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Erschienen in:

Open Access 16.03.2018 | Intensivmedizin | Intensivmedizin

Protonenpumpenhemmer für den Intensivpatienten

Sorgfältige Patientenselektion und Strategien zum Nebenwirkungsmanagement

verfasst von: Assoz. Prof. Dr. med. univ. Vanessa Stadlbauer

Erschienen in: Wiener klinisches Magazin | Ausgabe 2/2018

Zusammenfassung

Stressassozierte gastrointestinale Mukosaveränderungen sind eine wichtige Komplikation in der Intensivmedizin. Protonenpumpenhemmer (PPI) haben einen herausragenden Stellenwert in der Behandlung und Prophylaxe von säureassoziierten Mukosaschäden. Die Wertigkeit von PPI in der Prophylaxe von stressassozierten Mukosaveränderungen ist noch unklar. Obwohl PPI sehr gut verträglich sind, müssen Nebenwirkungen wie ein erhöhtes Infektionsrisiko, Nierenschäden, Wechselwirkungen mit Medikamenten, Elektrolytverschiebungen und Störungen der Mikrobiomzusammensetzung in Betracht gezogen werden.
Hinweise
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit verwenden wir in diesem Beitrag überwiegend das generische Maskulinum. Dies impliziert immer beide Formen, schließt also die weibliche Form mit ein. Restliche Literatur bei der Verfasserin.

Einleitung

Die Entwicklung der Protonenpumpenhemmer (PPI) stellt eine Erfolgsgeschichte ohnegleichen in der Behandlung säureassoziierter Erkrankungen des oberen Gastrointestinaltrakts dar. Die Mortalität und Morbidität von säureassoziierten Erkrankungen hat dramatisch abgenommen. Innerhalb von knapp 30 Jahren wurde der „Magenschutz“ daher zu einem der umsatzstärksten und meistverschriebenen Medikamente. PPI wirken schnell und zuverlässig und weisen ein günstiges Nebenwirkungsprofil auf. Die Indikationen, für die die Wirkung von PPI gesichert ist, sind die Akuttherapie des Magenulkus, des Duodenalulkus und der erosiven Ösophagitis, die symptomatische Therapie der Refluxösophagitis, der Einsatz als Kombinationstherapie zur Eradikation des Helicobacter pylori, die Therapie des Zollinger-Ellison-Syndroms, die Therapie durch nichtsteroidalen Antirheumatika(NSAR)-induzierter Ulzera und die Prophylaxe von NSAR-induzierten Mukosaschäden in Risikosituationen (Langzeittherapie mit NSAR, Alter >65 Jahre, Ulkusanamnese, Kombination mit Steroiden). Wenn eine duale Thrombozytenaggregationshemmung notwendig ist, sollen Patienten mit einem sehr hohen kardiologischen Risiko (akutes Koronarsyndrom, Interventionen am Hauptstamm, Mehrgefäßinterventionen, Koronarinterventionen bei reduzierter linksventrikulärer Pumpfunktion und nach Stentthrombosen) möglichst keine PPI bekommen. Bei einem hohen (Alter >60 Jahre, schwere Begleiterkrankungen, systemische Steroide) oder sehr hohen Risiko (Ulkusanamnese, Ulkus unter PPI, zusätzliche orale Antikoagulation, mehre Faktoren, die ein hohes Risiko definieren) für obere gastrointestinale Blutungen ist eine PPI-Kombinationstherapie sinnvoll beziehungsweise obligat.
Insbesondere seit PPI auch rezeptfrei verfügbar sind, hat die Verwendung als „Lifestyle-Medikament“ zur Therapie von diversen gastrointestinalen Beschwerden massiv zugenommen. Aufgrund der geringen bzw. kaum nachweisbaren Nebenwirkungen wurden PPI auch außerhalb der klaren Indikationen eingesetzt. So auch in der Intensivmedizin, wo die Stressgastritis und das Stressulkus gefürchtete Komplikationen darstellen.

Inzidenz und Pathophysiologie von säureassoziierten Mukosaschädigungen bei kritisch Kranken

Die Inzidenz von gastrointestinalen Mukosaschädigungen bei kritisch Kranken liegt in älteren endoskopischen Studien bei 75–100 %, okkulte Blutungen treten in 5–25 % auf, overte Blutungen in ca. 4 %. Klinisch signifikante Blutungen sind noch seltener und werden nur bei etwa 1,5 % der kritisch Kranken beobachtet. Im Zentrum der Pathophysiologie steht eine splanchnische Hypoperfusion, die zu einem Ungleichgewicht zwischen protektiven und pathogenen Faktoren in der Schleimhaut des oberen Gastrointestinaltrakts führt (Abb. 1). Die Magensäure ist also nur einer von mehreren Faktoren in der Entstehung der stressassoziierten Mukosaveränderungen.
Risikofaktoren für die Entwicklung eines Stressulkus sind die Notwendigkeit einer mechanischen Beatmung für mehr als 48 h und eine Koagulopathie. Die Kombination beider Risikofaktoren erhöht das Risiko für eine klinisch signifikante Blutung auf 8,4 %. Andere Risikofaktoren wie Schock, Sepsis, Leberversagen, Nierenversagen, Polytrauma, Verbrennungen >35 % der Köperoberfläche, Organtransplantation, Schädel-Hirn-Trauma, Rückenmarktrauma, Ulkus in der Anamnese oder obere gastrointestinale(GI)-Blutung in der Anamnese konnten bisher nicht so eindeutig mit der Entwicklung eines Stressulkus assoziiert werden.

Prävention von stressassoziierten Mukosaveränderungen

Die Studien zur Prävention von stressassoziierten Mukosablutungen im oberen Gastrointestinaltrakt stammen großteils aus den 1980er-Jahren und wurden mit „alten“ Therapien zur Säureblockade (H2-Blocker, Sucralfat) durchgeführt – seither hat sich sowohl die Intensivmedizin als auch die Therapie säureassoziierter Erkrankungen und akuter gastrointestinaler Blutungen natürlich weiterentwickelt.
Obwohl die meisten Studien zur Stressulkusprophylaxe nicht mit PPI durchgeführt wurden und die Magensäure in der Pathogenese eine untergeordnete Rolle spielt, dominiert heutzutage die Verwendung von PPI sowohl in der klinischen Praxis als auch in den entsprechenden Fachleitlinien. Eine Beobachtungsstudie im Jahr 2013 zeigte, dass 70 % der ICU-Patienten einen PPI bekommen. In prominenten Fachrichtlinien, wie zum Beispiel in den Guidelines der Surviving Sepsis Campaign oder dem FAST-HUG-Konzept wird die Verwendung von PPI empfohlen, wobei der Evidenzgrad für diese Empfehlung korrekterweise als niedrig angegeben wird. Auch die FDA hat Omeprazol für die Prävention von stressassoziierten Mukosaschäden zugelassen.
Die Verwendung von PPI in der Intensivmedizin ist so verbreitete, dass sogar aufwendige Feasibility-Studien notwendig sind, um festzustellen, ob es überhaupt gelingen könnte, im Rahmen einer Studie bei ICU-Patienten keinen PPI zu verwenden. Die bisher publizierten randomisierten kontrollierten Studien hatten eine relativ kleine Fallzahl, waren teilweise monozentrische Studien und konnten in der Zusammenschau nicht beweisen, dass PPI besser wirksam wären als H2-Blocker oder Placebo. Tab. 1 fasst die Ergebnisse der Metaanalysen zu diesem Thema zusammen. Große Studien zu diesem Thema sind daher sehr wichtig und werden aktuell auch durchgeführt: Die SUP-ICU-Studie mit 3350 geplanten Patienten in Europa ist im Oktober 2017 fertig rekrutiert worden. Im Herbst 2016 wurde die POP-UP-Studie publiziert, die an immerhin 214 beatmeten Patienten keinen Vorteil, aber auch keinen Nachteil einer PPI-Gabe im Vergleich zu Placebo feststellen konnte. Nachdem der Nutzen von PPI zur Prävention stressassoziierter Mukosaschäden bei kritisch Kranken noch nicht eindeutig belegt ist, rückt die Frage nach der Sicherheit der Therapie in den Fokus.
Tab. 1
Metaanalysen zur Sicherheit und Wirksamkeit von PPI in der Intensivmedizin
Zitat
Vergleich
Studienanzahl
Patientenzahl
Ergebnis
Alshamsi F. et al. 2016 [1]
PPI versus Placebo
6
713
Kein Unterschied in der Rate von klinisch signifikanten Blutungen; kein Unterschied in der Rate ventilatorassoziierter Pneumonien
Liu B. et al. 2015 [2]
PPI (2 Studien) oder H2-Blocker (6 Studien)
8
829
Stressulkusprophylaxe verhindert obere gastrointestinale Blutungen und senkt die Mortalität; keine Erhöhung des Risikos für nosokomiale Pneumonien
Messori A. et al. 2014 [3]
PPI versus H2-Blocker
8
851
Pantoprazol und Omeprazol sind gleichwertig in der Stressulkusprophylaxe
Krag M. et al. 2014 [4]
PPI versus Placebo oder keine Prophylaxe
20
1971
Kein Unterschied in Bezug auf Mortalität und Pneumonierate zu Placebo; der Effekt auf Blutungsereignisse ist statistisch nicht robust, daher unklar
Alhazzani W. et al. 2013 [5]
PPI versus H2-Blocker
14
1720
PPI effektiver in der Prävention von oberen gastrointestinalen Blutungen als H2-Blocker; kein Unterschied hinsichtlich Pneumonien
Alhazzani W. et al. 2017 [6]
PPI versus Placebo
7
713
Keine Unterschiede in Rate an gastrointestinalen Blutungen und ventilatorassoziierten Pneumonien
Alhazzani W. et al. 2017 [7]
PPI versus H2-Blocker, Sucralfat, Placebo
57
7293
PPI wahrscheinlich effektiver in der Prophylaxe von Stressulzera als H2-Blocker, Sucralfat oder Placebo. Keine Unterschiede in Mortalität

Mögliche Nebenwirkungen von PPI bei der Anwendung in der Intensivmedizin

Der deutsche Pharmakologe G. Kuschinsky sagte: „Wenn behauptet wird, dass eine Substanz keine Nebenwirkungen hat, besteht der dringende Verdacht, dass sie auch keine Hauptwirkung hat.“ Im Umkehrschluss kann man daraus ableiten, dass ein Medikament, das eine eindeutig nachweisbare Wirkung hat, auch Nebenwirkungen haben wird.
Es stellt sich daher die Frage, ob und wie PPI bei kritisch Kranken schädlich sein könnten, zumal der Einsatz ja meistens nur recht kurz (unter 30 Tage) notwendig sein wird und wirklich gravierende Folgen, wie zum Beispiel eine erhöhte Mortalität offenbar erst nach ein bis zwei Jahren PPI-Einnahme relevant werden.
Intensivmedizinisch relevante Nebenwirkungen sind ein erhöhtes Infektionsrisiko, Arzneimittelinteraktionen, ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko, die akut interstitielle Nephritis und Elektrolytstörungen. Vermutlich von geringerer Bedeutung in der Akutphase beziehungsweise bei relativ kurzer Anwendungsdauer sind ein erhöhtes Osteoporose- und Frakturrisiko, Vitaminmangelzustände und ein erhöhtes Risiko für chronische Nierenschäden sowie ein möglicher Zusammenhang mit Demenz.
PPI hemmen die H+/K + P-Typ ATPase im Magen und erhöhen damit rasch und effizient den pH-Wert im Magen. Dadurch werden Mikroorganismen aus der Mundhöhle oder durch die Nahrung aufgenommene Mikroorganismen nicht mehr so effektiv abgetötet. Außerdem besitzen manche Bakterien ebenfalls diese ATPase und dadurch können PPI die Zusammensetzung des Mikrobioms beeinflussen. Daten von Freiwilligen, die PPI einnahmen und von Patienten unter Langzeit-PPI-Therapie zeigen, dass sich das Mikrobiom in seiner Zusammensetzung ändert. Die Gesamtkeimzahl im Darm scheint anzusteigen, während die Diversität abnimmt. In der taxonomischen Zusammensetzung kommt es zu einer Vermehrung von potenziell pathogenen Keimen sowie zu einer „Oralisierung“, d. h. man findet typische Mundkeime vermehrt im Darm. Die direkten Folgen dieser Mikrobiomveränderungen sind noch nicht vollkommen entschlüsselt. Zahlreiche Studien zeigen einen Zusammenhang von PPI-Einnahme mit Infektionen. Am besten belegt ist der Zusammenhang mit Clostridium-difficile-Infektionen. Besonders bei kritisch kranken Patienten konnten PPI als unabhängiger Risikofaktor für Clostridium-difficile-Infektionen identifiziert werden (Odds Ratio 3,1). Das Risiko scheint dosisabhängig zu steigen. Als Ursache dafür wird eine verminderte Diversität des Darmmikrobioms, insbesondere der Familie der Clostridiaceae, sowie die veränderte Funktion des Mikrobioms mit einem Anstieg an bakteriellen Invasionsgenen durch PPI vermutet (Abb. 2). Allerdings konnten nicht alle Studien und Metaanalysen das erhöhte Risiko bestätigen, insbesondere weil es bei kritisch Kranken durch andere Medikamente, allen voran Antibiotika, viele Faktoren gibt, die das Risiko für eine Clostridium-difficile-Infektion erhöhen. Auch andere Darminfektionen sind unter PPI-Einnahme häufiger. Besonders das Risiko für die Entwicklung einer Reisediarrhoe scheint mit einer Odds Ratio von 6,9 deutlich erhöht zu sein. Diesbezüglich gibt es aber bisher deutlich weniger Studien als zur Clostridium-difficile-Infektion.
Studien zeigen einen Zusammenhang von PPI-Einnahme mit Infektionen
Ebenso wurde generell über ein erhöhtes Pneumonierisiko unter PPI-Einnahme berichtet, bei genauer Betrachtung der Studien fällt aber auf, dass die meisten Pneumonien innerhalb der ersten 30 Tage der PPI-Einnahme verzeichnet werden. Daher könnte hier ein Bias vorliegen, indem Pneumoniebeschwerden als säureassoziierte Beschwerden fehlgedeutet wurden. Auch bei kritisch Kranken gibt es Hinweise, dass die Rate an nosokomialen Pneumonien erhöht ist, wobei auch nicht alle Studien und Metaanalysen zu diesem Schluss kommen. Eine rezente Analyse von Daten von 24.774 Intensivpatienten zeigte kein erhöhtes Risiko für das Auftreten von Infektionen mit positiven Blutkulturen. Die Schwierigkeit bei solchen Metaanalysen liegt vor allem in der Heterogenität der Studien hinsichtlich Patientenkohorte und Definition der Pneumonie. Als Ursache für das erhöhte Pneumonierisiko werden eine höhere Keimzahl im oberen Gastrointestinaltrakt durch die ph-Wert-Erhöhung in Zusammenhang mit Mikroaspiration diskutiert. Möglicherweise gibt es auch direkte Effekte der PPI auf den Respirationstrakt oder auf das Mikrobiom des Respirationstrakts. Weniger beachtet, aber gerade in der Intensivmedizin wichtig ist das möglicherweise erhöhte Risiko von Pilzinfektionen unter PPI-Therapie. Erschwerend kommt noch dazu, dass zumindest in vitro Arzneimittelinteraktionen durch PPI nachgewiesen wurden, die die Effektivität der antifungalen Medikamente einschränken können (zum Beispiel zwischen Omeprazol und Fluconazol).
Intensivmedizinisch relevante Arzneimittelinteraktionen können auch durch Interferenzen mit der Metabolisierung anderer Medikamente bedingt sein. Dazu gehören Benzodiazepine, Makrolide, Citalopram und trizyklische Antidepressiva. Die gleichzeitige Verwendung eines PPI führt zur Wirkungsverstärkung dieser Substanzen. Eine weitere relevante Interaktion besteht bei Clopidogrel, das erst durch das Cytochrom CYP2C19 aktiviert wird. PPI inhibieren dosisabhängig dieses Isoenzym, wodurch es zu einer geminderten Aktivierung von Clopidogrel kommt und infolgedessen zu einer reduzierten Thrombozytenfunktionshemmung. Ob diese Interaktion klinisch relevant ist, konnte noch nicht abschließend geklärt werden. Einzelne retrospektive Arbeiten zeigen teilweise eine höhere Rate an Todesfällen, Rehospitalisierung und Gefäßeingriffen unter der Kombination von Clopidogrel und PPI. Eine Metaanalyse konnte diese Assoziation allerdings nicht bestätigen.
Ein Zusammenhang von PPI-Einnahme mit kardiovaskulären Ereignissen und einer erhöhten kardiovaskulären Mortalität unabhängig von Clopidogrel wurde in großen Kohortenstudien gefunden. Ein kausaler Zusammenhang konnte aber auch hier nicht gezeigt werden. Es ist also auch möglich, dass die PPI-Einnahme nur ein Indikator für schwerer kranke Menschen mit einer schlechteren Überlebenswahrscheinlichkeit ist.
PPI führt zur Wirkungsverstärkung oder Wirkungsabschwächung von anderen Medikamenten
Eine akute interstitielle Nephritis ist in 1–3 % die Ursache eines akuten Nierenversagens, wobei der häufigste Auslöser Medikamente (am häufigsten NSAR, Penicilline oder Sulfonamide) sind. Für PPI gibt es Fallserien und eine Kohortenstudie, die ein erhöhtes Risiko für eine interstitielle Nephritis (Hazard Ratio 3,0) bei PPI-Einnahme beschreibt. Es gab in der Kohortenstudie keinen Hinweis darauf, dass es Unterschiede zwischen den verschiedenen PPIs gibt, daher ist von einem Gruppeneffekt auszugehen.
Von den Elektrolytstörungen erscheint vor allem die Hypomagnesiämie intensivmedizinisch wichtig zu sein. Magnesiummangel kann zu Herzrhythmusstörungen, neuromuskulären oder neurologischen Problemen führen. Der Mechanismus dahinter ist vermutlich eine Hemmung von TRPM 6 und 7 Kationenkanälen durch PPI, durch die das Magnesium ins Interstitium transportiert wird. Hypomagnesiämien werden zwar meist erst nach jahrelanger Einnahme beobachtet, es gibt aber einzelne Berichte über ein Auftreten nach 14 Tagen, insbesondere bei gleichzeitiger Diuretikaeinnahme. Nach Absetzen des PPI normalisiert sich der Magnesiumspiegel meist innerhalb von wenigen Tagen.
Das Infektions- und Komplikationsrisiko scheint vor allem bei vulnerablen Patientengruppen, zum Beispiel bei Leberzirrhose, erhöht zu sein. PPI können das Risiko für die Entwicklung einer alkoholischen Lebererkrankung, insbesondere durch eine Vermehrung von Enterococcus im Darm, erhöhen. PPI erhöhen das Risiko für eine spontane bakterielle Peritonitis (Odds Ratio 2,9) und dosisabhängig für eine hepatische Enzephalopathie. Ob PPI das Mortalitätsrisiko von Patient(inn)en mit Leberzirrhose erhöhen ist noch nicht ganz klar.

Strategien zum Nebenwirkungsmanagement

Nachdem aber auch bei sorgfältiger Patientenselektion PPI in der Intensivmedizin häufig notwendig sein werden, muss auch überlegt werden, wie man die Nebenwirkungen am besten minimieren könnte. Nachdem die Auswirkungen auf das Darmmikrobiom für einen großen Teil der relevanten Nebenwirkungen verantwortlich zu sein scheinen, ist eine Beeinflussung des Darmmikrobioms interessant. Das Darmmikrobiom kann unter anderem durch die Verabreichung von Prä‑, Pro-, oder Synbiotika beeinflusst werden. Erste Studien zu Probiotika zum Nebenwirkungsmanagement bei PPI-Gabe laufen schon, die Ergebnisse liegen aber noch nicht vor.

Fazit für die Praxis

  • Wir wissen heute, dass stressbedingte Mukosaschäden bei kritisch Kranken zwar häufig vorkommen, aber die Gefahr des Stressulkus und der Blutung eher gering einzustufen ist. Ob eine Säuresuppression dieses Risiko senkt, ist noch nicht mit letzter Sicherheit geklärt.
  • Nach wie vor ist unklar, ob PPI, die eine rasche und effektive Säuresuppression erreichen, besser geeignet sind als andere Strategien (H2-Blocker oder Sucralfat), stressbedingte Mukosaschäden zu verhindern.
  • Obwohl PPI eine Reihe an relevanten Nebenwirkungen bei kritisch Kranken haben, ist die Nutzen-Risiko-Bewertung von PPI bei kritisch Kranken noch nicht abschließend durchführbar. Insbesondere die Beeinflussung des Darmmikrobioms ist von großer Relevanz.
  • Nachdem kritisch Kranke bereits kurz nach Aufnahme auf eine Intensivstation eine extreme Dysbiose des Darmmikrobioms zeigen und diese Dysbiose eine mögliche Ursache für Infektionen oder Erkrankungen des Gastrointestinaltrakts ist, sollte der Einsatz von PPI bei dieser vulnerablen Patientenkohorte sehr gut überlegt sein.
  • Insbesondere sollte nicht vergessen werden, den PPI nach der Akutphase wieder abzusetzen, wenn keine Indikation für eine Dauertherapie vorliegt.
  • Zusätzlich muss auch der Kostenfaktor in die Überlegungen einbezogen werden, denn trotz deutlicher Preissenkungen der PPI nach Auslaufen der Patente sind PPI noch immer teurer als beispielweise H2-Blocker.
  • Nachdem nosokomiale Infektionen eine der häufigsten Komplikationen bei kritisch Kranken sind und einen großen Beitrag zur Morbidität und Mortalität leisten, sollte der Aspekt des erhöhten Infektionsrisikos unbedingt genauer untersucht werden, bevor bei fehlenden Daten im Analogieschluss PPI flächendeckend zur Stressulkusprophylaxe eingesetzt werden. Die SUP-ICU-Studie mit 3350 Patienten wird hierzu hoffentlich in Kürze wertvolle Informationen liefern.

Einhaltung ethischer Richtlinien

Interessenkonflikt

V. Stadlbauer gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Dieser Beitrag beinhaltet keine von den Autoren durchgeführten Studien an Menschen oder Tieren. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.
Open Access Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz (http://​creativecommons.​org/​licenses/​by/​4.​0/​deed.​de) veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden.
Literatur
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Zurück zum Zitat Stadlbauer V (2017) Braucht jeder Intensivpatient einen Protonenpumpenhemmer? INTENSIV-NEWS 21(5):15 Stadlbauer V (2017) Braucht jeder Intensivpatient einen Protonenpumpenhemmer? INTENSIV-NEWS 21(5):15
Metadaten
Titel
Protonenpumpenhemmer für den Intensivpatienten
Sorgfältige Patientenselektion und Strategien zum Nebenwirkungsmanagement
verfasst von
Assoz. Prof. Dr. med. univ. Vanessa Stadlbauer
Publikationsdatum
16.03.2018
Verlag
Springer Vienna
Schlagwort
Intensivmedizin
Erschienen in
Wiener klinisches Magazin / Ausgabe 2/2018
Print ISSN: 1869-1757
Elektronische ISSN: 1613-7817
DOI
https://doi.org/10.1007/s00740-018-0215-4