Zusammenfassung
Über das Thema „Ärztemangel“ wird seit einigen Jahren in Deutschland kontrovers diskutiert, ohne dass eine Klärung der interessenbezogenen Standpunkte erreicht werden konnte. In den Mittelpunkt muss die Frage nach dem aktuellen und zukünftig erwartbaren Ärztebedarf gestellt werden, um bei sich wandelnden gesellschaftlichen Rahmenbedingungen eine angemessene und notwendige ärztliche Versorgung der Bevölkerung gewährleisten zu können. In der Analyse ist dabei zwischen Angebot und Nachfrage nach ärztlichen Leistungen zu unterscheiden. Auf der Angebotsseite gibt es relativ verlässliche Daten. Allerdings wird hier das sich ändernde Arbeitsquantum, das Ärzte und vor allem Ärztinnen bereit sind zu leisten, oft vernachlässigt. Auf der Nachfrage- beziehungsweise Bedarfsseite gibt es eine Reihe weitgehend ungeklärter Variablen, zum Beispiel die demografische Entwicklung, der medizinische Fortschritt, die veränderten arbeitszeitrechtlichen Bestimmungen oder Leistungsverschiebungen zwischen stationärer und ambulanter Versorgung. Angesichts gewichtiger Indikatoren, die auf einen zunehmenden Ärztemangel hinweisen, sind wissenschaftliche Untersuchungen anzuraten, um über Abschätzungen der Einflussvariablen auf den Ärztebedarf eine bessere Grundlage für gesundheits- und bildungspolitische Entscheidungen zu gewinnen.
Abstract
The problem of shortage of physicians has been discussed controversially in Germany for years, and the different positions of the interest groups involved have not been resolved. The question of the present and anticipated future requirement of physicians is central for an appropriate and necessary medical care of the population. In the analysis, supply and demand of medical care have to be distinguished. Relatively reliable data do exist for the supply of physicians; however, the changing number of working hours that male and – in particular female – physicians are willing to contribute should be taken into consideration. Reliable data for the future demand are presently not available. Several variables (e.g., demography, disease spectrum of an aging society, medical progress, the changing rules of working hours, and the shift of medical care between hospital and practice care) depend on future developments. Considering the existing serious indicators of a growing shortage of physicians, it is recommended to put more effort into the scientific investigation of these factors. More profound data should improve the basis for decisions in health and education politics.
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Interessenkonflikt
Der korrespondierende Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
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Adler, G., v.d. Knesebeck, JH. Ärztemangel und Ärztebedarf in Deutschland?. Bundesgesundheitsbl. 54, 228–237 (2011). https://doi.org/10.1007/s00103-010-1208-7
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