ist jedoch, dass die Messung der Glukosekonzentration im Vollblut u. a. wegen ihrer Abhängigkeit vom aktuellen Hämatokrit zu den komplexesten Laborbestimmungen bei intensivmedizinischen Patienten gehört [12]. Aufgrund der mangelnden Präzision (Variationskoeffizient bis >20%) und geringen Sensitivität im hypoglykämischen Messbereich der gegenwärtig verfügbaren Messgeräte zur Bestimmung der Glukosekonzentration im Vollblut sollten nur solche Geräte zur Anwendung kommen, welche die sichere und frühzeitige Detektion einer Hypoglykämie gewährleisten. Ob eine moderatere Einstellung der Blutglukose vorteilhaft ist, ist derzeit nicht bekannt. Eine engmaschige initial (1- bis 2-stündliche) bettseitige Kontrolle der Blutglukose ist jedoch auch hier zwingend erforderlich.

Rekombinantes aktiviertes Protein C (rhAPC)

Aufgrund der gegenwärtigen Datenlage, die sich v. a. auf 2 kontrollierte randomisierte Studien [PROWESS („recombinant human activated protein C worldwide evaluation in severe sepsis“) [9] und ADRESS („administration of drotrecogin alfa (activated) in early stage severe sepsis“) [1]] stützt, wird in den aktuellen Leitlinien in Einklang mit den Empfehlungen der Zulassungsbehörden der Einsatz von rhAPC für Patienten mit schwerer Sepsis bzw. septischem Schock und hohem Sterberisiko empfohlen, welche keine Kontraindikationen aufweisen (Grad C, Ic). Bei Patienten mit schwerer Sepsis und niedrigem Sterberisiko wird er nicht empfohlen, in der Regel handelt es sich hierbei um Patienten mit einem APACHE-II-Score (APACHE: „acute physiology and chronic health“) <25 Punkten bei der Aufnahme oder mit Versagen eines einzigen Organsystems (Grad A, Ia). Entgegen ursprünglicher Annahmen ist durch die gleichzeitige Gabe von Heparin das Blutungsrisiko nicht erhöht, und ein Aussetzen einer Heparinbehandlung zur Thromboseprophylaxe unter einer Therapie mit rhAPC wird nicht empfohlen (Grad B, Ib) [35].

Antithrombin (III)

Eine hochdosierte Therapie mit Antithrombin führte in einer Phase-III-Studie nicht zu einer Senkung der 28-Tage-Letalität bei Patienten mit schwerer Sepsis oder septischem Schock [57]. Möglicherweise wird diese fehlende Wirksamkeit durch eine Begleitbehandlung mit Heparin verursacht. Unter Antithrombin ist das Blutungsrisiko erhöht.

Eine Behandlung mit Antithrombin wird nicht empfohlen (Grad B, Ib).

Immunglobuline

In eine Metaanalyse [32] wurden 27 Studien mit i.v. Immunglobulinen einbezogen. Sie ist die einzige, in der die Studien getrennt für Erwachsene und Neugeborene ausgewertet und zusätzlich Untergruppen für Studien mit IgM-angereicherten (Ig: Immunglobulin) Immunglobulinen (ivIgGAM) und reinen IgG (ivIgG) gebildet wurden. Bei den Erwachsenen ergaben 8 Studien, die mit ivIgGAM an 560 Patienten durchgeführt worden waren, ein gepooltes relatives Sterberisiko von 0,64 [95%-CI (95%-Konfidenzintervall) 0,54–0,84]. Dagegen betrug der gepoolte Effekt von 7 Studien, die mit ivIgG an 932 Patienten durchgeführt worden waren, 0,85 (95%-CI 0,73–0,99).

Laut aktuellen Leitlinien kann der Einsatz von ivIgGAM in der Behandlung von erwachsenen Patienten mit schwerer Sepsis oder septischem Schock erwogen werden (Grad C, Ia). Aufgrund der Ergebnisse der Metaanalyse und der SBITS-Studie (SBITS: „score-based immunoglobulin therapy of sepsis“, [58]) wird der Einsatz von ivIgG in diesen Fällen hingegen nicht empfohlen (Grad B, Ia).

Selen

Zu seiner Gabe (allein oder in Kombination mit anderen Antioxidanzien) liegen 10 Studien mit kleiner Fallzahl und unterschiedlichen Indikationen vor. Eine Metaanalyse, die 9 dieser Studien beinhaltete, zeigte einen signifikanten Letalitätsunterschied zugunsten von Selen [25]. Ein solcher konnte jedoch in einer kürzlich veröffentlichten randomisierten Studie mit kleiner Fallzahl und hoher initialer Selengabe nicht aufgezeigt werden [19]. Der Einsatz von Selen in der Behandlung von Patienten mit schwerer Sepsis oder septischem Schock kann erwogen werden (Grad C, Ia).

Ernährung

Für alle Patienten, die voraussichtlich nicht innerhalb von 3 Tagen vollständig mit normaler Kost ernährt werden können, wird eine künstliche Nutrition empfohlen. Dies gilt besonders bei Vorliegen eines reduzierten Ernährungsstatus (Grad E, V). Grundsätzlich gilt, dass die enterale Ernährung die bevorzugte Form der Nutrition bei kritisch Kranken darstellt. Eine parenterale Ernährung sollte nicht durchgeführt werden, wenn eine ausreichende orale und/oder enterale Ernährung möglich ist (Grad E, V).

Derzeit gibt es keine Studien, in welchen spezifisch die Frage enterale vs. parenterale Substratzufuhr bei Patienten mit schwerer Sepsis oder septischem Schock untersucht wurde. Es wird jedoch nicht empfohlen, Patienten ohne Zeichen der Mangelernährung, die voraussichtlich weniger als 5 Tage nicht ausreichend enteral ernährt werden können, vollständig parenteral zu versorgen. Bei Patienten, welche wahrscheinlich auch nach einem Zeitraum von 5–7 Tagen nicht ausreichend oral oder enteral ernährt werden können, wird von Anbeginn der Intensivtherapie eine parenterale Nutrition empfohlen (Grad B, Ic). Es wird empfohlen, eine kombinierte enterale/parenterale Ernährung immer dann durchzuführen, wenn eine künstliche Nahrungszufuhr indiziert ist und der Kalorienbedarf durch eingeschränkte enterale Toleranz bei bestehender Substratutilisation nicht ausreichend gedeckt werden kann. Dies gilt besonders, wenn die Kalorienzufuhr unter 60% des errechneten Bedarfs beträgt und ein zentralvenöser Zugang bereits vorhanden ist (Grad E, V).

Bei Patienten mit einer schweren Sepsis bzw. septischem Schock wird empfohlen, 30–50% der Nichtproteinkalorien in Form von Fett zu verabreichen (Grad E, V). Es wird nicht empfohlen, Lipidemulsionen mit ausschließlich langkettigen Triglyzeriden (LCT) einzusetzen (Grad E, V). Bei einer parenteralen Ernährung unbestimmter Dauer wird empfohlen, unmittelbar mit der täglichen Substitution von Vitaminen und Spurenelementen mit einem Standardsupplement zu beginnen (Grad E, V).

Immunonutrition

Sie beinhaltet die enterale oder parenterale Zufuhr von immunmodulierenden Substanzen (Arginin, Glutamin, Nukleotide, ω3-Fettsäuren). Für Patienten mit schwerer Sepsis oder septischem Schock ist der Einsatz von immunnutritiven Formeln mit einem erhöhten Letalitätsrisiko assoziiert und kann daher nicht empfohlen werden. (Grad B, Ib) Eine kontinuierliche enterale Ernährung mit ω3-Fettsäuren in Kombination mit Antioxidanzien kann erwogen werden (Grad C, Ib). Es wird empfohlen, kritisch Kranken, welche ausschließlich parenteral ernährt werden, zusätzlich zur parenteralen Aminosäurenzufuhr parenteral Glutamindipeptid zuzuführen (Grad E, V). Eine enterale Supplementierung mit Glutamin wird bei septischen Patienten nicht empfohlen (Grad E, V).

Nachsorge

Neben den im Rahmen validierter Testinstrumente [z. B. SF-36 („36 item short form health survey“)] erfassten Einschränkungen der gesundheitsbezogenen Lebensqualität leiden eine Vielzahl von ehemaligen Sepsispatienten unter funktionellen Einschränkungen, die unter den Begriffen „critical illness polyneuropathy“ (CIP) bzw. „critical illness myopathy“ (CIM) seit mehr als 2 Jahrzehnten bekannt sind.

Mehr als 70% der Patienten mit septischem Schock und mehr als 60% der mechanisch beatmeten Patienten sowie der Patienten mit einer schweren Sepsis zeigen signifikante elektrophysiologische Veränderungen bereits 3 Tage nach der Aufnahme auf die Intensivstation. Assoziationen mit myopathischen oder neuropathischen Veränderungen zeigen neben der Sepsis und der Beatmung auch das Multiorganversagen, ARDS, systemische Inflammation, Kortikosteroide, Störungen des Glukosemetabolismus und die Liegedauer auf der Intensivstation. In der Summe werden bei Patienten mit CIP/CIM häufiger Schwierigkeiten bei der Entwöhnung vom Ventilator („weaning failure“) und prolongierte Phasen der posthospitalen Rehabilitation beobachtet. Zunehmend in den Blickpunkt geraten im Zusammenhang der perihospitalen funktionellen Entwicklung auch das Delirium während der Intensivtherapie sowie anhaltende neurokognitive Einschränkungen, posttraumatischer Distress (PTSD) und Depressionen. Der Grad der durch eine Sepsis resultierenden Funktionsdefizite und somit die tatsächliche Lebensqualität der Betroffenen kann durch eine geeignete Rehabilitationsmaßnahme durchaus beeinflussbar sein. Allerdings gibt es bis heute weder therapeutische Rehabilitationsstandards noch auf diese Patienten ausgerichtete Rehabilitationseinrichtungen, da die Langzeitfolgen einer Sepsis nach intensivtherapeutischer Behandlung den nachbehandelnden Ärzten in der Regel wenig bekannt sind. Aufgrund dessen wird empfohlen, typische Sepsisfolgen – sofern möglich – bereits im akutmedizinischen Bereich zu erfassen und die nachbehandelnden Ärzte im Postakut- und ambulanten Bereich über diesbezüglich bestehende bzw. potenziell im Langzeitverlauf auftretende Funktionsdefizite hinzuweisen (Grad E, V).

CME-Fragebogen

Wie hoch ist die Prävalenz der schweren Sepsis und des septischen Schock auf deutschen Intensivstationen?

1%

11%

21%

31%

41%

Wie hoch ist die 90-Tage-Sterblichkeit der schweren Sepsis und des septischen Schock in deutschen Krankenhäusern?

15%

25%

45%

54%

75%

Welche Aussage zur Definition eines septischen Schock trifft zu?

Die Diagnose kann unabhängig vom Vorliegen der SIRS-Kriterien (SIRS: „systemic inflammatory host response“) erfolgen.

Es muss ein mikrobiologisch gesicherter Infektionsnachweis vorhanden sein.

Die Hypotonie besteht trotz adäquater Volumengabe und ist nicht durch andere Ursachen zu erklären.

Zur Diagnose muss die Laktatkonzentration >1,5-fach oberhalb des lokal üblichen Referenzbereichs liegen.

Anstieg des Prokalzitonins auf 10ng/ml.

Wie hoch sollte bei Anwendung einer CVVH (kontinuierliche venovenöse Hämofiltration) bei kritisch kranken Patienten mit ANV (akute Nierenversagen) die Ultrafiltrationsrate mindestens sein?

>20 ml/kg/h

>35 ml/kg/h

>40 ml/kg/h

>45 ml/kg/h

>50 ml/kg/h

Welche Maßnahme gehört nicht zur empfohlenen Prävention von „device“ assoziierten Infektionen?

Schulung des Personals.

Die unverzügliche Entfernung von intravasalen und Harnwegskathetern, sofern diese nicht mehr indiziert sind.

Routinemäßiger Wechsel von intravasalen und Harnwegskathetern, um eine Kolonisation bzw. Infektion zu verhindern.

Aseptische Technik bei der Anlage von zentralen Venenkathetern.

45° Oberkörperhochlagerung bei intubierten Patienten – sofern hierfür keine Kontraindikation besteht.

Welche Aussage zu frühzeitigen Maßnahmen bei der Behandlung von Patienten mit einem septischen Schock trifft zu?

Abnahme von mindestens 2 Pärchen Blutkulturen vor Einleitung einer antimikrobiellen Therapie.

Einsatz von niedrigdosiertem i.v. verabreichtem Hydrokortison.

Es wird routinemäßig eine kalkulierte antibiotische Kombinationstherapie mit Glykopeptiden empfohlen.

Eine intensivierte Insulintherapie mit dem Ziel der Wiederherstellung einer Normoglykämie (80–110 mg/dl/4,4–6,1 mmol/l) wird empfohlen.

Aufgrund der besseren kolloidosmotischen Wirkung wird bei Patienten mit einem septischen Schock der Einsatz von HAES-Lösungen (HAES: Hydroxyethylstärke, 200/0,5 und 200/0,62) zur Kreislaufstabilisierung empfohlen.

Zur frühen hämodynamischen Stabilisierung wird ein Bündel von Zielkriterien empfohlen. Welches Kriterium trifft nicht zu?

ZVD (zentralvenöser Druck) ≥8 bzw. ≥12 mmHg unter mechanischer Beatmung

MAP („mean aortic pressure“)≥65 mmHg

Hämatokrit >35%

Laktat ≤1,5 mmol/l bzw. Abfall des Laktats

Diurese ≥0,5 ml/kg/h

Ein 65-jähriger Patient wird aufgrund zunehmender Allgemeinzustandsverschlechterung in die Klinik eingewiesen. Welches Symptom/Befund spielt bei der Diagnose eines septischen Schocks anhand der aktuell gültigen Definition keine Rolle?

Tachypnoe von 26/min

Leukozyten 16.000/mm3

Thrombozyten 75.000/mm3

Noradrenalineinsatz, um den arteriellen Mitteldruck ≥65 mmHg zu halten, trotz adäquater Volumengabe

Körpertemperatur (rektal) 39°C

Welche Aussage trifft zur supportiven Therapie des septischen Schock zu?

Der Einsatz von niedrigdosiertem Dopamin (5 μg/kg/min) wird zur Nephroprotektion empfohlen.

Die routinemäßige Anwendung von Vasopressin wird zur Kreislaufstabilisierung empfohlen.

Albumin ist zur Volumensubstitution bei Patienten mit Hypovolämie und septischem Schock aufgrund des besseren onkotischen Verhältnisses Mittel der ersten Wahl.

HAES-Lösungen (130/0,4) werden zur hämodynamischen Stabilisierung empfohlen.

Die Leitlinien empfehlen den Einsatz von Noradrenalin als Vasopressor der ersten Wahl.

Welche Aussage zur supportiven Therapie des septischen Schocks trifft zu?

Der Einsatz von Diuretika kann das Outcome eines ANV günstig beeinflussen und wird zur Erhaltung der Nierenfunktion empfohlen

Ein kontinuierliches, konvektives venovenöses Nierenersatzverfahren (CVVH) ist einem intermittierenden diffusiven Verfahren (IHD) vorzuziehen.

Mit dem Beginn eines Nierenersatzverfahrens kann bis zum Auftreten von urämischen Symptomen gewartet werden.

Konventionelle Nierenersatzverfahren (CVVH und IHD) sind geeignet, die Plasmakonzentrationen von Entzündungsmediatoren bei Patienten mit schwerer Sepsis bzw. septischem Schock signifikant zu beeinflussen und somit das Outcome der Patienten zu verbessern.

Bei hämodynamisch instabilen Patienten wird eine CVVH empfohlen, da dieses Verfahren Vergleich zu einer konventionellen IHD besser verträglich ist.