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Ärzte Woche

07.05.2023

Armin Wolf: „Ich bin fast nie zufrieden“

verfasst von: Mit Armin Wolf hat Josef Broukal gesprochen

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Seit 21 Jahren moderiert Armin Wolf die ZiB 2, ungefähr so lange ist Peter Filzmaier sein Studiopartner. Staatsbürgerkunde im Plauderton quasi. Josef Broukal braucht man diesbezüglich nichts erklären. Er befragt den Interviewer der Nation gleich selbst.

Sie moderieren seit 21 Jahren die ZiB2. Geschätzte 2.000 Mal haben Sie Studiogäste zum Interview begrüßt. Sie gelten als hartnäckiger Interviewer, der sich nicht mit Phrasen abspeisen lässt. Das führt zu harten Auseinandersetzungen – und hinterher zu kritischen Kommentaren. Was müsste ein Politiker tun, um bei Ihnen ausreden zu dürfen?

Wolf: Das ist ganz einfach: Unter einer Minute die gestellte Frage beantworten. Das gelingt übrigens gar nicht so selten. Ich unterbreche nämlich in Wahrheit sehr ungern. Aber es läuft eben eine Uhr mit. Und ich überlege mir meine Fragen recht lange, deshalb wäre es schon fein, wenn die Antworten auch mit den Fragen zu tun hätten.

Ihre hartnäckige Art zu fragen stößt auf ebenso viel Widerspruch wie auf Begeisterung. Ist Armin Wolf immer mit Armin Wolf zufrieden?

Wolf: Ich bin fast nie mit meinen Interviews zufrieden. Wenn ich die Möglichkeit hätte, sie zu wiederholen, würde ich fast jedes anders machen. Manche zu fünf Prozent, manche zu fünfzig Prozent. Sie sind fast immer live und ich muss in sehr kurzer Zeit sehr viele Entscheidungen treffen. Da sind immer auch welche falsch, bei mir jedenfalls.

Man könnte vermutlich jeden Spitzenpolitiker stundenlang befragen – Sie haben aber nur wenige Minuten Zeit. Wie wählen Sie Fragen und Themen aus? Für welchen Zuschauer? Einen Akademiker? Einen Landwirt? Eine Unternehmerin? Einfache Menschen?

Wolf : Für grundsätzlich an Politik interessierte Menschen. Andere schauen eher nicht ZiB 2, würde ich vermuten. Und dann entscheide ich so: Gibt es Fragen an den heutigen Gast, die sich alle daheim vor dem Fernseher stellen? Die muss ich jedenfalls stellen, denn ich sitze ja als Vertreter des Publikums da. Und dann jene Themen, auf die ich in meiner Vorbereitung stoße und die allgemein relevant sind und im Idealfall auch neu. Aber diese Fragen können auch entfallen, wenn sich das Interview ganz anders entwickelt, als erwartet. Es soll ein Gespräch sein, kein live im Studio abgefragter Fragebogen.

Wenn Sie an Ihre Anfänge im Studio zurückdenken: Waren die Politiker damals noch „Waserln“ und sind heute mit allen spin-doktorellen Wassern gewaschene Vollprofis

Wolf: Der Livegast meiner zweiten Sendung im Jahr 2002 war Jörg Haider. Also eher kein „Waserl“. Diese intensiven Medientrainings, die den Gästen aber nicht immer helfen, begannen schon vorher, so Mitte der 1990er-Jahre. SPÖ-Kanzler Viktor Klima zum Beispiel war fast uninterviewbar. Jede Antwort begann mit „Das ist eine sehr interessante Frage, aber lassen Sie mich vorher sagen …“ Und dann kam sehr, sehr oft der immer gleiche Textbaustein: „Jobs, Jobs, Jobs“.

In der Umgebung der ZiB-2-Redaktion hält sich das hartnäckige Gerücht, dass manche Politikerinnen und Politiker Ihnen ausweichen– einfach, indem sie nur an Tagen zum Studiointerview bereit sind, wo sie nicht von Ihnen befragt würden. Ist da etwas dran?

Wolf: Das weiß ich ehrlich gesagt nicht. Ich lade die Gäste nicht selber ein. Aber ich hielte es für ziemlich absurd. Ein Interview mit Martin Thür ist sicher nicht leichter. Und davon abgesehen: Wir interviewen in der ZiB 2 politische Medienprofis zehn Minuten lang über ihren Job, den sie hauptberuflich machen, während wir wenige Stunden zur Vorbereitung haben. Wer diese zehn Minuten nicht halbwegs unfallfrei hinbekommt, hat definitiv größere Probleme als unsere Interviews.

Ich erlebe Sie so: Sie strahlen allen Studiogästen gegenüber eine kühle Distanz mit viel Skepsis aus. Aber nie Ablehnung. Wie bekommt man und wie bewahrt man sich diesen Gleichmut?

Wolf : Ich halte das für eine Grundvoraussetzung in unserem Job, aber auch nicht für so schwierig. Jeder Kellner muss alle Gäste gleich behandeln, egal wie sympathisch oder unsympathisch sie ihm sind. Und jede Chirurgin muss alle Menschen auf ihrem OP-Tisch so gut versorgen, wie sie nur kann, unabhängig von ihrer persönlichen Einstellung. Bei mir ist es genauso: Ich operiere, was kommt.

Ihr Vorgänger Robert Hochner meinte einmal, er lese den ganzen Tag Zeitungen, um am Abend Interviews führen zu können. Das war vor der Zeit des Internets. Wie bereiten Sie sich vor? Wie lange? Allein oder im Team?

Wolf : An den Tagen, an denen ich moderiere, lese ich tatsächlich von früh weg den ganzen Tag. Heute natürlich das meiste online. Das ZiB 2-Team ist allerdings so klein, dass alle wirklich gut zu tun haben. Das heißt, für die Vorbereitung der Interviews ist ausschließlich der Moderator oder die Moderatorin zuständig. Das ist der Hauptteil meines Jobs.

Was ist der Zweck der Rollenteilung fragender Moderator – analysierende Fachperson? Ich habe beim Lesen des Buches „Der Professor und der Wolf“ den Eindruck gewonnen, dass Sie alle Ihre darin an Herrn Filzmaier gestellten Fragen auch hätten selbst beantworten können. Und das gilt auch für ihre Doppelkonferencen in der ZiB

Wolf : Es wäre ein recht fader Podcast und ein ziemlich langweiliges Buch, würde ich mich selbst interviewen. In diesem Fall ist es tatsächlich so, dass ich das inhaltlich wohl auch könnte, aber ich bin promovierter Politologe und seit Jahrzehnten Innenpolitik-Journalist. Das ist ja bei vielen anderen Themen völlig anders, wenn etwa ein Krebsspezialist im Studio sitzt oder eine Virologin, eine Wirtschaftsforscherin oder eine Militärstratege.

Sie sind ja jetzt schon zwei Jahrzehnte mit Prof. Filzmaier ein Studio-Paar, wenn ich das so sagen darf. Was macht er für Sie so besonders gut, dass Sie ihn immer wieder einladen? Sagt Filzmaier das, was Sie gerne sagen würden, aber wegen „Objektivität“ nicht sagen dürfen?

Wolf : Peter Filzmaier ist das seltene Exemplar von Wissenschaftler, der sein profundes Fachwissen knapp, präzise, mit Lust und nie langweilig auch Laien erklären kann und dabei nicht darauf schielt, ob am Uni-Institut am nächsten Tag jemand lästert: „Das war aber schon ein wenig unterkomplex, Herr Kollege.“ Seine Analysen sind immer verständlich, aber nie seicht. Er ist wirklich ein Ausnahmetalent.

Wieso weiß Professor Filzmaier eigentlich auf jede Ihrer Fragen eine Antwort?

Wolf : Weil er ein kluger Kopf ist, sein Fach versteht und ich ihn ja weder nach der Weltformel noch nach den Lottozahlen frage.

21 Jahre lang jeden zweiten Tag „Guten Abend bei der Zeit im Bild 2“. Wie viele Jahre noch?

Wolf : Keine Ahnung. Ich hätte nie gedacht, dass ich das so lange machen werde, aber ich habe immer noch großen Spaß daran. Und da die Quoten der ZiB 2 in den vergangenen beiden Jahren so hoch waren wie noch nie in der fast fünfzigjährigen Geschichte der Sendung, scheint es das Publikum auch noch gut auszuhalten.

Hat es Sie nie dazu gedrängt, aus der Rolle des Beobachters und Fragestellers ins Tun zu gehen – also selbst Politiker zu werden?

Wolf : Nie. Ich habe ja meine Dissertation über prominente Quereinsteiger in der Politik geschrieben, darunter waren auch etliche bekannte Journalistinnen und Journalisten – Sie, Herr Broukal, eingeschlossen. Nicht alle sind dabei glücklich geworden. Politik machen ist ein richtig schwieriger Job. Ich bin jedenfalls als Politik-Beobachter qualifizierter. Und ganz ehrlich: Fragen ist schon meistens leichter als antworten.

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Metadaten
Titel
Armin Wolf: „Ich bin fast nie zufrieden“
Publikationsdatum
07.05.2023
Zeitung
Ärzte Woche
Ausgabe 19/2023

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