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Ärzte Woche

21.02.2023

Jäger der Giganten

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Neandertaler machten vor rund 125.000 Jahren Jagd auf die Waldelefanten, um sich von ihrem Fleisch zu ernähren und Fettpolster anzulegen. Schnittspuren auf den Knochen verrieten die urzeitlichen Jäger.

Der mittlerweile ausgestorbene Europäische Waldelefant war mit einer Schulterhöhe von bis zu vier Metern und einem Gewicht bis zu 13 Tonnen damals das größte an Land lebende Tier. Besonders auffallend waren die langen, geraden Stoßzähne von

Erste Auffälligkeiten

Vor etwa 15 Jahren hat ein italienisches Paläontologenteam das reichhaltige Elefantenmaterial untersucht. Es kam zu dem Schluss, dass es sich um eine merkwürdige Ansammlung handelt mit einem unausgewogenen Sterblichkeitsprofil – denn fast nur erwachsene Individuen – und einer auffälligen Dominanz männlicher Tiere. Dieses Muster wurde bisher weder bei fossilen noch bei heutigen Elefantenpopulationen beobachtet. Als Archäologin Prof. Dr. Sabine Gaudzinski-Windheuser von der JGU Anfang 2021 einige Elefantenknochen untersuchte, fand sie Hinweise auf die Ursache der Besonderheiten: menschliche Aktivität. „Die Entdeckung von eindeutigen Schnittspuren gab den Anstoß zu einer intensiven Untersuchung der Elefantenüberreste“, sagte die Forscherin (Science Advances 2023; DOI: 10.1126/sciadv. add8186). Die Analyse konzentrierte sich auf die Verteilung der Schnittspuren an den Skelettresten. Sie ergab, dass die Jagd auf die eiszeitlichen Riesen an diesem Ort dazu beitrug, die Existenz der Neandertaler zu sichern – mindestens 2.000 Jahre lang.

Erwachsene und alte Elefantenmännchen, die viel größer sind als die Weibchen, kommen unter den Funden überdurchschnittlich häufig vor, wahrscheinlich, weil erwachsene männliche Tiere für sich blieben. Ohne den Schutz durch eine Herde konnten sich die Jäger den Tieren einfacher nähern. Auch dürfte der Beuteertrag viel höher gewesen sein bei gleichzeitig geringerem Risiko. Zudem erforderte die Jagd eine Zusammenarbeit zwischen den Gruppenmitgliedern, ebenso wie die Verarbeitung der Beute: die Tiere mussten geschlachtet, Fleischreste von den langen Knochen abgelöst und die fettreichen Fußpolster entfernt werden. Zur Verarbeitung gehörte möglicherweise auch das Trocknen der Produkte für die Langzeitlagerung.

Die Autoren berechneten, dass ein zehn Tonnen schwerer Elefant – und damit nicht einmal der größte in Neumark-Nord – mindestens 2.500 Portionen für erwachsene Neandertaler zu jeweils 4.000 Kilokalorien geliefert haben dürfte, bestehend aus einer nahrhaften Mischung aus Eiweiß und Fett. Bislang wurde angenommen, dass sich Neandertaler in Gruppen von höchstens 25 Individuen zusammenfanden. Nach Einschätzung der Forschenden zeigt die neue Studie, dass die Neandertaler zumindest zeitweise in viel größeren Gemeinschaften zusammenkamen oder dass sie über kulturelle Mittel zur Konservierung und Lagerung von Nahrungsmitteln in großem Maßstab verfügten – oder beides .

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Metadaten
Titel
Jäger der Giganten
Publikationsdatum
21.02.2023
Zeitung
Ärzte Woche
Ausgabe 08/2023

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