Anamnese

Ein 42-jähriger Patient wurde mit schweren Verbrennungen in der Gesäß-, Sitzbein- und proximalen Oberschenkelregion in unsere Verbrennungsklinik eingeliefert. Er hatte sich diese Verletzung durch den Gebrauch einer Autositzheizung über einen Zeitraum von ca. 4 h zugezogen. Der Patient litt seit 12 Jahren an einer traumatisch bedingten kompletten sensomotorischen Querschnittslähmung in Höhe des Zervikalmarks C7 (ASIA Grad A, American Spinal Injury Association [ASIA] Impairment Scale, modifiziert nach Frankel). Es bestanden Anästhesie und Analgesie unterhalb von C7 mit spastischer Parese der Rumpf- und Beinmuskulatur und einer Blasenreflexinkontinenz. An den Armen fanden sich segmentale Muskelatrophien und Paresen ab C7, mit Atrophie und Reflexausfall des M. trizeps brachii.

Klinischer Befund und Diagnose

Der Patient wurde wach, ansprechbar in kardiopulmonal stabilem Zustand eingeliefert. Die Wundbeurteilung ergab zweit- und drittgradige Verbrennungen am Sakrum, den Gluteal- und Skrotalregionen sowie dorsalseitig an beiden proximalen Oberschenkeln. Eine Gesamtkörperoberfläche von 6% war betroffen mit einem Anteil von 2% drittgradiger Verbrennungen (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Aufnahmedokumentation: Zweit- (rötlich) und stellenweise drittgradige (weißlich) Verbrennungen am Gesäß, Sakrum, an den skrotal und proximalen Oberschenkelbereichen, eine Fläche von 6% Körperoberfläche umfassend

Therapie und Verlauf

Nach sofortiger stationärer Aufnahme erfolgten eine Brandblasenabtragung an den verbrannten Zonen und eine anschließende topische Wundbehandlung mit Silber-Sulfadiazine-Creme. Eine Volumenersatztherapie und eine intensivmedizinische Überwachung wurden eingeleitet.

Am zweiten posttraumatischen Tag wurden operativ nekrotische Hautareale scharf tangential abgetragen und temporär mit allogenen Hauttransplantaten gedeckt. Aufgrund der Zunahme der Verbrennungstiefe durch lokale Mikrozirkulationsstörungen vergrößerte sich der Bereich drittgradiger Verbrennungen am Gesäß und der Sitzbeinregion (Abb. 2). In einer zweiten Operation konnten diese Regionen nach Nekrektomie autolog, mit Eigenhauttransplantaten von beiden Oberschenkeln, gedeckt werden. Zur definitiven Wiederherstellung eines adäquaten Weichteilmantels im Bereich des durch Druckulkus gefährdeten linken Sitzbeinhöckers erfolgte in einer dritten Operation eine gestielte Grazilismuskellappenplastik. Der weitere stationäre Aufenthalt war unauffällig mit reizloser Einheilung der Eigenhauttransplantate und der Lappenplastik.

Abb. 2
figure 2

Intraoperativer Situs: protrahierter Heilungsverlauf nach Vertiefung der Verbrennung und ungenügender Einheilung der Eigenhautransplantate

Der Patient konnte nach 53 Tagen in der Verbrennungseinheit auf die Normalstation übernommen und nach insgesamt 93 Tagen Klinikaufenthalt beschwerdefrei mit belastungsstabil verschlossenen Weichteilverhältnissen in der Gluteal- und Sitzbeinregion in eine Rehabilitationseinrichtung entlassen werden. Nach der Rehabilitation wurde aufgrund der Ausbildung einer Steißbeinfistel eine abschließende Sanierungsoperation der Steißregion komplikationslos durchgeführt.

In einer Nachuntersuchung nach 24 Monaten präsentierte sich der Patient weiterhin mit einer vollständigen Weichteildeckung und berichtete über völlige Beschwerdefreiheit (Abb. 3).

Abb. 3
figure 3

Nachuntersuchung nach 24 Monaten: suffiziente Weichteildeckung am Gesäß, Sitzbein, der Perianalregion und am durch Druckulkus gefährdeten linken Sitzbein. Der Patient ist derzeit völlig beschwerdefrei

Diskussion

Querschnittsgelähmte Patienten gehören zur Risikopopulation für Verbrennungen [1, 2, 8, 9]. Aufgrund der reduzierten oder aufgehobenen Sensibilität, Schmerzempfindung und der krankheitsbedingt eingeschränkten Mobilität besteht ein grundsätzlich erhöhtes Risiko, thermal bedingte Verletzungen mit schweren Krankheitsverläufen zu erleiden [35]. Der Wunsch nach warm klimatisierten Sitz- und Rückenzonen beim Autofahren führte in den letzten Jahren zu einer verstärkten Inanspruchnahme beheizbarer Autositze. Diese zunehmende Popularität von Sitzheizungen in Fahrzeugen der neueren Generation bedingt eine neue thermische Verletzungsquelle für Querschnittsgelähmte. Diese ist zum einen rein technisch bedingt, aufgrund von möglichen Fehlfunktionen der Regulationselektronik besteht das Risiko einer Überhitzung mit Kurzschlussreaktion und Brandgefahr [6]. Zum anderen kann der lange konstante Betrieb einer defekten Sitzheizung, bei vorhandener Anästhesie und Analgesie, beim Anwender eine unbemerkte lokale Überhitzung mit schweren Verbrennungen verursachen. Drittgradige Verbrennungen können bei 49°C warmen Autositzen bereits nach 10 min eintreten.

In letzter Zeit häufen sich medienwirksame Rückrufaktionen namhafter Autohersteller in den USA und kürzlich in Deutschland bei fraglich defekten Sitzheizungssystemen aufgrund einer potenziellen Verbrennungsgefahr durch Temperaturfehlregulationen [6]. Abhilfe schaffen schutztechnische Verbesserungen an Autositzen mit Temperaturkontrollen, Beschränkung der maximalen Temperatur weit unter 49°C und eine sensorgesteuerte Sicherungsautomatik bei lokaler Überhitzung [7]. Der gänzliche Verzicht auf Autositzheizungen bei Querschnittsgelähmten und anderen betroffenen Personengruppen wie Diabetikern, Patienten mit Gefäßkrankheiten und Schlaganfallpatienten wäre die sicherste Maßnahme.

Fazit für die Praxis

Beheizbare Autositze bergen ein erhöhtes Verbrennungsrisiko für neurologisch beeinträchtigte Patienten mit reduzierten oder aufgehobenen Schmerz- und Temperaturempfindungen. Eine umfassende Aufklärung der Patienten und Angehörigen bereits während der Rehabilitationsphase sowie aller mittelbar betroffenen Personengruppen (Autohersteller und Vertrieb) muss erfolgen, um schwere Verbrennungen mit langen Krankenhausaufenthalten und zahlreichen Operationen vermeiden zu können.