Trotz weltweiter Forschungsbemühungen in den letzten Jahren zählt das akute Nierenversagen (ANV) bzw. die akute Nierenschädigung („acute kidney injury“, AKI) unverändert zu einer der Komplikationen auf Intensivstationen, die mit hoher Morbidität und Mortalität einhergehen. Im Rahmen der multinationalen AKI-EPI-Studie wurde bei 57,3 % (95 %-Konfidenzintervall [KI] 55,0-29,6) der Intensivpatienten ein ANV festgestellt [7]. Andere Studien gaben bei diesem Patientenkollektiv eine Inzidenz des ANV von 20–50 % an [4, 24]. Weltweit sind 13,3 Mio. Menschen jedes Jahr von einem ANV betroffen und es wird angenommen, dass hierdurch jährlich 1,7 Mio. Todesfälle verursacht werden [15]. Die derzeit aktuellste Version der Behandlungsempfehlungen des ANV stellen die Kidney-Disease-Improving-Global-Outcomes(KDIGO)-Leitlinien aus dem Jahr 2012 dar. Auf diesen basiert auch die derzeit allgemein gültige Einteilung der Stadien des ANV. Eine Zunahme der Mortalität kann bei steigendem Schweregrad der Nierenschädigung beobachtet werden (KDIGO 1 – Odds-Ratio, OR: 2,19; 95%-KI: 1,44–3,35; KDIGO 3 – OR: 7,18; 95 %-KI: 5,13–10,04; [7]). Im Durchschnitt benötigen 5–13 % der Intensivpatienten eine Nierenersatztherapie, das entspricht etwa 25 % der Patienten mit ANV [7, 19, 30].

Beginn der Nierenersatztherapie

Die optimale Beginn der Nierenersatztherapie beim Intensivpatienten ist nach wie vor eine der ungelösten Forschungsfragen, deren Beantwortung von Experten mit der höchsten Priorität beurteilt wird [18]. Weitgehender Konsens besteht über die absoluten Kriterien zum Therapiebeginn (Tab. 1).

Tab. 1 Absolute und relative Kriterien für die Nierenersatztherapie. (Adaptiert nach [8, 11])

Abgesehen von diesen ist es weiterhin unklar, ob Patienten von einem frühzeitigen Beginn der Nierenersatztherapie bei Vorliegen von relativen Indikationen profitieren. Die deutsche ELAIN-Studie („early versus late initiation of renal replacement therapy in critically ill patients“; [36]) und die französische AKIKI-Studie („the artificial kidney initiation in kidney injury“; [6]) untersuchten diese Fragestellung. Bei ELAIN handelt es sich um eine monozentrische Studie an hauptsächlich herzchirurgischen postoperativen Patienten (n = 231). Sie teilte die Studienpopulation in eine frühe (innerhalb von 8 h nach Diagnose eines ANV im Stadium KDIGO Grad 2, n = 112) und eine späte (innerhalb von 12 h, KDIGO Grad 3 bzw. keine Initiierung; n = 119) Gruppe ein. Der Zeitunterschied von der frühen zur späten Gruppe betrug im Median 21 h. Es konnte in der frühen Gruppe eine Reduktion der 90-Tages-Mortalität (früh: 39,3 % spät: 53,6 %, p = 0,03) sowie der Wiedererlangung der Nierenfunktion am Tag 90 (früh: 53,6 % spät: 38,7 %, p = 0,02), ein kürzerer Krankenhausaufenthalt (früh: 51 Tage vs. spät: 82 Tage) sowie eine kürzere Dauer der Nierenersatztherapie (früh: 9 Tage vs. spät: 25 Tage) festgestellt werden. Keine Unterschiede konnten bei den Organdysfunktionsscores („sequential organ failure assessment score“, SOFA) sowie bei der Dauer des Intensivaufenthalts und der Notwendigkeit von Nierenersatztherapie nach Tag 90 beobachtet werden [1, 36]. Erwähnt werden muss bei der ELAIN-Studie auch der niedrige „Fragility-Index“ von 3, d. h.: Eine Änderung im Outcome von 3 Patienten einer der beiden Behandlungsgruppen hätte zu einem statistisch nicht mehr signifikanten Ergebnis geführt [1].

Der Stellenwert eines frühzeitigen Beginns der Nierenersatztherapie ist unklar

Die französische multizentrische randomisierte AKIKI-Studie umfasste 620 Patienten, und schloss im Unterschied zu ELAIN hauptsächlich internistische Patienten (79,6 %) mit ANV, KDIGO Grad 3, und mechanischer Beatmung bzw. Katecholaminunterstützung ein. Die Nierenersatztherapie startete bei der frühen Gruppe unmittelbar nach der Randomisierung, in der späten Gruppe erst bei Auftreten von Komplikationen des ANV (Oligurie/Anurie >72 h, Stickstoffwert im Blut [BUN] > 112 mg/dl, K+ > 6 mmol/l bzw. therapieresistentes K+ > 5,5 mmol/l, pH < 7,15, Lungenödem mit schwerer Hypoxämie). Es konnte kein Unterschied in der 60-Tages-Mortalität (früh: 48,5 %, spät: 49,7 %, p = 0,79) festgestellt werden. In der späten Gruppe gab es mehr nierenersatztherapiefreie Tage (früh: 19 Tage, spät: 17 Tage, p < 0,001) sowie eine geringere Anzahl von katheterassoziierten Infektionen (früh: 10 %, spät: 5 %, p = 0,03). Keine Unterschiede konnten bei der Dauer des Intensiv- bzw. Krankenhausaufenthalts sowie der Dialysepflichtigkeit am Tag 60 gezeigt werden. In der späten Gruppe erhielten 151 von 308 (49 %) Patienten keine Nierenersatztherapie. Dies ist insofern beachtenswert, als dass diese Patienten, wenn sie in die frühe Gruppe randomisiert worden wären, eine Nierenersatztherapie erhalten hätten, obwohl sie sie letzten Endes nicht benötigten [6, 22, 35].

Hinsichtlich des Therapiebeginns soll der „demand – capacity gap“ berücksichtigt werden

Erwähnenswert sind ebenfalls die unterschiedlichen Therapiemodalitäten in beiden Studien. Im Rahmen von ELAIN erhielten die Patienten eine per Protokoll vorgegebene Behandlung mit kontinuierlicher Nierenersatztherapie („continuous renal replacement therapy“, CRRT). Im Unterschied hierzu erhielt initial ein großer Teil der AKIKI-Studienpopulation (55 %) eine intermittierende Hämodialyse (IHD). Nur 32 % sind ausschließlich mit CRRT behandelt worden. Dies macht neben den unterschiedlichen Kriterien für Studieneinschluss und Therapiebeginn in den beiden Studien einen Vergleich der Endpunkte, wie Mortalität, schwierig, da man auch andere Einflussfaktoren, wie die unterschiedliche hämodynamische Beeinflussung bei CRRT und IHD, in Betracht ziehen muss. Es ist jedoch anzunehmen, dass Zentren mit hauptsächlicher Verwendung von IHD auch eine höhere Kompetenz und Routine im Management von eventuell auftretender hämodynamischer Instabilität im Rahmen der Methode aufweisen [6, 22, 36]. Die IDEAL-ICU-Studie („initiation of dialysis early versus delayed in intensive care unit“), die einen frühen vs. späten Dialysebeginn bei septischen Patienten untersuchte, wurde laut ClinicalTrials.gov (NCT01682590) im Februar 2017 abgebrochen. Mit Spannung ist die Publikation dieser Ergebnisse zu erwarten.

Die sich derzeit in der Rekrutierungsphase befindliche multizentrische multinationale STARRT-AKI-Studie („standard versus accelerated initiation of RRT in acute kidney injury“; ClinicalTrials.gov: NCT02568722) hat sich der Fragestellung eines frühen vs. späten Dialysebeginns beim ANV angenommen, mit dem Ziel die Datenlage bezüglich früherem/späterem Beginn der Nierenersatztherapie zu verbessern. Die Pilotstudie ist bereits abgeschlossen [34], die Datensammlung der Hauptstudie ist bis Anfang 2019 geplant, weshalb es hier noch dauern wird, bis sich die Ergebnisse auf den klinischen Alltag übertragen lassen. Die KDIGO-Leitlinien geben eine Empfehlung für die Initiierung einer Nierenersatztherapie, die jedoch weiterhin mehr von der Erfahrung der behandelnden Ärzte und dem klinischen Gesamteindruck als von eindeutigen Indikationen, abgesehen von den absoluten, abhängt (Tab. 1). Von den Experten der 17th Acute Disease Quality Initiative (ADQI) Consensus Conference wurde vorgeschlagen, hinsichtlich des Therapiebeginns die Diskrepanz zwischen der aktuellen Nierenfunktion und den Anforderungen an die Kapazität der Niere, bedingt durch Komorbidität, Schweregrad der akuten Erkrankung sowie Belastung durch die Infusionstherapie, zu berücksichtigen („demand – capacity gap“; [18]).

Biomarker

Bislang konnte noch kein Biomarker mit ausreichend hoher prädiktiver Aussagekraft über den idealen Initiierungszeitpunkt einer Nierenersatztherapie gefunden werden. Die bereits erwähnte ELAIN-Studie definierte ein „neutrophil gelatinase-associated lipocalin“ (NGAL) von >150 ng/ml unter anderem als Einschlusskriterium. Als erster klinisch anwendbarer Biomarkertest hat das NEPHROCHECK®-Testsystem (Astute Medical, San Diego, CA, USA), das eine Kombination von TIMP-2 und IGFBP-7 testet, von der Food and Drug Administration (FDA) im Jahr 2014 die Zulassung erhalten. Der Test ist für die Risikoabschätzung einer moderaten oder schweren akuten Nierenschädigung innerhalb der nächsten 12 h zugelassen, kann jedoch keinen eindeutigen Anhaltspunkt für die Notwendigkeit einer Nierenersatztherapie oder den idealen Initiierungszeitpunkt geben [31].

Nierenersatzverfahren

Grundsätzlich können die zur Verfügung stehenden Therapiemodalitäten in die intermittierenden und die kontinuierlichen Verfahren eingeteilt werden [10].

Intermittierende Verfahren

Die Standardmethode bei den intermittierenden Verfahren ist die IHD. Sie erlaubt eine hohe Harnstoffclearance (200–300 ml/min) in kurzer Zeit, wofür jedoch hohe Blutfluss- (200–350 ml/min) und hohe Dialysatflussraten (300–800 ml/min) nötig sind. Hierdurch kann es jedoch zu schnellen Veränderungen des Elektrolythaushalts und des Säure-Basen-Haushalts sowie der Osmolarität kommen [8, 10, 11]. Beobachtete Folgen sind Verschiebungen des zerebralen Wassergehalts und Blutdruckeinbrüche [23]. Während der Dialysesitzungen kann es zu einer Reduktion des myokardialen Blutflusses bis hin zu regionalen Wandbewegungsstörungen kommen [14]. Die Möglichkeit zum Flüssigkeitsentzug ist durch die vergleichsweise kurze Sitzungsdauer (etwa 4 h) bei einer Standard-IHD beschränkt [8]. Durch Modifikationen in der Anwendung der IHD, wie längere Therapiedauer (minimale Sitzungsdauer 4 h), Reduzierung des Blutflusses (<150ml/min), Natriumkonzentration im Dialysat (≥145 mmol/l) sowie eine Dialysattemperatur ≤37 °C kann die (hämodynamische) Verträglichkeit deutlich erhöht werden [26].

Kontinuierliche Nierenersatztherapie

Bei den kontinuierlichen Verfahren kommen 3 Modalitäten zur Anwendung. Die auf Konvektion basierende Hämofiltration (kontinuierliche venovenöse Hämofiltration, CVVH), die auf Diffusion basierende Hämodialyse (kontinuierliche venovenöse Hämodialyse, CVVHD) sowie die Hämodiafiltration (kontinuierliche venovenöse Hämodiafiltration, CVVHDF), eine Mischform aus Filtration unter zusätzlicher Verwendung eines Dialysats, wodurch sich eine Kombination aus Konvektion und Diffusion ergibt [10]. Ein Vorteil der kontinuierlichen Verfahren liegt in ausreichend hoher Harnstoffclearance bei gleichzeitig geringer Blutflussrate, wodurch sich eine bessere hämodynamische Stabilität ergibt [8, 10].

„Sustained low-efficiency dialysis“

Zusätzlich gibt es noch hybride Verfahren mit je nach Therapieprotokoll variablen Behandlungszeiten von 6–18 h pro Tag, unterschiedlichen technischen Plattformen und Behandlungsintensitäten. Als Beispiel sei hier das Verfahren der „sustained low-efficiency dialysis“ (SLED) zu nennen. Die tägliche Dialysedauer beträgt üblicherweise 8–12 h bei Blutflussraten von 100–300 ml/min und Dialysatflussraten von 100–300 ml/min. Hierdurch ergibt sich wie bei den kontinuierlichen Verfahren eine gute hämodynamische Verträglichkeit mit dem Vorteil von niedrigeren Kosten und der Möglichkeit, in den Behandlungspausen eine frühe Mobilisierung der Patienten sowie diagnostische und therapeutische Eingriffe durchzuführen [8, 11].

Peritonealdialyse

Die Peritonealdialyse wird beim ANV hauptsächlich in der Pädiatrie und in Entwicklungsländern aufgrund der einfachen Anwendung, niedrigen Kosten und niedrigen Anforderungen an die zur Verfügung stehende Infrastruktur verwendet [11].

Vergleich der verschiedenen Therapieverfahren

Tab. 2 gibt einen Überblick über die Vor- und Nachteile der jeweiligen Verfahren. Dies soll jedoch nicht suggerieren, dass eine Methode der anderen überlegen ist. Die derzeitige Datenlage lässt keinen Schluss auf einen eindeutigen Vorteil einer Methode gegenüber anderen zu. Eine im Jahr 2007 veröffentlichte Cochrane-Analyse untersuchte 15 randomisierte klinische Studien mit insgesamt 1550 Patienten im ANV. Es konnte kein Unterschied zwischen CRRT und IHD in der Krankenhausmortalität (relatives Risiko, RR: 1,01: 95 %-KI: 0,92–1,12), der Intensivmortalität (RR: 1,06; 95 %-CI: 0,90–1,26) bzw. in der Zahl der überlebenden Patienten, die keine weitere Nierenersatztherapie benötigen (RR: 0,99; 95 %-KI: 0,92–1,07) festgestellt werden. Die Patienten unterschieden sich ebenfalls nicht bezüglich hämodynamischer Instabilität (RR: 0,48; 95 %-KI: 0,10–2,28) oder Hypotension (RR: 0,92; 95 %-KI: 0,72–1,16) sowie der Notwendigkeit einer Intensivierung der Vasopressortherapie (RR: 0,53; 95 %-KI: 0,26–1,08). Patienten unter CRRT hatten jedoch einen signifikant höheren arteriellen Mitteldruck (MD: 5,35; 95 %-CI: 1,41–9,29). Zusammenfassend wird festgestellt, dass bei hämodynamisch stabilen Patienten die Modalität der Nierenersatztherapie keinen signifikanten Einfluss auf das Outcome der Patienten hat, jedoch bei hämodynamisch instabilen Patienten möglicherweise die CRRT von Vorteil ist [20, 25, 28].

Dieser Evidenzlage folgend schlagen die KDIGO-Leitlinien lediglich bei hämodynamisch instabilen und bei Patienten mit akuten Hirnverletzungen, erhöhtem intrakraniellem Druck bzw. generalisiertem Hirnödem vor, die CRRT der IHD vorzuziehen [3, 11]. Bei Patienten mit Volumenüberladung konnte in einer rezenten Analyse ein Vorteil in der Mortalität durch kontinuierliche Behandlung im Vergleich zur IHD bestätigt werden. Allerdings zeigte sich bei hämodynamisch stabilen Patienten eine höhere Mortalität in der CRRT-Gruppe [28].

Tab. 2 Vergleich der theoretischen Vor-/Nachteile von CRRT, IHD, SLED und PD. (Adaptiert nach [11])

Bei hämodynamisch instabilen Patienten ist die CRRT zu bevorzugen

Ein kürzlich aufgekommener Diskussionspunkt ist der Einfluss des Therapieverfahrens auf die Erholung der Nierenfunktion: In einer Metaanalyse zeigte sich bei der Auswertung der eingeschlossenen randomisierten Studien kein Unterschied im Risiko für chronische Dialyse nach initialer Behandlung mit CRRT bzw. IHD. Die Analyse der Beobachtungsstudien ergab jedoch eine höhere Rate an chronischer Dialyse bei Patienten, die initial mit IHD behandelt wurden. Eine andere Studie zeigte bei 1:1-gematchten Patienten eine Inzidenz der chronischen Dialyse von 6,5 pro 100 Personenjahre bei mit CRRT behandelten Patienten und eine Inzidenz von 8,2 pro 100 Personenjahre bei initial mit IHD behandelten Patienten. Dies entspricht einer relativen Risikoreduktion von 25 % [33]. Diese Ergebnisse ließen sich in einer großen französischen Analyse an 1360 Patienten aber nicht reproduzieren [28]. In Zusammenschau der Studien lässt sich weiterhin keine eindeutige Aussage über einen Vorteil der kontinuierlichen Verfahren in Bezug auf die Langzeitinzidenz der chronischen Dialyse treffen.

Bei der Wahl der Therapieform kommt es auf die Bedürfnisse der Patienten an

Zusammenfassend kommt es bei der Wahl der Therapieform auf die Verfügbarkeit der verschiedenen Methoden, der Erfahrung des Behandlungsteams und die individuellen Bedürfnisse der Patienten an. Wichtige klinische Aspekte, wie Frühmobilisierung sowie Bedarf und Flüssigkeitsentzug, müssen dabei berücksichtigt werden.

Behandlungsdosis

Die Behandlungsdosis wird bei den Nierenersatzverfahren definiert als Clearance für kleinmolekulare Substanzen, meist Harnstoff. Bei kontinuierlichen Verfahren wird die stündliche Ultrafiltrations- bzw. Dialysedosis in Relation zum Körpergewicht gesetzt (ml/kgKG und Stunde). Bei den intermittierenden Verfahren wird die Dosis üblicherweise als Kt/V angegeben. Kt/V ist das Produkt von Hanstoffclearance (K) und Dialysedauer (t) bezogen auf das Harnstoffverteilungsvolumen (V).

Die ideale Therapiedosis war die zentrale Fragestellung mehrerer großer randomisierter Studien. In diesen zeigte sich kein Vorteil zwischen einer Dosis von 20–25 ml/kgKG und Stunde gegenüber höheren Dosen [21, 12, 17]. Ultrahohe Dosen, wie die bei Sepsis teilweise praktizierte High-volume-Hämofiltration (Ultrafiltrationsraten über 50 ml/kgKG und Stunde) mit dem Ziel einer verbesserten Clearance von Mediatoren, brachten ebenfalls keinen Vorteil und sollten unter dem Aspekt der erhöhten Nebenwirkungsrate (z. B. insuffiziente Antibiotikaspiegel, Hypophosphatämie) vermieden werden [12].

Im klinischen Alltag kann die verschriebene Dosis von der tatsächlich erhaltenen abweichen

Unterstützt werden diese Daten durch einen Cochrane-Review. Dieser zeigte ebenfalls keinen Vorteil einer höheren Dosis, lediglich bei postoperativen Patienten konnte in dieser Gruppe ein Vorteil in Bezug auf Mortalität gezeigt werden [5]. Zu beachten ist, dass im klinischen Alltag die verschriebene Dosis von der Dosis, die der Patient tatsächlich erhält, signifikant abweichen kann. Unterbrechungen in der Behandlung für diagnostische und therapeutische Eingriffe können sich beispielsweise auf die tatsächlich verabreichte Dosis auswirken. Die KDIGO-Leitlinien empfehlen ein Dialysat-/Filtrat-Volumen von 20–25 ml/kgKG und Stunde und bei intermittierenden Verfahren ein wöchentliches Kt/V von 3,9 [11].

Gefäßzugang

Bei der Auswahl der Zugangswege für den Dialysekatheter beim ANV empfehlen sowohl die Centers for Disease Control and Prevention (CDC) als auch die KDIGO-Leitlinien, auf einen Zugang über die Vena (V.) subclavia sowohl wegen des erhöhten Risiko für Stenosen als auch einer eventuell eingeschränkten späteren Verwendung für einen dauerhaften Zugang bei chronischer Dialysepflichtigkeit zu verzichten [11, 32]. Unter Beachtung des Infektionsrisikos sind die V. femoralis und die rechte V. jugularis interna als gleichwertig anzusehen. Bei Patienten mit einem Body-Mass-Index größer 28 kg/m2 ist ein Zugang über die V. jugularis interna vorzuziehen, weil bei diesen Patienten ein erhöhtes Infektionsrisiko bei Kathetern über die V. femoralis gefunden wurde [32]. Zwischen V. jugularis interna und V. femoralis bestand in Bezug auf eine Katheterdysfunktion kein Unterschied, in einer Subgruppenanalyse zeigte sich jedoch ein erhöhtes Risiko hierfür bei Verwendung der linken V. jugularis interna.

Die Anlage eines Dialysekatheters in die V. subclavia sollte vermieden werden

Somit ist dieser Zugangsweg erst an 3. Stelle in Betracht zu ziehen. Das distale Katheternde soll in einer großkalibrigen Vene mit hohem Blutfluss positioniert werden um eine gute Katheterleistung und eine effektive Dialyse sicherzustellen. Bei V.-Femoralis-Kathetern sollte eine Länge ≥24 cm und ein Durchmesser >12 F gewählt werden [11, 32]. Sobald ein Dialysekatheter nicht mehr benötigt wird, sollte dieser entfernt werden, um einer Infektion vorzubeugen [32].

Antikoagulation

Das vorzeitige „clotting“ des Filters insbesondere bei der kontinuierlichen Nierenersatztherapie führt zu erhöhtem Blutverlust, Arbeitsaufwand und Kosten. Durch den Kontakt von Blut mit Fremdoberflächen sowie Blut-Luft-Kontakt in der Luftfalle und auftretende Scherkräfte kommt es zur Aktivierung der Blutgerinnung [9]. Neben der Antikoagulation dienen jedoch auch bestimmte Grundeinstellungen (z. B. Filtrationsfraktion <25 %, Infobox 1) einer Optimierung der Filterlaufzeit [9]. Den KDIGO-Leitlinien folgend sollte die Wahl der Antikoagulation individuell auf den jeweiligen Patienten bezogen getroffen werden. Abb. 1 zeigt den von den KDIGO-Leitlinien vorgeschlagenen Entscheidungsprozess.

Die Wahl der Antikoagulation sollte auf die individuelle Situation des Patienten angepasst werden

Generell wird bei Patienten, die keine Koagulopathie aufweisen und nicht systemisch antikoaguliert sind, die Durchführung einer Antikoagulation während der Nierenersatztherapie empfohlen. Bei der intermittierenden Hämodialyse erfolgt dies üblicherweise durch die Verwendung von unfraktioniertem bzw. niedermolekularen Heparin. Bei der CRRT lautet die KDIGO-Empfehlung, eine regionale Zitratantikoagulation bei Fehlen von Kontraindikationen der Gabe von Heparin vorzuziehen [11]. Im Vergleich zu einer Antikoagulation mittels Heparin führt die regionale Zitratantikoagulation zu einer Reduktion des Blutungsrisikos, vermindertem Auftreten von HIT und Filter Clotting. Des Weiteren zeigt sich ein deutlicher Kostenvorteil der Zitratantikoagulation aufgrund einer längeren Lebensdauer des Filters und eines niedrigeren Personalaufwands. Die Mortalität der Patienten wird dadurch allerdings nicht beeinflusst [2, 13].

Abb. 1
figure 1

Empfohlene Antikoagulation adaptiert nach [11]. CRRT „continuous renal replacement therapy“, HIT heparininduzierte Thrombozytopenie, IHD intermittierende Hämodialyse, NET Nierenersatztherapie. (In runden Klammern: Empfehlungsniveau laut Kidney Disease: Improving Global Outcomes [KDIGO])

Infobox 1 Allgemeine Maßnahmen gegen Filter-Clotting

  • Adäquater Blutfluss

  • Filtrationsfaktion <25 %

  • Vermeidung von Blutflussunterbrechungen

  • Biokompatible Membranen

  • Systeme ohne Blut-Luft-Kontakt

  • Optimaler Gefäßzugang

  • Training der Pflegenden zur gezielten und raschen Reaktion auf Alarmmeldungen

Als Kontraindikation gegen Zitrat gelten eine schwere Einschränkung der Leberfunktion oder ein schwerer Schock mit verminderter Organ- und Muskeldurchblutung, die beide das Risiko einer Zitratakkumulation beinhalten. In dieser Situation wird von den KDIGO-Leitlinien empfohlen, unfraktioniertes oder niedermolekulares Heparin einzusetzen. In der L-CAT Studie (the Liver Citrate Anticoagulation Threshold observational study) konnte jedoch gezeigt werden, dass bei enstprechender Vorsicht (Monitoring von Zitratakkumulation und Dosisanpassung) auch bei Patienten mit eingeschränkter Leberfunktion eine Zitratantikoagulation sicher angewendet werden kann [27].

Ein Leberversagen gilt als Kontraindikation gegen Zitrat

Bei Vorliegen eines erhöhten Blutungsrisikos wird vorgeschlagen, bei fehlenden Kontraindikationen eher eine Zitratantikoagulation durchzuführen als auf eine Antikoagulation ganz zu verzichten. Eine regionale Antikoagulation mit Heparin wird nicht empfohlen.

Bei Patienten mit HIT muss jegliche Heparinzufuhr sofort beendet werden. Hier lautet die KDIGO-Empfehlung, direkte Thrombininhibitoren (bevorzugt Argatroban) oder Faktor-Xa-Inhibitoren (z. B. Danaparoid) einzusetzen, bevor auf eine Antikoagulation gänzlich verzichtet wird [3, 9, 11].

Beendigung der Nierenersatztherapie

Die Beendigung der Nierenersatztherapie erfolgt primär wegen Erholung der Nierenfunktion, die Entscheidung zum Therapierückzug kann aber z. B. auch bei einer Therapiezieländerung hin zum palliativen Setting erfolgen. In 2 randomisierten klinischen Studien betrug die durchschnittliche Dauer der Nierenersatztherapie bei Intensivpatienten 11–13 Tage [21, 17]. Eine wiedereinsetzende Spontandiurese von mehr als 450 ml/24 h zeigte in einer retrospektiven Studie die höchste Vorhersagekraft für eine Erholung der Nierenfunktion und kann als Indikator für die eventuell mögliche Beendigung der Nierenersatztherapie herangezogen werden [8, 16, 29]. Von der Anwendung von Diuretika zur Erhöhung der Spontanharnmenge bzw. zur Vermeidung von Nierenersatztherapie wird in den KDIGO-Leitlinien abgeraten [8, 11, 29].

Fazit für die Praxis

  • In den letzten Jahren kam es zu rasanten technischen Entwicklungen im Bereich des ANV und der Nierenersatztechniken.

  • Die kontinuierlichen Verfahren entwickeln sich bei Intensivpatienten im europäischen Raum zunehmend zur häufigsten Therapiemodalität. Sie zeigen besonders bei hämodynamisch instabilen und volumenüberladenen Patienten einen Vorteil.

  • Im Gerinnungsmanagement während der Behandlung entwickelt sich die Zitratantikoagulation zunehmend zum Standard.