1. Einführung
2. Zielsetzung
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Empfehlungen für die Abklärung und Zuordnung von Symptomen bzw. Erkrankungen in zeitlichem Zusammenhang mit einer Infektion mit SARS-CoV-2:
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Ausschluss/Abklärung von Erkrankungen aus anderer Ursache
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Erkennen organisch-struktureller Ursachen als Folge der Erkrankung und/oder ihrer Komplikationen
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Erkennen einer Verschlechterung vorbestehender Grundkrankheiten im Gefolge von COVID‑19
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Abgrenzung anhaltender unspezifischer und funktioneller Störungen nach Akuterkrankung an SARS-CoV‑2 von organisch-struktureller Ursachen
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Empfehlungen zur Behandlung der zugeordneten Störungen und Beschwerden
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Empfehlungen zu Betreuung und Coping
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Empfehlungen zur Vermeidung iatrogener Verstärkung, sowie sekundärer Chronifizierung
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Empfehlungen zu Rehabilitationsbedarf und -optionen
3. Aufbau
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Grundlagenwissen „Long COVID“
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Definition und Bedeutung, Charakteristika
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Pathomechanismen
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Organsysteme: Auswirkungen von COVID‑19 und organspezifische Folgen
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Differenzialdiagnostik häufiger Symptome
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Behandlung, Begleitung, Betreuung
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Nachsorge/Rehabilitation
4. Definition „Long COVID“
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Akuterkrankung COVID‑19: Befunde und Symptome von COVID‑19 bis zu 4 Wochen
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Anhaltende Symptome von COVID‑19: 4–12 Wochen
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Post-COVID Syndrom: Befunde und Symptome, die während oder nach einer Infektion mit SARS-Cov‑2 entstehen und zu den bei COVID‑19 beobachteten Symptomen passen, mehr als 12 Wochen bestehen und bei denen keine andere erkennbare Ursache vorliegt
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Akutes Post-COVID: 3–12 Wochen nach COVID‑19: Symptome über die ersten 3 Wochen nach Erkrankungsbeginn hinaus
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Chronisches Post-COVID: > 12 Wochen nach Beginn der Akuterkrankung
5. Bedeutung
6. Symptomatik
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Brustschmerzen oder Brustenge
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Husten
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Arthralgien
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Muskelschmerzen
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Neuropathische Schmerzen bzw. und andere Sensibilitätsstörungen (u. a. Missempfindungen, Taubheit), beschrieben auch als „pins and needles and numbness“
7. Pathomechanismen – was ist bekannt
7.1. Chronische Entzündung
7.2. Persistenz von Viren bzw. Virusbestandteilen
7.3. Spezielle Aspekte
7.3.1. Pathophysiologie der COVID-19 Riechstörung
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Die COVID‑19 bedingte Riechstörung entsteht durch eine Schädigung der Stützzellen der Riechschleimhaut.
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Bei Schädigung der Riechnervenzellen kommt es zu einer langfristigen, evtl. dauerhaften Störung.
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Eine zentrale Schädigung (z. B. Bulbus olfactorius) gilt als weniger wahrscheinlich.
8. Organsysteme – Übersicht: Leitsymptome und Krankheitsbilder
8.1. Pneumologie/Infektiologie
8.1.1. Pneumologische Leitsymptome im Zusammenhang mit Long COVID
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Dyspnoe im Rahmen von Long COVID äußert sich vor allem als Kurzatmigkeit bei Belastung, und findet sich häufiger nach schwerem Verlauf (nach 3 Monaten noch in ca. 40 %) [50], aber auch nach nicht-hospitalisiertem Verlauf (in ca. 10 %) [10]. Eine milde Dyspnoe über einige Wochen nach der Akuterkrankung wird häufig berichtet. Wenn diese aber nach der Infektion akut neu aufgetreten, zunehmend, oder mehr als nur milde ist, wenn sie den Alltag einschränkt, oder mit weiteren Symptomen einhergeht, erfolgt die differenzialdiagnostische Abklärung
-
Husten nach akuter Erkrankung findet sich häufig, z. B. noch in 17 % nach 3 Monaten [50]. Bei persistierendem Husten ist leitliniengemäß eine Abgrenzung zu nicht pneumologischen Hustenursachen zu empfehlen, bzw. die weiterführende Diagnostik wie bei jedem anderen Husten.
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Rezidiverende Infektionen: Sekundäre bakterielle, virale oder fungale Infektionen nach COVID v. a. nach SARS-CoV2 assoziierter Lungeninfektion
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Das Ausmaß einer persistierenden Immunsuppression und einer dadurch bedingten erhöhten Infektionsanfälligkeit (wie bei Masern) ist für COVID‑19 noch nicht ausreichend untersucht
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Thorakale Beschwerden treten häufig bei Patient:innen noch Wochen nach akuter Infektion auf. Die Ätiologie ist unklar, möglicherweise Folge der suszipierten autonomen Dysfunktion und Muskelschwäche im Rahmen von Long COVID bzw. des Post-COVID‑19 Syndroms.Beispielsweise gibt es bei physiotherapeutischen Untersuchungen Hinweise für eine Einschränkung der Zwerchfellmobilität sowie Hinweise auf eine Muskelschwäche der Atemmuskulatur [51].
8.1.2. Krankheitsbilder mit möglicher Assoziation zu Long COVID
-
Bei akuter Dyspnoe mit D‑Dimer Erhöhung oder anhaltender Dyspnoe mit Belastungsdesaturation oder Zeichen einer pulmonalen Hypertonie oder nur geringen strukturellen Veränderungen (unverhältnismäßig zur Dyspnoe) ist ein Angio-CT indiziert.
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Ein regelmäßiges Screening nach Mikroembolien ist in der Routine nicht empfohlen.
8.1.3. Methoden der pneumologischen Abklärung
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In Ruhe (Spirometrie, Bodyplethysmographie, Diffusionskapazität, Blutgasanalyse, maximale inspiratorische Atemmuskelkraftmessung (MIP oder PImax)) und
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unter Belastung (z. B. 1 Minute-Sit to Stand Test, 6‑Minuten Gehtest, Spiro‑/Ergometrie),
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pathologischer Lungenfunktion (FVC, TLC) oder
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pathologischem Blutgasbefund (SpO2 in Ruhe oder Belastung) oder
8.2. Kardiologie
8.2.1. Allgemeines
8.2.2. Kardiologische Leitsymptome im Zusammenhang mit COVID-19
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Orthostaseintoleranz
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Tachykardie bei Orthostase
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Palpitationen
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Schwindelgefühl („dizziness“)
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Sehstörungen
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Präsynkopen
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Belastungsintoleranz
8.2.3. Weitere kardiale Krankheitsbilder im Zusammenhang mit COVID-19
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Akute Perikarditis
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Beschwerden ohne spezifische Ätiologie wie Palpitationen, Kreislauflabilität (s. a. Abschn. 10.8., 10.9.)
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Akute Herzinsuffizienz bis zum Lungenödem
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Akutes Koronarsyndrom (NSTEMI, STEMI)
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Akute Stresskardiomyopathie
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Akute Myokarditis
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Supraventrikuläre und ventrikuläre Arrhythmien (am häufigsten Vorhofflimmern)
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Akute rechtsventrikuläre Dysfunktion (nicht nur bei Lungenembolie)
8.2.4. Methoden der kardiologischen Abklärung
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Die physikalische Untersuchung dient der Erkennung von Zeichen einer hydropischen Dekompensation und umfasst auch die Blutdruckmessung.
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Mittels 12 Kanal-EKG werden Frequenz und Rhythmus sowie allfällige Rhythmusstörungen erfasst. Unspezifische Veränderungen können bereits auf eine Herzinsuffizienz oder eine KHK hinweisen.
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Eine Laboruntersuchung zum Ausschluss anderer internistischer Ursachen für Dyspnoe soll bei (klinischen oder anamnestischen) Hinweisen auf Herzinsuffizienz bereits die Bestimmung eines NTproBNP inkludieren. Ein NTproBNP Wert < 125 pg/ml schließt das Vorhandensein einer symptomatischen Herzinsuffizienz weitgehend aus [62].
-
Die Echokardiographie ist beweisend für die Diagnostik von verschiedenen Formen der Herzinsuffizienz (HFpEF bis HFrEF), wegweisend für die Erfassung einer pulmonal-arteriellen Hypertension und liefert Hinweise auf eine KHK (z. B. Narben nach abgelaufenem Herzinfarkt).
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Belastungsergometrie – diese hat aufgrund der geringen Sensitivität im diagnostischen Algorithmus zur Abklärung einer koronaren Herzkrankheit mittlerweile einen geringeren Stellenwert. Sie wird aufgrund der guten Verfügbarkeit als Vorfelddiagnostik aber immer noch häufig eingesetzt. Sollte sich der Verdacht auf das Vorliegen einer koronaren Herzerkrankung erhärten, kommen je nach Höhe der Vortestwahrscheinlichkeit weitere nicht invasive Untersuchungsmethoden (Myokardszintigraphie, Stressechokardiographie, Koronar-CT) oder die Koronarangiographie zur Anwendung. Im Rahmen von Long COVID ist die Objektivierung einer Leistungseinschränkung ein Vorteil der Ergometrie.
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Der nicht-invasive Gold-Standard für die Diagnose einer Myokarditis ist die Kernspintomographie, die in kleinen Fallserien nicht selten Myokarditis-typische Veränderungen nach COVID‑19 zeigte [59].
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Kipptischuntersuchung bei orthostatischen Beschwerden
8.3. Neurologie
8.3.1. Allgemeines
8.3.2. Neurologische Leitsymptome von Long COVID
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Postinfektiöse Müdigkeit
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Hirnleistungsstörungen („brain fog“)
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Konzentrationsstörung
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Gedächtnisstörung
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Schlafstörungen
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Extremitätenschmerz (myalgisch, neuropathisch)
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Sensibilitätsstörungen (u. a. Missempfindungen, Taubheit)
8.3.3. Neurologische Krankheitsbilder im Rahmen von Long COVID
8.3.4. Abgrenzung anderer Beschwerdebilder gegenüber Long COVID
-
Critical illness Neuromyopathie – prolongierte Intensivaufenthalte mit Multi-Organ-Versagen führen zu einer nutritiv-toxisch bedingten Involution von Skelettmuskulatur und peripheren Nerven. Dieses Zustandsbild ist seit Jahrzehnten bekannt und wird anamnestisch, klinisch und elektrophysiologisch diagnostiziert.
-
Persistenz einer septisch-toxisch-metabolischen Enzephalopathie nach ICU – Vor allem bei subklinischen zerebralen Vorschäden (z. B. Altersveränderungen des Gehirns) kann eine schwere Infektion mit ICU-Behandlungsbedarf durch Ausschüttung von Entzündungsmediatoren, Toxinen und Neurotransmitter-Imbalance zu einer prolongierten Aufwachphase mit Delir und persistierenden kognitiven Einbußen führen. Dieses Zustandsbild ist seit Jahrzehnten bekannt und wird anamnestisch, klinisch und mithilfe anderer Zusatzuntersuchungen diagnostiziert.
-
Verschlechterung vorbestehender neurologischer Erkrankungen – Alle Erkrankungen des zentralen oder peripheren Nervensystems sowie der Skelettmuskulatur können sich durch eine schwere Allgemeinerkrankung passager oder auch dauerhaft verschlechtern. Patient:innen erreichen nach der Genesung von der Allgemeinerkrankung nicht mehr den vorherigen funktionellen Status. Dieses Zustandsbild ist seit Jahrzehnten bekannt und wird anamnestisch und klinisch diagnostiziert.
-
Klinische Manifestation subklinischer Gehirnerkrankungen durch COVID‑19 (z. B. Mild Cognitive Impairment) – Chronische und bis dato unerkannte und subklinische Vorschädigungen des Gehirns können durch eine akute Infektion funktionell dekompensieren und nach Ausheilung des Infektes sich klinisch „erstmanifestieren“. Dieses Zustandsbild bedarf einer fachärztlichen Abklärung nach state of the art.
8.3.5. Methoden der neurologischen Abklärung
-
Fokussierter neurologischer Status (Motorik, Sensibilität, kognitive Funktion)
-
Labor: zur gezielten (!) Differenzialdiagnostik entspr. Anamnese und Klinik, z. B. zur Identifikation entzündlicher Erkrankungen oder ursächlicher Stoffwechselstörungen: CK, Differenzialblutbild + Gerinnung, Blutsenkung (BSG) und CRP als Hinweise auf Infekte sowie eine autoimmune Genese, ggf. auch Myoglobin, Leberenzyme, Elektrolyten (Na, K, Ca).
-
Zur Beurteilung der kognitiven Leistungsfähigkeit kann bereits in der Hausarztpraxis ein MMSE (Minimental State Examination) oder MoCA (Montreal Cognitive Assessment) orientierend durchgeführt werden, ist aber für enzephalopatische Störungen nicht validiert.
-
Weiterführende Untersuchungen z. B. zB. MRT, EMG/ENG, autonome Testbatterie/Kipptisch, Geruchstests, Neuropsychologische Untersuchung, Schlaflabor, Neuropsychosomatik.
8.4. Hals-Nasen-Ohrenheilkunde
8.4.1. Allgemeines
8.4.2. Leitsymptome und Krankheitsbilder im HNO-Bereich mit Assoziation zu COVID-19
8.4.3. Methoden der Diagnostik im HNO-Bereich
8.5. Dermatologie
8.5.1. Allgemeines
8.5.2. Dermatologische Krankheitsbilder
-
Häufigkeit: 4–18 % der Hautveränderungen
-
Zeitpunkt: Durchschnitt 3 Tage nach Symptombeginn
-
Dauer: mediane Dauer 20 Tage, maximale Dauer 70 Tage
-
Verteilung:1.generalisiertes, polymorphes Muster2.lokalisiertes Muster
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Symptomatik: kaum Pruritus
-
Schweregrad der COVID‑19-Infektion: moderat
-
-
Häufigkeit: ca. 28 % der Hautmanifestationen
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Zeitpunkt: asymptomatische PatientInnen
-
Dauer: mediane Dauer 15 Tage, maximale Dauer länger als 130 Tage, Erkrankungsgruppe: Kinder und junge Erwachsene
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Verteilung: Füße, seltener Hände, Symptomatik: Schmerzen, Brennen, selten Juckreiz
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Schweregrad der COVID 19-Infektion: asymptomatische PatientInnen. In Zusammenhang mit den sogenannten COVID-Zehen wurde nachgewiesen, dass die meisten Patienten negativ im PCR Test sind.
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Häufigkeit: weniger als 4 % der Hautmanifestationen
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Es gibt hierbei zwei Untertypen:1.Untertyp: Livedo reticularis Typ-Verteilung:Verteilung: symmetrisch, Symptomatik mildSchweregrad der COVID 19-Infektion: meist bei mildem Verlauf und nicht assoziiert mit thromboembolischen Ereignissen.2.Untertyp: Livedo racemosa Typ-Verteilung:Verteilung: größere asymmetrische, anuläre LäsionenSchweregrad der COVID 19-Infektion: häufig assoziiert mit schwerer Koagulopathie
-
Häufigkeit: 1–8 % der Hautmanifestationen
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Verteilung: Ausbreitung bis zu nekrotischen, ulzerierenden Läsionen; generalisiert oder lokalisiert im intertriginösen Areal.
-
Erkrankungsgruppe: ältere Patient*innen
-
Schweregrad der COVID 19-Infektion: schwere COVID‑19-Verläufe
-
Die Hautveränderungen sind mit der höchsten Mortalität assoziiert.
8.5.3. Methoden der dermatologischen Abklärung
-
Hautbiopsie inklusive einer direkten Immunfluoreszenz (nur bei Persistenz und unklarer Diagnose)
-
Labors: Blutbild, Nierenfunktionsparameter, Elektrolyte, Leberfunktionsparameter, CRP, Gerinnung, bedarfsweise antinukleäre Antikörper + Subsets, ANCA, C3, C4, cirk. Immunkomplexe und Doppelstrang-DNA.
8.6. Psychiatrie
8.6.1. Allgemeines
-
Das Bedrohungsszenario der COVID‑19 Pandemie stellt eine psychische Belastung für die gesamte Bevölkerung dar und führte zu einer Zunahme von Symptomen von Angst, Depression und posttraumatischen Belastungsstörungen (PTSD).
-
Patienten mit vorbestehenden psychischen Erkrankungen haben ein höheres Risiko an COVID‑19 zu erkranken und einen schwereren Verlauf zu entwickeln.
-
Schwerere Verläufe von COVID‑19 können zu organischen psychischen Störungen wie Delirien führen
-
Psychische Störungen sind auch Teil der Long COVID Symptomatik
8.6.2. Psychiatrische Leitsymptome im Zusammenhang mit COVID-19
8.6.3. Methoden der psychiatrischen Abklärung
8.6.4. Differenzialdiagnosen
8.7. Kinder
8.7.1. Allgemeines
8.7.2. Long COVID
8.7.3. MIS-C/PIMS-TS
-
Kinder und Jugendliche ≤ 19 Jahre mit Fieber ≥ 3 Tage
-
UND zwei der folgenden Kriterien:
-
Exanthem oder bilaterale non-purulente Konjunktivitis oder mukokutane Entzündungszeichen (Mund, Hände, Füße).
-
Hypotension oder Schock.
-
Zeichen einer myokardialen Dysfunktion, Perikarditis, Valvulitis oder Koronaranomalien.
-
Zeichen einer Gerinnungsstörung (PT, PTT, erhöhtes D‑Dimer)
-
Akute gastrointestinale Beschwerden (Diarrhoe, Erbrechen oder Abdominalgie)
-
-
UND erhöhte Entzündungsparameter (Blutsenkung, C‑reaktives Protein oder Procalcitonin)
-
UND keine andere offensichtliche Ursache der Entzündung, wie bakterielle Sepsis, Toxisches Schocksyndrom
-
UND Evidenz für COVID‑19 (positiver PCR-, Antigentest oder Serologie) oder wahrscheinlicher Kontakt zu SARS-CoV‑2.
8.8. Zusammenfassung
9. Die häufigsten Symptome – Differenzialdiagnostik
9.2. Grundlegendes zum diagnostischen Ablauf
-
Gegenwärtige Beschwerden und Symptome – exakte Exploration
-
Beginn mit offenen Fragen: welche Symptome bemerken Sie?
-
Präzisierung mittels konkreter Nachfrage entsprechend der angegebenen Symptome
-
Aktives Fragen nach weiteren, nicht erwähnten Wahrnehmungen ist in Zusammenhang mit Long COVID besonders wichtig
-
-
Vorbestehende Erkrankungen und Medikationen
-
Infektionsvorgeschichte und -verlauf, insbesondere:
-
Gab es Hinweise auf eine kardiale Beteiligung während der akuten Erkrankungsphase?
-
Gab es Hinweise auf eine PAE/thromboembolisches Geschehen (CT, D‑Dimer)? Erfolgte eine andere Bildgebung der Lunge?
-
Gab es Zeiten mit Atemnot, erheblicher Schwäche, Sauerstoffbedarf (Zeitraum und Menge erheben)
-
Gab es neurologische Symptome?
-
Andere Komplikationen?
-
Behandlung: was ist zu welchem Zeitpunkt geschehen?
-
9.3. Diagnostische Zielsetzungen
-
Hinweise auf akute respiratorische Insuffizienz: Ruhedyspnoe – Hypoxämie in Ruhe oder bei Belastung
-
Hämoptysen
-
Vermutet kardiogener Thoraxschmerz
-
Hinweise für ausgeprägte Kreislaufinstabilität
-
bei Kindern und Jugendlichen: Hinweise auf Multisystem Inflammatory Syndrome
-
(persistierendes) Fieber auftretend 2–8 Wochen nach Sars-Cov‑2 Infektion (s. a. Abschn. 8.7.3.)
-
Anstrengung | Borgskala | Luft |
---|---|---|
Einschlafen | 0 | Überhaupt keine Atemnot |
Überhaupt keine Anstrengung | 1 | Gerade wahrnehmbare |
Sehr, sehr leicht | 2 | Sehr milde Atemnot |
Sehr leicht | 3 | Milde Atemnot |
Leicht | 4 | Mäßige Atemnot |
Moderat gemütlich | 5 | Mittelschwere Atemnot |
Anstrengend | 6 | Schwere Atemnot |
Hart | 7 | Sehr schwere Atemnot |
Sehr hart | 8 | Sehr, sehr schwere Atemnot |
Sehr, sehr hart | 9 | Fast maximale Atemnot |
Maximale Anstrengung | 10 | Maximale Atemnot |
Die folgenden zehn Aussagen betreffen Ihr normales Befinden. Bitte umkreisen Sie die Antwort, die am besten zu Ihnen passt. Beantworten Sie bitte jede Frage, auch wenn Sie momentan keine Beschwerden haben. Sie können pro Aussage zwischen 5 Antwortmöglichkeiten wählen, variierend von „niemals“ bis „immer“. 1. Niemals 2. Manchmal (d. h. monatlich oder weniger) 3. Regelmäßig (d. h. ein paar Mal pro Monat) 4. Oft (d. h. wöchentlich) 5. Immer (d. h. täglich) | |||||
---|---|---|---|---|---|
Niemals | Manchmal | Regelmäßig | Oft | Immer | |
1. Ich leide unter Ermüdungserscheinungen. | O | O | O | O | O |
2. Ich bin schnell müde. | O | O | O | O | O |
3. Ich finde, dass ich an einem Tag wenig mache. | O | O | O | O | O |
4. Ich habe genug Energie für den Alltag. | O | O | O | O | O |
5. Körperlich fühle ich mich erschöpft. | O | O | O | O | O |
6. Es fällt mir schwer Sachen anzufangen. | O | O | O | O | O |
7. Es fällt mir schwer klar zu denken. | O | O | O | O | O |
8. Ich habe keine Lust etwas zu unternehmen. | O | O | O | O | O |
9. Ich fühle ich geistig erschöpft. | O | O | O | O | O |
10. Wenn ich mit etwas beschäftigt bin, kann ich mich gut darauf konzentrieren. | O | O | O | O | O |
Atemnot | Punkte |
---|---|
Nie Atemnot, ausser bei maximaler körperlicher Anstrengung | 0 |
Atemnot bei Anstrengung in der Ebene oder leichter Steigung | 1 |
Atemnot bei normalem Gehtempo (altersentspr.) oder häufigere Atempausen | 2 |
Atemnot nach 100 m in der Ebene oder nach wenigen Minuten | 3 |
Atemnot beim Anziehen, Patient kann das Haus nicht verlassen | 4 |
Beurteilung der Funktionseinschränkung bei Long COVID
10. Zuordnung der häufigsten Symptombilder
-
Ausmaß der gesundheitlichen Einschränkung
-
Dynamik der Symptomatik, Dauer
-
Körperliche, kognitive und psychische Leistungsfähigkeit
-
Individuelle Situation und Prioritäten der Betroffenen
10.1. Postinfektiöse Müdigkeit/Abgeschlagenheit („Fatigue“)
10.1.1. Allgemeines
-
Eine im Vergleich zur Zeit vor der Erkrankung substanzielle Einschränkung der Fähigkeit zu beruflichen, schulischen, sozialen oder persönlichen Aktivitäten mit plötzlichem oder definiertem Beginn
-
Abgeschlagenheit nach körperlicher Belastung (engl. post-exertional malaise)
-
Nicht erholsamer Schlaf
-
Kognitive Einschränkungen
-
Orthostatische Intoleranz – POTS (Posturales Tachykardie-Syndrom)
-
Die Erschöpfung hängt nicht mit einer organischen Erkrankung oder anhaltender Anspannung zusammen
10.1.2. Ausschluss potenziell gefährlicher Verlauf (sofortiger Handlungsbedarf)
10.1.3. Zuordnung
-
Die ausgeprägte Müdigkeit nach COVID‑19 erlaubt es oft nicht, Alltagsaktivitäten oder dem Beruf nachzugehen, meist auch in Zusammenhang mit Konzentrationsstörungen
-
Abgrenzung zu anderen Krankheiten: Depressio; Schlafapnoe/Narkolepsie; neuromuskuläre Erkrankungen u. a. (s. unten)
-
Körperliche Untersuchung (Abdomen, Lymphregionen, Herz, Puls und Blutdruck, Schleimhäute, Atemwege, Muskeltrophik, -kraft, -tonus, -eigenreflexe)
-
RR, po2, ggf. EKG, BZ, BB, CRP
-
Nur bei gegebenem Anlass: Belastungstest, kardiologische Untersuchung (Ergo, Echo), neurologische Begutachtung, ggf. nach Vorbefunden weitere Laborparameter: Elektrolyte, Kreatinin, GFR, Transaminasen, Glucose, TSH, Ferritin, HIV, NNR-Funktion, Immunglobuline
10.1.4. Procedere
-
Patient:innen ausreichend Erholung ermöglichen (ggf. durch Krankenstandsmeldung)
-
Nach viralen Erkrankungen sind postvirale Erschöpfungszustände im Rahmen der Rekonvaleszenz häufig und vor allem häufig selbstlimitierend
-
Patient:innen über die zu erwartende Selbstlimitierung der Symptome aufklären
10.1.5. Weitere wichtige Differenzialdiagnosen
-
Kardiale oder pulmonale Erkrankungen
-
Anämie
-
Schilddrüsenfunktionsstörungen
-
Andere hormonelle Imbalancen
-
Chronische Infektionen anderer Genese
-
Stoffwechselerkrankungen (Diabetes!)
-
Muskuläre Schwäche
-
Überlastungssituationen
-
Psychische Erkrankungen
-
Gestörter Schlaf
10.2. Schwäche/Leistungsminderung
10.2.1. Allgemeines
10.2.2. Ausschluss potenziell gefährlicher Verlauf
-
Erfassung der subjektiven und objektiven Beeinträchtigung (Pulsoxymetrie, Belastungstests)
-
Weitere „red flags“: Vitalzeichen (!), rezentes Auftreten; plötzliche oder rasche Zunahme, zusätzliche Symptome (wie Stauungszeichen, Hautkolorit, kognitive Veränderungen, starkes Durstgefühl)
10.2.3. Zuordnung
-
Einschätzung einer möglichen depressiven Symptomatik
-
Atemnot
-
Gewichtsab-/-zunahme, Ödeme
-
Blutungszeichen
-
Fieber, Nachtschweiß
-
Schmerzen (dauerhaft/nur bei Belastung)
-
Schlafanamnese
-
fokussierter Status: Auskultation Herz und Lunge, Palpation, Suche nach Stauungszeichen, Aszites, Hautkolorit
-
SpO2, RR (bei entsprechenden Hinweisen im Liegen und Stehen)
-
BB, BSG/CRP, BZ, Kreatinin, GPT, GGT, Natrium, Kalium, Calcium, TSH, Harn
-
Belastungstests
-
Einschätzung des Schweregrads s. Abb. 4 (Skala funktionelle Beurteilung)
10.2.4. Procedere
-
Zeichen einer begleitenden/ursächlichen Dyspnoe. Abklärung s. Abschn. 9.4.
-
Protrahierte Leistungsminderungen sind auch nach anderen Virusinfekten bekannt s. Abschn. 9.1.
-
Klinische Kontrolle bei der Hausärztin/dem Hausarzt je nach Situation, zumindest nach 4–6 Wochen [141]. Auf die Notwendigkeit der Wiedervorstellung bei Verschlechterung ist dokumentiert hinzuweisen!
-
Hinweise auf kardiale Ursachen: Abklärung nach etablierten Routinen: Herzinsuffizienz, KHK, pulmonal-arterielle Hypertension, Arrhythmien. Bei Z. n. COVID‑19 ist u. a. an entzündliche oder postentzündliche Ätiologien zu denken (s. Kap. 8)
-
Hinweise auf pulmonale Ursachen: Abklärung nach etablierten Routinen.
10.2.5. Weitere wichtige Differenzialdiagnosen
-
Muskuläre Dekonditionierung z. B. nach einer protrahierten Erkrankung, Anämie, Adipositas, Skeletterkrankungen, neuromuskuläre Erkrankungen
-
Es ist wie immer an die Möglichkeit des Vorliegens anderer Erkrankungen mit ausschließlich zeitlicher Koinzidenz zu denken.
10.3. Riech- und Schmeckstörungen
10.3.1. Allgemeines
10.3.2. Ausschluss potenziell gefährlicher Verlauf
10.3.3. Zuordnung
-
Zeitpunkt des Auftretens, Verlauf, genaue Symptomatik erfragen: Hyposmie, Dysosmie, Trauma, Chemo- oder Strahlentherapie, Operation? Weitere Symptome (neurologisch oder internistisch)?
-
Hinweise auf sinu-nasale Erkrankungen? Gezielte neurologische Untersuchung
10.3.4. Procedere
10.3.5. Weitere wichtige Differenzialdiagnosen
-
Sinunasale Erkrankungen (z. B. chron. Sinusitis, Allergie, Septumdeviation, Rhinopathia gravidarum, Tumoren)
-
Schädel-Hirn-Trauma
-
Andere Infekte (nasal oder systemisch, z. B. Influenza, common-cold)
-
Zentrale Ursachen (z. B. Meningeom, Insult)
-
Neurodegenerative Erkrankungen (z. B. M. Parkinson, M. Alzheimer)
-
Internistische Erkrankungen (z. B. Leber‑, Nieren‑, Schilddrüsenerkrankungen)
-
Medikamentös-toxische Einflüsse (z. B. Chemo‑, Strahlentherapie)
-
Iatrogen (Neurochirurgische OP, Nasen/NNH-OPs)
-
Angeborene Riechstörung (z. B. Kallmann-Syndrom)
-
Idiopathische Riechstörung (Ausschlussdiagnose!)
10.4. Dyspnoe
10.4.1. Ausschluss potenziell gefährlicher Verlauf
-
Erfassung der subjektiven und objektiven Beeinträchtigung (Pulsoxymetrie, Belastungstests). Bei subjektiver ausgeprägter Atemnot und/oder SpO2-Werten < 93 % (bei vorbestehender chron. respiratorischer Erkrankung: deutlicher Abfall) besteht akuter Handlungsbedarf [9].
-
Weitere „red flags“: rezentes (neues) Auftreten; plötzliche oder rasche Zunahme, zusätzliche Symptome (Thoraxschmerz, Husten, Hämoptysen, Fieber, Stauungszeichen, Hautkolorit, EKG-Veränderungen, kognitive Veränderungen)
10.4.2. Zuordnung
-
Tatsächlich Atemnot – oder mangelnde Leistungsfähigkeit, Müdigkeit bis Fatigue? Belastungsintoleranz ohne objektivierbare Dyspnoe?
-
Dyspnoe im Rahmen von Long COVID äußert sich vor allem als Kurzatmigkeit bei Belastung, und findet sich häufiger nach schwerem Verlauf, aber auch nach nicht-hospitalisiertem Verlauf (in ca. 10 %) [142]
-
Frage nach Vorerkrankungen und weiteren Symptomen
-
fokussierte Basisuntersuchung: Auskultation Herz und Lunge, Suche nach Stauungszeichen, Hautkolorit, Beurteilung der Atmung mit Objektivierung der Dyspnoe: Atemfrequenz, Sprechen, Belastungstests unter Beobachtung (Gehtest, Stiegensteigen) und Einstufung nach NYHA, Abgrenzung musk. Schwäche (s. Tab. 3: mMRC-Skala)
-
Jedenfalls: SpO2 (auch im Selbstmonitoring!), RR, KBB, CRP
-
weitere Basisdiagnostik: Bei klinisch objektivierbarer Dyspnoe: Thoraxröntgen, EKG, NTproBNP. Fehlende Hinweise auf kardiale Genese: Spirometrie, ev. D‑Dimer bei entsprechenden Verdachtsmomenten.
10.4.3. Procedere
-
Bis zu ca. 6 Wochen nach ambulanter Erkrankung ist eine milde Kurzatmigkeit häufig. Sollte diese anamnestisch bereits gebessert und mild sein, sind bei unauffälligem klinischem Status, unauffälligem Routinelabor und unauffälligem Thorax-Röntgen vorerst keine weiterführenden Untersuchungen erforderlich.
-
Klinische Kontrolle beim Hausarzt je nach Situation, zumindest nach 4–6 Wochen [141].Auf die Notwendigkeit der Wiedervorstellung bei Verschlechterung ist dokumentiert hinzuweisen!
-
Hinweise auf kardiale Ursachen: Abklärung nach etablierten Routinen.Herzinsuffizienz, KHK, pulmonal-arterielle Hypertension, Arrhythmien. Bei Z.n.COVID‑19 ist z. B. auch. an entzündliche oder postentzündliche Ätiologien zu denken s. Kap. 7
-
Hinweise auf pulmonale Ursachen: Abklärung nach etablierten Routinen.Z.n.COVID‑19: bei Risikofaktoren oder klinischen Hinweisen (akutes Einsetzen, akute Verschlechterung) Ausschluss einer PE (D-Dimer).
-
Bei pathologischem Thorax-Röntgen sowie ausgeprägter Dyspnoe mit Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit oder bei Verschlechterungstendenz, ist die fachärztliche Abklärung erforderlich, um Lungenschäden nach COVID‑19 zu definieren, wie residuale Pneumonie, organisierende Pneumonie, Hinweise für Fibrose, chronische PE – s. Abschn. 8.1.
-
10.4.4. Weitere wichtige Differenzialdiagnosen
10.5. Husten
10.5.1. Allgemeines
10.5.2. Ausschluss potenziell gefährlicher Verlauf
10.5.3. Zuordnung
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Beginn, Dauer und Art des Hustens, Vorgeschichte (Hinweise auf Asthma/COPD, andere vorbestehende Erkrankungen), weitere Symptome, Auswirkungen auf Leistungsfähigkeit und Nachtschlaf,
-
Auskultation von Herz und Lunge, Beurteilung des Oberbauchs (Reflux), s. dazu DEGAM Leitlinie Husten [143]
-
Labor: BB, CRP bei Verdacht auf bakterielle Infektion
-
Weitere Basisuntersuchungen: Lungenfunktion mit Broncholyse, Thoraxröntgen, ev. D‑Dimer, weitere Bildgebung (bei V. a. Pulmonalembolie – klinisch bzw. bei Vorliegen zusätzlicher Risikofaktoren)
10.5.4. Procedere
10.5.5. Weitere wichtige Differenzialdiagnosen
10.6. Thorakale Beschwerden
10.6.1. Allgemeines
10.6.2. Ausschluss potenziell gefährlicher Verlauf
-
Zeichen des akuten Kreislaufversagens (Schockindex > 1)
-
(unmittelbar vorangegangene) Synkope oder Kollaps
-
Kaltschweißigkeit
-
Aktuelle Ruhedyspnoe (Vorgehen s. Abschn. 9.4.)
-
Ausgeprägte Angst der/des Betroffenen
-
Fieber, starke Schmerzen, akut beeinträchtigte Atmung
-
Typische Angina pectoris, insbesonders mit Crescendo Charakter
10.6.3. Zuordnung
-
Schmerzcharakteristik, Zeitpunkt des Auftretens, Dynamik, Atemabhängigkeit, Belastungsabhängigkeit, Bewegungsabhängigkeit, Leistungsminderung, Dyspnoe, Dyspepsie, Abhängigkeit von der Nahrungsaufnahme. Frage nach Verlauf der Akuterkrankung (Hinweise auf kardiale oder pulmonale Beteiligung?)
-
fokussierte Basisuntersuchung: Inspektion, Auskultation Herz und Lunge, Palpation des Thorax (Rippen, WS), dynamische Untersuchung des Oberkörpers und der oberen Extremitäten, Hautkolorit, Palpation des Oberbauchs
-
RR, 12 Kanal-EKG (wenn kardiale Ursache klinisch nicht ausschließbar), Belastungstests, Thoraxröntgen (wenn pulmonale Ursache nicht ausschließbar). D‑Dimer, CRP, BB nur bei entsprechenden Hinweisen und Verdachtsmomenten.
10.6.4. Procedere
-
Abklärung nach etablierten Routinen (s. Abschn. 8.2.) Besonders zu beachten: Myokardischämie (EKG), entzündliche Herzerkrankungen
-
Abklärung nach etablierten Routinen (s. Abschn. 8.1.) – insbesondere bei gemeinsamem Auftreten mit Dyspnoe/Tachypnoe (s. Abschn. 10.4.):
-
Akute Lungenembolie (D-Dimer), Pneumothorax, Pleuritis
-
Bewegungsmangel (Isolierung, Kontaktreduktionsmaßnahmen)
-
Patient:innen nach schwerem Verlauf (Hospitalisierung): Folge von Muskelabbau durch Immobilisierung
10.6.5. Wichtige Differenzialdiagnosen ohne Zusammenhang mit COVID-19
10.7. Störungen der Hirnleistung
10.7.1. Allgemeines
-
Kognitive Symptome (Aufmerksamkeit, Exekutivfunktionen, deduktives Denken, Orientierung, Sprache, Gedächtnis, räumlich-visuelle und viso-motorische und -konstruktive Fähigkeiten)
-
Gedächtnisprobleme („Arbeitsgedächtnis“ – Kurzzeitgedächtnis)
-
Leichte kognitive Beeinträchtigungen im Sinne eines mild Cognitive Impairments (subjektive oder objektive Verschlechterung der prämorbiden Leistungsfähigkeit in einem oder mehreren Bereichen)
-
Höhergradiges Ausmaß der kognitiven Beeinträchtigungen mit Krankheitswert
10.7.2. Ausschluss potenziell gefährlicher Verlauf
-
Plötzliche deutliche Verschlechterung oder akutes Neu-Auftreten,
-
Auftreten multifokaler oder zentral neurologischer Symptome
-
Hinweis auf reversible Ursache oder progrediente (Akut‑)Erkrankung?
-
TIA bzw. Schlaganfall
-
Akute Erkrankung (z. B. Enzephalitis)
-
Hypoglykämie
-
Akutes Delir
-
Kognitive Verlangsamung im Rahmen einer schweren depressiven Episode? (Suizidale Gefährdung?)
-
Denkhemmung im Rahmen einer schizophrenen Psychose
10.7.3. Zuordnung
-
Inkl. Medikamenten – und Drogenanamnese sowie psych. Exploration
-
Gezielter neurologischer Status
-
Ausschluss systemischer Ursachen (z. B. Anämie, respiratorische Insuffizienz, Schilddrüsen-Unterfunktion)
-
Objektivierung der Gedächtnisleistungsstörung: einfach durchführbare kognitive Tests
-
Minicog (3 Worte, Uhrentest),
-
MoCA (Montreal Cognitive Assessment)
-
10.7.4. Procedere
-
Bei Verdacht auf ein akutes zerebrales Geschehen oder akute reversible Ursache (vorhandene „red flags“) sollte eine entsprechende Abklärung entlang vorhandener Leitlinien inkl. zerebraler Bildgebung erfolgen.
-
Die spezialisierte Abklärung wird bei gesicherter Neu-Manifestation/Therapieresistenz einer neurokognitiven Störung im Rahmen eines Long COVID-Syndroms empfohlen. Dann erfolgt eine weiterführende Differentialdiagnose nach den gültigen Leitlinien.
-
Bei Persistenz der kognitiven Einschränkungen > 12 Wochen sollte eine Re-Evaluation (ggf. auch psychiatrisch) erfolgen
10.7.5. Weitere wichtige Differenzialdiagnosen
-
Depression
-
Biorhythmus-Störung (Insomnie, fehlende Tagesstruktur)
-
Andere organspezifische Ursachen als Folge von COVID‑19
-
Folgen eines Delirs i.R. der schweren Erkrankung
-
Irreversible Schädigungen z. B. i.R. einer Hypoxämie/ARDS
-
Somatische Ursachen z. B. Anämie, respiratorische Insuffizienz, Schilddrüsenfehlfunktion und metabolische Störungen,
-
(Meningo‑) Enzephalitis anderer Ursache (u. a. ZNS-Infektionen z. B. Lyme-Borreliose)
-
Unerwünschte Neben- und Wechselwirkungen von Medikamenten oder anderen Substanzen
-
Klinische Manifestation einer subklinischen Gehirnerkrankung (mit und ohne Assoziation zu COVID‑19)
-
Somatisierung
10.8. Schwindel („Dizziness“)
10.8.1. Allgemeines
10.8.2. Ausschluss potenziell gefährlicher Verlauf
-
Relevante akute Beeinträchtigung – Vigilanz?
-
Kurzanamnese bez. Schwindel – Charakter (Drehschwindel), Symptomdynamik (akut oder länger bestehend, plötzlich oder allmählich)
-
Basiserhebung Vitalparameter (RR, HF rhythmisch?!, Sp02+AF, BZ)
-
Auftreten gemeinsam mit anderen, multifokalen oder zentral neurologischen Symptomen?
-
Herzrhythmusstörung
-
TIA bzw. Schlaganfall
-
Neuronitis vestibularis
-
Benigner paroxysmaler Lagerungsschwindel
-
Hypoglykämie
-
Dehydratation
-
10.8.3. Zuordnung
-
Lageabhängigkeit, Bewegungsabhängigkeit, Provokationsmöglichkeit
-
Differenzierung Gleichgewichtsstörung/Schwindel/Kreislauflabilität (s. Abschn. 10.9.)
-
Sturz- bzw. (gerichtete) Fallneigung?
-
Begleitende vegetative Symptomatik (Übelkeit, Erbrechen)
-
Dauer: rezidivierend? persistierend? → bei Drehschwindel, mit begleitender Hörminderung oder zusätzlichen neurologischen Symptomen ist eine spezialisierte Abklärung notwendig.
-
Erfassung der subjektiven und objektiven Beeinträchtigung
-
Auskultation, gezielter neurologischer Status
-
Auflösung/Provokation durch Lagerungsmanöver möglich? (BPLS)
-
EKG bei V. a. Herzrhythmusstörung, Blutdruckmessung inklusive liegend/stehend → „verkürzter Schellong“ (3 min aktiv stehend)
10.8.4. Procedere
-
Wenn keine zusätzlichen Symptome und keine red flags vorliegen, die beschriebene Basisuntersuchung ohne Ergebnis bleibt und die Beschwerden den Alltag nicht wesentlich beeinflussen, kann beim ungerichteten Schwindel auf eine weiterführende Diagnostik verzichtet werden. Dies gilt insbesondere, wenn die Störung erst im Gefolge der COVID‑19 aufgetreten ist.
-
Bei objektivierbaren kognitiven Störungen, Störungen der Vigilanz oder des Gedächtnisses (Außenanamnese!) wird eine neurologische Begutachtung empfohlen, vor allem wenn diese nicht klar in Zusammenhang mit der abgelaufenen Infektion stehen
-
Unspezifische „dizziness“ siehe auch Abschn. 10.9.
-
Zum Abklärungsgang bei gerichtetem Schwindel (Vertigo) wird auf die entsprechenden Leitlinien verwiesen (s. DEGAM-Leitlinie „Schwindel, akut in der Hausarztpraxis“ [144]).
10.8.5. Weitere wichtige Differenzialdiagnosen
-
Orthostatische Dysregulation, POTS (siehe 8.2 Kardiologie, 10.9 Kreislauflabilität)
-
Somatisierendes Verhalten bei Long COVID: Angst‑/Panikattacken, Depressio mit Schwindel als Manifestation einer Somatisierung
-
Unspezifische Gangunsicherheit bei Long COVID (s. 7.3. und 9.10.)
-
Dehydratation, Anämie
-
Verspannungen der Nackenmuskulatur
-
Benigner paroxysmaler Lagerungsschwindel (BPLS)
-
Kreislaufschwäche (siehe Abschn. 10.8.)
-
Neuritis vestibularis, M. Menière
-
Altersassoziierte unspezifische Schwindelsymptomatik
-
Polypharmazie
-
Angst/Panik
-
Andere neurologische Ursachen (z. B. MS, Epilepsie, Polyneuropathie)
-
Andere aktive/akute Infektionen oder Erkrankungen (Schilddrüsendysfunktion, Hypo- oder Hypertonie)
10.9. Kreislauflabilität
10.9.1. Allgemeines
10.9.2. Ausschluss potenziell gefährlicher Verlauf
-
Plötzliche Einschränkung des Bewusstseins/Bewusstlosigkeit?
-
Bei Synkope subjektive und objektive Beeinträchtigung (Vitalparameter: RR, HF, AF, spO2, Blutzucker und Körpertemperatur)
-
Weitere „red flags“: Arrhythmie, Stauungszeichen, Hautkolorit blass oder zyanotisch, neurologische Symptomatik
10.9.3. Zuordnung
-
Differenzierung zwischen Schwindel, Gleichgewichtsstörung und Kreislauflabilität (orthostatische Komponente?)
-
Prodrome? Unter körperlicher Anstrengung? Potenzielle vasovagale Auslöser bzw. situativ erklärbar?
-
Dauermedikation? Neue Medikation? Trinkmenge? Alkohol und Drogen?
-
Auskultation Herz/Lunge, Blutdruckmessung (inkl. liegend/stehend! → „verkürzter Schellong“ – 3 min aktiv stehend), Zeichen für Dehydratation, Hinweise auf kardiorespiratorische Ursachen (Hautkolorit, Stauungszeichen, Anämie?)
-
Basislabor inkl. BSG/CRP, EKG
10.9.4. Procedere
-
Wenn Hinweise auf organische Ursachen in der Basisabklärung nicht gefunden werden, und die Beschwerden im Zusammenhang mit COVID‑19 aufgetreten sind, kann unter allgemeinen Maßnahmen (Bewegung, ausreichende Flüssigkeitszufuhr etc.) die Besserung abgewartet werden. Die Patient:innen sollten informiert werden, sich bei Verschlechterung oder zusätzlich auftretenden Symptomen wieder vorzustellen.
-
Sind die Kreislaufregulationsstörungen Alltags- bzw. arbeitsrelevant, kann eine Abklärung nach 3–4 Wochen erwogen werden, bei Persistenz über 12 Wochen hinaus ist die Re-Evaluierung jedenfalls empfohlen.
-
Bei Hinweisen auf eine strukturelle bzw. Organsystem bezogene Erkrankung (neurologisch, pulmologisch, endokrinologisch, kardiologisch…) ist eine fachspezifische Abklärung entlang der üblichen Leitlinien empfohlen (EbM-Guidelines Synkopen: Ursachen und Abklärung, S1-Leitlinie DGN – Synkopen).
10.9.5. Weitere wichtige Differenzialdiagnosen
-
Postinfektiös: Postural Tachykardia Syndrom (POTS): Orthostaseintoleranz, Tachykardie bei Orthostase, Palpitationen, Schwindelgefühl, Sehstörungen, Präsynkopen und Belastungsintoleranz sind typisch
-
Kardiale Genese nach COVID‑19 (aber auch unabhängig davon möglich):
-
Herzrhythmusstörungen
-
Myokarditis
-
Herzinsuffizienz
-
-
Postinfektiöse Thyreoiditis
-
Postinfektiöse Fatigue
-
Dehydratation bzw. Elektrolytstörungen (z. B. Hyponatriämie), Anämie
-
Andere aktive Infektionen
-
Unerwünschte Neben- oder Wechselwirkung bei Polypharmazie
-
Somatisierendes Verhalten im Rahmen einer psychischen Erkrankung (z. B. Angst/Depressio)
-
Schilddrüsendysfunktion
-
Multifaktoriell, unspezifisch (siehe auch: EbM Guidelines: Stürze beim älteren Menschen)
10.10. Schlafstörung
10.10.1. Allgemeines
10.10.2. Ausschluss potenziell gefährlicher Verlauf
10.10.3. Zuordnung
-
subjektiv zeitlicher Zusammenhang mit COVID‑19 oder Verstärkung vorbestehender Beschwerden.
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Ein- oder Durchschlafstörung, Störung des Schlafrhythmus, Tagesmüdigkeit
-
Atemaussetzer – auch ohne Schnarchen (Fremdanamnese), Schlaf tagsüber
-
Fragen nach negativen Gedanken, Gedankenkreisen, Angst, Aufgeregtheit. Gefragt wird auch nach Schlafgewohnheiten, Lebensstil incl. Medikamenten, psychosozialen belastenden Faktoren mit oder ohne Zusammenhang mit der Pandemie, und störenden körperlichen Sensationen (Juckreiz, Schmerzen, restless legs, Atemnot etc.). Sorgen bezüglich eines eventuell behindernden Verlaufs von COVID‑19, s. dazu Leitlinie Schlafstörung der DEGAM, Anwenderversion [145].
-
HNO-Bereich, BMI, RR
-
nur bei Hinweisen auf somatische Ursache: Schlaftagebuch, Schlaflabor
10.10.4. Weitere wichtige Differenzialdiagnosen
-
Vorbestehende schlafmedizinische Probleme (Einschlafstörung, Durchschlafstörung, nicht erholsamer Schlaf, Tagesmüdigkeit) oder psychische Probleme können, im Rahmen der Pandemie, verstärkt werden oder stärker empfunden werden.
-
Selten: Somatische Ursachen (Hinweise aus der Anamnese). Siehe dazu S3-Leitline der Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin e. V. (DGSM) [146].
10.11. Nerven- und Muskelaffektionen
10.11.1. Allgemeines
10.11.2. Ausschluss potenziell gefährlicher Verlauf
-
Sensible Defizite, motorische Defizite, Paresen, Bewusstseinseintrübungen, kognitive Defizite, Wesensveränderung, Agitation & Delir, Sehverschlechterung, Bewegungsstörungen, Sprachstörungen, Schluckstörungen, Koordinationsstörungen, (nicht-)konvulsive Anfälle, Urin- und Stuhlinkontinenz, kardiovaskuläre Komplikationen, Arrhythmien, respiratorische Insuffizienz
-
Blasse, kalte Extremität, bei deutlich unterschiedlichen Fußpulsen, Schmerzen oder Schwellung, rote, dicke Extremität im Seitenvergleich
10.11.3. Zuordnung
-
Zeitpunkt des Auftretens, Lokalisation, Dauer, Dynamik, Belastungsabhängigkeit, Provokations‑/Linderungsfaktoren, Ansprechbarkeit auf Schmerztherapie
-
Bewegungsanamnese
-
Weitere Symptome (besonders Fatigue, chronische Schmerzen)
-
Vorerkrankungen, Spitalsaufenthalt, Familienanamnese, Medikamente (z. B. Statine), Alkohol, andere toxische Einwirkungen
-
zur Objektivierung der subjektiv empfundenen Beschwerden:
-
Je nach Anamnese: Suche nach Zeichen zugrundeliegender Erkrankungen – (Differenzialdiagnosen s. weiter unten)
-
Sorgfältige klinische Untersuchung inkl. Motorik, Sensibilität, Kraft, Reflexe und Durchblutung im Seitenvergleich
-
Weitere Laborwerte sowie Anwendung von bildgebenden und apparativen Verfahren je nach Verdachtsdiagnose
10.11.4. Procedere
-
Wenn eine erste Abklärung keine Hinweise auf neurologische/internistische/orthopädische Pathologien erbringt, kann in Absprache mit den Patient:innen mit einer weiterführenden Abklärung zugewartet werden (wichtig ist das Fehlen von „red flags“ und auch sonst unauffälligen Untersuchungsergebnissen).
-
Bei Assoziation mit COVID‑19 sollten die Betroffenen darüber aufgeklärt werden, dass ihre Beschwerden im Zusammenhang mit COVID‑19 häufig vorkommen können, aber in den meisten Fällen wieder remittieren.
-
Eine klinische Kontrolle bei der Hausärztin/beim Hausarzt wird je nach Zustandsbild empfohlen. Bei Persistenz über 12 Wochen sollte zur Re-Evaluierung führen. Auf die Notwendigkeit der Wiedervorstellung bei Verschlechterung ist dokumentiert hinzuweisen!
-
Critical-Illness-Neuro-Myopathie (ICU – Aufenthalt? Dauer ICU-Aufenthalt? Muskelatrophien? Areflexie?)
-
Rhabdomyolyse (wenn CK > 10.000 U/L, Nierenverschlechterung, Harn braun)
-
Guillain-Barré-Syndrom (Von distal symmetrisch aufsteigende Par- und Hypästhesien bis hin zu schweren Tetraparesen. Auch bilaterale Fazialisparesen, Augenmuskelparesen oder Miller-Fisher-Syndrom. Respiratorische Insuffizienz)
-
Konus‑, Cauda-Syndrom, Reithosenanästhesie
-
TVT, PAVK
10.11.5. Weitere wichtige Differenzialdiagnosen ohne Zusammenhang mit COVID-19
-
Persistenz der Schwäche und Muskelatrophie nach Spitalsaufenthalt oder ICU
-
(Verschlechterung eines vorbestehenden) muskuloskelettalen Schmerz-Syndroms, Wirbelsäulen‑, Gelenksbeschwerden
-
Arthritis, Arthrose, rheumatologische Erkrankungen
-
Polyneuropathie, z. B. im Rahmen von Diabetes mellitus Typ II, Hypothyreose, Alkoholabusus, Vit. B12-Mangel (selten B6, B1, E), hereditär, bei HIV-Infektion
-
Myositis, Dermatomyositis, systemische Autoimmunerkrankung
-
Medikamentennebenwirkungen (insbesondere Statine, Ciprofloxacin, Bisphosphonate, Aromatasehemmer, Fibrate)
-
Myopathien, Schilddrüsenerkrankung, Nebenniereninsuffizienz, Vitaminmangel, Leber- oder Nierenerkrankungen, Elektrolyt-Verschiebungen, Krebserkrankungen
-
Nerven- und Muskelaffektionen im Rahmen des chronischen Erschöpfungssyndroms (ME/CFS), Fibromyalgie-Syndrom, Restless-Leg-Syndrom
-
Nerven- und Muskelaffektionen im Rahmen von Long-COVID
-
Verschlechterung der körperlichen Belastbarkeit wegen z. B. Bewegungsmangel/vermehrtes Sitzen während der Pandemiemaßnahmen und psychischen Faktoren
11. Follow-up und Monitoring
Long COVID/PASC (Post-acute sequelae of SARS-CoV‑2 infection) MEDIX, CH | Long COVID‑19: Proposed Primary Care Clinical Guidelines for Diagnosis and Disease Management Autorinnen und Autoren der CAMFiC long COVID‑19 Study Group, ES | National guidance for post-COVID syndrome assessment clinics NHS, UK | Managing the long-term effects of COVID‑19 SIGN, UK | Caring for adult patients with post-COVID‑19 conditions RACGP, AU | SARS-CoV‑2, COVID‑19 und (Früh‑)Rehabilit ation AWMF, DE | |
---|---|---|---|---|---|---|
Screening | 0 | 3 Termine in PV: 4 Wochen nach pos.Test/Symptombeginn 8 Wochen 12 Wochen | Amb: keines Hospitalisiert: 12 Wochen n. E. N. ICU: Pfad intramural –12 Wochen n. E. | Information (bei Diagnosestellung), kein Screening | Hosp: telemedizinisch kurz n. E., Folgetermin 6–8 Wochen (Präsenz) | 0 |
Monitoring | Anlassbez. Keine red flags: Beratung Red flags: erweiterte Abklärung | Lt. Behandlungspfaden | Amb:bei Beschwerden > 4 W. PV Weiterleitung nach Eval. Hosp:12 n. E. | Individualisiert, anlassbez. | Ältere, Menschen m. Beeintr. proaktiv Andere: Anlassbezogen | Keine Angaben |
Management | Empf. f. Selbstmanagement, Unterstützung | Diagnose Post-Covid 19: Vorstellung im spezialisierten Bereich | Post-Covid Kliniken: über Allgemeinmedizin o.a. Ärzt:innen, ab 4 Wochen nach Erkrankungsbeginn | Information bei Diagnose Akuterkrankung | – | Fachärztlich orientiert |
11.1. Untersuchung nach Ende der Quarantäne
11.2. Anhaltende Symptome von COVID-19 > 4 Wochen
11.3. Post COVID-19: Symptomatik > 12 Wochen
12.Behandlung
12.1. Allgemeine Maßnahmen
-
Wenn eine dem Symptom zugrunde liegenden Pathologie identifiziert werden kann, erfolgt die Behandlung entsprechend diesem Befund nach den üblichen Regeln und Leitlinien.
-
Ansonsten erfolgt die symptomatische Behandlung, sowie Begleitung und Unterstützung bis zur für die meisten Patient:innen sehr wahrscheinlichen völligen Wiederherstellung.
-
s. dazu Abschn. 11.4.
-
-
Der dritte therapeutische Ansatz ist die Unterstützung der Wiedereingliederung bzw. die Rehabilitation (s. Kap. 13)
-
Jeder Behandlungsentscheidung geht die sorgfältige Abklärung der Ätiologie voraus (Kap. 8)
-
Behandlung spezifischer Erkrankungen (Aggravierung vorbestehender Komorbiditäten oder neu aufgetretene organische Störungen) je nach Situation im hausärztlichen oder spezialisierten Setting, oder in Kooperation
-
Behandlung funktioneller Störungen, Betreuung und Monitoring vorzugsweise im Team der hausärztlichen Primärversorgung [8, 9]. Über die grundsätzlich gute Prognose funktioneller Störungen sollten die Patient:innen informiert werden. Eine Objektivierung des individuellen Leidensdrucks und des Ausmaßes der Beeinträchtigung bildet eine weitere Entscheidungsgrundlage für die Wahl der Behandlungsstelle. Die Post-COVID‑19-Skala des funktionellen Status (Abb. 4) als validiertes Tool hilft bei der Bewertung der bestehenden Leistungseinschränkung.
-
Auch wenn kein Substrat gefunden werden kann, und keine wesentliche funktionelle Einschränkung vorliegt, soll eine Copingstrategie gefunden werden, ebenso wie anlassbezogene oder auch terminlich fixierte Kontrollen.
-
Die Ermittlung und Berücksichtigung psychosozialer Umstände, ob durch die Infektion oder die Pandemie und ihre Folgen bedingt, oder auch davon unabhängig bestehend, ist essentiell und Teil guter hausärztlicher Praxis.
-
Zuziehung von Gesundheitsberufen (Physiotherapie, Psychotherapie, Ergotherapie…) situationsabhängig.
-
Ambulante oder stationäre Rehabilitationsmaßnahmen sollten ab einer Beeinträchtigung 2. Grades auf der Post-COVID‑19-Skala des funktionellen Status (s. Abschn. 8.3.1., Abb. 4) überlegt werden. Wenn die Beschwerden mehr als 3 Monate andauern und keine klare Besserungstendenz ersichtlich ist, bei starker Beeinträchtigung auch schon früher.Je schwerer der Verlauf der Akuterkrankung, desto wahrscheinlich wird die Notwendigkeit einer strukturierten Rehabilitation.
-
Wenn sich eine langfristige Problematik zeigt, ev. Anbindung an Selbsthilfegruppen.
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12.2. „Pacing“
-
Langsame Wiederaufnahme von Alltagstätigkeiten und -belastungen auf niedrigstmöglichem Niveau
-
Steigerung des Niveaus, wenn die jeweilige Belastung gut toleriert wird (subjektiv und gemessen durch RR, HF, SpO2).
-
Bei Verschlechterung der Symptome: Pause und Rückkehr zum absolvierbaren Niveau nach Abklingen der akuten Beschwerdesymptomatik („Symptom-titriertes Training“)
-
Evaluation einer Rehabilitationsmöglichkeit bzw. – Notwendigkeit
-
Ambulante Rehabilitation? Physiotherapie?
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Ergotherapie, Klinische Psychologie
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12.3. Coping
-
Selbstmanagement der Symptome („was hilft mir“)
-
Selbstkontrollen (Tagebuch, Pulsoxymeter etc.)
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Anlaufstellen
-
Unterstützungsmöglichkeiten („wer hilft mir“ – familiär, weitere Umgebung, professionell)
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Salutogenese („welche sind meine gesunden Anteile, was kann ich gut, wie und wo fühle ich mich wohl“)
-
Empfehlung von verlässlichen und Warnung vor unverlässlichen Internetquellen.
12.4. Symptomorientierte Behandlungsoptionen
12.4.1. Dyspnoe (zur Differenzialdiagnostik s. Abschn. 10.4.)
12.4.2. Leistungseinschränkung/Fatigue (zur Differenzialdiagnostik s. Abschn. 10.1., 10.2.)
-
Wenn keine organische Erkrankung als Ursache für die Leistungseinschränkung gefunden wird, ist auch hier die Prognose in den meisten Fällen gut. Wie bei etlichen anderen Infektionskrankheiten bessert sich die Symptomatik im Laufe einiger Wochen, bei Persistenz > 12 Wochen ist eine Reevaluation notwendig.
-
Wenn auch eine Re-Evaluierung keine zugrundeliegende Ätiologie erbringt (Abschn. 9.2.) und die Beeinträchtigung als Klok-Skala Grad 2 nach der Post-COVID‑19-Skala des funktionellen Status (Abb. 3) oder mehr eingestuft wird, sollten rehabilitative Maßnahmen erwogen werden (s. Abschn. 12.3.) und auf die Evaluierung der psychischen und sozialen Situation nicht vergessen werden. Siehe dazu auch Fatigue Assessment Scale (Tab. 2).
-
Unbedingt erforderlich ist die integrierte psychosoziale und somatische Betreuung, um Therapien ohne rationalen Hintergrund zu vermeiden. Nur nachgewiesene Mängel sind zu substituieren (z. B. Vit D Mangel), eine Übermedikalisierung ist zu vermeiden, da Evidenzen fehlen und meist Placebo-Effekte vorherrschend sind. Ausreichend Erholung ermöglichen, Überforderungen und Überlastungen sind Eckpfeiler. Empfohlen wird eine Methode, die unter „Pacing“ bekannt wurde [151], Details s. Abschn. 12.2.
-
Es gibt gute Erfahrungen mit Trainingstherapie bei postinfektiöser Fatigue [2, 151]. Immer wieder werden aber auch Verschlechterungen nach körperlicher Anstrengung beobachtet. Persönliche Leistungsgrenzen müssen daher grundsätzlich respektiert werden. Ein NICE-Statement dazu wird für August 21 erwartet. Zum Selbstmonitoring und -management (Pulsmesser, Pulsoxymeter, Symptomtagebücher) sind geeignete Methoden, um individuelle Belastungsgrenze zu erkennen. Als hilfreich beschrieben sind auch kognitiv-behaviorale Verfahren [151]. Details s. Abschn. 12.2.
12.4.3. Husten (zur Differenzialdiagnostik s. Abschn. 10.5.)
12.4.4. Sensori-neurale Riechstörungen (zur Differenzialdiagnostik s. Abschn. 10.3.)
12.4.5. Orthostatische Dysregulation (zur Differenzialdiagnostik s. Abschn. 10.8., 10.9.)
-
Kompressionstherapie (bis hin zum Bauchnabel)
-
Salzreiche Kost (Steigerung auf 8–10 g/d) und Flüssigkeit (3 l/d) bei fehlenden Kontraindikationen
-
Aktivierende Bewegung und Grundlagenausdauertraining nach individueller Verträglichkeit
12.4.6. Nerven- und Muskelschmerzen (zur Differenzialdiagnostik s. Abschn. 10.11.)
12.4.7. Hauterkrankungen (zur Differenzialdiagnostik s. Abschn. 8.5.)
-
Bei urtikariellen Exanthemen niedrig-dosierte systemische Kortikosteroide und Antihistaminika
-
Bei konfluierenden, erythromatösen/makulopapulösen/mobiliformen Exanthemen topische und systemische Kortikosteroide
-
Bei papulovesikulösen Exanthemen wait-and-see
-
Bei akralen Pernionen wait-and-see
-
Bei Livedo reticularis/racemosa Hautveränderungen wait-and-see
-
Bei vaskulitischen Hautveränderungen topische und systemische Corticosteroide
-
Bei durch das Coronavirus getriggerten anderen dermatologischen Erkrankungen Einleitung einer Therapie entsprechend den Leitlinien der einzelnen Dermatosen
-
Bei Effluvium symptomatische Therapie wie z. B. topisches Minoxidil
12.4.8. Weitere funktionelle Störungen und Symptome (zur Differenzialdiagnostik s. Kap. 9 und 10)
12.4.9. Psychiatrische Krankheitsbilder (zur Differenzialdiagnostik s. Abschn. 8.6.)
12.4.10. Weitere Behandlungsansätze
13. Nachsorge und Rehabilitation
13.1. Allgemeines
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Festlegung realistischer Ziele
-
Klare Vereinbarungen über Belastungsgrenzen/vorzeitigen Kontrollen
-
Strukturierte hausärztliche Betreuung und Behandlungsplanung gemeinsam mit der Patient:in und/oder deren Angehörigen bzw. Betreuungspersonen.
-
Es bedarf Ruhe und Zeit, ein überhastetes „Zuviel wollen“ bringt keinen Benefit, sondern erhöht das Risiko für längere chronische Verläufe und/oder akute Exazerbationen.
13.2. Wiedereingliederung im häuslichen Setting
13.2.1. Rückkehr in den Alltag (ohne wesentliche körperliche Belastung)
-
Alle Patient:innen nach COVID‑19 sollten darüber aufgeklärt sein, dass persistierende Symptome auch nach mildem und moderatem Verlauf möglich sind, dass diese sich aber in den allermeisten Fällen im Verlauf von einigen Wochen, längstens Monaten zurückbilden.
-
Einschränkungen der Leistungsfähigkeit sollten besprochen bzw. je nach Ausmaß abgeklärt werden (s. Abschn. 10.1. und 10.2.). Dies liegt in der Verantwortung der hausärztlichen Primärversorgung.
-
Die Kernpunkte (nach Ausschluss relevanter struktureller Folgeschäden) sind:
-
Ist die Bewältigung der täglichen Aktivitäten möglich? [162]
-
Wie hoch ist die Alltagsbelastung (Gemeinsame Abschätzung): Ausmaß der körperlich erforderlichen Fitness? Störungen der Kognition relevant für Freizeitbeschäftigungen/Bedienen von Maschinen oder Transportmitteln?
-
-
Belastungsbeginn: Spazieren (langsame Steigerung von Spazierdauer und Tempo etc.), langsame Steigerung der alltäglichen Belastung (vom Kochen zum Einkaufen, vom Zusammenräumen zum Putzen)
-
Bei Verschlechterung der Symptome: Pause und Rückkehr zum absolvierbaren Niveau nach Abklingen der akuten Beschwerdesymptomatik („Symptomtitriertes Training“)
-
Dies gilt analog für kognitive Leistungen und mentale und emotionale Belastungen
-
Physio- Ergo-, und/oder klinisch-psychologische Unterstützung kann nach Bedarf angeboten werden.
-
Persönliche Leistungs- bzw. Belastungsgrenzen müssen grundsätzlich respektiert werden.
-
Zu beachten ist auch, dass Reizüberflutung vermieden werden sollte (Pausen, Schlafhygiene, „Bildschirmhygiene“ etc.)
13.2.2. Wiederaufnahme des Sports
-
12 Kanal EKG
-
Echo
-
BB, Troponin, CRP
13.2.3. Rückkehr an den Arbeitsplatz
-
Für körperlich stark beanspruchende Tätigkeiten gelten sinngemäß die Empfehlung wie für die Wiederaufnahme des Sports.
-
Nicht zu vergessen: Auch für die Modalität des Arbeitsweges (Gehen, Fahrrad fahren u. ä.) gelten die gleichen Kriterien wie für den Beginn der sportlichen Belastung.
-
Belastungsgrenzen und Berufseignung bei anhaltenden starken Einschränkungen sollten während einer Rehabilitation erhoben werden, und je nach Situation vor Arbeitsantritt mit den zuständigen Präventivkräften im Betrieb (Sicherheitsfachkraft, Betriebsärzt:in) und den zuständigen Institutionen (Arbeitsinspektion, AUVA) besprochen werden.
-
In vielen Fällen können (vorübergehende) Anpassung von Arbeitsplatz und Arbeitsbedingungen den Wiedereintritt ins Berufsleben erleichtern bzw. vorverlegen. Auch hier sind die Präventivkräfte am Zug, idealerweise in Kooperation mit den hausärztlichen Primärversorger:innen
-
Eine Krankschreibung erfolgt nach den gleichen Grundsätzen wie immer, das Kriterium ist die tatsächliche, anforderungsbezogene Leistungsfähigkeit der Betroffenen. Die Diagnose sollte sich auf das jeweilige dominierende Symptom beziehen, da „Long COVID“ derzeit noch als Komplex äußerst unterschiedlicher Symptome zu sehen ist, und als klare Diagnose noch nicht ausreichend definiert.
13.3. Rehabilitation
13.3.1. Indikation
-
Phase I entspricht der Mobilisation im Krankenhaus.
-
Die Phase II kann als Anschlussheilverfahren entweder ambulant oder stationär erfolgen.
-
Die Phase III ist eine Anschlussrehabilitation, die ambulant erfolgt, um die Nachhaltigkeit der Phase II Rehabilitation zu verbessern und die Situation bei schwereren Verläufen zu stabilisieren.
-
Die Phase IV bedeutet eine „Verstetigung“ in dem Sinne, als die Patientin/der Patient das Erlernte ein Leben lang weiterführen sollte.