Nach Krebstherapie mit Cisplatin auf Schwerhörigkeit screenen!

Wer zur Behandlung einer Krebserkrankung Cisplatin erhalten hat, sollte regelmäßig das Hörvermögen überprüfen lassen und strikt auf die Cholesterinwerte achten. In einer Longitudinalstudie mit Hodenkrebspatienten schritt der altersbedingte Hörverlust besonders rasch fort, wenn insgesamt mehr als 300mg/m2 Cisplatin verabreicht worden waren und eine anhaltende Hypercholesterinämie bestand. Stephan Rothe / Fotolia (Symbolbild mit Fotomodell) × Cisplatin, ein in vielen Anti-Tumor-Regimen etabliertes Zytostatikum, ist bekannt dafür, dass es das Hörvermögen deutlich beeinträchtigen kann. Studien zufolge entwickeln nach einer cisplatinhaltigen Chemotherapie bis zu 80% der Krebspatienten eine bilaterale Innenohrschwerhörigkeit, häufig begleitet von Tinnitus. Das kann vor allem für Menschen zum Problem werden, die ihre Krebserkrankung bereits in jungen Jahren überstanden haben und ein Alter erreichen, in dem das Hörvermögen physiologischerweise abnimmt. Ein US-Team hat nun in einer Longitudinalstudie untersucht, wie sich eine frühere Therapie mit Cisplatin bei Männern auswirkt, die den Hodenkrebs überlebt haben. Die insgesamt 100 Beteiligten stammten aus acht US-amerikanischen Zentren, wo sie zwischen 2012 und 2018 in die Studie aufgenommen und audiometrisch untersucht worden waren. Ein zweites Assessment fand bis Ende Dezember 2022 statt (nach median sechseinhalb Jahren). Zu diesem Zeitpunkt waren die Teilnehmer im Schnitt 48 Jahre alt und hatten die Chemotherapie seit median 14 Jahren überstanden. Mehr als die Hälfte schwerhörig 54 hatten im Studienzeitraum nach eigenen Angaben eine Schwerhörigkeit entwickelt, meist bilateral, die bei Messung einem medianen (symmetrischen) Hörverlust von 48 dB entsprach. Von diesen berichteten 74%, sie hätten vor allem in Menschenmengen Hörprobleme. Immerhin 38% hatten eine Hörbehinderung attestiert bekommen (laut HHIA, Hearing Handicap Inventory for Adults). Diese Raten lagen jeweils deutlich höher als in der Gruppe ohne subjektiven Hörverlust. Bei höheren Dosen steigt das Risiko Bemerkenswert war, dass der Hörverlust nach einer Chemotherapie mit höheren kumulativen Dosen Cisplatin (>300mg/m2) deutlich rascher fortzuschreiten schien; dies zeigte eine Multivariablenanalyse über median 14 Jahre, bei der die schwerhörigen Hodenkrebspatienten mit einer (gesunden) Gruppe altersangepasster Normalhöriger verglichen wurden. Bei Patienten, die niedrigere Dosen erhalten hatten, verlief die Progression dagegen vergleichbar langsam wie in der Kontrollgruppe (in der Studie hatten 54% genau 300mg/m2 Cisplatin erhalten, 22 Patienten dagegen 400mg/m2). Teilnehmer mit Hörverlust hatten eine deutlich höhere Spracherkennungsschwelle (13 versus 10 dB) als solche ohne Hörverlust und schnitten außerdem bei der Worterkennung in Ruhe signifikant schlechter ab (96% vs. 98%). Schwieriges Verstehen vor Hintergrundgeräuschen Signifikante Unterschiede gab es vor allem auch beim Sprachverstehen im Störgeräusch (Words in Noise, WIN), und zwar sowohl bei der Zahl der richtig erkannten Wörter als auch bei der SNR-50 (der Wert gibt die Schwelle an, bei der 50% der Sprache verstanden wird). Eine leichte, moderate bzw. schwere funktionelle Störung gemäß WIN-Test hatten von denjenigen mit subjektiver Schwerhörigkeit 39%, 9% bzw. 6%. Faktoren, die das Sprachverstehen unabhängig und signifikant beeinflussten, waren neben dem Alter der Bildungsgrad, aber auch das Vorliegen einer Hypercholesterinämie. Laut der Forschungsgruppe um Victoria A. Sanchez von der University of South Florida sind metabolische Störungen wie die Dyslipidämie generell als Risikofaktoren für Hörverlust bekannt. Dadurch erhöhe sich zum Beispiel die Plasmaviskosität, was zur Stenose der A. cochlearis führen könne. In einer Multivariablenanalyse waren erhöhte Cholesterinspiegel im Blut auch signifikant mit dem Fortschreiten des Hörverlusts assoziiert. Strenge Einstellung des Cholesterins als Teil der Nachsorge! Die strenge Einstellung einer Hypercholesterinämie sollte daher in jedem Fall Bestandteil der routinemäßigen Nachsorge von mit Cisplatin behandelten Krebspatienten sein, fordern Sanchez und Kollegen, ebenso wie regelmäßige audiologische Untersuchungen. Vor allem das beeinträchtigte Sprachverstehen im Störgeräusch, wie man es bei den Hodenkrebspatienten häufig gesehen habe, lasse das Risiko für eine Demenzerkrankung bekanntermaßen deutlich steigen. Originalstudie: Sanchez VA et al.: Comprehensive Audiologic Analyses After Cisplatin-Based Chemotherapy. JAMA Oncol 2024; https://doi.org/10.1001/jamaoncol.2024.1233 Quelle: springermedizin.de

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