Lernziele

Nach der Lektüre dieses Fortbildungsbeitrags wissen Sie …

  • welche molekularen Marker beim Mammakarzinom eine Rolle spielen.

  • bei welchen therapeutischen Fragestellungen die Bestimmung welcher Biomarker sinnvoll ist.

  • worauf es bei der molekularen Diagnostik des Mammakarzinoms ankommt.

  • welche Informationen der Pathologiebefundbericht enthalten sollte.

  • wie die Ergebnisse der molekularen Diagnostik für die Diskussion im Tumorboard genutzt werden können.

Einleitung

Moderne Sequenziertechnologien haben in den letzten Jahren die Möglichkeiten der Diagnostik von Krebserkrankungen erweitert und zum tieferen Verständnis der Tumorbiologie beigetragen. Auch beim Mammakarzinom sind inzwischen viele krebsrelevante Genveränderungen bekannt [1]. Mit zunehmender Verfügbarkeit von Therapien, die gegen molekulare Zielstrukturen gerichtet sind, stellt die Diagnostik für die Therapiestratifizierung auch beim Mammakarzinom wachsende Anforderungen an die Pathologie.

Dieser Beitrag gibt einen Überblick über die heute in der klinischen Routine erforderlichen molekularpathologischen Analysen für die Planung sowie Durchführung der Therapie und zeigt Zukunftsoptionen und Handlungsfelder auf.

Molekulare Diagnostik für die klinische Routine

Für eine leitliniengerechte Therapie des Mammakarzinoms werden als Grundlage der informierten Behandlungsplanung zunehmend molekularpathologische Analysen benötigt. Aufgrund der Verfügbarkeit von zielgerichteten Therapien beschränkte sich der Bedarf bisher überwiegend auf das metastasierte Mammakarzinom [2]. In Zukunft wird die Bedeutung der prädiktiven Molekulardiagnostik zunehmen und auch in frühen Stadien eine Rolle spielen.

Die klassische Pathologie bildet weiterhin die Grundlage der Diagnostik, sichert die Diagnose und liefert ein deskriptives Bild des Krebsgeschehens. Die Primärdiagnostik und die Einteilung in molekulare Subtypen des Mammakarzinoms erfolgen mithilfe immunhistochemischer Methoden (Abb. 1). Zielstrukturen für endokrine und etablierte monoklonale Antikörper, die gegen den „human epidermal growth factor receptor 2“ (HER2) gerichtet sind, lassen sich ebenfalls mithilfe konventioneller Methoden nachweisen [3].

Abb. 1
figure 1

Therapierelevante Biomarker beim Mammakarzinom. ER Östrogenrezeptor, FISH Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung, HER2 „human epidermal growth factor receptor 2“, HR Hormonrezeptor, MSI Mikrosatelliteninstabilität, PR Progesteronrezeptor, TNBC triple-negativer Brustkrebs. aERBB2: Genname von HER2. bNach Zulassung von Olaparib durch die European Medicines Agency (EMA) für die adjuvante Therapie. cTest auf NTRK-Genfusion erst immunhistochemisch, bei positivem Befund Genomanalyse mithilfe des Next Generation Sequencing (NGS). Bei sekretorischem Mammakarzinom direkt NGS-Analyse. dERBB2-Mutationen, unabhängig von ERBB2-Amplifikation [4, 5, 6, 7]

Die molekulare Diagnostik ergänzt zunehmend die klassische Pathologie und gibt einen funktionellen Einblick in die Tumorbiologie. So können tumortreibende Mechanismen gezielt identifiziert und ggf. mithilfe zielgerichteter Therapien adressiert werden.

Prognostische und prädiktive genomische Marker beim frühen Mammakarzinom

Genomanalysen werden bisher beim frühen Mammakarzinom hauptsächlich dann herangezogen, wenn beim hormonrezeptorpositiven HER2-negativen (luminalen) Mammakarzinom der Nutzen einer adjuvanten Chemotherapie anhand klinischer Parameter nicht ausreichend abgeschätzt werden kann (Abb. 1). Für die bessere Beurteilung des individuellen Rückfallrisikos stehen seit einigen Jahren Multigentests zur Verfügung. Diese erfassen die Expression von krebsrelevanten Genen und ermöglichen die quantitative Abschätzung des Rückfallrisikos bzw. den wahrscheinlichen Nutzen einer adjuvanten chemoendokrinen Therapie gegenüber einer alleinigen endokrinen Therapie [3]. Die von der Organkommission Mamma der Arbeitsgemeinschaft für gynäkologische Onkologie (AGO) empfohlenen Tests für pN0‑1-Tumoren sind zu finden unter [2].

Im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung sind die Multigentests jedoch nur für nodal-negative Tumoren erstattungsfähig. Bei nodal-positiven N1-Tumoren ist eine Erstattung nur im Rahmen der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung (ASV) oder über Selektivverträge möglich. Ob der Einsatz eines Multigentests für eine Patientin sinnvoll ist, sollte im individuellen Einzelfall nach Abklärung der klinisch-pathologisch relevanten Parameter, die Aufschluss über die Prognose und das individuelle Rezidivrisiko geben können, von der Tumorkonferenz empfohlen werden.

Bisher war die Bestimmung weiterer molekularer Biomarker für die Therapieplanung beim frühen Mammakarzinom nicht gefordert, weil zielgerichtete Therapieoptionen, die diese erfordern würden, für dieses Erkrankungsstadium noch nicht zur Verfügung standen. Eine Ausnahme stellen die Keimbahnanalysen der BRCA1‑ und BRCA2-Gene (gBRCA1/gBRCA2) beim triple-negativen Mammakarzinom (TNBC) dar. Die Testung dient zur Abklärung eines möglichen familiären Risikos, war bisher jedoch für die Abschätzung der Wirksamkeit zielgerichteter Therapien nicht relevant (Abb. 1; [3]).

In Zukunft wird der Nachweis einer gBRCA1-/gBRCA2-Mutation für die Therapie des HER2-negativen Mammakarzinoms (HR+, HER2 negativ und triple-negativ) therapierelevant werden (Abb. 1). Die Ergebnisse der OlympiA(OLaparib in Adjuvant BRCAm breast cancer)-Studie haben belegt, dass Patientinnen mit frühem HER2-negativem Mammakarzinom und hohem Rezidivrisiko bei Nachweis einer gBRCA-Mutation von der adjuvanten Therapie mit dem PARP(Poly ADP-Ribose Polymerase)-Inhibitor Olaparib, der bereits in der metastasierten Situation zugelassen ist, in Form eines verbesserten krankheitsfreien und fernmetastasenfreien Überleben profitieren [8]. Wegen der großen Zahl der infrage kommenden Patientinnen stellen sich in Zukunft Herausforderungen bezüglich der Sicherstellung von ausreichenden Testmöglichkeiten und der zeitnahen Verfügbarkeit der Ergebnisse für die Therapieplanung.

Merke

  • Multigentests ermöglichen bei unklarem Nutzen einer chemoendokrinen Therapie von Luminaltumoren im Stadium pN0‑1 eine Abschätzung des Rezidivrisikos.

  • Bei TNBC wird in frühen Stadien der gBRCA-Status bestimmt, um das Vorliegen einer hereditären Erkrankung abzuklären.

  • Der Nachweis einer BRCA1-/BRCA2-Keimbahn-Mutation wird in Zukunft bei HER2-negativen frühen Karzinomen mit hohem Rezidivrisiko im Zusammenhang mit dem Einsatz eines PARP-Inhibitors, der bei vorliegender Zulassung möglich wird, therapierelevant.

Molekulare Diagnostik des metastasierten Mammakarzinoms für die klinische Routine

Anders als beim frühen Mammakarzinom, bei dem die prädiktive molekulare Diagnostik, wie oben erwähnt, noch am Anfang steht, zeichnet sich beim metastasierten Mammakarzinom ein Paradigmenwechsel ab. Alterationen in den Genen BRCA1 und BRCA2, PIK3CA und optional NTRK 1 bis NTRK 3 haben bereits therapeutische Implikationen (Abb. 1).

BRCA-Diagnostik

Patientinnen mit HER2-negativem lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem Brustkrebs können mit PARP-Inhibitoren behandelt werden, wenn pathogene Mutationen in den Tumorsuppressorgenen BRCA1 bzw. BRCA2 nachweisbar sind [9, 10]. In die entsprechenden Phase-III-Studien waren Patientinnen mit BRCA-Keimbahn-Mutationen eingeschlossen. Der Nachweis wird in der Versorgungsrealität auch an Tumorgewebe geführt, da dieses der Pathologie zur Verfügung steht. Ein Nachweis von Keimbahnmutationen an Tumorgewebe ist mit einer Konkordanz von 99 % im Vergleich zum Nachweis an Blut möglich [11]. Die Organkommission Mamma der AGO hat die BRCA-Analytik im Tumorgewebe als eine „Kann“ (+/−)-Möglichkeit, wenn auch nicht als Regel, eingestuft [2]. Die durchführenden Labore sollten erfolgreich die Qualitätssicherungsmaßnahmen zur BRCA-Testung durchgeführt haben. Auch auf eine qualitätsgesicherte Interpretation der Daten sollte geachtet werden.

Wird eine BRCA-Mutation durch die Pathologie am Tumorgewebe detektiert, sollte im Pathologiebericht darauf hingewiesen werden, dass am Tumorgewebe Keimbahnnutationen und somatische Mutationen nachgewiesen, diese aber nicht sicher unterschieden werden können. Beim Mammakarzinom sind etwa ein Drittel der BRCA-Mutationen somatisch (sBRCA) und zwei Drittel Keimbahnmutationen (gBRCA) [12]. Studien am Ovarial- und am Prostatakarzinom belegen ein Ansprechen auf die PARP-Inhibitor-Therapie bei gBRCA- und sBRCA-Mutation [9]. Die behandelnden Kliniker können bei geplanter PARP-Inhibitor-Therapie des Mammakarzinoms eine weitere Abklärung bezüglich des Vorliegens einer erblichen Genveränderung durch die Humangenetik veranlassen.

Die Testung auf BRCA-Keimbahn-Mutation ist in Deutschland technisch etabliert, jedoch zeigte eine Analyse, dass bisher nicht alle Patientinnen, die die Zulassungskriterien für die Therapie mit einem PARP-Inhibitor erfüllen, auf BRCA-Mutationen getestet werden. Die Entscheidung zur Testung orientierte sich bisher weitgehend an der Familienanamnese. Bei negativer Familienanamnese wurden zwar 92 % der triple-negativen, aber nur 30 % der für die PARP-Inhibitor-Therapie infrage kommenden Patientinnen mit hormonrezeptorpositiven Tumoren getestet (Abb. 2; [13]).

Abb. 2
figure 2

Testung auf BRCA-Keimbahn-Mutation, abhängig von Rezeptorstatus und Familienanamnese. HER2 „human epidermal growth factor receptor 2“, HR Hormonrezeptor, TNBC triple-negativer Brustkrebs. (Modifiziert nach Lux et al. [13])

Merke

  • Beim HER2-negativen metastasierten Mammakarzinom und Nachweis einer BRCA-Keimbahn-Mutation (gBRCA1mt/gBRCA 2mt) kann eine Therapie mit einem PARP-Inhibitor indiziert sein.

  • Wird eine BRCA-Mutation durch die Pathologie am Tumorgewebe detektiert, sollte bei geplanter PARP-Inhibitor-Therapie abgeklärt werden, ob eine Keimbahnmutation vorliegt.

Nachweis von PIK3CA-Mutationen

Beim Mammakarzinom sind Veränderungen im PIK3CA-Gen mit etwa 40 % die häufigsten Mutationen [14]. Therapierelevant ist der Nachweis einer PIK3CA-Mutation seit Zulassung des PIK3CA-Inhbitors Alpelisib in Kombination mit dem Östrogenrezeptor(ER)-Antagonisten Fulvestrant beim Hormonrezeptor(HR)-positiven endokrin vortherapierten metastasierten Mammakarzinom [15]. Der Nachweis der Wirksamkeit der Kombination wurde im Rahmen der Studie SOLAR‑1 bei Vorliegen von 11 Hotspot-Mutationen in den Exons 7,9 und 11 erbracht [16].

Die Testung erfolgt an Tumorgewebe oder mithilfe des Nachweises an zirkulierender Tumor-DNA (ctDNA) aus einer Plasmaprobe („liquid biopsy“). Hierbei ist Folgendes zu beachten:

  • Für die Testung an Gewebe sollte möglichst aktuelles Tumorgewebe verwendet werden, falls möglich, ist eine Testung an einer Metastase einer Testung am Primärtumorgewebe vorzuziehen.

  • Für die Liquid biopsy müssen Plasmaproben ausreichend freie Tumor-DNA enthalten. Die Pathologie führt dazu nach dem Probeneingang eine Qualitätskontrolle durch. Die Abnahme von Blutproben für die Liquid biopsy muss mithilfe spezieller Röhrchen erfolgen, die die zellfreie DNA stabilisieren. Viele Labore stellen ihren Einsenders diese Abnahmeröhrchen zur Verfügung. Erforderlich sind ein bis 2 Röhrchen à 10 ml Blut. Die Proben sind bei Raumtemperatur bis zu 7 Tage stabil, spätestens dann sollte die Plasmaseparation erfolgen. Wenn mit Ethylendiamintetraessigsäure (EDTA) beschichtete Röhrchen verwendet werden, muss das Plasma sofort separiert werden [17].

  • Zur DNA-Extraktion sollten erprobte Standardmethoden angewendet werden. Automatisierte Verfahren reduzieren die Variabilität, können jedoch die DNA-Ausbeute verringern [18].

  • Für die Next-Generation-Sequencing(NGS)-basierte Analyse von ctDNA müssen validierte Verfahren mit ausreichender Sensitivität zum Einsatz kommen. Leitlinien für die Validierung blutbasierter Tests wurden publiziert [19].

  • Während der Nachweis von PIK3CA-Mutationen im Plasma verlässlich ist, sollte ein negatives Testergebnis stets aufgrund der Möglichkeit zu geringer ctDNA-Mengen und niedriger Allelfrequenzen überprüft werden [15]. Der Nachweis von beim Mammakarzinom häufigen (Abb. 2) und in den meisten Tumorpanels abgedeckten TP53-Mutationen kann einen Hinweis darauf geben, dass ausreichend ctDNA in der Probe analysiert wurde. Kann der Nachweis nicht geführt werden, sollte zur Verifikation eine Gewebeprobe analysiert werden.

Bei Nachweis einer PIK3CA-Mutation in Gewebe oder Plasma muss vom behandelnden Arzt derzeit die Kostenübernahme für Alpelisib beantragt und der Wirkstoff über die internationale Apotheke angefordert werden. Antragsunterlagen sind bei der AGO erhältlich [20]. Patientinnen haben bei Erfüllung der Zulassungskriterien einen Rechtsanspruch auf die Diagnostik und bei Vorliegen einer PIK3CA-Mutation auf die entsprechende Therapie. Die Analytik ist für die Pathologie erstattungsfähig.

Merke

  • Für Patientinnen mit endokrin vorbehandeltem hormonrezeptorpositivem metastasiertem Mammakarzinom kommt bei Nachweis einer PIK3CA-Mutation die Therapie mit Alpelisib in Kombination mit Fulvestrant infrage.

  • Der Nachweis erfolgt an Gewebe oder an einer Plasmaprobe (Liquid biopsy).

  • Kann der Nachweis in der Liquid biopsy nicht geführt werden, sollte eine Gewebeprobe analysiert werden.

NTRK-Fusionen

Die NTRK-Inhibitoren Larotrectinib und Entrectinib sind indikationsübergreifend bei soliden Tumoren mit NTRK-Fusionen und lokal fortgeschrittener oder metastasierter Erkrankung zugelassen [21, 22]. Die Genveränderungen sind selten, wird aber eine entsprechende Fusion nachgewiesen, können die Patienten lang anhaltend von der Therapie mit NTRK-Inhibitoren profitieren. Die Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie (DGHO) empfiehlt daher in einem Positionspapier die Testung, wenn der Einsatz eines NTRK-Inhibitors bei dem jeweiligen Krankheitsbild die beste verfügbare Therapieoption darstellt [23]. Beim Mammakarzinom sind NTRK-Fusionen extrem selten und wurden bisher nur beim sekretorischen Mammakarzinom mit relevanter Häufigkeit nachgewiesen. Die Organkommission Mamma der AGO empfiehlt die Diagnostik insbesondere in diesem Tumortyp [2]. Der Nachweis der Fusionen erfolgt meist mithilfe von RNA-basierten Assays oder der Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung (FISH), ggf. nach immunhistochemischem Vorscreening zum Nachweis der Expression der NTRK-Gene 1, 2 oder 3 [24].

Merke

  • Beim metastasierten sekretorischen Mammakarzinom ist eine Testung auf NTRK-Fusionen sinnvoll.

  • Der Nachweis sollte möglichst mithilfe geeigneter RNA-basierter NGS-Assays erfolgen.

Erweiterte molekulare Diagnostik des metastasierten Mammakarzinoms

Beim Mammakarzinom können über die Bestimmung des Status der oben genannten prädiktiven Biomarker hinaus Informationen über mögliche Resistenzmechanismen sowie über die potenzielle Wirksamkeit von derzeit in klinischen Studien untersuchten Therapieoptionen gewonnen werden. Die Indikation für eine erweiterte Diagnostik sollte von der Tumorkonferenz gestellt werden, wenn die Therapieplanung umfassende Informationen zur Tumorbiologie erfordert.

Prädiktive Biomarker für in klinischer Entwicklung befindliche Wirkstoffe

Bei mehr als 40 % der Mammakarzinome konnten in einer Analyse an 625 Tumorproben klinisch relevante genomische Aberrationen nachgewiesen werden [25]. Fehlen Standardtherapieoptionen, können prädiktive Biomarker für potenziell wirksame Therapieansätze und geeignete klinische Studien mithilfe umfassender Panel-Analysen identifiziert werden:

  • ERBB2-Mutationen, die unabhängig von einer Genamplifikation mit einer Inzidenz bis zu 15 % insbesondere beim invasiven lobulären Mammakarzinom nachgewiesen wurden, können auf eine mögliche Wirksamkeit der Tyrosinkinaseinhibitoren Neratinib bzw. Lapatinib hinweisen [2, 26].

  • Bei den in 5,8 % bzw. 12,3 % der Proben detektierten Genveränderungen in AKT und PTEN können die Proteinkinase-B(AKT)-Inhibitoren Capivasertib oder Ipatasertib den PIK3CA-Signalweg blockieren [27].+

  • Der Nachweis einer Mikrosatelliteninstabilität (MSI) bei 1,7 % der Mammakarzinome weist auf die potenzielle Wirksamkeit von Immuncheckpoint-Inhibitoren in dieser kleinen Gruppe hin [2, 28]. Für Pembrolizumab besteht bereits eine Zulassung beim TNBC. Eine Pan-Tumor-Zulassung der U.S. Food and Drug Administration (FDA) als Therapie der letzten Wahl für solide Tumoren mit MSI ermöglicht die Selektion weiterer potenziell profitierender Subtypen [29].

  • Inaktivierende TP53-Mutationen sind beim metastasierenden Mammakarzinom häufig und können beim luminalen Tumor eine endokrine Resistenz bedingen ([30]; Abb. 3). Derzeit befinden sich verschiedene Substanzen, die die Funktion des Tumorsuppressorgens direkt oder indirekt wiederherstellen, in klinischer Entwicklung [31].

Abb. 3
figure 3

Treibermutationen beim primären und beim metastasierten Mammakarzinom. ER Östrogenrezeptor, HER2 „human epidermal growth factor receptor 2“, TNBC triple-negativer Brustkrebs. (Modifiziert nach Angus [25])

Hinweise auf primäre oder sekundäre Resistenzen

Whole-Genome-Analysen des primären und des metastasierten Mammakarzinoms zeigen ein unterschiedliches Mutationsprofil (Abb. 3; [25]). Aufgrund des durch die Therapie ausgelösten Selektionsdrucks finden sich beim endokrin behandelten luminalen Subtyp vermehrt Mutationen in ESR1, beim HER-positiven Subtyp insbesondere Mutationen in ERBB2.

Die ESR1-Mutationen, die zu einer ligandenunabhängigen Aktivierung des Östrogenrezeptors führen, sind ein unter Aromatasehemmer im Gegensatz zu Tamoxifen häufig beobachteter Resistenzmechanismus gegen endokrine Therapien (Abb. 4). Als Folgetherapie ist aufgrund des Wirkmechanismus der selektive Östrogen-Down-Regulator (SERD) Fulvestrant bei Vorliegen einer ESR1-Mutation wirksam. Neue oral verabreichbare SERD befinden sich in klinischer Entwicklung. Neben der ESR1-Mutation sind jedoch weitere Mechanismen endokriner Resistenz bekannt, wie beispielweise Mutationen im MAPK-Signalweg [32]. Eine Abklärung durch geeignete Panel-Sequenzierung kann die Wahl der Folgetherapie unterstützen.

Abb. 4
figure 4

Häufigkeiten von ESR1-Mutationen nach endokriner Therapie. AI Aromataseinhibitor. (Modifiziert nach Fribbens et al. [33])

Auch eine primäre Resistenz gegen Inhibitoren der „cyclin-dependent kinase 4/cyclin-dependent kinase 6“ (CDK4/CDK6) z. B. aufgrund eines RB1-Gen-Verlusts oder des Vorliegens einer BRCA2-Mutation könnte so erkannt werden [34, 35]. Spätestens bei Resistenz gegen CDK4-/CDK6-Inhibitoren ist eine umfassende genomische Profilierung sinnvoll, um die Resistenzmechanismen abzuklären, die Therapien entsprechend zu stratifizieren und den Einschluss in klinische Studien zu ermöglichen. Resistenzmechanismen, für die entsprechende internationale Programme zur Verfügung stehen, betreffen den Verlust von RB1, aktivierende Mutationen in AKT1, ERBB2, ESR1, FGFR2, RAS sowie Amplifikationen von AURKA und CCNE2 [36]. Daneben treten unter CDK4-/CDK6-Inhibitor-Therapie gehäuft PIK3CA-Mutationen auf, die in der klinischen Routine therapeutisch mit Alpelisib adressiert werden können [34].

Idealerweise sollten Gen-Panel verwendet werden, die die parallele Analyse aller genannten Genveränderungen erlauben. Bei Durchführung solcher umfassenden Analysen wird eine Teilnahme an klinischen Studien oder strukturierten Programmen empfohlen [2].

Merke

  • In umfassenden Panel-Analysen sollte Tumor-DNA bei entsprechender klinischer Fragestellung auf prädiktive Marker für in Entwicklung befindliche Therapien und Hinweise auf primäre oder sekundäre Resistenzen untersucht werden.

  • Der Einschluss der Patienten in klinische Studien oder strukturierte Programme wird empfohlen.

Methodik für die molekulare Diagnostik des Mammakarzinoms

Die Wahl der verwendeten Technologien für die definitiven molekulargenetischen Analysen richtet sich nach der jeweiligen klinischen Fragestellung unter Berücksichtigung der Kosteneffizienz. Grundsätzlich stehen Einzelgentests und die umfassende Sequenzierung vieler Genbereiche bis hin zum Gesamtgenom mithilfe des NGS zur Verfügung.

Zum Nachweis einer BRCA-Mutation sind Next-Generation-Sequencing-basierte Methoden erforderlich, weil Genveränderungen ohne Konzentration auf Hotspot-Regionen in allen Exons der sehr großen Gene BRCA1 und BRCA2 vorliegen können [37]. Für die Pathologie ist bei klinischer Relevanz einer umfassenden Diagnostik die Verwendung von geeigneten Gen-Panels, die die BRCA-Gene einschließen, sinnvoll. Zur alleinigen Indikationsstellung einer PARP-Inhibitor-Therapie ist, wie oben erwähnt, der Nachweis einer Keimbahnmutation durch Labore der Humangenetik oder des Konsortiums für familiären Brust- und Eierstockkrebs erforderlich. Liegt eine positive Familienanamnese für hereditären Brust- und Eierstockkrebs vor, untersucht das Konsortium zusätzlich zur BRCA-Analytik weitere Gene, um das Risiko eines Zweitkarzinoms bei der Patientin und das Erkrankungsrisiko für Familienangehörige umfassend abzuklären [38].

Der Nachweis einzelner bekannter somatischer Genveränderungen in Hotspot-Regionen wie z. B. von PIK3CA-Mutationen ist mithilfe von Polymerase-Kettenreaktion(PCR)-Einzelgentests, die mutationsspezifische Sonden verwenden, kostengünstig und mit ausreichend hoher Sensitivität möglich. Es können jedoch nur bekannte Genveränderungen in definierten Hotspot-Regionen von PIK3CA nachgewiesen werden; seltene Genveränderungen oder solche in weiteren Genen werden mit dieser Methode übersehen. Darüber hinaus ist eine separate Tumorprobe für jeden Test erforderlich. Die meisten Labore verwenden in der klinischen Routine kommerziell erhältliche oder Custom-NGS-Gen-Panel unterschiedlicher Größe, die die PIK3CA-Mutationen einschließen und weitere relevante tumorgenetische Veränderungen größtmöglich abdecken. Die Gen-Panel müssen dazu vom Pathologielabor für die lokale Nutzung validiert werden.

Merke

  • Zur umfassenden Abklärung der Tumorbiologie des Mammakarzinoms sind NGS-basierte Analysen erforderlich.

  • Für die lokale Pathologie bietet sich die Nutzung von Assays an, die die Analyse auf alle therapierelevanten tumorgenetische Veränderungen ermöglichen.

Wachsende Herausforderungen an die Interpretation NGS-basierter Analysen

Die Interpretation komplexer NGS-Analysen stellt eine wachsende Herausforderung für die Molekularpathologie dar. Um die Bedeutung detektierter Genveränderungen einschätzen und diese qualitätsgesichert berichten zu können, sind geeignete Technologien und personelle Expertise erforderlich. Die korrekte Klassifizierung detektierter Varianten entsprechend internationaler Standards ist essenziell und erfordert bereits z. B. bei der alleinigen BRCA-Diagnostik die sorgfältige Recherche in verschiedenen öffentlich zugänglichen Datenbanken [37, 39]. Werden zunehmend größere Gen-Panel analysiert, kann die Bedeutung neuer Genvarianten erst nach umfassender Recherche oder auch gar nicht zugeordnet werden. Zur Beurteilung der klinischen Relevanz detektierter Varianten sollten transparente Algorithmen wie beispielweise der AMP(Association for Molecular Pathology)/CAP(College of American Pathologists) oder ESCAT (European Society for Medical Oncology Scale for Clinical Actionability of molecular Targets) Score angewendet werden; diese ermöglichen eine abgestufte Zuordnung der klinischen Evidenz für infrage kommende Therapieoptionen [40, 41].

Zunehmend kommen intelligente Software-Lösungen zum Einsatz. Diese führen die zeitraubenden Recherchen in Datenbanken automatisiert durch, unterstützen die klinische Interpretation und stellen die Aktualität der dem Bericht zugrunde liegenden Informationen sicher [42, 43, 44]. Relevant sind die Integrierbarkeit in lokale Laborprozesse, eine regelmäßige und verlässliche qualitätsgesicherte Aktualisierung der verwendeten Datenbanken und eine nachvollziehbare Auswertung zur klinischen Relevanz der Ergebnisse.

Für die befunderstellende Pathologie müssen bei Verwendung kommerzieller Software die Schritte von der Variantenannotation bis zur klinischen Interpretation transparent und nachvollziehbar sein. Wenn verfügbar, sollten CE-gekennzeichnete Produkte genutzt werden. Solche Softwarelösungen können über die Unterstützung der Tumorboards bei der Therapieselektion hinaus auch zur zentralisierten Datensammlung beitragen.

Merke

  • Die korrekte Klassifizierung detektierter Varianten entsprechend internationaler Standards ist essenziell.

  • Zur Beurteilung der klinischen Relevanz detektierter Varianten sollten transparente Algorithmen wie beispielweise der AMP/CAP- oder ESCAT-Score angewendet werden.

  • Innovative Software-Lösungen können die Variantenannotation bis zur klinischen Interpretation automatisiert durchführen. Wenn verfügbar, sollten CE-gekennzeichnete Produkte genutzt werden.

Anforderungen an den molekularpathologischen Befund

Der Bericht zum molekularpathologischen Befund muss umfassend über die verwendete Methode, ihre Sensitivität, die Interpretationsgrundlagen sowie die Ergebnisse und deren Interpretation Aufschluss geben. Im Einzelnen sind folgende Angaben erforderlich:

  • Patientendaten, einschließlich Diagnose,

  • Tumormaterial und Tumorzellgehalt,

  • angewendete Sequenziermethode, einschließlich Sensitivität,

  • analysierte Zielsequenzen, verwendete Referenzsequenz,

  • Variantenallelfrequenz und Sequenziertiefe,

  • Angabe der Genveränderungen nach internationalen Vorgaben,

  • klinische Relevanz der detektierten Varianten mit funktionellen Konsequenzen und Hinweisen auf potenziell wirksame Substanzklassen mit zugelassenen zielgerichteten Therapien sowie Evidenz für Off-label-Therapien und geeignete idealerweise lokal rekrutierende klinische Studien.

Eine Standardisierung der Befunde durch interne oder kommerzielle in die interne Infrastruktur integrierbare Software-Lösungen kann die folgende interdisziplinäre Zusammenarbeit erleichtern.

Therapieentscheidung auf der Grundlage molekularer Analysen

Damit Therapieentscheidungen auf der Grundlage des molekularpathologischen Befunds zeitnah getroffen werden können, benötigt die Tumorkonferenz rechtzeitig vollständige Ergebnisse und Informationen zu ihrer klinischen Relevanz. Ergebnisse mit fraglicher klinischer Relevanz sollten im molekularen Tumorboard diskutiert werden. Folgende Faktoren sind relevant, damit Ergebnisse von NGS-Analysen optimal für die Therapieplanung genutzt werden können:

  1. 1.

    Eine Sequenzierung in der lokalen Pathologie ist bei Verfügbarkeit und Abrechenbarkeit der entsprechenden Methodik der Versendung an Zentrallabore vorzuziehen.

  2. 2.

    Qualitätssicherungsmaßnahmen für die angewendeten Technologien zur Sequenzierung und zur Dateninterpretation müssen implementiert sein.

  3. 3.

    Die Analysedaten und die sich daraus ableitenden Ergebnisse müssen den Teilnehmern des Tumorboards zugänglich sein, und die Evidenzgrundlage für die klinische Interpretation muss aufzeigt werden.

  4. 4.

    Der Befund muss über potenziell wirksame Therapieoptionen, einschließlich des Zulassungsstatus und der zugrunde liegenden Evidenz, sowie potenziell geeignete lokal rekrutierende klinische Studien informieren.

Die anschließende Therapieempfehlung auf Grundlage des molekularpathologischen Befunds sollten nachvollziehbaren und von der Tumorkonferenz definierten Algorithmen folgen.

Fazit für die Praxis

  • Für eine leitliniengerechte Therapie des Mammakarzinoms werden zunehmend molekularpathologische Analysen benötigt.

  • Von der Pathologie wird mindestens der Nachweis von Alterationen in den Genen PIK3CA und ggf. NTRK für zugelassene zielgerichtete Therapie abgefordert.

  • Durch eine erweiterte molekulare Diagnostik können darüber hinaus mögliche Resistenzmechanismen, prädiktive Marker für in Entwicklung befindliche Therapien sowie potenziell geeignete klinische Studie identifiziert werden.

  • Intelligente Softwarelösungen können die Interpretation molekular-pathologischer Analysen unterstützen und die interdisziplinäre Zusammenarbeit erleichtern.

  • Im Befundbericht muss umfassend über die verwendete Methode, ihre Sensitivität, die Interpretationsgrundlagen sowie die Ergebnisse und deren Interpretation Aufschluss gegeben werden.

  • Molekulare Tumorboards ermöglichen die interdisziplinäre Diskussion von Fällen mit fraglicher klinischer Konsequenz der Analyseergebnisse.