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Ärzte Woche

21.03.2022 | Intensivmedizin

Spastische Zerebralparese, na und?

verfasst von: Martin Krenek-Burger

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Eine neue Kino-Doku zeigt Eva-Maria, eine starke Frau, die sich von ihrer Spastik nicht kleinmachen lässt, einen Job hat und ein Kind bekommt. Doch auch die Intensivmedizin und die Neonatologie machen Fortschritte. Die CP-Rate bei Frühgeborenen sinkt.

„Ich weiß auch nicht die ganze Lösung, ich weiß nur, dass es schaffbar ist.“ Eva-Maria ist eine normale Frau mit Babybauch, die im Wasser treibt und mit ihrer Mutter über die Zukunft spricht. Sie hat lange gebraucht, um einen Job zu finden. Potenzielle Arbeitgeber haben ihr nicht zugetraut, Verantwortung zu übernehmen Gut, wer kennt das nicht? Sie ist Sekretärin an der Pädagogischen Hochschule Tirol. Und stolz auf diese Position.

Eva-Marias Problem war nicht ihre zarte Gestalt oder kindliche Ausstrahlung. Seit ihrer Kindheit ist sie durch spastische Zerebralparese auf den Rollstuhl angewiesen. Ihre verkrümmten Finger und steifen Beine überstrahlen ihre wachen Augen und ihren regen Geist.

Eva-Maria ist der Star der gleichnamigen Film-Doku. Sie ist eine Frau, die sich von Vorurteilen nie hat einschüchtern lassen. Sie weiß, was sie will und wie sie es bekommt. Kompromisslos will sie sich das Leben ermöglichen, von dem sie immer geträumt hat. Einer ihrer größten Träume ist ein eigenes Kind. Ein Partner interessiert sie weniger. Mithilfe einer künstlichen Befruchtung will sie sich diesen Wunsch nun erfüllen.

CP-Rate bei Frühgeborenen sinkt

Die Zerebralparese (CP) ist eine gefürchtete Folge von Frühgeburten, die gehirnbedingte spastische Bewegungsstörung. Rund eines von 500 Kindern in Österreich lebt mit einer Zerebralparese. Die Zerebralparese ist eine motorische Behinderung, oft begleitet von Lernstörung, Sehstörung oder auch Epilepsie. 60 Prozent der Kinder mit Zerebralparese sind Frühgeborene, und je früher Kinder auf die Welt kommen, umso höher ist das Risiko, aufgrund einer Gehirnschädigung diese Behinderung zu entwickeln.

Bis vor Kurzem wurde angenommen, dass sich die Rate der von CP betroffenen Kinder trotz Bemühungen der Neonatologen und Intensivmediziner nicht senken lässt. Das hat sich zum Positiven geändert, sagt Prof. Dr. Ingeborg Krägeloh-Mann, Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin. „Wir können mit europaweit erhobenen Daten zeigen, dass die CP-Rate bei Frühgeborenen seit 20 Jahren kontinuierlich sinkt. Die Auswertung zeigt, dass die Fortschritte in der Intensivmedizin und der Neonatologie sehr dazu führen, dass die ‚Frühchen‘ nicht nur vermehrt überleben, sondern auch besser überleben.“

Gewicht bestimmt Überleben

Problematisch kann es jedoch werden, wenn Frühgeborene weniger als 1.500 Gramm auf die Waage bringen, betont die deutsche Stiftung Kindergesundheit. Diese Hochrisiko-Frühgeborenen, die den schützenden Mutterleib meist schon vor der 32. Schwangerschaftswoche verlassen mussten, werden als „sehr kleine Frühgeborene“ („very low birth weight“, VLBW) bezeichnet.

Etwa ein Prozent aller Babys wiegt bei der Geburt weniger als 1.500 Gramm. Der Anteil dieser winzigen Babys ist damit genauso hoch wie jener Kinder, die mit einem Herzfehler geboren werden, an Diabetes erkranken oder an Epilepsie leiden.

Ärzte der Universitätsklinik für Neonatologie der Berliner Charité haben aus internationalen Studien ein Mosaik der wichtigsten Fakten zusammengestellt über die Chancen und Risiken, die auf diese Kinder und ihre Eltern künftig zukommen ( DOI:10.1055/s-0038-1629434 ). Die Berliner Mediziner verfügen reichlich über eigene Erfahrungen: In den Jahren zwischen 2003 bis 2012 wurden in ihren Kliniken 1.284 überlebende VLBW-Babys betreut. 1.041 der Kinder konnten im Alter von 24 Monaten untersucht werden.

Das aktuellste Ergebnis: Von den nachuntersuchten Frühgeborenen unter 1.500 Gramm Geburtsgewicht des Entlassungsjahres 2012 zeigten bei ihrer Untersuchung vor ihrer Einschulung 71,1 Prozent eine normale Entwicklung. 15,7 Prozent liegen im Bereich einer Lernbehinderung und 8,4 Prozent im Bereich einer geistigen Behinderung (Jahresbericht der Charité-Klinik für Neonatologie, 2018). Die Neonatologen berichten: „Die Prävalenz der Zerebralparese bei ehemaligen Frühgeborenen unter 1.500 Gramm Geburtsgewicht hat in den vergangenen 30 Jahren von 100 pro 1.000 auf 40 pro 1.000 Lebendgeborene abgenommen. Sie liegt 15- bis 20-mal höher als bei reif geborenen Kindern, deren Prävalenz im Vergleich bei zwei bis drei pro 1.000 Lebendgeborenen liegt.“

Was für Menschen mit Zerebralparese möglich ist? Im Film erleben die Zuseher eine junge Frau beim Schwangerwerden, vor der Geburt und in den ersten Jahren mit ihrem Sohn. Es zeigt sich: Eva-Maria hat Optimismus gelernt.


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Metadaten
Titel
Spastische Zerebralparese, na und?
Publikationsdatum
21.03.2022
Zeitung
Ärzte Woche
Ausgabe 12/2022

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