FormalPara Originalpublikation

Kim HW, Jenista ER, Wendell DC et al (2021) Patients With Acute Myocarditis Following mRNA COVID-19 Vaccination. JAMA Cardiol. 2021 Jun 29. https://doi.org/10.1001/jamacardio.2021.2828. Online ahead of print. PMID: 34185046.

Montgomery J, Ryan M, Engler R et al (2021) Myocarditis Following Immunization with mRNA COVID-19 Vaccines in Members of the US Military. JAMA Cardiol. 2021 Jun 29. https://doi.org/10.1001/jamacardio.2021.2833. Online ahead of print. PMID: 3418504.

FormalPara Hintergrund.

Im Rahmen der Surveillance für COVID-19-Impfungen wurde zuletzt vermehrt über Myokarditisfälle berichtet, die in zeitlicher Nähe zu Impfungen mit mRNA-Impfstoffen auftraten. Die Häufigkeit derartiger Ereignisse scheint etwas über der „Hintergrundaktivität“ zu liegen, sodass ein kausaler Zusammenhang zwischen Impfung und nachfolgender Myokarditis möglich bis wahrscheinlich ist. Dementsprechend erscheinen derzeit auch in kurzer Abfolge neue Publikationen zu dieser Thematik. Zwei dieser rezenten Publikationen werden hier referenziert.

FormalPara Klinische Präsentation.

Eine in JAMA Cardiology publizierte Fallserie aus North Carolina beschreibt 7 Patienten, die zwischen Februar und April 2021 mit einer Myokarditis diagnostiziert wurden [1]. Davon hatten 4 Patienten kurz (einen bis 5 Tage) vor Auftreten der Beschwerdesymptomatik eine COVID-19-mRNA-Impfung erhalten. Bei 3 dieser Patienten handelte es sich um junge Männer zwischen 23 und 36 Jahren; die vierte Patientin war eine 70-jährige Frau. Bei allen Patienten manifestierte sich die Myokarditis mit Thoraxschmerzen, typischen EKG-Veränderungen und Troponinerhöhung. MRT-Untersuchungen zeigten bei allen Patienten mit einer Myokarditis vereinbare bzw. für solche typische Bilder (u. a. „late gadolinium enhancement“, LTE). Die linksventrikuläre Funktion war z. T. mäßig eingeschränkt, die Werte der Auswurffraktion („ejection fraction“, EF) lagen zwischen 40 und 59 %. Als Therapie wurden nichtsteroidale Antirheumatika, Kolchizin und (in einem Fall) Steroid verabreicht. Bei allen Patienten zeigte sich eine rasche Besserung, sodass sie nach 2 bis 4 Tagen aus dem Krankenhaus entlassen werden konnten.

Ein Vergleich der Fallzahlen mit den Vergleichsmonaten Februar bis April der Jahre 2017–2020 zeigte, dass in den 4 vorangegangenen Jahren deutlich weniger (durchschnittlich 3,25) Myokarditisfälle zu verzeichnen waren.

FormalPara Myokarditisfälle bei geimpften US-Rekruten.

Eine weitere in JAMA Cardiology publizierte Studie [2] berichtet über das Auftreten von Myokarditisfällen bei US-Rekruten. Nach 2,8 Mio. verabreichten mRNA-Impfungen wurden innerhalb von 4 Tagen nach der Impfung 23 Erkrankungsfälle registriert, die sich mit Thoraxschmerzen, Troponinerhöhung (10- bis 400-fach) und EKG-Veränderungen (ST-Strecken-Hebung, T‑Negativierung, unspezifische ST-Strecken-Veränderungen) präsentierten. Eine MRT-Untersuchung wurde in 8/23 Fällen durchgeführt und war in allen Fällen nach den Lake-Louise-Kriterien charakteristisch für das Vorliegen einer Myokarditis. Betroffen waren ausschließlich Männer; das mediane Alter betrug 25 Jahre. 20/23 Erkrankungsfälle traten nach der zweiten Impfung auf; die 3 Patienten mit Auftreten nach der Erstimpfung hatten zuvor COVID-19 durchgemacht. Die linksventrikuläre Auswurffraktion (LVEF) war bei 83 % über 50 %, bei 17 % darunter. Auch in dieser Studie wird über ausschließlich milde Verläufe („rapid recovery“) berichtet. Die Autoren halten fest, dass international die Myokarditisinzidenz mit 22/100.000 Personenjahren angegeben wird, in US-Statistiken mit 1–10 Fällen/100.000 Personenjahren. Gemessen an dieser „Hintergrundaktivität“ scheint insbesondere die Zweitimpfung zu zusätzlichen Myokarditisfällen zu führen. Die Kalkulation in der vorliegenden Studie ergibt 11 bis 19 derartige Fälle auf 436.000 Zweitimpfungen.

Kommentar

Zunächst belegen die zitierten Publikationen, dass die internationale Surveillance von COVID-19-Impfungen „funktioniert“ und überwahrscheinlich auftretende Ereignisse als „Signal“ wahrgenommen werden. Ob tatsächlich ein kausaler Zusammenhang zwischen den mRNA-Impfungen und den (vermehrten) Myokarditisfällen besteht, ist zum Zeitpunkt dieser Berichtverfassung noch nicht definitiv bewiesen. Denkbar ist ein solcher Zusammenhang allemal, v. a. als mit einer Eosinophilie einhergehende „hypersensitivity myocarditis“ [2]. Impfbedingte Myokarditiden wurden in der Vergangenheit für die Pockenimpfung beschrieben, vereinzelt auch für die Influenzaimpfung. Die jetzige Studie bei US-Rekruten [2] legt nahe, dass COVID-19-mRNA-Impfungen in seltenen Fällen insbesondere bei Zweitimpfung tatsächlich eine Myokarditis bedingen können, wofür sich ein Risiko von ca. 1:40.000–1:23.000 errechnen lässt. Dies erklärt auch, warum sich in den Zulassungsstudien mit jeweils unter 20.000 Probanden kein „Signal“ eines Myokarditisrisikos zeigte.

Die extreme Publikationstätigkeit im Zusammenhang mit COVID-19 lässt erwarten, dass zum Zeitpunkt des Erscheinens dieses Beitrages schon mehr Klarheit über den kausalen Zusammenhang besteht. Aber auch wenn sich dieser bestätigt, ergibt sich daraus keine Kontraindikation für COVID-19-mRNA-Impfungen. Das relativ seltene Auftreten, die milden klinischen Verläufe und die gute Prognose ändern nichts daran, dass der Nutzen von COVID-19-Impfungen den möglichen Schaden bei Weitem überwiegt. Auch weil eine COVID-19-Erkrankung per se bei Ungeimpften auch zu schwerer Myokarditis führen kann. Dieses Risiko wird auf etwa 1 % geschätzt [2]. Eine Myokarditis im Rahmen einer COVID-19-Erkrankung ist somit vermutlich selbst bei jungen Männern 200- bis 400-mal wahrscheinlicher als durch mRNA-Impfung.