Die Volumentherapie ist ohne Zweifel ein zentraler Bestandteil für eine erfolgreiche Therapie von kritisch kranken Intensivpatienten. Sie wird täglich insbesondere bei Patienten im Schock oder bei hämodynamischer Instabilität durchgeführt, um die Aufrechterhaltung eines ausreichenden intravasalen Volumens und adäquaten Sauerstoffangebots sicherzustellen und konsekutiv eine adäquate Gewebeoxygenierung, Gewebeperfusion und Organfunktion insgesamt zu erreichen.

Dennoch gab es kaum ein anderes Thema in der Intensivmedizin, das über viele Jahre sehr emotional diskutiert worden ist. Auch die Ergebnisse der großen prospektiven und randomisierten Multizenterstudien VISEP, 6S, CHEST und CRISTAL waren Gegenstand der Diskussion. Die Ergebnisse dieser Studien führten zu einem Pharmakovigilanzverfahren der europäischen Zulassungsbehörde, die den Einsatz von Hydroxyethylstärke bei kritisch kranken Patienten sehr deutlich einschränkte.

Die Verwendung von 0,9 %iger NaCl-Lösung ist als Volumenersatz obsolet

In dieser Situation, die bei vielen Anwendern eine große Verunsicherung verursachte, entschloss sich die Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI), eine S3-Leitlinie über die Volumentherapie zu initiieren und zu koordinieren. Gemeinsam mit den Delegierten und Präsidien von 14 medizinischen Fachgesellschaften gelang es, in einem sehr arbeitsintensiven, aber immer konsensorientierten Prozess 42 praxisrelevante und in der Praxis anwendbare evidenzbasierte Empfehlungen und 6 Statements über die Volumentherapie zu verabschieden [1].

Da diese Leitlinie die größtmögliche methodische und inhaltliche Qualität erreichen sollte, entschloss sich die DGAI, Methodenexperten zu beauftragen, um mit diesen gemeinsam die Leitlinie zu erstellen. Es gelang, das Institut für Forschung in der Operativen Medizin unter der Leitung von Herrn Prof. Neugebauer für diese Aufgabe zu gewinnen. Jedes einzelne Abstract, jede Publikation und jede Evidenztabelle wurde sowohl von Klinikern als auch Methodenexperten beurteilt und konsentiert – und der Lohn dieses gewaltigen Arbeitsaufwands sind sehr robuste evidenzbasierte Empfehlungen für die Volumentherapie.

Im Rahmen dieses vorliegenden Themenschwerpunkts haben Ihnen Experten, die auch Mitglieder der Leitliniengruppe sind, mit ihren Mitarbeiten die gegenwärtige medizinische Evidenz kompetent und kritisch zusammengefasst. In dem Beitrag von Herrn Janssens und Herrn Kluge werden die wichtigen Themen Diagnose, Indikation und Steuerung behandelt. In der Leitlinie hat dieser Themenkomplex den sehr notwendigen Stellenwert. Unter anderem wird die hochevidente Empfehlung dargestellt, dass man die Messung des zentralvenösen Drucks nicht zur Diagnostik eines Volumenmangels verwenden kann.

Im nächsten Beitrag beschreiben Herr Waydhas und Kollegen sehr präzise den evidenzbasierten Einsatz von Kristalloiden bei Interventionen und Operationen. In diesem Beitrag wird deutlich, dass die Verwendung von 0,9 %iger NaCl-Lösung als kristalloider Volumenersatz obsolet ist.

Die Kollegen Artmann, Gan und Kranke stellen im nächsten Beitrag ausführlich die Indikationen und Limitationen für den Einsatz von Kolloiden bei Interventionen und Operationen dar – ein spannendes Thema mit klaren Handlungsempfehlungen.

Der Einsatz von Kristalloiden und Kolloiden in der Intensivmedizin sind die Themen der beiden letzten Beiträge von Herrn Wildenauer, respektive Herrn Brülls und Herrn Schindler. Auch hier sind jetzt sehr klare Handlungsempfehlungen vorhanden.

Die Erstellung einer S3-Leitlinie ist eine herausfordernde Aufgabe, wesentlich wichtiger und noch herausfordernder ist jedoch die Translation der evidenzbasierten Volumentherapie zum Patienten.

Die Translation der evidenzbasierten Volumentherapie zum Patienten ist wichtig

In der täglichen Praxis liegt es an uns, die Evidenz in die klinische Praxis umzuwandeln und wir müssen dafür vielleicht an der einen oder anderen Stelle unser klinisches Vorgehen modifizieren.

Abschließend möchte ich mich bei allen sehr bedanken, die an der Erstellung der Leitlinie beteiligt waren!

Ich wünsche eine interessante und aufschlussreiche Lektüre,

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Ihr

Prof. Dr. Gernot Marx