Infektionen und Sepsis beherrschen den intensivmedizinischen Alltag und machen Antibiotika zur wichtigsten Medikamentengruppe auf Intensivstationen. Die Herausgeber der Zeitschrift, die im Jahr 2012 das Themenheft Grundwissen zur Antibiotikatherapie planten, hatten in ihrer täglichen klinischen Praxis übereinstimmend Defizite im Wissen über und zum Umgang mit Antibiotika ausgemacht. Diese schlagen sich besonders in einer inadäquaten Initialtherapie nieder und beeinflussen darüber hinaus den gesamten Behandlungszeitraum.

Inadäquate Initialtherapie trägt zu erheblicher Übersterblichkeit bei

Inadäquate Initialtherapie trägt zu erheblicher Übersterblichkeit bei. Die Rate inadäquater Behandlungen im stationären Bereich beträgt derzeit 20–70 %. Inadäquate Antibiotikatherapie wurde zudem als eine wichtige Ursache von Resistenzentwicklung und nosokomialer Infektion ausgemacht. Die Prävalenz von Bakterien, die Extended-spectrum-β-Lactamasen (ESBL) bilden, hat sich zwischen 2002 und 2009 verfünffacht. Mindestens 25.000 Menschen sterben jährlich im Gebiet der Europäischen Union an Infektionen mit multiresistenten Erregern, 3- und 4-fach multiresistente gramnegative Erreger (MRGN) sind Wortschöpfungen der letzten Jahre. Die Senkung der Sterblichkeit an schwerer Sepsis und septischem Schock stagniert bei etwa 50 %. Licht im Tunnel ist nicht zu erkennen, erst recht nicht, wenn in den Jahren 2008–2012 nur 2 Antibiotikaneuzulassungen erfolgten.

Vor diesem dramatischen Hintergrund erfolgt tägliches ärztliches Handeln. Die Philosophie im Umgang mit Antibiotika muss sich ändern und dieses Themenheft soll dazu Grundwissen vermitteln.

Im Zentrum des Themenhefts steht der Beitrag zur „Tarragona-Strategie“. Er transformiert die für die Therapie der nosokomialen Pneumonie geschaffene Strategie auf die generelle Antibiotikatherapie in der Intensivstation. Durch strukturiertes Denken entlang eingängiger Schlagworte wird die Mobilisation ärztlichen Wissens in Akutsituationen erleichtert und sog. chaotisches Denken unterdrückt. Wesentliche Aspekte dieses klinischen Beitrags werden im Themenheft spezieller beleuchtet, um das Verständnis für die Forderungen der sog. Tarragona-Strategie zu vertiefen.

Das betrifft zunächst die Pharmakokinetik und Pharmakodynamik sowie deren Spezifik bei kritisch Kranken. Es erfolgen diesbezügliche Zielvorgaben und Dosierungsempfehlungen beim Einsatz kontinuierlicher Nierenersatzverfahren auf der Intensivstation.

Im Weiteren werden Wirkprinzipien der Antibiotika, Resistenzmechanismen und Indikationsgebiete einzelner Antibiotikagruppen dargestellt. Der Beitrag widmet sich auch dem Sinn von Kombinationstherapien, die bei zunehmender Resistenzentwicklung wieder mehr in den Fokus des Klinikers rücken.

Kombinationstherapien rücken bei zunehmender Resistenzentwicklung in den Fokus

Für den Erfolg einer antibiotischen Therapie ist entscheidend, ob die notwendige Antibiotikakonzentration am Ort der Infektion erreicht wird. Bei kritisch Kranken besteht eine erhöhte Variabilität der Gewebepenetration gegenüber Gesunden. Das Wissen darüber ist lückenhaft. Es werden klinisch bereits einsetzbare Verfahren dargestellt, Gewebekonzentrationen der Antibiotika am Ort der Infektion zu messen.

Schließlich unterzieht der Mikrobiologe die Verfahren der Resistenzbestimmung einer kritischen Betrachtung. Das Fazit geht dahin, dass der Kliniker nicht nur das kategorisierte Testergebnis als sensibel, intermediär oder resistent, sondern auch die minimale Hemmkonzentration (MHK) vor dem Hintergrund des Testverfahrens seines örtlichen Labors kennen und interpretieren können muss. Die Kategorisierung sollte nach Empfehlung von European Committee on Antimicrobial Susceptibility Testing (EUCAST) erfolgen.

Schließlich werden klinische Befunde und Laborparameter vermittelt, nach denen eine antibiotische Therapie deeskaliert oder beendet werden kann. Eine üblicherweise zu langdauernde antibiotische Therapie birgt die Gefahr von Selektion und Resistenzentwicklung mit allen Folgen, über die das Themenheft Wissen vermitteln will. Antibiotikakosten spielen eine sekundäre Rolle. Die Therapie wird dann kostspielig, wenn keine adäquate Antibiotikatherapie erfolgt.