Die Ernährungstherapie – und dies ist inzwischen wohl allgemein anerkannt – ist ebenso wie beispielsweise die Beatmungstherapie oder das hämodynamische Management eine unverzichtbare Säule in der Therapie jedes Intensivpatienten.

Nicht jeder Intensivpatient bedarf frühzeitig einer kalorienbedarfsdeckenden kombinierten enteralen-/parenteralen Ernährung. Es besteht jedoch Einigkeit, dass mangelernährte Patienten mit eingeschränkter enteraler Toleranz oder solche mit Organdysfunktion, bei denen ein längerer Intensivaufenthalt vorausgesehen werden muss, innerhalb von 3 bis 5 Tagen zusätzlich parenteral ernährt werden.

Die Herausforderung ist es für den Intensivmediziner, mit seiner klinischen Erfahrung die geeigneten Risikopatienten zu erkennen. Zusätzliche metabolische Probleme der Substratutilisation sind beim Vorliegen einer Organinsuffizienz zu erwarten.

Metabolische Probleme der Substratutilisation sind bei Organinsuffizienz zu erwarten

Die Ernährung muss qualitativ optimal zusammengesetzt und vollständig sein und sollte quantitativ ausreichend verabreicht werden.

In den letzten Jahren sind mehrere Studien erschienen, die verschiedene Aspekte der Ernährungstherapie von Intensivpatienten sehr kritisch beleuchtet haben und in der Fachpresse breit diskutiert wurden. Dies betraf aber nicht die grundsätzliche Notwendigkeit der Ernährung an sich sondern Fragen der optimalen Form der Ernährung, der Zusammensetzung, des Zufuhrwegs, der Geschwindigkeit des Ernährungsaufbaus bzw. auch der Wirkung besonderer Ernährungszusätze, wie spezifischer Substrate (sog. Pharmakonutrients).

Die Frage, welchen Einfluss Organversagen auf die Ernährungstherapie ausüben, ist als ein Aspekt der Ernährungstherapie von Intensivpatienten in diesen Diskussionen der letzten Jahre weitgehend vernachlässigt worden. Wie wird der Stoffwechsel und Substratbedarf durch Organversagen modifiziert? Erfordern diese die Verwendung spezieller Nährstoffe? Ist die Ernährung dabei gänzlich unterschiedlich oder eher als eine Adaptierung einer Intensivernährung zu sehen?

Wegen der großen Unsicherheiten zu diesem wichtigen Thema haben wir uns entschlossen, diesen Fragen ein Themenheft Ernährung bei Organinsuffizienz zu widmen. In den einzelnen Beiträgen wird von namhaften Experten der Einfluss von Organinsuffizienz auf Stoffwechsel und Ernährung abgehandelt, wobei die klassischen Organversagen von Lunge bzw. Niere oder Leber, das Darmversagen und die schwere akute Pankreatitis besprochen werden.

Aus diesen Beiträgen geht hervor, dass sich die Ernährungstherapie von Intensivpatienten mit Organversagen nicht grundsätzlich von der bei anderen Patienten unterscheidet. Jedoch wird auch klar, dass verschiedene Organversagen bzw. im Fall des Nierenversagen auch die durchgeführten (extrakorporalen) Therapiemaßnahmen einen ausgeprägten Einfluss auf den Stoffwechsel und den Substratbedarf haben.

Verschiedene Organversagen haben einen Einfluss auf Stoffwechsel und Substratbedarf

Diese vielfältigen Änderungen müssen in der Planung und Durchführung der Ernährungstherapie berücksichtigt werden.

Die Autoren dieser Ausgabe sind nicht nur anerkannte Experten auf ihrem Gebiet sondern sind auch federführend an den Leitlinien zur enteralen und parenteralen Ernährung, die derzeit von der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin (DGEM) erarbeitet werden, beteiligt. Damit ist gewährleistet, dass die Beiträge in diesem Themenheft dem aktuellsten Stand der Wissenschaft entsprechen.

Wilfred Druml Arved Weimann