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Ärzte Woche

21.02.2019 | HNO

Infektiologie

Je kürzer, desto Wellness

verfasst von: Reinhard Hofer

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Ausgedehntes Baden in Thermalwasser begünstigt oftmals Infekte. Besonders häufig betroffen ist der Gehörgang, der sich aufgeweicht nur schlecht gegen etwaige Keime wehren kann.

Die Anzahl der badebedingten Gehörgangsentzündungen ist im Sommer, wenn die Menschen besonders häufig Freibäder oder Badeseen aufsuchen, höher als im Herbst oder Winter. Thermalbäder mit angenehmen Badetemperaturen laden auch in der kalten Jahreszeit zu langem Verweilen im Wasser ein. In Letzteren werden laufend Proben zur Keimbelastung gezogen, so kann umgehend mittels Chlordosierung oder anderer Desinfektionsmaßnahmen reagiert werden. Einen sicheren Schutz vor einer Infektion bieten sämtliche Hygienemaßnahmen aber nicht. „Je höher die Anzahl der Personen, die sich auf engerem Raum aufhalten, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit einer Keim-Weitergabe. Das gilt für ein Bad genauso wie für ein Theater“, sagt OA Dr. Thomas Rasse von der HNO-Abteilung des Klinikums Wels-Grieskirchen.

Hohe Hygienestandards

Im Thermenressort Loipersdorf sorgen automatische Chlor-Messregelanlagen für die Desinfektion des Badewassers. Zusätzlich gibt es bei den Thermalwasserbecken Ozonanlagen, welche die Desinfektion des Badewassers unterstützen. „Ozon hat eine bis zu 30-fach höhere Desinfektionswirkung als Chlor. Täglich werden von unseren speziell geschulten Hauswassertechnikern zweimal händisch der Chlorgehalt, pH-Wert, Redox-Wert und die Wassertemperatur gemessen. Jeder Messwert wird protokolliert und drei Jahre aufbewahrt“, erklärt Anton Unger, Leiter der Haus-Wasser-Technik an der Therme Loipersdorf.

Moderne Thermalbäder sind den großen, antiken Badeeinrichtungen nachempfunden, in denen schon die alten Römer ihre Thermalquellen nutzten. Zahlreiche Schwimmbecken, Whirlpools, Sole- und Dampfbäder bis hin zu ganzen „Saunalandschaften“ sollen das Wohlbefinden des Thermenbesuchers gewährleisten. Der Schwerpunkt liegt damals wie heute weniger auf therapeutischen Zwecken als auf „Wellness“.

Filter, Chlor und Desinfektion

Gemäß Bäderhygieneordnung wird dem Becken täglich Frischwasser in einer Mindestmenge von 30 Litern pro Badegast und Tag zugesetzt. Meistens ist der Frischwasserzusatz um ein Vielfaches höher. Der Boden des Beckens wird zwei- bis dreimal wöchentlich (bei Bedarf auch täglich), und die Überlaufrinnen einmal wöchentlich gereinigt. Je nach Größe bzw. Art des Badebeckens und der dazugehörigen Ausgleichbecken werden sie mindestens einmal jährlich komplett entleert und gereinigt, Warmsprudelbäder mindestens viermal jährlich, Tauch-, Tret- und Durchschreitebecken täglich. „Zusätzlich prüft das Hygieneinstitut Graz viermal jährlich sämtliche Badebecken sowie Trink- und Warmwasseranlagen bakteriologisch und chemisch“, sagt Unger.

Daneben sorgen spezielle Wasseraufbereitungsanlagen für die Reinigung des Badewassers, die Filteranlagen (Umwälzpumpen) laufen rund um die Uhr. Nur bei Rückspülungen der Mehrschicht- und Aktivkohlefilter ist die Umwälzung unterbrochen – dies geschieht jedoch vor und nach dem Badebetrieb. Ebenfalls werden die Fasenfänger, die verhindern, dass größere Verschmutzungen in die Umwälzpumpen gelangen, je nach Verschmutzung täglich bzw. wöchentlich gereinigt. Filterrückspülungen sind abhängig von der Besucherbelastung und der Wassertemperatur. Bei Filterrückspülungen werden die Filterkessel auch mit Chlor beaufschlagt und nach einer kurzen Einwirkphase und Luftspülung, mit der das Filtermaterial aufgelockert wird, anschließend mit Wasser rein gespült. Nach dem Einfiltern erfolgt wieder die Umwälzung des Badewassers.

Lange Aufenthalte im Wasser

„Chronisch kranke Patienten sollten vorab mit ihrem behandelnden Facharzt abklären, ob ein Thermenbesuch für sie sinnvoll ist oder nicht“, sagt die Kurärztin und Allgemeinmedizinerin Dr. Freya Wohlesser. Nachteilig kann sich das warme Wasser bei akuten Venenentzündungen, generell akuten Entzündungen, für Patienten mit unbehandelten Herz-Kreislauferkrankungen (z. B. bei schlecht eingestelltem Blutdruck) oder offenen Hautdefekten auswirken. „Bei Gästen ab dem 50. Lebensjahr ist darauf zu achten, die vorgegebene Badezeit nicht zu überschreiten. Gibt es gesundheitliche Probleme bei Thermenbesuchern, werden sie zum nächstgelegenen praktischen Arzt oder ins naheliegende Krankenhaus überwiesen“, sagt Wohlesser.

Für den HNO-Arzt ist vor allem das stundenlange Verweilen im Wasser mit Problemen verbunden. „Es kommt zu einer Aufweichung der Haut, wodurch leichter durch das mit Substraten bzw. opportunistischen Erregern besiedelte Wasser Gehörgangsentzündungen entstehen“, erklärt HNO-Spezialist Rasse. Das Problem seien jedoch in erster Linie nicht irgendwelche Keime, die etwa über die Luft oder die Aerosole in Whirlpools verteilt werden. Diese sind einer ständigen Prüfung unterworfen, zusätzlich erfolgt eine adäquate Desinfektion des Wassers mittels Chlor. Es ist die aufgeweichte Haut, welche die Entzündung begünstige: „In einer Therme befinden sich nicht mehr Keime als sonstwo. Die sowieso auf der Haut befindlichen Keime können durch die aufgeweichte Haut nur leichter eindringen“, sagt Rasse.

Anatomischer Nachteil

Beim Gehörgang handelt es sich um eine Engstelle, die das Abfließen des Wassers erschwert, wodurch Wasser im Gehörgang verbleibt. Wurde längere Zeit keine Gehörgangsreinigung bzw. Hygiene durchgeführt, kann es zu einer Blockade durch Cerumen (Ohrenschmalz) kommen, was wiederum eine Badeotitis bzw. Otitis externa begünstigt. Die Diskrepanz der Temperatureinwirkung des warmen Wassers auf Kopf und Körper begünstigt zusätzlich Infekte der oberen Atemwege, wie Schnupfen oder virale Infekte.

Der Hauptgrund für eine Badeotitis liegt in der langen Verweildauer im Wasser und das Aufweichen der Gehörgangshaut. Dabei spielt es weniger eine Rolle, wo man badet – sei es in Meer-, See- oder Thermalwasser. „Hinzu kommt die Manipulation des Gehörgangs mit Ohr- oder sonstigen Stäbchen, womit durch das Aufreißen der Haut die Situation noch verschärft wird“, so der HNO-Spezialist.

Prävention durch Gehörgangsschutz

Spezielle Risikogruppen, denen man abraten müsste, in eine Therme zu gehen, gibt es für Rasse nicht. Generell gefährdet sind jedoch Patienten, die zu Entzündungen neigen, Patienten mit Psoriasis oder anderen Hautkrankheiten, schlecht eingestellte Diabetiker oder Personen mit einer übermäßigen Cerumen-Produktion. Präventiv können Salben oder ein entsprechender angepasster Schwimmschutz (Otoplastiken) eingesetzt werden. Als preiswertere Alternative zu einer individuell angepassten Gehörgangsotoplastik können einfache, formbare Ohrstöpsel aus Drogerie und Apotheke dienen. Auch Menschen mit Gehörgangsexostosen, einer lokalen Knochenvermehrung und dadurch fortschreitende Einengung des Gehörgangs, entwickeln eher eine Gehörgangsentzündung.

Auch Pilze können ursächlich für Beschwerden der Ohren verantwortlich sein. Eine Therapie kann mit antibiotischen Tropfen erfolgen, zumeist sind allerdings abschwellende und desinfizierende Tropfen, die auf einem Streifen eingebracht werden, ausreichend. Die Behandlung muss jedoch mehrtägig erfolgen, und führt meist nach fünf bis sieben Tagen zur Abheilung. Gegebenenfalls können orale Schmerzmittel oder selten auch Antibiotika verabreicht werden. „Bei adäquater Behandlung kann ein chronischer Verlauf so gut wie immer verhindert werden“, so Rasse.

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Metadaten
Titel
Infektiologie
Je kürzer, desto Wellness
Schlagwörter
HNO
Erkrankungen des Ohrs
Publikationsdatum
21.02.2019
Zeitung
Ärzte Woche
Ausgabe 9/2019

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