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Zusammenfassung

Bei dem Versuch, die anankastische Depression unter klinischen Gesichtspunkten zu untersuchen und zu beschreiben, gingen wir von 62 Patienten aus, die sich in den letzten 10 Jahren wegen dieser Krankheit in stationärer Behandlung der Nervenklinik der Universität München befanden. Sie wurden einer Kontrollgruppe von 85 Depressionen ohne Zwang und 77 Zwangskranken ohne Melancholie gegenübergestellt.

Die Primärpersönlichkeit unserer Probanden zeichnete sich in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle durch Selbstunsicherheit, Ordentlichkeit und übermäßige Gewissenhaftigkeit aus; diese Charaktereigenschaften verbanden sich häufig mit einem heiteren Temperament, kräftiger Vitalität und weltoffener Lebenseinstellung und waren damit innerhalb der Gesamtpersönlichkeit gut ausbalanciert. Anankastische Symptome waren daher bei vielen Probanden in normalen Zeiten nicht oder nur in geringem Umfang vorhanden. Erst das Zusammenwirken der selbstunsicheren Charakteranlage mit den depressiven Grundstörungen schuf im allgemeinen jene Konstellation, aus welcher sich die Zwangserscheinungen entwickeln konnten. Darüber hinaus kam situativen Einflüssen vielfach eine entscheidende Bedeutung bei der Provokation und anankastischen Gestaltung melancholischer Phasen zu. In der Auswahl der anankastischen Symptome kam die extraversive, kommunikative Werthaltung der syntonen Persönlichkeit deutlich zum Ausdruck. Die Zwangserscheinungen beeinflußten das Erscheinungsbild der endogenen Depression in charakteristischer Weise. Zwang und Depression wirkten wechselseitig aufeinander ein und bildeten ein neues Ganzes, das einen eigenen, durch zahlreiche Merkmale gekennzeichneten Verlaufstyp der Melancholie darstellt.

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Lauter, H. Die anankastische Depression. Archiv für Psychiatrie und Zeitschrift f. d. ges. Neurologie 203, 433–451 (1962). https://doi.org/10.1007/BF00356308

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