Hintergrund

Das Tragen von Kontaktlinsen ist vor allem in den westlichen Industrieländern verbreitet. Statistischen Erhebungen des Instituts für Demoskopie Allensbach zufolge verwenden in Deutschland 5% der Erwachsenen, d. h. also etwa 3,2 Mio. Menschen, regelmäßig oder gelegentlich Kontaktlinsen.

Symptome des trockenen Auges treten bei etwa 50% der Kontaktlinsenträger auf [2]. Die typischen Beschwerden sind der Hauptgrund für Kontaktlinsenunverträglichkeiten, die langfristig häufig zum Ausstieg aus der Kontaktlinsenanwendung führen [17]. Die Wahrscheinlichkeit, dass bei einem Kontaktlinsenträger die Symptome des trockenen Auges auftreten, ist 12-mal höher als bei Personen, die keine Kontaktlinsen tragen [14].

Zahlreiche Studien wurden bisher bereits veröffentlicht [7, 15, 18, 19], die sich mit den Ursachen für diese Beschwerden beschäftigten und die Besonderheiten des trockenen Auges bei Kontaktlinsenträgern unterstreichen. Im Gegensatz zu den aus der augenärztlichen Praxis bekannten altersassoziierten Siccabeschwerden sind die Kontaktlinsenträger mit trockenem Auge wesentlich jünger, zeigen keine Geschlechterpräferenz und beklagen ihre Beschwerden fast ausschließlich nach (längerem) Kontaktlinsentragen.

Eine bisher vermutete Hauptursache ist u. a. die Dehydratisierung der Augenoberfläche durch hydrophile Kontaktlinsenmaterialien, die bisher v. a. durch die Anwendung von wässrigen Tränenersatzmitteln behandelt wurden.

Aber die klinischen Erfahrungen zeigen, dass diese Therapieansätze die Beschwerden oftmals nur kurzfristig mindern können. So berichten Golding et al. [10], dass die Verbesserung der Tränenfilmaufreißzeit („non invasive tear break up time“, NIBUT) nach der Verwendung verschiedener Tränenersatzmittel bei Kontaktlinsenträgern weniger als 5 min anhält.

Die Meibom-Drüsendysfunktion und in Folge die Blepharitis gelten grundsätzlich als eine der Hauptursachen des trockenen Auges [22]. Da bei Kontaktlinsenträgern gehäuft morphologische Veränderungen der Meibom-Drüsen nachgewiesen wurden, spielt die MGD auch bei den kontaktlinsenassoziierten Siccabeschwerden eine wesentliche Rolle und stellt einen der häufigsten Gründe für die Unverträglichkeit von Kontaktlinsen dar [16].

Die Rolle der Meibom-Drüsenfunktion wurde in den letzten Jahren zunehmend besser erkannt und herausgestellt. Der internationale Dry Eye WorkShop (DEWS) zählt das Tragen von Kontaktlinsen als eine wichtige Ursache der evaporativen Form des trockenen Auges auf. Eine kontaktlinsenassoziierte Meibom-Drüsendysfunktion mit Blepharitis resultiert infolge verminderter Lipidausschüttung aus den Meibom-Drüsen in einem insuffizienten Verdunstungsschutz, der konsekutiv zu einem hyperevaporativen trockenen Auge mit hyperosmolarem Tränenfilm führt [1].

In der Literatur und der augenärztlichen Praxis wird zur Behandlung der Blepharitis häufig die Lidrandhygiene unter Verwendung milder seifiger Reinigungslösungen (insbesondere Babyshampoo) empfohlen [20]. Auf der anderen Seite stehen in Deutschland Pflegemittel zur Verfügung, die speziell für die Lidrandreinigung entwickelt wurden. Insbesondere solche Reinigungsmittel, die neben der Reinigung des Lidrands auch die direkte Substitution vermindert ausgeschütteter Lipide ermöglichen, versprechen innerhalb kurzer Zeit Beschwerdelinderung und führen somit zu einem positiven Lerneffekt beim Anwender mit dem Anreiz, die begonnene Therapie langfristig fortzusetzen.

Mit der hier vorgelegten Studie sollen nun beide Therapieoptionen – handelsübliches Babyshampoo und liposomale Lidrandreinigungslösung – direkt miteinander verglichen werden, um evidenzbasierte Therapieempfehlungen für Kontaktlinsenträger mit Beschwerden des trockenen Auges und assoziierter Blepharitis zu ermöglichen.

Methoden

Es handelt sich bei der vorgelegten Untersuchung um eine prospektive, randomisierte bizentrische Beobachtungsstudie, die sich über einen Studienzeitraum von 4 Wochen erstreckteFootnote 1.

Die Patientenrekrutierung erfolgte in den beiden Studienzentren, d. h. in einer Universitätsklinik und einer städtischen Augenarztpraxis, zwischen Mai und Dezember 2010.

Eingeschlossen wurden sowohl Weichlinsen- als auch Hartlinsenträger mit anteriorer und/oder posteriorer Blepharitis, die zu Studienbeginn über Symptome des trockenen Auges klagten. Die subjektive Art, Ausprägung und Häufigkeit der Beschwerden und Symptome des trockenen Auges wurden zu Studienbeginn und nach 4 Wochen zum Studienende mittels eines standardisierten Patientenfragebogens erfasst.

Als Reinigungslösung wurde entweder die Phospholipidlösung Blepha Cura® (Optima Pharmazeutische GmbH, Moosburg/Wang) oder „Bübchen Kinder Shampoo – extra augenmild“ (Fa. Bübchen Werk Ewald Hermes Pharmazeutische Fabrik GmbH) verwendet. Während der Studienperiode waren keine zusätzlichen lokalen Tränenersatztherapien zulässig.

Die Aufteilung der Patienten in die 2 Behandlungsgruppen erfolgte randomisiert mittels Losverfahren:

  • Gruppe A: Phospholipidlösung

  • Gruppe B: Babyshampoo

Je Studienpatient wurde nur ein Auge eingeschlossen. Den Studienteilnehmern wurde mündlich und schriftlich mittels standardisierten Anwendungsanleitungen verordnet, 2-mal täglich, d. h. morgens und abends eine Lidkantenreinigung nach folgendem Ablauf durchzuführen:

  • Dreiminütiges Erwärmen der Lidkanten in mit 38 Grad warmen Wasser erwärmten Kompressen,

  • Lidkantenreinigung am Ober- und Unterlid mittels in Reinigungslösung getränkter Wattestäbchen,

  • Lidkantenmassage am Ober- und Unterlid.

Die klinische Untersuchung zu Studienbeginn und zum Studienende erfolgte verblindet anhand digitaler Spaltlampenfotografie der Lidkante (Abb. 1, Abb. 2), d. h. dem Untersucher war die Zugehörigkeit des einzelnen Studienpatienten zur jeweiligen Behandlungsgruppe bei der Befunderhebung unbekannt.

Abb. 1
figure 1

Drei Spaltlampenfotografien des Unterlids eines Studienauges zu Untersuchungsbeginn. a Nasales Drittel; b mittleres Drittel; c temporales Drittel. (Vergr. 16:1, Fotospaltlampe bon DigiPro3-HD)

Abb. 2
figure 2

Drei Spaltlampenfotografien des Unterlids eines Studienauges zu Untersuchungsende. a Nasales Drittel; b mittleres Drittel; c temporales Drittel. (Vergr. 16:1, Fotospaltlampe bon DigiPro3-HD)

Die Erhebung des klinischen Lidkantenbefunds erfolgte anhand der Spaltlampenfotografie der Unterlidkante anhand eines standardisierten Bewertungsbogens, bei dem die untersuchten Befunde in einen der folgenden 4 Grade eingeteilt wurden:

  • Grad 0: keine Veränderungen,

  • Grad 1: mäßige Veränderungen,

  • Grad 2: deutliche Veränderungen,

  • Grad 3: ausgeprägte Veränderungen

Dementsprechend wurden folgende Kriterien bewertet:

  • Hyperämie der Bindehaut,

  • Hyperämie der Lidkante,

  • Schwellung der Lidkante,

  • Keratinisierungen bzw. Vernarbung der Lidkanten,

  • Verkrustung der Wimpernbasis (anteriore Blepharitis),

  • Madarosis,

  • Trichiasis,

  • Schaum an Lidkante und/oder im Tränenfilm,

  • Verstopfung der Ausführungsgänge der Meibom-Drüsen (posteriore Blepharitis),

  • erhöhter Tränenmeniskus.

Zusätzlich wurde durchgeführt

  • eine Messung der nicht invasiven Tränenfilmaufreißzeit („non-invasive break-up time“, NIBUT) in Sekunden,

  • eine qualitative Bewertung des Meibom-Drüsensekrets (fest/granulär/verflüssigt; vermehrt/verringert; klar/trüb) sowie

  • eine Graduierung der lidkantenparallelen konjunktivalen Falten (LIPCOF).

Der Ausprägungsgrad der lidkantenparallelen Bindehautfalte (LIPCOF) wurde mittels der Klassifizierung nach Höh et al. [11] in 5 Grade eingeteilt, wobei Grad 0 „keine permanent vorhandene lidkantenparallele Bindehautfalte“ bezeichnete und Grad 4 „lidkantenparallele Bindehautfalte, die die Höhe eines normalen Tränenmeniskus weit übersteigt und sich über die innere Lidkante hinweg bis zur äußeren Lidkante vorwölbt“.

Zu Beginn und nach 4 Behandlungswochen wurden die Patienten bzgl. bestehender Beschwerden befragt (Schweregefühl, Jucken, Lichtempfindlichkeit etc.). Dabei wurde die Zahl der subjektiven Beschwerden erfasst. Zudem wurde nach der Häufigkeit der Beschwerden (im Sinne des Auftretens in den letzten 7 Tagen) gefragt. Anhand einer visuellen Analogskala gaben die Patienten an, wie intensiv die Beschwerden waren und wie sehr sie sich gestört fühlten. Um diese direkten Fragen zu validieren, wurde anhand des Ocular-Surface-Disease-Index(OSDI)-Fragebogens [21] ein globales Maß der subjektiven Dysfunktionalität herangezogen.

Um einen Biaseffekt durch eine ggf. unterschiedlich intensive Durchführung der Lidkantenhygiene in den beiden Behandlungsgruppen zu identifizieren, wurden in den Teilnehmerfragebögen abschließend explorative Fragen zur Compliance, d. h. zur Häufigkeit, Dauer und erlebtem Aufwand der Behandlungen gestellt. Außerdem wurde die subjektive Wirkung und Beschwerdelinderung sowie die Verträglichkeit erfragt.

Die statistische Analyse wurde mit dem Statistikprogramm SPSS v. 17.0 durchgeführt. Vor Anwendung eines statistischen Verfahrens wurden dessen Voraussetzungen geprüft (z. B. die Normalverteilung der Variablen). Waren die Voraussetzungen im Wesentlichen erfüllt oder die Robustheit eines Verfahrens gegeben, wurden parametrische Verfahren zur Auswertung gewählt. Im Falle der Voraussetzungsverletzung wurde ein nicht parametrisches Verfahren gewählt [9]. Die Veränderungen in den subjektiven Kriterien wurden multivariat untersucht und dabei sowohl die (nichtnormalen) Verteilungsformen und die Ordinalität simultan berücksichtigt.

Ergebnisse

An der Studie nahmen 53 Kontaktlinsenträger teil. Davon waren 33 Patienten weiblich (62,3%) und 20 Patienten (37,7%) männlich. Das Alter der Patienten betrug im Durchschnitt 43,55 Jahre (mit einer Standardabweichung von SD= 10,43). Der jüngste Patient war 25 Jahre alt, der älteste Patient war 71 Jahre alt. Das Alter der Patienten unterschied sich inferenzstatistisch nicht bedeutsam von einer Normalverteilung (Kolmogorov-Smirnov-Test: Z= 0,458; p = 0,985).

Es wurden 32 Patienten (60,4%) mit der Phosphohlipidlösung und 21 Patienten (39,6%) mit Babyshampoo behandelt. Bei 26 Patienten (49,1%) wurde das rechte Auge behandelt, bei 27 Patienten (50,9%) das linke Auge.

Weiche Kontaktlinsen trugen 39 Patienten (73,6%), 14 Patienten (26,4%) verwendeten formstabile Kontaktlinsen. Als durchschnittliche Tragedauer gaben die Patienten 5,45 Tage in der Woche (SD= 1,75) an. Fast die Hälfte der Patienten (41,5%) trugen die Kontaktlinsen an allen 7 Tagen in der Woche. Im Durchschnitt trugen die Patienten 9,55 h am Tag ihre Kontaktlinsen (SD= 4,67).

Das Anhalten der Augenbeschwerden divergierte zwischen den Patienten. Dabei hatten etwa die Hälfte der Patienten weniger als bzw. maximal 7 Monate Augenbeschwerden (Median: 7 Monate). Im Durchschnitt hatten die Patienten bereits 12 Monate Beschwerden (SD= 13,34). Während 28 Patienten (52,8%) zuvor ein Präparat für die Behandlung der Lidrandentzündung verwendet haben, hatten 25 Patienten (47,2%) zuvor kein Präparat angewandt.

Um eine bessere Übersichtlichkeit des Ergebnisteils zu gewährleisten, werden im Folgenden nur statistisch-signifikante Ergebnisse dargestellt.

Objektive Kriterien

Lidkantenuntersuchung

Die Untersuchung der Lidkanten zu Studienbeginn ergab, dass sich die beiden Behandlungsgruppen vor Studienbeginn hinsichtlich dysfunktionaler Lidkanteneigenschaften nicht unterschieden, d. h. es gab keine Unterschiede bezüglich der folgenden Kriterien:

  • Hyperämie der Bindehaut,

  • Hyperämie der Lidkante,

  • Schwellung der Lidkante,

  • Keratinisierungen bzw. Vernarbung der Lidkanten,

  • Verkrustung der Wimpernbasis (anteriore Blepharitis),

  • Madarosis,

  • Trichiasis,

  • Schaum an Lidkante und/oder im Tränenfilm,

  • Verstopfung der Ausführungsgänge der Meibom-Drüsen (posteriore Blepharitis),

  • erhöhter Tränenmeniskus.

Allerdings zeigte sich zum Studienende ein statistisch signifikanter Unterschied zugunsten der Phospholipidlösung-Behandlungsgruppe.

Die inferenzstatistische Absicherung dieser Beobachtung bestätigte, dass nach 4 Wochen in 8 von 10 der oben genannten Kriterien ein Vorteil der Behandlung mit der Phospholipidlösung gegenüber der Behandlung mit dem Babyshampoo vorhanden war (vgl. Tab. 1). Im Verlauf der Untersuchung waren die Verbesserungen in den dysfunktionalen Variablen signifikant in der Gruppe besser, die die Phospholipidlösung angewendet hatte (vgl. Tab. 1). Keine Unterschiede fanden sich lediglich hinsichtlich des Verlusts der Wimpern und der Fehlstellung der Wimpern. Hier konnte nur ein tendenzieller Vorteil zugunsten der Phospholipidlösung festgestellt werden. Die standardisierten Koeffizienten lassen auf mittlere bis hohe Effektstärken der signifikanten Unterschiede schließen.

Tab. 1 Multivariater Test der Verlaufsdifferenzen in den dysfunktionalen Lidkantenvariablen. Beurteilung anhand digitaler Fotos (Test der Prä-Post-Differenzen)

Lidkantenparallele konjunktivale Falten

Hinsichtlich der LIPCOF-Ausprägungen unterschieden sich beide Behandlungsgruppen zu Studienbeginn nicht voneinander (Effekt:  0,571, SE= 0,332, t= 1,718, p = 0,086). In beiden Gruppen waren deutliche und hohe lidkantenparallele konjunktivale Faltenausprägungen vorhanden.

Nach 4 Wochen Behandlung war ein deutlicher Effekt bei der Behandlung durch die Phospholipidlösung ersichtlich (Effekt: 1,671, SE= 0,380, t= 4,397, p = 0,000, standardisierter Effekt:  0,636). Der standardisierte Effekt lässt auf eine starke Differenz zwischen den beiden Behandlungsgruppen hinsichtlich der Verbesserungen schließen.

Tränenfilmaufreißzeit

Zu Untersuchungsbeginn und nach 4 Wochen Behandlung wurde die Tränenfilmaufreißzeit (NIBUT) erhoben. Dabei unterschieden sich die Tränenfilmaufreißzeiten zu Studienbeginn a priori zwischen den Behandlungsgruppen (T= - 2,165, df= 51, p = 0,035; Tab. 2).

Wie man Tab. 3 entnehmen kann, ergab sich im Verlauf der Studie in der Gruppe Babyshampoo eine leichte Verbesserung, eine deutlich größere Verbesserung zeigte sich in der Gruppe Phospholipidlösung. Beide Gruppen gemeinsam zeigen inferenzstatistische betrachtet eine deutliche Verbesserung der NIBUT-Werte (F(1,51)= 72,625, p = 0,000, n2 = 0,587).

Betrachtet man aber die Veränderungen nach beiden Behandlungsgruppen getrennt, so stellt man fest, dass die Phospholipidlösung-Behandlungsgruppe deutlich größere Verbesserungen erfahren hat (Interaktionseffekt: F(1,51)= 40,475, p = 0,000, n2 = 0,442). Die unterschiedlichen Verbesserungen in den durchschnittlichen Tränenfilmaufreißzeiten werden in Abb. 3 veranschaulicht.

Tab. 2 Tränenfilmaufreißzeiten im Studienverlauf (NIBUT)
Tab. 3 Multivariater Test der Verlaufsdifferenzen in den Beschwerdemaßen (Test der Prä-Post-Differenzen)
Abb. 3
figure 3

Durchschnittliche Tränenfilmaufreißzeiten (NIBUT) für die zwei Behandlungsgruppen im Studienverlauf

Subjektive Kriterien

Bewertung durch die Studienteilnehmer

Zu Studienbeginn unterschieden sich die beiden Behandlungsgruppen nicht hinsichtlich der Zahl der Beschwerden (p = 0,137), der Beschwerdehäufigkeit (p = 0,612), der Intensität der erlebten Beschwerden (p = 0,842) und der Störung durch die Beschwerden (p = 0,830). Dies gilt auch für die globale subjektive Einschätzung der Dysfunktionalität durch den OSDI-Fragebogen (p = 0,873).

Tab. 3 zeigt, dass im Verlauf der Untersuchung nach 4 Wochen deutliche Verbesserungen bei den Patienten mit Phospholipidlösung-Behandlung berichtet wurden. So haben die Patienten, die die Phospholipidlösung verwendeten, im Durchschnitt 2,8 Beschwerden weniger als jene Patienten, die das Babyshampoo benutzten.

Auch war die Häufigkeit der Beschwerden geringer. Bezüglich der Intensität und erlebten Störung durch die Beschwerden, wurde auf der visuellen Analogskala eine Differenz von etwa 4,6 cm (von maximal 12 cm) berichtet. Im OSDI erreichten die Phospholipidlösung-Patienten eine um 21 Punkte größere Verbesserung gegenüber den Babyshampoo-Patienten. Wie in Tab. 3 ersichtlich handelt es sich um große Effektstärken.

Hinsichtlich der Bewertung der Wirkung und Linderung durch die Präparate konnte hingegen ein bedeutsamer Unterschied festgestellt werden. So wurde die Wirkung der Phospholipidlösung auf der visuellen Analogskala mit 9,3 cm (SD= 3,77) von 12,5 cm bewertet, während die Wirkung des Babyshampoos mit 4,2 cm (SD= 2,70) bewertet wurde. Dieser Effekt war deutlich und signifikant (Effekt: 5,104, SE= 1,143, t= 4,464, p = 0,000, standardisierter Effekt:  0,606).

Bezüglich der Linderung der Beschwerden bzw. des Vorhandenseins von Beschwerden gaben die Patienten, die mit dem Babyshampoo behandelt wurden, nach 4 Wochen an, dass ihre Beschwerden leicht gelindert bis gleich groß seien (Mittelwert = 5,0, SD= 0,87), während die Patienten, die mit der Phospholipidlösung behandelt wurden, eine Linderung angaben (Mittelwert = 2,2, SD= 2,10). Der Effekt war bedeutsam und ebenfalls stark (Effekt:  − 2,730, SE= 0,826, t= − 3,304, p = 0,001, standardisierter Effekt:  − 0,626).

Compliance und subjektive Verträglichkeit

Hinsichtlich der Häufigkeit der Lidrandpflege (pro Woche) unterschieden sich beide Gruppen nicht voneinander. Die Präparate wurden im Durchschnitt zwischen 12- und 13-mal pro Woche angewendet (Phospholipidlösung: Mittelwert = 13,19, SD= 2,34; Babyshampoo: Mittelwert = 12,76, SD= 2,64).

Beide Behandlungsformen nahmen in etwa die gleiche Zeit in Anspruch, d. h. sie unterschieden sich auch deskriptiv nur minimal voneinander. Im Durchschnitt wurden etwa 6–7 min für die Reinigung benötigt (Phospholipidlösung: Mittelwert = 6,76, SD= 2,65; Babyshampoo: Mittelwert = 6,67, SD= 2,42).

Der Reinigungsvorgang wurde als gleich aufwändig wahrgenommen. Auf der visuellen Analogskala, auf der 12,5 cm als maximal aufwändig abgetragen werden konnten, wurden für die Phospholipidlösung im Durchschnitt 4,6 cm (SD= 3,48) und für das Babyshampoo im Durchschnitt 5,1 cm (SD= 4,15) angegeben.

Bei der Beurteilung der Verträglichkeit ergaben sich ebenfalls keine Unterschiede. Die Verträglichkeit wurde auf der visuellen Analogskala als tendenziell sehr hoch bewertet: die Phospholipidlösung mit 11,9 cm (SD= 2,48) und das Babyshampoo mit 10,8 cm (SD= 2,92).

Diskussion

Die Behandlung der Blepharitis zeigte bei beiden Behandlungsgruppen Befund- und Symptomverbesserungen. Diese Verbesserungen waren sowohl objektiv als auch subjektiv signifikant stärker ausgeprägt in der Phospholipidlösung- als in der Babyshampoo-Behandlungsgruppe.

Unsere Daten stehen in Einklang mit früheren Studien über die Wirkung von Phospholipidliposomen. In einer kürzlich veröffentlichten Arbeit zeigte sich, dass die exogene Substitution von Phospholipidliposomen mittels eines Augensprays bei Kontaktlinsenträgern zu signifikanter Verbesserung der Lipidschicht und signifikanter Verbesserung der Tränenfilmstabilität führt [6]. In einer anderen Studie wurde bei Blepharitis-Patienten innerhalb von 4 Wochen ebenfalls eine erhebliche Abheilungstendenz beobachtet [13].

Ein wesentlicher Einwand gegen unsere Daten könnte sein, dass möglicherweise Unterschiede in der Anwendung des jeweiligen Präparats bezüglich Anwendungsintensität und -häufigkeit vorgelegen haben können. Dem steht aber die statistische Auswertung der subjektiven Einschätzung der Prozedur durch die Studienteilnehmer gegenüber. Beide Behandlungsformen wurden als gleich aufwändig wahrgenommen, nahmen in etwa die gleiche Zeit in Anspruch und wurden vergleichbar häufig durchgeführt.

Die mehrschrittige Prozedur der Lidrandhygiene ist bereits mehrfach in der Literatur beschrieben worden [4, 8]. Die Erwärmung der Lidränder mittels Kompressen dient der Verflüssigung des Lidsekrets und der Verkrustungen. Dabei ist einschränkend zu bewerten, inwieweit das Vorwärmen des Lides von außen mit einer auf ca. 38°C erwärmten Kompresse ausreicht, um die Meibom-Drüsensekrete in den Drüsen zu verflüssigen – ein Temperaturverlust durch die äußere Anwendung ist nicht auszuschließen.

Die Reinigung der Lidkanten durch eine Reinigungslösung soll die Entfernung von Verkrustungen und Schuppen gewährleisten. Die Verwendung einer rein hydrophilen, d. h. wässrigen Lösung ist aus theoretischen Überlegungen hierfür nicht geeignet, da die mehrheitlich hydrophoben, d. h. lipophilen Lidsekretrückstände, insbesondere in den Öffnungen der Meibom-Drüsen, dadurch nicht zuverlässig entfernt werden. Im Allgemeinen gilt die Regel, dass fettlösliche Verbindungen wasserunlöslich sind und umgekehrt. Die Empfehlung der Verwendung von Babyshampoo trägt dem nur bedingt Rechnung. Zwar erfolgt durch die Seifenmoleküle eine Emulgation von Fetten, d. h. durch Umschließung der lipophilen Meibom-Drüsensekretmoleküle wird ihre Wasserlöslichkeit erzielt. Dabei entstehen die sogenannten Mizellen, die jedoch an ihrer Oberfläche negativ geladen sind und sich gegenseitig abstoßen. Dies bewirkt neben der zwar hilfreichen Reinigungswirkung am Lidrand gleichzeitig auch eine kontraproduktive zusätzliche Störung der Lipidphase des ohnehin gestörten Tränenfilms, da es auch hier zur Mizellenbildung kommt und die Lipidschicht dadurch unterbrochen wird. Somit kann die intrinsische Wirkung der Lidrandreinigung mittels Babyshampoo vermindert werden im Vergleich zu einer phospholiposomalen Reinigungslösung wie Blepha Cura®.

Der Wirkmechanismus von Pospholipidliposomen wurde bereits von Lee et al. [13] physikalisch schlüssig dargestellt. Phospholipide sind amphiphil, das bedeutet grenzflächenaktiv. Als Grenzfläche wird die zwischen nicht mischbaren Stoffen (wie z. B. zwischen Öl und Wasser) auftretende Phasentrennschicht verstanden. Grenzflächenaktive Substanzen sind Stoffe mit einem hydrophilen und einem hydrophoben Anteil, die sich an Grenzflächen anreichern und die Grenzflächenspannung verändern. Bei Phospholipiden interagieren dementsprechend ihre nichtpolaren Fettsäuren mit den Lipiden, die polaren Kopfgruppen mit der wässrigen Phase. Daraus resultiert einerseits die Reinigungswirkung für lipophile Verkrustungen, andererseits aber auch eine Stabilisierung der gestörten Lipidschicht des Tränenfilms.

Unsere Daten untermauern die Vermutung, dass eine gestörte Meibom-Drüsenfunktion und damit ein Mangel der Lipidschicht des Tränenfilms bei Kontaktlinsenträgern mit Beschwerden des trockenen Auges vorliegt.

Die Qualität der Lipidschicht des Tränenfilms ist beim Tragen von Kontaktlinsen stets schlechter als bei dem normalen, kontaktlinsenfreien Tränenfilm [12], wodurch es zu einer verkürzten Tränenfilmaufreißzeit und zu einer erhöhten Verdunstungsrate der Tränenflüssigkeit kommt [5]. Daraus resultiert zwangsläufig eine Tränenhyperosmolarität [1].

Die zugrundeliegenden Pathomechanismen können mit unseren Daten zwar nicht nachgewiesen werden, jedoch vermuten wir eine multifaktorielle Genese des kontaktlinsenassozierten trockenen Auges. Neben den bereits bekannten Faktoren wie dem Sauerstoffmangel infolge von Kontaktlinsenmaterialien mit relativ geringer Sauerstoffdurchlässigkeit [7, 15, 18, 19] und der Dehydratisierung der Augenoberfläche durch hydrophile Kontaktlinsenmaterialien muss auch die mechanische Wirkung der Kontaktlinsen an den Kontaktflächen des Auges bedacht werden. So kann es infolge kontaktlinsenbedingter mechanischer chronischer Irritation der Lidkanten zu einer Lidkantenmetaplasie bzw. Schädigung der Meibom-Drüsen kommen, die auch bei anderen Formen des hyperevaporativen trockenen Auges als Ursache der Meibom-Drüsendysfunktion angesehen wird. Tatsächlich konnten Arita et al. [3] durch vergleichende Infrarotaufnahmen bei Kontaktlinsenträgern und einer Kontrollgruppe signifikante morphologische Veränderungen im Bereich der Meibom-Drüsen bei den untersuchten Kotaktlinsenträgern nachweisen. Die Veränderungen, d. h. vor allem eine Verkürzung der Meibom-Drüsen an den Oberlidern, nahmen mit der Dauer der Kontaktlinsenanwendung zu. Als Ursache der Veränderungen vermuten Arita und Kollegen die chronische Irritation durch die Kontaktlinse.

Für diese Hypothese spricht auch, dass vor allem langjährige Kontaktlinsenträger über ein zunehmendes Trockenheitsgefühl klagen und dieses Trockenheitsgefühl auch nach Abbruch der Kontaktlinsenanwendung häufig anhält und weiterhin therapiert werden muss. Andererseits berichten auch Kontaktlinsenanwender, die ihre Kontaktlinsen täglich über 6 h ununterbrochen tragen, früher über Trockenheitsbeschwerden: neben dem dann ggf. vorliegenden relativen kornealen Sauerstoffmangel kann wiederum ein kontaktlinsenbedingter mechanischer Metaplasiereiz an den Lidkanten in Kombination mit einer durch die lange tägliche Tragezeit bedingten verkürzten Regenerierungsphase der Lidkantenepithelien zu entsprechend protrahierten Umbauvorgängen und schließlich einer Meibom-Drüsendysfunktion führen.

Eine gestörte Meibom-Drüsenfunktion bedingt eine Verminderung der Lipidphase des Tränenfilms [1]. Die damit assoziierte erheblich erhöhte Verdunstung der wässrigen Tränenfilmteile bedingt die messbare Hyperosmolarität des zurückbleibenden denaturierten Tränenfilms. Eine konsekutive inflammatorische Reaktion der Augenoberfläche kann dann zum bekannten Circulus vitiosus des trockenen Auges führen [1].

Die gängige klinische Praxis der zumeist einseitig auf die Substitution der wässrigen Tränenfilmphase abzielenden Therapie bei Kontaktlinsenträgern mit Beschwerden des trockenen Auges wird dadurch infrage gestellt. Vielmehr ist für Kontaktlinsenträger mit Siccabeschwerden auf evidenzbasierter Grundlage zu empfehlen, die Restitution der Lipidphase des Tränenfilms in den Vordergrund zu stellen. Im Fall einer assoziierten Blepharitis ist die regelmäßige Lidrandhygiene mit einer phospholiposomalen Reinigungslösung therapeutisch sinnvoll.

Fazit für die Praxis

  • Die vorliegenden Studienergebnisse unterstreichen die Rolle der Meibom-Drüsendysfunktion und in Folge die Blepharitis für die Entstehung von Siccabeschwerden bei Kontaktlinsenträgern.

  • Die Behandlung der Blepharitis bewirkte bei den Studienteilnehmern eine deutliche Beschwerdelinderung.

  • Im Vergleich mit der oft empfohlenen Reinigung mit Babyshampoo erwies sich die Verwendung einer phospholiposomalen Reinigungslösung, hier Blepha Cura®, als statistisch signifikant wirksamer.