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16.08.2024 | Hygiene- und Umweltmedizin

Die Stadt als Sauna

verfasst von: Mit Astrid Ziemann hat Irene Thierjung gesprochen

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Setzt sich die globale Erwärmung ungebremst fort, könnten die mittleren Sommertemperaturen hierzulande bis Ende des Jahrhunderts um sechs Grad steigen. Stadtklima-Expertin Astrid Ziemann schildert die Probleme, die Hitze bereits heute den Städtern verursacht, – und führt aus, wie sich urbane Gebiete wappnen können, um der sengenden Hitze zu widerstehen.

Tage mit über 30 Grad und Tropennächte, die kaum für Abkühlung sorgen, waren diesen Sommer fast die Regel. Die Meteorologin Astrid Ziemann erforscht als Leiterin einer Arbeitsgruppe an der Technischen Universität Dresden, wie die Hitzebelastung in Metropolen verringert werden kann und wie effektiv Maßnahmen wie Wassernebel oder Begrünungen sind.

Warum wird Hitze zunehmend Thema für Forschung und Politik?

Astrid Ziemann: Aufgrund des Klimawandels steigen die Temperaturen seit Jahren messbar an. Unsere Projektionen zeigen, dass die Jahresmitteltemperatur bis Mitte des Jahrhunderts um 2,5 Grad zunehmen wird. Auch die Sommertemperaturen steigen, in Mitteleuropa bis Ende des Jahrhunderts um fast 6 Grad.

Betrifft das Städte in besonderem Maße?

Ziemann: Ja, denn in ihnen greift zusätzlich das lokale Stadtklima, das es auch ohne Klimawandel gäbe. Es entsteht durch die dichte Bebauung und Versiegelung, wodurch es weniger Grünflächen, frei liegende Böden und Gewässer gibt. Die Stadt speichert tagsüber viel Wärme, die nachts nur langsam wieder abgegeben wird.

Dieser städtische Wärmeinseleffekt ist messbar. In Wien liegen die nächtlichen Temperaturen in der Stadt 3 bis 4 Grad über denen im Umland. Das hat Folgen: Wenn wir unsere Wohnungen in der Nacht nicht mehr ausreichend durch Lüften kühlen können, erholen wir uns im Schlaf schlechter.

Kann man die Hitzebelastung in Städten verringern?

Ziemann: Bei dieser Frage ist es relevant, wie Menschen Temperatur und Hitze wahrnehmen. Die sogenannte ,gefühlte Temperatur’ entsteht durch das Zusammenspiel von Sonneneinstrahlung, Wärmestrahlung von umgebenden Flächen, Lufttemperatur, Luftfeuchte und Wind. An diesen Schrauben können wir drehen und konkrete Maßnahmen ableiten.

Welche zum Beispiel?

Ziemann: Tagsüber ist es am effektivsten, die Strahlungsaufnahme durch die Sonne zu reduzieren. Alles, was Schatten spendet, hilft dabei. Besonders wirksam sind urbanes Grün und insbesondere alte Bäume mit großen Kronen. Es ist wirklich wichtig, diese Bäume zu erhalten. Sie spenden nicht nur Schatten, sondern senken durch Verdunstung die Lufttemperatur. Zudem fördern sie Biodiversität und Erholung in der Stadt und speichern bei Starkregenereignissen Wasser, was die Kanalisation entlastet.

Jeder Einzelne kann helfen, Bäume in Dürreperioden mit Gießpatenschaften am Leben zu halten. Man spricht sich in der Nachbarschaft ab und wässert einmal pro Woche den Baum. Zehn große Gießkannen, also 100 Liter Wasser, reichen aus.

Was können Pflanzen noch bewirken?

Ziemann: Parkanlagen sollten so gestaltet werden, dass es nicht nur Bäume, sondern auch offene Wiesenflächen gibt. Diese kühlen nachts besonders gut aus und erzeugen Kaltluft. Eine Möglichkeit, weitere Wiesen zu schaffen, ist die Begrünung von Gleisanlagen.

Auch Gebäude können begrünt werden. Dachgrün und Dachgärten kommen dabei eher bei Neubauten infrage, bei Bestandsbauten sind sie wegen der Statik oft nicht möglich. Bei bestehenden Gebäuden kann man aber Fassaden begrünen und Innenhöfe entsiegeln.

Gibt es Möglichkeiten, Luft und Wasser zur Kühlung zu nutzen?

Ziemann: In Städten in Becken- oder Tallagen kann abgekühlte Luft von landwirtschaftlich genutzten Flächen und Wiesen im Umland in die Stadtquartiere geleitet werden. Es gilt, vernetzte Grünzüge zur umgebenden Landschaft zu schaffen und vorhandene Ventilationsschneisen offen zu halten. Neue Gebäude sollten immer so angeordnet werden, dass sie den Kaltluftfluss nicht blockieren. Wasser kann im Städtebau in Form von Brunnenanlagen oder Wasservernebelungsanlagen genutzt werden.

Derartige Sprühnebel sieht man häufig. Was bringen sie?

Ziemann: Diese Anlagen wirken im Nahbereich sehr gut. Man stellt sich in das vernebelte Wasser und findet so Abkühlung. Eine größere Fernwirkung ist nicht gegeben, die wird eher durch Parkanlagen erzielt.

Könnte man auch durch spezielle Baumaterialien oder helle Beschichtungen die Hitzebelastung senken?

Ziemann: Das ist ein heiß diskutiertes Thema und es gibt leider keine einfache Antwort. Es gab einige Experimente, zum Beispiel in Los Angeles, bei denen Straßenzüge weiß oder mit sehr hellen Farben bestrichen wurden. Dadurch wird viel an Sonnenstrahlung reflektiert, was die Oberflächentemperatur verringert und in der Nacht für eine etwas geringere Lufttemperatur sorgt. Aber das Problem bei der Sache ist die gefühlte Temperatur.

Inwiefern?

Ziemann: Auf reflektierenden Straßen und Wegen spüren Fußgänger die abgestrahlte Wärme stark. Mit einem Messrucksack konnten wir zeigen, dass die gefühlte Temperatur dort tagsüber um bis zu vier Grad ansteigt. Besonders auf viel frequentierten Wegen oder auf Kinderspielplätzen, die der Sonne ausgesetzt sind, würde ich solche Beläge daher nicht empfehlen. Diese Orte nutzen auch vulnerable Gruppen, die sich schlecht an hohe Temperaturen anpassen können.

Welche nicht-baulichen Maßnahmen können Städte noch ergreifen?

Ziemann: Viele europäische Städte haben bereits eigene Hitzeaktionspläne, auch in Österreich. Deutschland zieht langsam nach.

Wie kann man sich das vorstellen?

Ziemann: Hitzeaktionspläne enthalten verschiedenste Maßnahmen. Lang- und mittelfristige betreffen vor allem die Stadtplanung. Kurzfristige dienen dazu, im Sommer und bei Hitzewellen möglichst breit zu informieren. Hitzewarnungen der Wetterdienste müssen an relevante Akteure im Gesundheitswesen gehen, wie Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen und Apotheken. Mancherorts gibt es Stadtpläne oder Apps, in denen so genannte Coolspots wie Kirchen und klimatisierte Gebäude oder Stellen zum Auffüllen von Wasserflaschen ausgewiesen werden.

Wichtig ist, dass die Informationen alle Menschen erreichen, auch ältere Alleinstehende ohne Zugang zum Internet, sozial benachteiligte Personen wie Obdachlose und Berufsgruppen, die draußen arbeiten müssen. Die Informationskette muss ein Selbstläufer sein, wenn die Hitze erst mal da ist. Mit Blick auf alte Menschen hilft nachbarschaftliche Unterstützung am besten.

Wie können wir uns Ihre Forschungsprojekte vorstellen – und wer profitiert davon?

Ziemann: Ein großes Projekt, an dem meine Arbeitsgruppe teilgenommen hat, war das Projekt Heat Resilient City, bei dem die Wirksamkeit verschiedener Anpassungsmaßnahmen analysiert wurde. Wir konnten mit Stadtklimamodellen nachweisen, dass ein großer Baum die gefühlte Temperatur tagsüber um 10 Grad senken kann.

Solche Daten sind für Stadtplaner wichtig, da sie die Effizienz einzelner Maßnahmen bewerten müssen, denn es kann ja nicht alles umgesetzt werden, was man sich wünscht. Durch unsere Arbeit, die unter anderem vom deutschen Forschungsministerium finanziert wird, beraten wir kommunale Verwaltungen sowie Landes- und Bundesbehörden.

Welche ihrer Ratschläge wurden bereits umgesetzt?

Ziemann: In Erfurt wurden zuletzt 50 Straßenbäume gepflanzt. Das war eine beachtliche Leistung, da dafür das Tiefbauamt, das Gartenbauamt, Hochbauamt und die Stadtplanung zusammenarbeiten mussten. In Dresden testeten wir Maßnahmen an Haltestellen, um die Hitzebelastung der wartenden Menschen zu senken. Derartige Modellprojekte werden hoffentlich bald in größerem Umfang umgesetzt.

Informationen zu den Hitzeaktionsplänen der österreichischen Bundesländer finden Sie hier:

https://www.sozialministerium.at/Themen/Gesundheit/Hitze/Aktuelle-Hitzeschutz--und-Hitzeaktionspl%C3%A4ne-der-Bundesl%C3%A4nder.html

Weitere Informationen:

https://www.sozialministerium.at/Themen/Gesundheit/Hitze/Aktuelle-Hitzeschutz--und-Hitzeaktionspl%C3%A4ne-der-Bundesl%C3%A4nder.html

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Metadaten
Titel
Die Stadt als Sauna
Publikationsdatum
16.08.2024

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