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Ärzte Woche

05.11.2022

„Ich wünsch´ recht gute Erholung“

verfasst von: Martin Krenek-Burger

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1872 gilt als das Jahr, in dem Josef Schöffel den Wienerwald gerettet hat. Damit wurde vor 150 Jahren der Grundstein für Arten-, Klima- und Naturschutz im Umland von Wien gelegt sowie für den Biosphärenpark Wienerwald.

Zufällig ist noch kein Stück Natur gerettet worden, es gab immer jemanden, der sich für seinen Erhalt einsetzte. Das war so, als der Rothwald, der letzte Urwald in Niederösterreich, gefällt werden sollte, ehe die Bankiersfamilie Rothschild das Gebiet aufkaufte und bewahrte. Und das trifft im Wesentlichen auch auf den Wienerwald, die „grüne Lunge“ der Millionenstadt Wien, zu.

Hier schritt ein gewisser Josef Schöffel zur Tat. Der Journalist und pensionierte Offizier (1832-1910) widmete sich nach dem Ende seiner Armeezeit naturwissenschaftlichen Studien und verhinderte mit einigen mutigen Artikeln und – heute würde man sagen – investigativen Recherchen, dass ein Viertel des Wienerwaldes an den Wiener Holzhändler Moritz Hirschl zur Schlägerung verkauft wurde.

Schöffels Begründung klingt überraschend modern und ökologisch: In einem offenen Brief an „Seine Exzellenz den Landtagsabgeordneten ( und ehemaligen Finanzminister, Anm. ) Rudolf Brestel“, erklärte er: „Die sogenannten Wohlfahrtswälder haben Einfluss auf die Temperatur, Regen und Feuchtigkeitsverhältnisse; sie sind ein wichtiger Faktor für das Klima und die Fruchtbarkeit. Ein solcher Wohlfahrtswald ist jedenfalls in hervorragendem Maße der Wienerwald! Wer entgegen den Erfahrungen, entgegen den Lehren und Kundgebungen unserer vorzüglichsten Naturforscher den Einfluss des Wienerwaldes auf das Klima und die Fruchtbarkeit des Landes zu leugnen wagt, der muss mehr als Exzellenz, der muss unfehlbar oder dumm sein!“

Derlei resolutes zivilgesellschaftliches Aufbegehren war man nicht gewohnt. Seit Schöffel am 25. April 1870 mit dem Artikel „Der Verkauf des Wiener Waldes“ auf Seite 2 des Neuen Wiener Tagblatts seinen publizistischen Kampf aufgenommen hatte, wurde er juristisch bekämpft, wegen „Herabwürdigung von Verfügungen der Behörden“.

Der Hintergrund dazu: Nach mehreren verlorenen Kriegen sollten die leeren Kassen der Monarchie aufgefüllt werden. Der staatliche Besitz im Wienerwald wurde also ab 1862 der Finanzlandesdirektion zugeordnet, die nach den Vorgaben des Finanzministeriums diesen zu privatisieren hatte.

Schöffel ließ sich nicht beirren. Er schrieb, der Wald sei der „Stolz der Residenz“, denn eine ähnliche Umgebung könne keine größere Stadt der Welt nachweisen. Und weiter: „Dieses Kleinod der Wiener, dieses herrliche Geschenk der Natur soll nun stückweise an Spekulanten verkauft und verwüstet werden.“

Schöffel berichtete auch vom Amtsmissbrauch hoher Beamter. Ein Teil der Presse war mit Zuwendungen bedacht worden und stand den Profiteuren der Verschleuderung von Staatseigentum näher als den Bewahrern der heimatlichen Wiesen und Wälder. Schöffels Recherchen hielten auch vor Gericht. Die Anklage gegen ihn wurde fallen gelassen. Dazu kam, dass der Börsenkrach von 1873 die Baukonjunktur schlagartig beendete, welche ein wesentlicher Auslöser der ganzen Affäre gewesen war. Finanzminister Brestel musste den Hut nehmen. Kaiser Franz Joseph I. beschied ihm: „Mir scheint, Exzellenz sind unpässlich. Ich wünsch´ recht gute Erholung!“

Veranstaltungshinweis . 150 Jahre Rettung des Wienerwalds, 16. November 2022, 18.00 Uhr, Burg Perchtoldsdorf, Paul-Katzberger-Platz 1, Festsaal


Buchtipp. Adi Mokrejs. Das große Wienerwald-Buch. Schall-Verlag 2021.

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Metadaten
Titel
„Ich wünsch´ recht gute Erholung“
Publikationsdatum
05.11.2022
Zeitung
Ärzte Woche
Ausgabe 45/2022

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