Das hepatozelluläre Karzinom (HCC) entsteht in der Regel im Rahmen einer chronischen Lebererkrankung im fortgeschrittenen Stadium. Meist liegt schon eine Zirrhose vor. Patienten mit einer Zirrhose haben ein deutlich erhöhtes Risiko für ein HCC und sollten mittels 6‑monatlichen Ultraschalluntersuchungen überwacht werden. Patienten mit neu entdecktem HCC sollten in einem spezialisierten Zentrum abgeklärt und behandelt werden. Die Wahl der Therapie hängt dabei vom Stadium der Erkrankung ab. Dieses wiederum wird nicht nur von der Tumorgrösse, sondern auch von der Leberfunktion bestimmt. Bei Frühstadien des HCC kommen Therapien mit kurativer Intention zum Einsatz: chirurgische Resektion, Transplantation und perkutane Ablationstherapien. Das intermediäre Stadium wird primär mit transarterieller Chemoembolisation behandelt. Im fortgeschrittenen Stadium kommen die systemischen Therapien und in ausgewählten Patienten die transarterielle Radiotherapie zum Einsatz. Bei den systemischen Therapien hat mit der Zulassung der Kombination eines Immuncheckpointinhibitors mit einem Angiogenesehemmer ein Paradigmenwechsel stattgefunden.
Hinweise
Hinweis des Verlags
Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.
Einleitung
Das hepatozelluläre Karzinom (HCC) gewinnt unter den malignen Erkrankungen an Bedeutung, auch in der Schweiz. Dies liegt zum einen an der weiterhin steigenden Inzidenz, die in den Industrienationen vor allem durch die zunehmend häufige nichtalkoholische Fettlebererkrankung versursacht wird. Ferner liegt es auch daran, dass die Therapiemöglichkeiten im Vergleich zu anderen Malignomen immer noch sehr eingeschränkt sind. Erfreulicherweise hat sich die Therapielandschaft für das HCC durch die Zulassung der Immuntherapie als systemische Therapieoption grundlegend verändert. Die vorliegende Übersichtsarbeit soll einen aktuellen Einblick in die Epidemiologie, Abklärung und Behandlung des HCC bieten.
Epidemiologie
Über 90 % der primären malignen Tumoren der Leber sind HCC. In der weltweiten Krebsstatistik stellt das HCC den 5‑häufigsten malignen Tumor dar, wobei es erhebliche geographische Unterschiede gibt. Die mit Abstand höchsten HCC-Inzidenzraten finden sich in Ostasien und Subsahara-Afrika [1]. In der Schweiz steht das HCC bei den Männern an Platz 11, bei den Frauen an Platz 20 der Tumorinzidenz. Gleichzeitig ist der Einfluss des HCC auf die Krebsmortalität überproportional höher und steht bei den Männern an Platz 5, bei den Frauen an Platz 8 der tumorbedingten Todesfälle [2].
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Die überragende Mehrheit der HCC (> 90 %) entstehen auf der Grundlage einer vorbestehenden Lebererkrankung. Die Wichtigsten sind die chronische Hepatitis-C- (HCV) oder chronische Hepatitis-B-Infektion (HBV), die alkoholische Lebererkrankung und die nichtalkoholische Fettlebererkrankung (NAFLD). In den westlichen Industrienationen stellen HCV und alkoholische Leberschädigungen bislang noch die häufigste Ursache für die HCC-Entstehung dar. Die NAFLD hat in den letzten Jahren aber dramatisch an Bedeutung gewonnen und wird wohl in absehbarer Zeit die häufigste Ursache für die HCC-Entstehung sein [3].
Die Leberzirrhose per se ist der bedeutsamste Risikofaktor, insbesondere wenn es sich um eine Zirrhose auf dem Boden einer viralen Hepatitis handelt. Rund ein Drittel aller Patienten mit bestehender Leberzirrhose entwickelt in seinem Leben ein HCC [4]. Die Inzidenzrate liegt in dieser Patientengruppe bei etwa 1–8 % in Abhängigkeit von Ätiologie, Alter, Geschlecht, Stadium der Lebererkrankung, Vorliegen von metabolischem Syndrom und Diabetes mellitus sowie weiteren Faktoren [5]. Bedeutsam sind auch die Ergebnisse zahlreicher neuerer Studien, die zeigen, dass insbesondere bei Patienten mit chronischer Hepatitis B oder NAFLD das Risiko für eine HCC-Entstehung auch ohne Zirrhose deutlich erhöht ist. Die Etablierung und kontinuierliche Anpassung einer Surveillance-Strategie für die unterschiedlichen Lebererkrankungen ist damit von grosser Bedeutung in der Früherkennung des HCC.
Surveillance
Entsprechend den Empfehlungen der European Association for the Study of the Liver (EASL) und der Schweizerischen Fachgesellschaft (SASL) besteht bei allen Patienten mit Leberzirrhose eine Indikation zur Surveillance. Darüber hinaus ist bei bestimmten Patientengruppen ohne Leberzirrhose eine regelmässige Surveillance indiziert und kosteneffektiv, da diese Populationen ein deutlich erhöhtes HCC-Risiko tragen. Dies sind insbesondere kaukasische Patienten mit chronischer Hepatitis-B-Infektion und einem PAGE-B-Score („platelets, age, gender“) von 10 oder grösser [6]. Bei nichtkaukasischen Patienten gibt es bislang keine klaren Leitlinien und hier sollte eine individuelle Risikoabschätzung unter Berücksichtigung von Geschlecht, Alter und Ethnie (asiatisch, afrikanisch) die Entscheidung zur HCC-Surveillance leiten. Bei Patienten mit gesicherter höhergradiger Fibrosierung wird ebenfalls eine detaillierte Abwägung der Surveillance empfohlen.
Die HCC-Surveillance erfolgt mittels 6‑monatlicher Sonographie der Leber. Surveillance mittels Bestimmung des Tumormarkers α‑Fetoprotein (AFP) ohne Sonographie wird nicht empfohlen [1]. Es gibt jedoch Daten, die eine Kombination aus AFP und regelmässigem Ultraschall besonders im längeren zeitlichen Verlauf favorisieren [7]. Patienten mit schwierigen Ultraschallbedingungen sollten regelmässige Computertomographie- (CT) oder Magnetresonanz-(MR)Untersuchungen erhalten.
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Diagnose
Die HCC-Diagnose wird bei Patienten mit Leberzirrhose und fokalen Leberläsionen > 1 cm entsprechend den Leitlinien bereits ohne Biopsie aufgrund der Bildgebung gestellt. Das charakteristische Perfusionsmuster in multiphasischen, kontrastverstärkten Bildgebungen (CT, MRT oder kontrastverstärkter Ultraschall [CEUS]) ermöglicht die Diagnose [8]. Die höchste Sensitivität weist von den genannten Techniken das MRT mit gadoliniumhaltigem Kontrastmittel auf [9]. In den letzten Jahren findet sich in radiologischen Befundberichten vermehrt die Klassifikation von Leberläsionen entsprechend des Liver Imaging Reporting and Data System (LI-RADS; [10]). Diese Klassifikation ist durch die EASL noch nicht uneingeschränkt implementiert worden [11].
Wenngleich die HCC-Diagnose bei zirrhotischen Patienten ausschliesslich aufgrund der Bildgebung gestellt werden kann, bleibt die Biopsie von Leberläsionen der diagnostische Goldstandard. Bei Patienten mit vorbestehender Zirrhose ermöglicht dies insbesondere die Diagnose von gemischt hepatozellulären-cholangiozellulären und Nicht-HCC-Malignomen sowie prämalignen Läsionen. Bei nichtzirrhotischen Patienten ist die Biopsie und histopathologische Bestätigung für die Diagnose unbedingt gefordert. Die gezielte Biopsie von HCC-verdächtigen Leberläsionen trägt ein geringes Risiko für Blutung sowie Verschleppung von Tumorzellen, das aber im Bereich unter 5 % liegt, insbesondere wenn diese Eingriffe in spezialisierten Zentren durchgeführt werden [12].
Staging und Therapieallokation
Die meisten HCC entwickeln sich vor dem Hintergrund chronischer nekroinflammatorischer Lebererkrankungen und bis zu 80 % entstehen in zirrhotischen Lebern. Die Prognose hängt daher nicht nur vom Grad und dem Stadium des HCC ab, sondern auch vom Stadium der zugrunde liegenden Lebererkrankung. Wenn immer möglich sollte die zugrunde liegende Lebererkrankung behandelt werden. Die Leberresektion ist die Behandlung der Wahl für das HCC bei nichtzirrhotischen Patienten, unabhängig von der Tumorgröße. Das Management von HCC-Patienten mit gleichzeitiger Leberzirrhose ist grundlegend anders. Die Behandlungszuordnung basiert auf Staging-Systemen, die nicht nur das Tumorstadium, sondern auch die Leberfunktion und das Ausmass der portalen Hypertension beinhalten. Die Swiss Association for the Study of the Liver (SASL) empfiehlt ein leicht modifiziertes Barcelona-Clinic-Liver-Cancer(BCLC)-Staging-System (Abb. 1). Grundsätzlich sollten alle HCC-Patienten an ein Zentrum mit einem spezialisierten Tumorboard verwiesen werden. Alle relevanten Management- und Behandlungsentscheidungen müssen in multidisziplinären Tumorgremien diskutiert werden, die sich aus Leberchirurgen, Gastroenterologen/Hepatologen, medizinischen Onkologen, interventionellen Radiologen, Strahlentherapeuten, Radiologen und Pathologen zusammensetzen.
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Aktuelle Therapieoptionen
Sehr frühes Stadium (0)
Patienten mit erhaltener Leberfunktion und einem einzigen HCC ≤ 2 cm (sehr frühes Stadium) sollten mittels perkutaner Ablation (Hochfrequenz- oder Mikrowellenablation) oder chirurgischer Resektion behandelt werden. Beide Strategien bieten ähnliche Ergebnisse mit erwartetem 80–90 % 5‑Jahres-Überleben [13]. Die Lage der Läsion ist ein Schlüsselelement bei der Entscheidung zwischen den beiden Strategien. Ein HCC, das sich tief in der Leber befindet, sollte in erster Linie abladiert werden, während oberflächlichere Läsionen mit einem minimal-invasiven Ansatz (laparoskopische oder robotergestützte Chirurgie) reseziert werden sollten. Die Resektion hat den Vorteil, dass eine pathologische Analyse des HCC vorgenommen werden kann. Bei Patienten mit höherem Rückfallrisiko (mikrovaskuläre Invasion, schlechte Differenzierung oder Vorhandensein von Satellitenknollen, die auf der Resektionsprobe zu sehen sind) sollte eine Transplantation diskutiert werden [14]. Wenn sowohl Ablation als auch Resektion technisch unmöglich sind (z. B. für HCC, die sich an der Basis der Lebervenen befinden), sollte eine stereotaktische Radiotherapie (SBRT) erwogen werden [15].
Frühstadium (A)
Das Frühstadium umfasst Patienten mit einem einzigen HCC > 2 cm oder mit 2–3 HCC, die jeweils ≤ 3 cm betragen. Sie haben ein erwartetes 50–70 %iges 5‑Jahres-Überleben. Bei Patienten mit einem singulären HCC (unabhängig von der Größe), erhaltener Leberfunktion und keiner klinisch relevanten portalen Hypertension (der hepatisch-portalvenöser Druckgradient [HVPG] sollte bei < 10 mm Hg liegen) sollte eine Leberresektion durchgeführt werden. Bei zirrhotischen Patienten ist zu beachten, dass ein ausreichendes Leberrestvolumen von mindestens 50 % nach der Resektion zurückbleibt [16]. Sollte dies nicht der Fall sein, kann der zukünftige Restleberanteil („future liver remnant“) mittels Pfortaderembolisation augmentiert werden. Häufig kann eine Pfortaderembolisation mit einer vorherigen TACE kombiniert werden, um eine zusätzliche Tumorkontrolle während der Wartezeit der Parenchymaugmentation zu erreichen [17]. Klinische Daten zeigen, dass eine sequentielle TACE und Pfortaderembolisation zur einer besseren Hypertrophie der Restleber führen als die alleinige Pfortaderembolisation [18]. Viele Zentren, wie auch in Zürich, verwenden dynamische Leberfunktionstest wie den Indocyanine-green-clearance(ICG)- oder den Maximum-liver-function-capacity(LiMAx)-Test bei der Entscheidungsfindung zur Leberresektion. Bei limitierten Resektionen von kleineren und gut anatomisch gelegenen singulären Läsionen (Grösse 2–5 cm) bieten sich minimal-invasive Resektionsverfahren, entweder laparoskopisch oder roboterassistiert, an.
Wenn eine Operation nicht möglich ist und bei Patienten mit mehreren HCC, sollte eine Transplantation in Betracht gezogen werden. In der Schweiz werden Lebertransplantationen an den Universitätszentren Bern, Genf und Zürich durchgeführt. Bei der Indikationsstellung zur Transplantation werden häufig die sog. Mailänder Kriterien (ein HCC ≤ 5 cm, 2–3 HCC je ≤ 3 cm) berücksichtigt [19]. Diese können im Einzelfall auch leicht überschritten werden. Es ist auch möglich, Patienten, die bei Diagnosestellung wegen fortgeschrittener Grösse nicht für eine Transplantation qualifizieren, durch erfolgreiche lokoregionäre Therapien zurück in die Mailänder Kriterien zu bringen [20]. Wichtiger als die Tumorgrösse und -anzahl bei der Selektion zur Lebertransplantation ist das Nichtvorhandensein einer makrovaskulären Invasion oder extrahepatischen Tumormanifestation [21]. Obwohl die Mailänder Kriterien an vielen Transplantationszentren den Goldstandard darstellen, wurden neuere Prädiktionsmodelle entwickelt, die morphologische Kriterien mit Biomarkern kombinieren. Das wohl bekannteste Model ist das Metroticket Project [22], das in Abb. 2 dargestellt ist. Insgesamt ist mit einem 5‑Jahres-Überleben von 70–80 % nach der Transplantation zu rechnen [21]. Die durchschnittliche Wartezeit für ein Lebertransplantat in der Schweiz beträgt > 1 Jahr. Während dieser Zeit ist es wichtig, das Tumorwachstum mit lokoregionären Therapien zu kontrollieren [23]. Patienten, bei denen weder eine Resektion noch eine Transplantation möglich ist, sollten mittels perkutanen Ablationstherapien behandelt werden. Falls auch dies wegen ungünstiger Lage des Tumors nicht möglich ist, sollte eine stereotaktische Radiotherapie (SBRT) erwogen werden [15].
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Intermediäres Stadium (B)
Patienten mit nichtresezierbaren und nichttransplantierbaren multinodulären und/oder großen HCC ohne Gefäßinvasion oder extrahepatische Ausbreitung und mit erhaltener Leberfunktion werden in das intermediäre Stadium (BCLC-Stadium B) eingestuft. Für diese Patienten ist die transarterielle Chemoembolisation (TACE) die etablierte Erstlinientherapie [1]. Bei unvollständigem Tumoransprechen oder falls im Verlauf eine intrahepatische Tumorprogression auftritt, kann die TACE wiederholt werden. Wenn nach 2 Versuchen keine deutliche Tumorregredienz („partial or complete response“) erreicht wird, sollte die Therapiemodalität gewechselt werden. Für Patienten im BCLC-Stadium B, die keine guten Kandidaten für TACE sind, sind mögliche alternative Behandlungen SIRT, externe Strahlentherapie und systemische Therapien.
Fortgeschrittenes Stadium (C)
Das fortgeschrittene Stadium (BCLC Stadium C) ist definiert durch eine Tumorinvasion in die Portalvene und/oder ihre intrahepatischen Hauptäste oder eine extrahepatische Metastasierung. Diese Patienten brauchen eine systemische Behandlung. Herkömmliche Chemotherapien sind unwirksam und sollten nicht zur Behandlung von HCC verwendet werden. Es gibt 3 Erstlinien- und mehrere Zweitlinientherapien, die in der Schweiz verfügbar sind oder bald verfügbar sein werden (Abb. 3). Die SIRT kann die bevorzugte Behandlung für ausgewählte Phase-C-Patienten mit Portalveneninvasion und ohne extrahepatische Metastasierung sein (siehe unten).
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Erstlinientherapien
Atezolizumab (Tecentriq®) in Kombination mit Bevacizumab (Avastin®) ist gegenwärtig die wirksamste Erstlinienbehandlung des fortgeschrittenen HCC [24]. Die Therapie ist in der Schweiz seit Ende 2020 zugelassen. Im Vergleich zum ehemaligen Therapiestandard Sorafenib zeigte sich ein signifikant längeres Überleben und eine signifikante Verlängerung des progressionsfreien Überlebens [24]. Falls keine Kontraindikation gegen eine Immuncheckpoint- oder eine Angiogenesehemmertherapie vorliegt, ist diese Kombination die Therapie der Wahl. Allerdings führt auch diese Behandlung bei < 30 % der Patienten zu einer Langzeitremission. Die unspezifische Blockade von hemmenden Mechanismen der Immunantwort durch Atezolizumab kann zu autoimmunen Entzündungen verschiedenster Organe führen. Die meisten dieser immuntherapieassoziierten Nebenwirkungen (IRAE) sind leicht bis mittelschwer und können gut behandelt werden, aber einige sind lebensbedrohlich. Früherkennung und schnelles Eingreifen mit Immunsuppression sind entscheidend beim Management von IRAE [25, 26]. Die häufigsten Nebenwirkungen von Bevacizumab sind Hypertonie, Müdigkeit, Diarrhö, Bauchschmerzen; die schwerwiegenden Nebenwirkungen sind Magen-Darm-Perforation, Blutungen und arterielle Thromboembolien.
Bis zur Zulassung von Atezolizumab/Bevacizumab war Sorafenib (Nexavar®) für über 10 Jahre der Therapiestandard beim fortgeschrittenen HCC. In den 2 Registrierungsstudien verbesserte Sorafenib das Gesamtüberleben gegenüber Placebo um 2–3 Monate [27, 28]. Sorafenib wird in einer Dosis von 800 mg pro Tag eingenommen. Die häufigsten Nebenwirkungen sind Durchfall, Hautreaktionen, Müdigkeit und Bluthochdruck. Die Patienten sollten in 2‑Wochen-Intervallen für die ersten 2 Monate gesehen werden, um die Nebenwirkungen proaktiv zu managen [29]. Etwa 15 % der Patienten sind intolerant gegenüber Sorafenib und weitere 35 % der Patienten benötigen Dosisreduktionen. Derzeit gibt es keine Biomarker, um das Ansprechen oder Nichtansprechen bei einzelnen Patienten vorherzusagen.
Lenvatinib (Lenvima®) wurde vor 2 Jahren als 2. Erstlinientherapie neben Sorafenib zugelassen. In einer Non-inferiority-Phase-III-Studie zeigte sich, dass Lenvatinib nicht schlechter als Sorafenib wirkt [30]. Seine Verwendung ist auf Patienten mit fortgeschrittenen, nichtresezierbaren HCC mit Tumorbelastung < 50 % der Leber, keiner Tumorinvasion im Gallengang oder Portalvene und erhaltener Leberfunktion (Child-Pugh A) beschränkt. Lenvatinib wird einmal täglich in einer Dosis von 8 mg oder 12 mg für Patienten mit < 60 kg bzw. ≥ 60 kg Körpergewicht verabreicht. Die Häufigkeit von unerwünschten Ereignissen während der Behandlung mit Lenvatinib ist gleich wie bei Sorafenib.
Zweitlinientherapien
Die aktuell zugelassen Zweitlinientherapien wurden alle in Studien untersucht, bei denen die Patienten mit Sorafenib als Erstlinientherapie behandelt wurden. Strenggenommen sind diese also eigentlich nur für Patienten mit Sorafenibversagen oder -unverträglichkeit anzuwenden. In der Praxis werden aber verschiedene Therapien nach Kostengutsprache durch die Krankenkassen auch für Patienten mit Therapieversagen nach Atezolizumab/Bevacizumab oder Lenvatinib eingesetzt.
Patienten mit fortschreitender Erkrankung unter/nach Sorafenib, die Sorafenib gut vertragen, können auf eine Zweitlinientherapie mit Regorafenib (Stivarga®) umgestellt werden. Regorafenib wurde auf der Grundlage einer randomisierten Phase-III-Studie zugelassen, die ein verbessertes Gesamtüberleben (10,6 Monate medianes Überleben) im Vergleich zu Placebo (7,8 Monate medianes Überleben) bei Sorafenibnichtrespondern zeigte [31]. Cabozantinib (Cabometyx®) ist seit 2020 als Zweitlinientherapie zugelassen. In der Phase-III-Studie zeigte sich ein erhöhtes Gesamtüberleben (10,2 Monate medianes Überleben) im Vergleich zu Placebo (8,0 Monate; [32]). Im Gegensatz zu Regorafenib kann Cabozantinib auch bei Patienten eingesetzt werden, die gegenüber Sorafenib intolerant waren. Cabozantinib wird einmal täglich in einer Dosis von 60 mg verabreicht. Ramucirumab (Cyramza®) ist ein monoklonaler Immunglobulinantikörper, der VEGFR2 hemmt. Es wird intravenös alle 2 Wochen in einer Dosis von 8 mg/kg Körpergewicht gegeben. In einer kürzlich durchgeführten Phase-III-Studie, die Patienten umfasste, die zuvor Erstliniensorafenib erhalten hatten und ein AFP≥ 400 ng/ml hatten, wurde gezeigt, dass Ramucirumab das Gesamtüberleben im Vergleich zu Placebo (8,5 Monate vs. 7,3 Monate) verbessert hat [33]. Cyramza® ist seit 2020 als Zweitlinientherapie für HCC in der Schweiz zugelassen.
Selektive interne Radiotherapie (SIRT)
Die SIRT mit Yttrium-90-beladenen Mikrosphären ist eine alternative Behandlung für Patienten im fortgeschrittenen Stadium mit makrovaskulärer Tumorinvasion im Portalvenensystem und ohne extrahepatische Metastasierung. Die 90Y‑Mikrosphären haben nur eine schwache embolische Wirkung und deshalb kann SIRT (im Gegensatz zur TACE) auch bei Patienten mit Portalvenenthrombose durchgeführt werden [34]. SIRT ist ein anspruchsvolles Verfahren, das eine enge Zusammenarbeit zwischen interventionellen Radiologen, Nuklearmedizinern, Radiopharmazeuten und Physikern erfordert. Aufgrund der aktuellen Erstattungssysteme erfolgt dies in einem ambulanten Umfeld in der Schweiz. Im Vergleich zu Sorafenib bietet SIRT eine bessere lokale Tumorkontrolle und ist besser verträglich. Das Gesamtüberleben wird jedoch nicht verbessert [35, 36]. Daher wird die SIRT nicht generell als Erstlinientherapie für fortgeschrittene HCC empfohlen. Sie kann aber durchaus bei ausgewählten Patienten eine sehr gute Therapieoption sein.
Endstadium (D)
Patienten mit HCC im Endstadium haben eine schlechte Prognose mit einer Lebenserwartung von 3–4 Monaten. Diese Patienten profitieren nicht von den oben genannten Therapien. Stattdessen sollten sie palliative Unterstützung erhalten.
Evaluation des Therapieansprechens
Die Evaluation des Ansprechens auf die Therapie erfolgt mittels dynamischen CT- oder MRT-Untersuchungen. Nach einer Resektion oder einer ablativen Behandlung in kurativer Intention sollte in den ersten 2 Jahren alle 3 Monate und danach alle 6 Monate eine dynamische Schnittbildgebung durchgeführt werden. Patienten mit mittleren oder fortgeschrittenen Tumorstadien, die mit TACE oder systemischen Therapien behandelt werden, werden alle 3 Monate nachkontrolliert. Falls das AFP vor der Therapie erhöht ist, kann es auch während der Nachbeobachtung informativ sein.
Ausblick
Nach jahrelanger Stagnation unterliegt die Therapie des HCC seit einigen Jahren einem starken Wandel, vor allem bei der Behandlung des intermediären und fortgeschrittenen HCC. Seit letztem Jahr ist die Kombination von Atezolizumab und Bevacizumab als Erstlinientherapie zugelassen. Dies ist wohl erst der Anfang einer Entwicklung, die ganz klar in Richtung Kombinationstherapien führt. Unterschiedlichste Kombinationstherapien werden gegenwärtig in dutzenden klinischen Studien erprobt. Es besteht berechtigte Hoffnung auf weitere Verbesserung in der Therapie dieser zumeist leider noch tödlich verlaufenden Krebsform.
Einhaltung ethischer Richtlinien
Interessenkonflikt
J. Mertens, H. Petrowsky und M.H. Heim geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
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Für diesen Beitrag wurden von den Autoren keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.
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