Lernziele

Nach der Lektüre dieses Beitrags …

  • kennen Sie die wichtigsten Autoantikörper (AK), die bei Patienten mit AK-assoziierter schizophreniformer Psychose ursächlich oder als Epiphänomen auftreten können,

  • wissen Sie, wie eine organische Abklärung bei Verdacht auf Autoimmunenzephalitiden (AEs) durchzuführen ist,

  • sind Sie in der Lage, die wichtigsten Differenzialdiagnosen zu nennen,

  • haben Sie mögliche Off-label-Therapien kennengelernt.

Hintergrund

Schizophreniforme Psychosen sind schwerwiegende Erkrankungen, die sich mit formalen Denkstörungen, Wahnsymptomen, Halluzinationen, Ich-Störungen, katatonen Bewegungsstörungen und unterschiedlichen Negativsymptomen manifestieren [1]. Sekundären Formen psychotischer Syndrome liegt meist eine klar identifizierbare Ätiologie oder Pathogenese zugrunde [2]. Solche sekundären schizophreniformen Psychosen können im Rahmen Autoantikörper(AK)-assoziierter Autoimmunenzephalitiden (AEs; z. B. Anti-N-Methyl-D-Aspartat-Rezeptor[Anti-NMDA-R]-Enzephalitis) auftreten [3, 4, 5]. Psychopathologisch treten bei AEs initial oft polymorphe psychotische Symptome auf, im Verlauf oder bereits initial treten dann meist weitere neurologisch-internistische Symptome (Bewegungsstörungen, Anfälle, vegetative Entgleisungen) hinzu [2, 3, 4, 5].

In einem ersten Artikel haben wir die typische klinische Manifestation AK-assoziierter schizophreniformer Psychosen beschrieben [6]. Die aktuelle Publikation widmet sich pathophysiologischen Überlegungen, der Indikation und Durchführung der organischen Diagnostik inklusive AK-Untersuchungen im Liquor und Serum sowie möglichen therapeutischen Alternativen.

Pathophysiologie

Allgemein

Die wichtigsten AK mit möglicher Therapierelevanz sind die etablierten antineuronalen AK und in bestimmten Konstellationen die Schilddrüsen- und „rheumatologischen“ AK [4, 7, 8]. Abb. 1 gibt einen Überblick über die verschiedenen AK-Typen, Tab. 1 über die einzelnen spezifischen AK.

Abb. 1
figure 1

Mit Psychosen vergesellschaftete Antikörpertypen

Abb. 2
figure 2

Exemplarische Elektroenzephalographie(EEG)-, Magnetresonanztomographie(MRT)- und Fluordesoxyglucose-Positronenemissionstomographie(FDG-PET)-Befunde. Der EEG-Befund (a) zeigt frontal betonte, generalisierende, intermittierende Delta-Verlangsamungen bei einer Patientin mit paranoid-halluzinatorischer Symptomatik im Rahmen einer steroidresponsiven Hashimoto-Enzephalopathie [9]. Die MRT-Abbildungen des Neurokraniums (bd) zeigen disseminierte Marklagerläsionen bei einem jungen Patienten mit psychotischen und Zwangssymptomen bei neuropsychiatrischem systemischem Lupus erythematodes [10]. Der FDG-PET-Befund (c) zeigt einen diffusen, v. a. linkshemisphäriellen FDG-PET-Hypometabolismus bei einer Patientin mit katatoner Symptomatik bei Anti-N-Methyl-D-Aspartat-Glutamat-Rezeptor-Enzephalitis [11]

Tab. 1 Darstellung der wichtigsten Autoantikörper und assoziierter klinischer Symptomatik [2, 4, 5, 7, 9, 12, 13, 14, 15, 16, 17, 18]

Antikörpertypen

Antineuronale Antikörper

Die AK gegen neuronale Epitope können in AK gegen Zelloberflächenantigene und intrazelluläre synaptische/nichtsynaptische Antigene eingeteilt werden [12]. AK gegen Zelloberflächenantigene sind häufiger als AK gegen intrazelluläre Antigene mit psychotischen Störungen vergesellschaftet [5].

Antikörper gegen Zelloberflächenantigene.

Sie binden an synaptische Rezeptoren, Ionenkanäle und andere Zelloberflächenproteine. Durch die Lokalisation an der Zelloberfläche können pathogene AK direkt an die entsprechenden Proteine binden und zu einer Funktionsstörung mit elektrophysiologischen Veränderungen, Störungen der synaptischen Transmission und neuronalen Plastizität führen [19, 20]. Sie können idiopathisch oder paraneoplastisch auftreten. Ihnen wird eine direkte pathogene Bedeutung zugeschrieben.

Die pathophysiologischen Prozesse sind teilweise gut verstanden. So binden z. B. die Immunglobulin(Ig)G-Anti-NMDA-R-AK an ein Epitop der GluN1-Untereinheit des NMDA-Rezeptors und führen dadurch zu einer reversiblen Internalisierung (Phagozytose) der NMDA-Rezeptoren [21, 22]. Neben den AK vom IgG-Typ scheinen auch IgA- und IgM-AK gegen GluN1 (NR1a) pathophysiologisch bedeutsam sein zu können [23, 24]. Die AK-Bildung kann bei paraneoplastischen Prozessen tumorgetriggert sein. Bei nichtparaneoplastischen Prozessen können Herpes simplex und andere Virusinfektionen Trigger sein, andererseits kann die AK-Produktion Ausdruck einer autoimmunen Prädisposition sein [12].

Antikörper gegen nichtsynaptische intrazelluläre Antigene.

Sie treten typischerweise paraneoplastisch auf und haben keine direkte pathogene Wirkung. Sie stellen lediglich ein Epiphänomen eines systemischen tumorgetriggerten Immunprozesses dar, ursächlich für die entzündliche Nervenschädigung ist hier eine fehlgeleitete Antwort zytotoxischer T‑Zellen [13, 25]. Der biologische Nutzen der Immunantwort liegt möglicherweise in einer Tumorsuppression. Oft besteht bei klinischer Erstmanifestation bereits eine irreversible strukturelle Neuronenschädigung, sodass die Prognose insgesamt schlechter ist [13].

Antikörper gegen synaptische intrazelluläre Antigene.

Hierunter versteht man die „Stiff-Person-Spektrum-AK“ gegen GAD65 (Glutamat-Decarboxylase 65) und Amphiphysin [25]. Anti-GAD65-AK sind gegen eine Isoform der Glutamat-Decarboxylase – dem geschwindigkeitsbestimmenden Enzym in der intrazellulären γ‑Amino-Buttersäure(GABA)-Produktion – gerichtet. Anti-GAD65-AK treten häufiger idiopathisch auf, ob sie eine pathogenetische Bedeutung haben oder nur ein Epiphänomen eines anderen Immunprozesses sind, ist nicht abschließend geklärt [12]. Sollen sie als Ursache neuropsychiatrischer Erkrankungen gedeutet werden, würden hohe Titer und eine intrathekale Synthese erwartet werden [7]. Anti-Amphiphysin-AK treten meist paraneoplastisch auf [12].

Schilddrüsen- und rheumatologische Antikörper

Sie binden nicht spezifisch an neuronale Strukturen und können im Rahmen einer autoimmunen Prädisposition auch gemeinsam mit antineuronalen AK gefunden werden [26]. Obwohl bei Subgruppen seropositiver Patienten mit Psychosen eine intrathekale Synthese der Schilddrüsenantikörper nachgewiesen werden konnte [27], werden sie von den meisten Autoren als Epiphänomen angesehen, da erhöhte Schilddrüsen-AK-Titer im Serum auch bei ca. 13 % der gesunden Bevölkerung vorkommen [7] und die AK-Titer nicht mit der Symptomausprägung korrelieren [14].

Auf der Seite der „rheumatologischen AK“ stehen vor allem die antinukleären AK (ANAs) mit extrahierbaren nukleären Antigenen (ENAs) bzw. Spezifität für dsDNA (Doppelstrang-DNA) im Mittelpunkt des Interesses. Sie treten idiopathisch auf und binden nicht spezifisch an neuronale Strukturen.

Diagnostik

Indikation für Antikörperdiagnostik

Die Indikation für eine Serum- und Liquor-AK-Diagnostik ergibt sich aus den bereits publizierten „red flags“ ([6]; Abb. 2). Aus Sicht der Autoren sollte nach aktuellem Wissensstand mindestens bei folgender Konstellation eine AK-Diagnostik erfolgen (angelehnt an [5, 8, 28, 29]):

  • Kombination aus akutem bzw. subakutem Beginn einer ersten psychotischen Episode ODER einer psychotischen Episode bei AE in der Vorgeschichte

  • UND

    • mindestens einem typischen klinischem Befund ODER

    • mindestens einem typischen Verlaufszeichen ODER

    • mindestens einem typischen Untersuchungsbefund.

Tab. 2 Diagnostische Abklärung bei Verdacht auf Autoimmunenzephalitis

Die oben genannten AK können auch mit niedrigen Serumspiegeln in verschiedenen Kohorten ohne Enzephalitis/Enzephalopathie auftreten [30, 31, 32]. Grundsätzlich gilt deshalb, dass der Serum-Antikörper-Befund immer im Kontext erweiterter anamnestischer Angaben, des klinischen Syndroms und der Untersuchungsbefunde (insbesondere inkl. Liquor-AK-Testung) interpretiert werden muss [25]. Es sollte deshalb bei allen Patienten mit antineuronalen AK im Serum die gesamte im Folgenden genannte Zusatzdiagnostik zur Anwendung kommen (Tab. 2). Zusammenfassend ergeben sich damit folgende Untersuchungsschritte:

  1. 1.

    erweiterte Anamnese,

  2. 2.

    neurologisch-internistische körperliche Untersuchung,

  3. 3.

    neuropsychologische Testung,

  4. 4.

    Labor- und Liquordiagnostik inklusive Serum- und Liquor-AK-Untersuchungen,

  5. 5.

    Elektroenzephalographie,

  6. 6.

    Bildgebung mittels Magnetresonanztomographie (MRT) und ggf. Fluordesoxyglucose-Positronenemissionstomographie (FDG-PET),

  7. 7.

    ggf. Tumorscreening.

Diese Schritte werden in vergleichbarer Form im Sinne eines syndromorientierten risikobasierten Ansatzes in der neuen S3-Leitlinie Schizophrenie empfohlen [33].

Erweiterte Anamnese

Im Rahmen der neuropsychiatrischen Anamnese sollte auf eine Prädisposition für immunologische Systemerkrankungen geachtet werden. Auch sollten Infektionen und Tumorerkrankungen als Trigger für eine AK-Produktion erfragt werden. Schließlich sollten auch Hinweise auf andere Systemerkrankungen erfasst werden. Im Rahmen der Medikamentenanamnese sollte das Ansprechen bzw. die Wirksamkeit von Antipsychotika erfragt werden [34].

Neurologische und internistische Untersuchung

Es sollte insbesondere auf neu aufgetretene katatone Symptome, Dyskinesien, Dysphagien, Myoklonien, Tics, Sprachstörungen oder fokalneurologische Defizite geachtet werden. Die internistische Untersuchung sollte helfen, u. a. fieberhafte Zustände und autonome Instabilität zu erkennen.

Neuropsychologische Untersuchungen

Zur Objektivierung kognitiver Defizite und zur Verlaufsdiagnostik sollten neuropsychologische Testuntersuchungen erwogen werden. Die entsprechende Diagnostik könnte sich an Standards des etablierten GENERATE-Netzwerkes orientieren (https://generate-net.de/generate-sops.html).

Labor- und Liquordiagnostik inklusive AK-Untersuchungen

Hierbei sollte serologisch auf eine bei Anti-LGI1 („leucine-rich, glioma-inactivated protein 1“)-AK häufige vorkommende Hyponatriämie geachtet werden [12]. Die Messung der Schilddrüsen- und rheumatologischen AK ist bisher (noch) nicht für den Liquor etabliert. Das Screening auf AK gegen nichtsynaptische intrazelluläre Antigene und das synaptische intrazelluläre Antigen Amphiphysin sollte im Serum erfolgen. Bei einem positiven Serumbefund kann eine Liquoruntersuchung ergänzt werden. Zwar sind die kommerziellen Testsysteme hierfür nicht zugelassen, aber meist findet sich eine intrathekale AK-Produktion, die die Relevanz des Befundes erhärten kann. AK gegen neuronale Oberflächenantigene und gegen das synaptische intrazelluläre Antigen GAD65 sollten direkt im Liquor und Serum untersucht werden. Bei bis zu 14 % der Patienten mit einer Anti-NMDA-R-Enzephalitis fanden sich in einer Studie die Anti-NMDA-R-AK lediglich im Liquor [35].

Bei negativem Befund in der AK-Routinediagnostik mit einem Screeningtest kann die Sensitivität in einem spezialisierten Forschungslabor durch einen Gewebetest verbessert werden (Infobox 1; [13, 29]). Grenzwertige Befunde (z. B. niedrigtitrige AK nur im Serum) sollten bei suspekter Klinik ebenfalls in einem Speziallabor reevaluiert werden [25].

Die AK-Bestimmung im Serum und Liquor erlaubt die Berechnung von Liquor-Serum-Antikörperindizes für AK gegen intrazelluläre und neuronale Oberflächenantigene (sog. ASIs; Normierung auf den Gesamt-IgG-Quotienten in Liquor/Blut und die Schrankenfunktion). Darüber hinaus sind die Basisparameter des Liquors für differenzialdiagnostische Erwägungen sehr wichtig. Eine Pleozytose im Liquor oder liquorspezifische oligokolonale Banden (OKBs) geben wichtige Hinweise auf einen Entzündungsprozess im Zentralnervensystem (ZNS). Anhand der Höhe der Pleozytose sind autoimmune und erregerbedingte Entzündungen meist abgrenzbar [36]. Der Albuminquotient ist Goldstandard für die Beurteilung der Blut-Liquor-Schranken-Funktion.

Infobox 2 macht einen Vorschlag zur zweistufigen AK-Diagnostik. Für die zweite Stufe sollte Liquormaterial aufbewahrt werden. Der zweite Schritt der AK-Diagnostik kann aus bei 4 °C gekühltem Liquor noch mindestens 4 bis 6 Wochen lang erfolgen, alternativ kann das Biomaterial bei −80 °C tiefgefroren werden.

Infobox 1 Uneinheitliche Messmethodik (bez. des Nachweises antineuronaler Antikörper gegen Zelloberflächenantigene; nach [29, 37])

Häufig kommen kommerziell verfügbare Tests mittels indirekter Immunfluoreszenz (IF) an fixierten Zellen, die synaptische bzw. neuronale Zelloberflächenproteine exprimieren (sog. „Biochip-Assays“), zum Einsatz. Diese Tests sind zur Detektion von Anti-NMDA-R-Antikörpern möglicherweise geringfügig weniger sensitiv als IF-Tests mit zellbasierten biologischen Assays mit lebenden Zellen (sog. „live-cell assays“), erlauben dafür allerdings bereits im ersten Schritt die exakte Diagnose des Zielepitops und sind auch außerhalb von Speziallaboratorien verfügbar. Mittels IF-Suchtests auf Hirnschnitten von Nagetieren (sog. „Gewebetests“) lassen sich darüber hinaus auch bisher unbekannte Antikörper entdecken. Mit ihrer Anwendung dürfte der Prozentsatz „seronegativer“ Fälle weiter zurückgehen. Bezüglich der methodischen Standardisierung besteht noch Optimierungsbedarf.

Elektroenzephalographie

Die sensitivste, wenngleich wenig spezifische, apparative Methode in der Diagnostik von AEs ist das EEG [14, 38]. EEG-Pathologien sind nach einem aktuellen Konsensusartikel eines der bestätigenden Kriterien für eine limbische Encephalitis [7]. Aus Sicht der Autoren sollten deshalb niederschwellig (idealerweise bereits vor Beginn einer Psychopharmakotherapie) EEG-Untersuchungen durchgeführt werden (Abb. 2).

Bildgebung

Die MRT-Diagnostik zeigt bei limbischen Enzephalitiden meist mesiotemporale Hyperintensitäten in den T2- bzw. FLAIR(„fluid attenuated inversion recovery“)-Sequenzen [39]. Bei AEs mit AK gegen neuronale Oberflächenantigene kann das MRT trotz schwerer Klinik auch unauffällig sein, was diagnostisch besonders bedeutsam ist [38, 39].

Bei unklarer Befundlage kann bei spezifischen Fragestellungen eine FDG-PET-Untersuchung erwogen werden. Verglichen mit dem MRT zeigte das FDG-PET wahrscheinlich eine höhere Sensitivität für entzündliche Veränderungen [40]. Bei unklaren Fällen sollte im Verlauf ein erneutes MRT erfolgen, wenn das initiale unauffällig war und weiterhin der Verdacht auf eine AE besteht.

Tumorscreening

Beim Nachweis antineuronaler AK sollte eine Tumorsuche erwogen werden. Das konkrete diagnostische Prozedere bei der Tumorsuche hängt von dem jeweiligen AK und der davon abhängigen vermuteten Tumorlokalisation ab (Tab. 1) und erfolgt nach der tumorspezifischen Standarddiagnostik.

Infobox 2 Empfohlene Antikörperdiagnostik (hier werden nur die nach klinischer Erfahrung am häufigsten mit Psychosen assoziierten Antikörper genannt)

Ein Antikörper(AK)-Basisscreening bei Psychosen sollte mindestens die häufigsten AK gegen folgende Antigene beinhalten:

  • NMDA-R, CASPR2 („contactin associated protein 2“), LGI1 („leucine-rich, glioma-inactivated protein 1“), AMPA-R (α-Amino-3-Hydroxy-5-Methyl-4-Isoxazol-Propion-Säure-Rezeptor), GABAB-R (γ-Amino-Buttersäure-Rezeptor B), GAD65 (Glutamat-Decarboxylase 65, jeweils im Serum und Liquor)

  • Hu, Ri, Yo (jeweils Initialen des erstbeschriebenen Patienten), CV2/CRMP5 („collapsin response mediator protein 5“), Ma2 [Ta], Amphiphysin (Screening im Serum, bei positivem Serumbefund: Liquoruntersuchung ergänzend möglich)

  • TPO (Thyreoperoxidase), TG (Thyreoglobulin), TRAK (Thyreoideastimulierendes-Hormon-Rezeptor-Autoantikörper) und ANA (antinukleäre AK; jeweils im Serum)

Im zweiten Schritt (bei negativem Screening und bei begründetem Verdacht) können AK gegen folgende Antigene ergänzt werden:

  • GABAA-R, DPPX („dipeptidyl-peptidase-like protein 6“), mGluR5 (metabotroper Glutamatrezeptor 5), Neurexin-3-alpha, IgLON5 (neuronales Zelladhäsionsprotein), Glycin-R (jeweils im Serum und Liquor)

  • Bei ANA-Nachweis: AK gegen dsDNA (Doppelstrang-DNA) bzw. ENA(extrahierbare nukleäre Antigene)-Differenzierung, ggf. Komplementdiagnostik (CH50, C3, C4, C3d); ANCA (antineutrophile zytoplasmatische AK, ggf. Spezifizierung für MPO [Myeloperoxidase] und PR3 [Proteinase 3]), Antiphospholipid-AK (Anti-β2-Glykoprotein-I-AK, Anticardiolipin-AK, Lupus-Antikoagulans; jeweils im Blut)

Mittels IF-Suchtests auf Hirnschnitten von Nagetieren (sog. Gewebetests) lassen sich auch bisher unbekannte AK entdecken.

Differenzialdiagnostik

Primäre Psychosen müssen nicht nur von sekundären AK-vermittelten AEs, sondern auch von Intoxikationen, anderen inflammatorischen (z. B. viralen Enzephalitiden, Neurosarkoidose, Neuroborreliose) und nichtinflammatorischen (u. a. metabolischen, epileptischen, paraepileptischen, vaskulären) ZNS-Erkrankungen abgegrenzt werden. Tab. 3 gibt einen Überblick über die wichtigsten organischen Differenzialdiagnosen [2, 4, 7, 41].

Tab. 3 Wichtige organische Differenzialdiagnosen. (Nach [2, 4, 7, 41])

Therapeutische Erfahrungen und Überlegungen

Bei der Behandlung von AEs stehen neben den klassischen symptomatischen Therapieansätzen (antipsychotisch, antikonvulsiv, sedierend) primär kausale Therapiemöglichkeiten (Tumorbehandlung, Immuntherapien) zur Verfügung.

Zur symptomatischen Behandlung psychotischer Symptome sind atypische (besser als typische) Antipsychotika geeignet, da das Risiko für das Auftreten extrapyramidalmotorischer Nebenwirkungen bei Patienten mit AEs erhöht ist [29, 34].

Die immunsuppressive Behandlung sollte multidisziplinär erfolgen [29]. Da kontrollierte Therapiestudien bisher noch nicht vorliegen, erfolgen immunsuppressive Behandlungen bisher off-label im Sinne individueller Therapieversuche [13].

Die Therapie der Wahl bei paraneoplastischen und nichtparaneoplastischen diagnostisch gesicherten AEs sind hochdosierte Steroide (z. B. 500–1000 mg Methylprednisolon über 3–5 Tage; Abb. 3), die auch im psychiatrischen Setting relativ einfach eingesetzt werden können [4, 9, 29, 42]. Auf eine steroidinduzierte Manie oder Psychose muss geachtet werden [43]. Alternativ oder ergänzend können basierend auf bisherigen Erfahrungen auch intravenöse Immunglobuline (z. B. 0,4 g/kgKG über 3–5 Tage) oder die Plasmapherese/Immunadsorption als First-line-Behandlung erwogen werden [7, 13, 25, 29, 42, 44].

Für die Eskalationstherapien („second line“) werden Rituximab (z. B. 1000 mg absolut an Tag 0 und 14 oder 375 mg/m2 Körperoberfläche pro Woche für insgesamt 4 Wochen) oder Cyclophosphamid (500–750 mg/m2 monatlich) diskutiert [7, 13, 25, 29, 42, 44], wobei die Behandlung mit Cyclophosphamid bei den überwiegend jungen Patienten und Kindern angesichts der relevanten Keimzellschädigung zunehmend zurückhaltend angewendet wird. Stattdessen entwickelt sich Rituximab zunehmend zur Erstlinientherapie [7].

Die meisten Patienten mit AEs werden nicht längerfristig mit oralen Steroiden oder Immunsuppressiva behandelt [25]. Wird eine Rückfallprophylaxe notwendig, dann können „Steroidsparer“ wie Azathioprin, Mycophenolatmofetil oder Methotrexat erwogen werden [13, 42]. Rezidive werden meist analog zur Ersttherapie behandelt [25]. Je nach AK haben sich teilweise leicht unterschiedliche Vorgehensweisen etabliert (Patienten mit limbischer Enzephalitis durch Anti-LGI1-AK respondieren z. B. besser auf Steroide als Betroffene mit Anti-NMDA-R-Enzephalitis [7]), die hier nicht im Detail abgehandelt werden können.

Bei paraneoplastischen Syndromen steht neben immunmodulierenden Verfahren die Tumorbehandlung im Mittelpunkt. Sie verfolgt das Ziel, die den Autoimmunprozess aufrechterhaltende ektope Antigenquelle auszuschalten. Die onkologische Behandlung richtet sich dabei nach der jeweiligen Tumorentität, nicht nach dem neuropsychiatrischen Syndrom [13]. Das Therapieansprechen hängt vom AK-Typ ab, eine frühe Behandlung hat sich als prognoseverbessernd herausgestellt [38]. Für die Anti-NMDA-R-Enzephalitis konnte unter Erstlinientherapie bzw. Tumorresektion eine Verbesserung bei 53 % der Patienten nach 4 Wochen gezeigt werden, 97 % dieser Patienten hatten ein gutes Outcome nach 24 Monaten. Von den 47 % Nonrespondern erhielten 57 % eine Eskalationsbehandlung. Darunter hatten 78 % ein gutes Outcome nach 24 Monaten. Insgesamt 12 % der Patienten mit einer Anti-NMDA-R-Enzephalitis hatten ein Rezidiv innerhalb 24 Monaten [38]. Oft bleibt jedoch eine dysexekutive Symptomatik (mit z. B. Reizüberflutung oder kognitiven Defiziten) über Monate bis Jahre nach der Behandlung bestehen.

Abb. 3
figure 3

Therapeutische Möglichkeiten bei Autoimmunenzephalitiden (AEs). Das hier dargestellte Schema dient zur Orientierung für AEs mit etablierten antineuronalen Antikörpern [13, 25, 29, 42, 44]. Im Einzelfall sind aber je nach vorliegendem Antikörper Besonderheiten zu beachten

Ausblick

Die AEs stellen für die Psychiatrie ein spannendes neues Forschungsfeld dar, welches mit unmittelbaren positiven therapeutischen Konsequenzen für betroffene Patienten einhergeht. Die beeindruckenden Therapieerfolge in Einzelfällen wecken bei Ärzten wie Patienten große Hoffnungen, die aber nicht darüber hinweg täuschen sollten, dass es sich bei den AEs insgesamt aller Wahrscheinlichkeit nach um eine, wenn auch relevante, so doch wohl eher kleine Untergruppe von Menschen mit psychotischen, schizophreniformen Störungen handeln wird [45]. Die genaue Häufigkeit und damit klinische Relevanz klassischer, rein psychotischer Manifestationen von AEs ist noch nicht klar abzusehen. Dass sich entsprechende rein psychiatrische klinische Bilder als Folge solcher AEs in bestimmten Fällen ergeben können, ist dagegen für die meisten hier diskutierten Subtypen kasuistisch abgesichert.

Die neue S3-Leitlinie Schizophrenie beinhaltet nun auch Empfehlungen zum diagnostischen Vorgehen [33]. Die Erstellung kumulativer Fallsammlungen stellt den nächsten wichtigen Forschungsschritt dar. Das GENERATE-Netzwerk (German Network for Research on Autoimmune Encephalitis) betreibt seit mehreren Jahren ein Register und Biobanken für neurologische AE-Fälle (https://generate-net.de/). Als Teilprojekt wurde die GENERATE-Psych-Datenbank zur anonymen Sammlung von Patientenfällen mit AEs und psychiatrischer Symptomatik ins Leben gerufen. Zur Etablierung eines besseren Verständnisses von Epidemiologie, Symptomatologie und insbesondere der geeigneten Therapie ist die Meldung von Patienten in Deutschland sehr wichtig. Die Ansprechpartner der GENERATE-Psych-Datenbank stehen gerne für Rückfragen zur Verfügung (psy.generate-database@uniklinik-freiburg.de).

Zukünftige prospektive AK-Prävalenzstudien sollten multimodal erfolgen und auch Liquoruntersuchungen, AK-Bestimmungen im Liquor, EEG, Bildgebung und neuropsychologische Testungen bei seropositiven Patienten beinhalten.

Infobox 3 Nützliche Links

Fazit für die Praxis

  • Die Antikörper(AK)-Messungen sollten für etablierte antineuronale AK gegen Oberflächenantigene (NMDA-R, CASPR2, LGI1, AMPA-R, GABAB-R) und GAD65 im Serum und Liquor erfolgen.

  • Eine psychotische Symptomatik wurde am häufigsten im Rahmen von Autoimmunenzephalitiden (AEs) mit Anti-NMDA-R, CASPR2, LGI1, AMPA-R und GAD65-R-Antikörpern sowie einigen systemischen Antikörpern (Anti-TPO-, -TG-AK und ANAs) beobachtet.

  • Die Interpretation positiver Antikörperbefunde sollte immer im Kontext des klinischen Syndroms und der apparativen Zusatzbefunde erfolgen.

  • Die Liquordiagnostik und das EEG sind die sensitivsten Methoden zur Detektion autoimmun-entzündlicher Prozesse, das MRT kann auch unauffällig sein.

  • Immunsuppressive Behandlungsversuche im Sinne individueller Heilversuche beinhalten Steroide, Plasmapherese/Immunadsorption, intravenöse Immunglobuline („first line“) und Rituximab bzw. Cyclophosphamid („second line“).