Eine obstruktive Dysfunktion der Meibom-Drüsen (MGD) tritt in der Normalbevölkerung überraschend häufig auf. Die Erkrankung nimmt im fortgeschrittenen Alter noch zu. Im folgenden Beitrag werden entscheidende Einflussfaktoren in der Pathogenese und ihre Interaktion beim Fortschreiten der Erkrankung systematisch analysiert und dargestellt.

Funktionsstörungen der Meibom-Drüsen („Meibomian gland dysfunction“, MGD) mit den resultierenden Störungen der Lipidphase des Tränenfilms sind eine der wichtigsten Ursachen für Benetzungsstörungen im Sinne eines evaporativen trockenen Auges [21, 62]. Der Pathomechanismus besteht typischerweise in einer Obstruktion des Ausführungsgangs der Drüse. Dies resultiert in zwei Folgen, die beide schädlich sind, von denen aber klinisch oft nur die offenkundigere unmittelbare Benetzungsstörung betrachtet wird.

Zum einen wird durch die Obstruktion die Ausschüttung des Meibom-Öls in das Lipidreservoir auf den hinteren Lidrand verhindert. In der Folge verdünnt sich die äußere Lipidschicht des Tränenfilms und dieser wird instabil. Gleichzeitig kommt es zu stärkerer Verdunstung [44] der unter der Lipidschicht liegenden wässrig-muzinösen Phase des Tränenfilms, die seinen Hauptanteil ausmacht. Daraus resultiert ein evaporativer Tränenmangel mit Erhöhung der Osmolarität der verbleibenden Tränen durch eine Konzentration der darin gelösten Salze und Proteine [16]. Hyperosmolarität [15] übt einen Stress auf die Epithelzellen von Konjunktiva und Kornea aus, der zu ihrer Aktivierung [41] und zu einer Freisetzung von inflammatorischen Mediatoren führt. Dies führt zu den bekannten Zeichen einer Benetzungsstörung mit subjektiven Symptomen wie Brennen und Fremdkörpergefühl. Weiterhin treten die objektiven diagnostischen Befunde einer verkürzten Tränenfilmaufreißzeit, eines verminderten Tränenmeniskus, einer mechanischen Schädigung mit Anfärbbarkeit des Epithels von Kornea und Konjunktiva durch Vitalfarbstoffe als Folge einer chronisch-mechanischen Irritation durch erhöhte Reibung zwischen Lidern und Bulbus und ein instabiler Visus auf [5, 17, 40, 46]. Fortdauernde Aktivierung des Oberflächenepithels kann eine selbstverstärkende inflammatorische Kaskade auslösen, die durch eine Deregulation des Schleimhautimmunsystems der Augenoberfläche („eye-associated lymphoid tissue“, EALT, [32, 34, 35]) moduliert wird und in sehr schweren Stadien nur durch Immunmodulation zu unterbrechen ist (diskutiert in [33, 37, 48]).

Zum Zweiten aber löst eine obstruktive MGD einen Pathomechanismus innerhalb der Drüsen selbst aus, der ihre Struktur zunehmend schädigt. Die Obstruktion wird vor allem durch eine überschießende Verhornung des Hautepithels (Epidermis) ausgelöst, das physiologisch vom freien Lidrand für etwa einen halben Millimeter in den Anfangsteil der Öffnung hineinzieht und den Ausführungsgang bildet [27, 31, 36, 64, 71]. Hyperkeratinisierung und Obstruktion können durch verschiedene Ursachen, wie Hormonstörungen, generalisierte Hauterkrankungen, Alter oder Lipidveränderungen etc. ausgelöst werden. Obstruktion führt zu einer Stase des in den Gängen enthaltenen Sekrets das hierdurch seine Konsistenz ändert und dickflüssiger wird, was die Obstruktion weiter verstärkt. Durch die kontinuierliche Produktion in den sekretorischen Azini der Meibom-Drüsen entsteht eine konstante Erhöhung der Sekretmenge innerhalb der verstopften Drüsen, die zu einem ansteigenden Druck in den Drüsen und zu einer Dilatation des Gangsystems führt. In der Folge entsteht auch ein Rückstau des Sekretes in die sekretorischen Azini mit resultierender Druckatrophie, bei der die sekretorischen Meibozyten verschwinden. Zuerst bildet sich ein pathologischer Hohlraum innerhalb des sonst solide gefüllten Azinus aus, der die Anzahl und Schichtdicke der sekretorischen Meibozyten reduziert. Diese werden immer weiter an den Rand des Azinus gedrängt und schließlich durch ein verhorntes Epithel ersetzt [20, 53, 64]. Auch innerhalb des Gangsystems der Drüse kann sich das Epithel, welches physiologisch in der obersten Zellschicht eine Restkapazität zur Verhornung bewahrt hat [27, 36], vollständig verhornen und Hornlamellen ausbilden. Teilweise verschwinden die Azini komplett oder werden als Reststrukturen in die Wand des zentralen Gangs integriert. Im klinischen Bild bei Ektropionierung der Lider und in bildgebenden Verfahren (Meibographie und konfokale In-vivo-Mikroskopie) wird der Verlust von aktivem Drüsengewebe als Verschwinden von Drüsenanteilen („gland dropout“) sichtbar. Durch diesen atrophischen Prozess entsteht sekundär eine hyposekretorische Störung, von der unklar ist, ob sie sich zurückbilden kann, wenn durch therapeutische Maßnahmen die Obstruktion später reduziert oder behoben wird.

Pathomechanismen bei Dysfunktion der Meibom-Drüsen

Obstruktion ist ein wichtiger Mechanismus einer Funktionsstörung

Bereits in frühen Untersuchungen war aufgefallen, dass die Meibom-Drüsen bei vielen Formen der Blepharitis ein verändertes opakes und verdicktes Sekret produzierten, das teilweise Pfropfen bildete, die aus den Öffnungen der Drüsen herausragten und diese verstopften [9, 14, 69]. Allerdings wurde lange eine Infektion der Drüsen als Ursache dieser Veränderungen angenommen. Später wurde aber beobachtet, dass z. B. bei Patienten mit Störungen der Augenoberfläche im Rahmen von generalisierten Hauterkrankungen einschließlich Störungen der Talgdrüsenfunktion eine Keratoconjunctivitis sicca mit Benetzungsstörungen, stark reduzierter Tränenfilmaufreißzeit und vitaler Anfärbbarkeit des Epithels vorlag [46]. Daher wurde angenommen, dass eher eine Stase der Meibom-Drüsen mit einem Mangel von Meibom-Öl am Lidrand zu dem instabilen Tränenfilm geführt und damit die beobachtete Keratitis punctata superficialis ausgelöst hatte. Die Annahme einer Obstruktion konnte die beobachteten Veränderungen besser erklären als eine mögliche Infektion, da die Charakteristika der Keratitis eher denen bei instabilem Tränenfilm als denen bei einer experimentell durch Staphylokokkentoxin induzierten Keratitis ähnelten [46].

Auch bei asymptomatischen Patienten kann bereits eine Obstruktion des Ausführungsgangs zumindest einiger Meibom-Drüsen vorliegen [39], wobei die verbleibende freigesetzte Lipidmenge und Restfunktion der Drüsen aber unter normalen Bedingungen noch ausreichend für einen stabilen Tränenfilm sind. Solche Patienten zeigten erst bei Belastung des Tränenfilms durch Umweltbedingungen oder das Tragen von Kontaktlinsen [40] Symptome einer Benetzungsstörung. Durch manuelle Expression der Meibom-Drüsen bei sonst asymptomatischen Patienten mit einer Kontaktlinsenunverträglichkeit wurde ein verdicktes Sekret mit Haufen von verhornten Epithelzellen freigesetzt, das offenbar die Öffnung verlegt hatte. Nach Beseitigung der Obstruktion verbesserten sich die Tränenfilmparameter, v. a. die Tränenfilmaufreißzeit, und die Symptome der Benetzungsstörung beim Kontaktlinsentragen verschwanden. Dies bestätigt die Bedeutung der Obstruktion als wesentliche Ursache der Benetzungsstörungen ([18, 45, 62]; Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Ablauf der degenerativen Drüsenveränderungen bei obstruktiver MGD: schematische Schnittzeichnungen einer Meibom-Drüse und des hinteren Lidrands. a Normal: In normalen Meibom-Drüsen wird das von den Azini produzierte Sekret über die Verbindungsgänge (Ductuli) in den zentralen Gang der Drüsen geleitet und dann über die Drüsenöffnung, die noch innerhalb des verhornten Epithels des freien Lidrands liegt, auf den hinteren Lidrand abgegeben. Das verhornte Plattenepithel der Haut (rot) zieht in den terminalen Teil des Gangs hinein, der dadurch zum Ausführungsgang wird. Das Sekret fließt (gelbe Pfeile), angetrieben vom Druck der kontinuierlichen Sekretion und von den Muskelkräften des M. orbicularis oculi beim Lidschlag, in Richtung des Lidrands und wird, unter weiterer Hilfe des Riolan-Muskels im terminalen Bereich der Drüsen, ausgeschüttet. Die Azini sind rundlich bis länglich und die Verbindungsgänge schlank. Das Gangsystem wird von einem mehrschichtigen Plattenepithel ausgekleidet, das in der oberflächlichen Schicht Vorstufen einer Verhornung hat (rosa). b Obstruktion: Bei Obstruktion der Drüsenöffnung und des Ausführungsgangs durch überschießende Verhornung ist die Ausschüttung auf den Lidrand reduziert oder komplett verhindert. c Zusätzliche Dilatation: Durch die fortgesetzte Sekretneubildung in den Azini kommt es zur Stauung des Sekrets im Gangsystem der Drüsen, was zu einer Dilatation zuerst des zentralen Gangs führt. d Zusätzliche Atrophie: Bei länger bestehender Obstruktion und weiterer Druckerhöhung werden auch die Verbindungsgänge dilatiert und die sekretorischen Zellen (Meibozyten) in den Azini komprimiert, atrophisch und zunehmend durch ein mehrschichtiges Plattenepithel ersetzt. Bei diesem Prozess schrumpfen die Azini zunehmend, und die Verbindungsgänge werden erweitert. e Zusätzliche Hyperkeratinisierung: In späteren Stadien kann das mehrschichtige Plattenepithel der Gänge und dann auch das Epithel innerhalb der Azini verhornen (rot)

MGD entsteht durch überschießende Verhornung und Sekreteindickung

Auf den Lidrand asymptomatischer, scheinbar gesunder Patienten setzen einige Meibom-Drüsen noch normales Sekret frei, während andere bereits ein verdicktes Sekret enthalten, das teilweise nur durch Expression freigesetzt werden kann. In solchem verdickten Sekret konnten mit molekularbiologischen und immunhistologischen Methoden deutliche Mengen von Keratin festgestellt werden [57].

Überschießende Verhornung des Gangsystems ist der entscheidende Faktor für eine MGD

Da bei der Materialabnahme darauf geachtet worden war, dass kein Zellmaterial vom Lidrand mitgewonnen wurde, konnte aus diesen Untersuchungen geschlossen werden, dass das Keratinmaterial aus dem Epithel des Gangsystems der Meibom-Drüsen stammte und durch eine überschießende Verhornung bedingt war. Die Basis einer pathologischen Verhornung liegt im physiologischen Aufbau der Meibom-Drüsen. Bei normalen Meibom-Drüsen zieht die verhornte Epidermis des freien Lidrands in den terminalen Teil des zentralen Ganges hinein [1, 27, 64, 71] (s. Beitrag I zur Anatomie in dieser Serie in Heft 10) und bildet dadurch einen kurzen Ausführungsgang. Bei Affe und Kaninchen wurde elektronenmikroskopisch gezeigt, dass auch das Epithel des restlichen Gangsystems Keratohyalingranula enthält [27], die eine Vorstufe der Verhornung darstellen. Dies konnte kürzlich auch beim Menschen gezeigt werden. Dies weist darauf hin, dass die gesamten Meibom-Drüsen eine Verhornungspotenz besitzen, die normalerweise offenbar gedämpft ist [36], aber durch verschiedene pathologische Faktoren wieder verstärkt auftreten kann.

Obstruktion führt zu Stase des Sekrets mit erhöhtem Druck und degenerativen Veränderungen der Meibom-Drüsen

Bei Patienten mit symptomatischer MGD [20], die als Befund eine Sekreteindickung an den Drüsenöffnungen und schaumiges Sekret auf dem Tränenfilm, eine am evertierten Lid erkennbare Dilatation der Drüsen sowie Brennen und Fremdkörpergefühl an der Augenoberfläche hatten, konnten auch histologische Zeichen einer Drüsenobstruktion festgestellt werden. Der zentrale Gang und die Verbindungsgänge zu den Azini waren erweitert und zeigten eine verstärkte Keratinisierung mit Abschilferung von Keratinlamellen in das Lumen. Die Azini hatten verschiedene Grade einer Atrophie mit Reduzierung der Schichten sekretorischer Meibozyten, die teilweise komplett durch ein mehrschichtiges verhorntes Plattenepithel ersetzt waren (Abb. 1). Gelegentlich fand sich eine Granulombildung mit Fremdkörperriesenzellen. Nur an den Orten der Granulombildung kamen größere Mengen von Leukozyten vor, während die Hyperkeratose, Dilatation und Azinusatrophie nicht von einer entzündlichen Reaktion begleitet waren. Ähnliche Befunde waren vorher auch schon bei einer Obstruktion der Meibom-Drüsen aus anderen Gründen (Tumor oder Lidrandchirurgie) beobachtet worden [64].

Obstruktive Stase führt zu erhöhter Viskosität des Sekrets

In allen Fällen einer obstruktiven Störung der Meibom-Drüsen durch Hyperkeratinisierung des Epithels der Gänge und Öffnung konnte bei den Patienten eine Veränderung des Meibom-Sekrets beobachtet und ein dickflüssiges bis zahnpastaartiges, weißliches bis bräunliches Sekret exprimiert werden [4, 20, 23, 29, 40, 46, 56, 57]. Dasselbe trifft bei experimentellen Tiermodellen einer obstruktiven MGD durch überschießende Verhornung zu. Auch hier wurde ein verdicktes Sekret beschrieben, das in der Histologie teils noch im Gangsystem und vermischt mit Keratinlamellen beobachtet werden und klinisch exprimiert werden konnte [26, 28, 38]. Auch die bei Patienten beobachteten degenerativen Folgen innerhalb der Meibom-Drüsen mit Dilatation und Azinusatrophie wurden in diesen Tiermodellen beschrieben, wobei die degenerativen Veränderungen mit zunehmender Verlaufsdauer zunahmen [26]. Offenbar ist also eine Eindickung des Sekrets der Meibom-Drüsen, die sich im weiteren Verlauf der Obstruktion verstärken kann, eine Folge der Obstruktion und entsteht vermutlich durch die Stase im Gangsystem sowie durch den zunehmenden Sekretionsdruck der kontinuierlichen Produktion neuen Sekrets in den Azini ([54]; Abb. 1).

Bakterien können die Obstruktion negativ beeinflussen

Auf dem normalen Lidrand kommen verschiedene kommensale Bakterien vor, meist koagulasenegative Staphylokokken, Propionibacterium acnes und kornyneforme Bakterien [10]. Bei obstruktiver MGD mit der Stase von Sekret nimmt deren Zahl zu, allerdings handelt es sich dabei um eine Vermehrung der kommensalen Flora und nicht um eine eigentliche Infektion [10]. Die freigesetzten bakteriellen Enzyme, v. a. fettspaltende Lipasen und Esterasen, können einen fördernden Einfluss auf die Obstruktion haben. Eine Spaltung der Meibom-Lipide durch bakterielle Lipasen ist nachgewiesen [11] und führt zur Freisetzung von Produkten wie freien Fettsäuren [11] oder auch Phospholipase A2 [60]. Diese fördert wiederum die Freisetzung von Arachidonsäure, einer 4-fach ungesättigten Fettsäure, aus der Prostaglandine und Leukotriene gebildet werden können und die daher eine zentrale Stellung im Entzündungsstoffwechsel hat. Diese Faktoren haben einen negativen Einfluss auf die Stabilität des Tränenfilms, reizen das Epithel der Augenoberfläche, können zur Bildung inflammatorischer Zytokine wie TNF-α durch Epithelzellen führen und fördern Entzündungsreaktionen (diskutiert in [4, 11, 13, 29, 47, 68]). Entzündungsreaktionen bleiben bei der MGD typischerweise subklinisch, was auch durch die Abwesenheit von Leukozyteninfiltraten im histologischen Bild bestätigt wird [20, 53, 64], können aber eine Veränderung des Mikromilieus im Gewebe verursachen und stimulieren möglicherweise auch die Hyperkeratinisierung des Epithels [12, 49, 70]. Allerdings gibt es innerhalb der Meibom-Drüsen selbst geringere Mengen von Bakterien als auf dem Lidrand [10], sodass der Einfluss bakterieller Lipasen dort vermutlich geringer ist. Bakterien können aber auch direkt die Aggregation des Meibom-Sekrets mit luminalen Keratinlamellen zu einem Pfropf in der Meibom-Öffnung fördern [7].

Verlauf von Dilatation und Atrophie

Der Ablauf und der Grad der degenerativen Veränderungen einer obstruktiven Störung der Meibom-Drüsen (Abb. 1) hängt vermutlich von Faktoren wie dem Ausmaß des Verschlusses, der Geschwindigkeit des Einsetzens der Obstruktion und von der Verlaufsdauer ab [64]. Diese Überlegungen legen nahe, dass es wichtig ist, eine obstruktive Dysfunktion der Meibom-Drüsen möglichst frühzeitig zu erkennen und durch geeignete therapeutische Maßnahmen zu beseitigen, bevor es zu einer sekundären Atrophie der Drüsenazini mit Reduzierung der Sekretionskapazität im Sinne einer sekundären Hyposekretion [13] kommt (s. Beitrag III zur MGD in dieser Serie). Geeignete Maßnahmen sind v. a. eine physikalische Therapie mit regelmäßiger Lidrandhygiene, feucht-warmen Kompressen [19, 25, 55] zur Verflüssigung des verdickten Sekrets, manueller Drüsenexpression sowie regelmäßigem forcierten Lidschlag, die eine Obstruktion effektiv beseitigen. Auch systemische Therapie mit Tetrazyklinen zur Sekretnormalisierung kann sinnvoll sein.

Häufigkeit obstruktiver Störungen der Meibom-Drüsen – Epidemiologie

Obstruktive Störungen der Funktion der Meibom-Drüsen sind klinisch durch die sichtbare Verstopfung der Drüsenöffnungen mit verdicktem Sekret erkennbar, das oft als Pfropfen aus der Öffnung herausragt („pouting“). Auch wenn kein „pouting“ sichtbar ist, kann eine versteckte Obstruktion vorliegen, die durch eine diagnostische Expression der Drüsen entlang des Lidrands unter zartem manuellem Druck von außen auf das Lid geprüft werden muss.

Obstruktive Störungen der Meibom-Drüsen sind überraschend weit verbreitet

Der Anteil obstruktiver MGD mit und ohne einen atrophischen Ausfall von Drüsenanteilen ist in der normalen Bevölkerung, und mehr noch in selektiertem Patientengut, überraschend hoch. Die Prävalenz der obstruktiven MGD im asymptomatischen Patientengut betrug in der Studie von Hom et al. [23] bei 398 untersuchten, konsekutiven, klinisch unauffälligen und asymptomatischen Patienten immerhin 38,9%. Die Obstruktion wurde durch fehlende oder veränderte Sekretion mit getrübtem Meibom-Öl bei diagnostischer Expression festgestellt. Diese überraschend hohe Prävalenz von MGD bei etwa 40% der Normalbevölkerung wurde in einer anderen Studie bestätigt [56]. Symptomatische Patienten mit Symptomen wie Fremdkörpergefühl, konjunktivaler Gefäßinjektion und Photophobie hatten erwartungsgemäß zu einem höheren Anteil (64,6%; [62]) eine obstruktive Störung der Meibom-Drüsen, bei der durch eine diagnostische Expression kein Lipid freigesetzt werden konnte. Bei der Hälfte dieser Patienten fehlten zusätzlich einzelne Drüsen oder Drüsenanteile („gland dropout“). Bei Patienten mit chronischer Blepharitis ist der Anteil von obstruktiver MGD noch einmal leicht erhöht, und mit der klinischen Darstellung der Meibom-Drüsen bei Durchleuchtung des Lids (Meibographie) konnten Mathers et al. bei 74% der Patienten ein „gland dropout“ feststellen [45], während dies nur bei 20% der Normalprobanden auftrat.

Da bei asymptomatischen Patienten in der Studie von Hom [23] bei etwa 40% eine obstruktive MGD gefunden wurde und Mathers et al. [45] bei 20% ihrer Normalprobanden einen „gland dropout“ fanden, ist davon auszugehen, dass möglicherweise etwa die Hälfte der Patienten mit einer asymptomatischen obstruktiven Störung bereits einen zumindest teilweisen Ausfall von Drüsenanteilen hat. Dies ist ein weiterer Hinweis darauf, dass obstruktive Störungen der Meibom-Drüsen ein ernst zu nehmendes Problem mit degenerativen Folgen darstellt, die durch frühe und vergleichsweise einfache Diagnose zu erkennen und zu behandeln sind. Bei älteren Patienten verschärft sich die klinische Bedeutung von MGD noch weiter, da obstruktive Funktionsstörungen der Meibom-Drüsen wie auch degenerative Veränderungen des hinteren Lidrands [24] mit dem Alter zunehmen, so halbiert sich vom 3. bis zum 8. Lebensjahrzehnt die Zahl aktiver Meibom-Drüsen am Lidrand [52] und auch der Verlust von Drüsenanteilen [3] steigt deutlich an.

Kontaktlinsenträger haben häufiger eine Funktionsstörung der Meibom-Drüsen

Bei ansonsten asymptomatischen Patienten mit einer Kontaktlinsenunverträglichkeit aufgrund auftretender Benetzungsstörungen lag, in den Studien von Korb et al. [22, 40], sogar in allen Fällen eine obstruktive Störung der Meibom-Drüsen vor und bei solchen, die bereits eine Riesenpapillenkonjunktivitis hatten, betrug der Anteil der Patienten, die gleichzeitig eine obstruktive MGD hatten, ebenfalls 100% [43]. Weiterhin haben bereits 30–50% der Kontaktlinsenträger Symptome eines trockenen Auges, und in einem großen Kollektiv von Kontaktlinsenträgern fanden sich vermehrte Ausfälle von sekretorischen Anteilen der Meibom-Drüsen („gland dropout“) im Vergleich mit Probanden, die keine Kontaktlinsen tragen [3]. Die Drüsenausfälle bei einer Gruppe jüngerer Kontaktlinsenträger (Durchschnittalter 31,8±8,0 Jahre) entsprachen denen eines Normalkollektivs von doppeltem Lebensalter, was zu der Vermutung führte, dass durch das Kontaktlinsentragen eine beschleunigte Degeneration der Meibom-Drüsen induziert wird.

Über die Häufigkeit von Funktionsstörungen der Meibom-Drüsen, v. a. obstruktive, gibt es widersprüchliche Angaben in der Literatur [42, 50, 51, 56, 59, 61]; auf jeden Fall scheint der Anteil von MGD bei Kontaktlinsenträgern erhöht zu sein, sodass möglicherweise ein ursächlicher Zusammenhang zwischen Kontaktlinsentragen und der Entwicklung einer MGD besteht.

Der Grund für das erhöhte Auftreten von Funktionsstörungen der Meibom-Drüsen bei Kontaktlinsenträger ist unklar, und es bieten sich verschiedene Erklärungsansätze. Korb et al. gingen davon aus, dass obstruktive Störungen bei Kontaktlinsenträgern im Vordergrund stehen, während Ong u. Larke [58] mechanische Einflüsse der Kontaktlinsen selbst annahmen, was durch die Studie von Arita et al. [3] vermutlich bestätigt wird (diskutiert in [3]). Der sehr hohe Anteil von Drüsenausfällen bei Riesenpapillenkonjunktivitis [43] scheint anzudeuten, dass in diesem Fall auch Entzündungsmediatoren (z. B. Inflammatorische Zytokine und Chemokine sowie freigesetzte Matrixmetalloproteinasen, MMP, die die extrazelluläre Matrix des Gewebes zerstören) bei Entzündungsreaktionen der Konjunktiva durch den Tarsus zu den Meibom-Drüsen gelangen könnten und einen degenerativen Einfluss auf die Drüsen ausüben. Dies betrifft allerdings nicht die übliche obstruktive Dysfunktion der Meibom-Drüsen, bei der sich typischerweise keine nennenswerte Entzündung findet [20, 53, 64].

Evaporative Benetzungsstörungen und trockenes Auge

Jede Obstruktion der Meibom-Drüsen führt zu einer reduzierten Lipidmenge im Lidrandreservoir auf dem hinteren Lidrand, die aber nicht immer direkt klinisch erkennbar ist, wenn keine zusätzlichen Techniken wie die Meibometrie durchgeführt werden [13] (siehe Beitrag II zur Physiologie in dieser Serie). Stärkerer Lipidmangel im Lidrandreservoir resultiert in einem Defizit der äußeren Lipidschicht des Tränenfilms und führt in der Folge zu einer Tränenfilminstabilität mit verkürzter Tränenfilmaufbruchszeit und entsprechenden Benetzungsstörungen. Gleichzeitig wird durch die mangelhafte Lipidschicht die Verdunstung der wässrigen Tränenfilmphase nicht mehr effektiv gehemmt, und es kommt zu einem evaporativen Tränenmangel mit einem Absinken des Tränenmeniskus, einer Ausdünnung des Tränenfilms und einer Erhöhung der Tränenosmolarität [6, 29, 30, 63, 72]. Mathers et al. [45] konnten feststellen, dass „gland dropout“ negativ mit dem exprimierbaren Lipidvolumen und positiv mit einer erhöhten Tränenosmolarität korreliert ist. Durch diese Untersuchungen wurde auch beim Menschen der Zusammenhang zwischen Obstruktion, Lipidmangel und Hyperosmolarität bewiesen. Vorher hatten Gilbard et al. [18] dieses schon am Tiermodell des Kaninchens gezeigt und nachgewiesen, dass ein experimenteller Verschluss der Meibom-Öffnungen ausreichend ist, um eine Hyperosmolarität der Tränen mit einer nachfolgenden Abnahme der konjunktivalen Becherzellen und in der Folge Symptomen einer Keratoconjunctivitis sicca zu erzeugen, obwohl die Sekretion der Tränendrüse normal war.

Hierdurch wurde die entscheidende Rolle einer Obstruktion der Meibom-Drüsen für die Entstehung von evaporativen Benetzungsstörungen und eines trockenen Auges bewiesen. Mathers et al. [44] konnten die Befunde später noch um den Nachweis der Veränderung der Verdunstungsrate der wässrigen Tränen (Evaporation) ergänzen und zeigen, dass bei MGD mit partiellem Ausfall von Meibom-Drüsen eine 3-fach erhöhte Evaporation von der Augenoberfläche, verglichen mit Normalprobanden, auftritt. Allerdings ist die Verdunstungsrate abhängig von der Luftfeuchtigkeit, und die obstruktive Störung der Meibom-Drüsen wirkt sich desto mehr aus, je trockener und wärmer die Luft ist. Dies belegt, dass eine bestehende Obstruktion der Meibom-Drüsen häufig erst manifest wird, wenn der Tränenfilm durch trockene und warme Raumluft, eine Kontaktlinse oder andere Faktoren belastet wird.

Funktionelle Interaktionen zahlreicher Faktoren – Entstehung und Progression der MGD

Verschiedene endogene und exogene Faktoren beeinflussen die Funktion der Meibom-Drüsen und sind auch an der Entstehung einer obstruktiven MGD beteiligt (Abb. 2). Hyperkeratinisierung ist der entscheidende Pathomechanismus [20, 27, 40, 57, 64]. Möglicherweise hat die Veränderung endogener und exogener Faktoren auch Einfluss auf den Differenzierungsstatus der Meibom-Drüsen, die zwar in Entwicklung und Struktur den Haarfollikeln der Wimpern ähnelt aber eine geringere Verhornung entwickelt. Eine nachlassende Hemmung der Keratinisierung im Epithel der Meibom-Drüsen würde ebenfalls zu einer verstärkten Verhornung führen, wie sie z. B. bei Distichiasis auftritt. Mit zunehmendem Lebensalter nehmen degenerative Veränderungen inklusive Hyperkeratinisierung des Lidrands [24] und der Meibom-Drüsen [52] zu, die Zahl aktiver Drüsen sinkt um etwa die Hälfte [52] und das Meibom-Sekret (Meibum) verändert seine Zusammensetzung, wird opak und verdickt [65], Obstruktionen nehmen zu [2, 23]. Nachfolgend kommt es zu deutlich zunehmenden degenerativen Ausfällen (Gewebeuntergang, „drop out“) von Drüsenanteilen [3]. Auch endokrine Einflüsse durch Änderung der Hormonspiegel oder Rezeptordefekte im Sinne einer Abnahme der Androgenwirkung haben einen fördernden Einfluss auf die Obstruktion. Solche endokrinen Störungen begünstigen Hyperkeratinisierung des Epithels, obstruktive MGD, veränderte Zusammensetzung und Mangel an Meibum auf dem Lidrand und Tränenfilm sowie konsekutiv ein evaporatives trockenes Auge [8, 65, 67]. Darüber hinaus beeinträchtigt ein Mangel an Androgenwirkung auch die Sekretion der wässrigen Tränenphase durch die Tränendrüse [66]. Kontaktlinsentragen ist ebenfalls vermehrt mit dem Auftreten einer obstruktiven MGD assoziiert [51, 56, 58] und wirkt vermutlich induzierend [3]. Erhöhte Viskosität des Meibum wird in allen Fällen von obstruktiver MGD beobachtet, scheint aber eine Veränderung infolge der durch Hyperkeratinisierung hervorgerufenen Stase und infolge von Veränderungen des Lipidmusters zu sein [26, 28]. Zusätzlich zum Mangel der Lipidphase auf dem Tränenfilm mit der unmittelbaren Folge eines evaporativen trockenen Auges [18, 45] führt die Obstruktion aber auch zur Sekretstase. Diese Stase des Meibum innerhalb der Drüse löst über einen erhöhten intraglandulären Druck eine Dilatation des Gangsystems und eine nachfolgende Atrophie der sekretorischen Azini [20, 40, 64] mit sekundär verminderter Sekretionskapazität aus. Gleichzeitig begünstigt die Sekretstase das Wachstum kommensaler Bakterien, die über Freisetzung bakterieller Lipasen zur Bildung freier Fettsäuren und anderer toxischer Mediatoren beitragen und vermutlich subklinische Entzündungsreaktionen auslösen können [11], die allerdings nicht im Vordergrund der Erkrankung stehen [4, 13, 29, 47, 68]. Diese Mediatoren tragen zu einer weiteren qualitativen Veränderung des Meibum mit erhöhter Viskosität bei, können auch die Hyperkeratinisierung des Epithels verstärken [12, 49, 70] und daher eine Verstärkung der obstruktiven Störung der Meibom-Drüsen verursachen. Diese selbstverstärkenden Interaktionen verschiedener Faktoren im Verlauf der obstruktiven MGD, die letztlich zu einer Zerstörung des Drüsengewebes führen, legen die Notwendigkeit einer frühzeitigen Erkennung und Therapie der obstruktiven MGD nahe.

Abb. 2
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Selbstverstärkende Interaktionen bei der Entstehung und Progression der obstruktiven MGD. Eine Hyperkeratinisierung des Epithels im Ausführungsgang und an der Öffnung der Meibom-Drüsen ist der entscheidende Faktor, der zu einer Obstruktion der Drüsen führt. Dies wird durch das Lebensalter und Hormonveränderungen sowie durch verschiedene Umweltfaktoren induziert (z. B. Kontaktlinsentragen), die möglicherweise auch zu einer nachlassenden Hemmung der Keratinisierung führen. Erhöhte Viskosität des Sekrets (Meibum) durch qualitative Veränderungen trägt zur Obstruktion bei. Diese führt zum einen direkt zu der meist betrachteten Folge einer verminderten Lipidfreisetzung mit Lipidmangel auf dem Lidrand und Tränenfilm und den daraus resultierenden Folgen an der Augenoberfläche in Sinne eines evaporativen trockenen Auges. Zum anderen hat die Obstruktion des Ausführungsganges allerdings auch negative Folgen innerhalb der Meibom-Drüsen selbst, da sie zu einer Stase des öligen Sekrets führt. Sekretstase scheint immer zu einer Viskositätserhöhung des Sekrets zu führen, was einen Circulus vitiosus der Obstruktion darstellt. Durch die kontinuierliche Sekretion der Meibozyten steigt der Druck in den Drüsen zunehmend an. Dies begünstigt vermutlich die Hyperkeratinisierung im Sinne eines weiteren Circulus vitiosus und führt v. a. zu einer Dilatation der Gänge und später zu einer Atrophie der Azini mit Rarefizierung der enthaltenen sekretorischen Meibozyten, was nach längerer Zeit in einer sekundären Mindersekretion resultiert. Sekretstase begünstigt auch das Wachstum von meist kommensalen Bakterien, die fettspaltende Enzyme produzieren. Deren Wirkung kann toxische Mediatoren wie freie Fettsäuren und Phospholipase A2 freisetzen welche, allein oder zusammen, mit dem erhöhten Druck zu subklinischen Entzündungsreaktionen führen können. Atrophie resultiert in klinisch sichtbarem Ausfall von sekretorischen Drüsenanteilen („drop out“) mit Verstärkung der Sekretionsstörung. Toxische Mediatoren wirken, wenn sie in hinreichenden Mengen aus der Drüse entlassen werden, auch negativ auf die Augenoberfläche im Sinne einer Tränenfilminstabilität und Epithelreizung. Weiterhin können sie zu einer qualitativen Veränderung des Meibum führen, dessen Viskosität erhöhen oder durch Aktivierung des Epithels – innerhalb der Drüse oder auf dem Lidrand – die Hyperkeratinisierung begünstigen, was sich alles im Sinne einiger weiterer Circuli vitiosi fördernd auf die bestehende Obstruktion auswirkt und den Prozess bei längerem Bestehen ohne therapeutische Intervention verschlimmern kann. Alle wesentlichen Mechanismen dieses schematischen Konzepts sind durch Befunde aus der Literatur belegt. Grüne Pfeile zeigen aufeinanderfolgende Wirkungen, während rote Pfeile Feedbackmechanismen im Sinne eines Circulus vitiosus anzeigen, die die Obstruktion verstärken

Fazit für die Praxis

Eine obstruktive Dysfunktion der Meibom-Drüsen kommt überraschend häufig in der Normalbevölkerung vor und nimmt mit dem Alter zu. Neben der unmittelbaren Folge von evaporativen Benetzungsstörungen an der Augenoberfläche führt sie auch zu progressivem degenerativem Verlust des Drüsengewebes selbst, der die Funktion der Drüsen weiter einschränkt. Daher erscheint es wichtig, eine MGD bereits frühzeitig zu erkennen und zu behandeln, um eine Zerstörung des Drüsengewebes zu verhindern.

Im klinischen Bild bei Ektropionierung der Augenlider und biomikroskopischer Betrachtung, in retrograder Durchleuchtung der Lider und in aufwändigeren bildgebenden Verfahren (Meibographie und konfokale In-vivo-Mikroskopie) wird der Verlust von aktivem Drüsengewebe als Verschwinden von Drüsenanteilen („gland dropout“) sichtbar. Therapeutische Maßnahmen wie Lidrandhygiene, feucht-warme Kompressen, regelmäßige manuelle Drüsenexpression, willkürlich forcierter Lidschlag und ggf. systemische Tetrazykline zur Sekretnormalisierung können die obstruktive MGD effektiv vermindern oder beseitigen und damit eine vermutlich irreversible Schädigung der Drüsen verhindern, wenn sie rechtzeitig angewendet werden.