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Ärzte Woche

17.01.2022 | Gesundheitspolitik

Wissenschaftsjahr 2022

verfasst von: Annabella Khom

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Erbsengenetik, Sternenexplosionen, Coronapandemie und runde Geburtstage. Die UNO hat 2022 zum „Jahr der Grundlagenforschung für nachhaltige Entwicklung“ erklärt.

Neben Coronatests, -behandlungen und -impfungen zählen auch die Erfindung des Lasers oder jene des Transistors zu den Meisterleistungen der Grundlagenforschung. Letzterer ist ein Musterbeispiel für den Einfluss der Grundlagenforschung auf gesellschaftlichen Wandel. Das erste Transistorradio der frühen 1950er-Jahre war das Ergebnis von fast 50 Jahren Grundlagenforschung in öffentlich geförderten Laboren, heute finden sich in Smartphones Millionen winzige Transistoren.

Das dritte Jahr der Coronapandemie liefert der Forschung weiterhin genug Gründe, um wissenschaftliche Höchstleistungen zu erbringen. Angesichts der neuen und hoch infektiösen SARS-CoV-2-Variante Omikron versuchen Wissenschaftler weltweit, diese besser zu verstehen, und forschen ob oder welche Anpassungen für die bereits zugelassenen Impfstoffe Anpassungen notwendig sind. Auch ganz neue Impfstoffe befinden sich in der Pipeline zur Zulassung (siehe Seite 25) . Die europäische Arzneimittelbehörde EMA prüft derzeit etwa den Impfstoff des österreichisch-französischen Biotechnologie-Unternehmens Valneva, ein Vakzin mit inaktivierten Viren. Mit seiner Zulassung würde es COVID-19-Vakzine auf der Basis aller verfügbaren Technologien für Totimpfstoffe geben.

Die COVID-19-Pandemie zeigt auf „drastische und dramatische Weise, wie sehr die Menschheit auf die Grundlagenforschung angewiesen ist“, heißt es auf der Website des „Internationalen Jahres der Grundlagenforschung für nachhaltige Entwicklung“ (IYBSSD), das von den Vereinten Nationen ausgerufen wurde. Für die UNESCO-Generalkonferenz, von der die Anregung dazu kam, sind „Anwendungen der Grundlagenforschung für Fortschritte in Medizin, Industrie, Landwirtschaft, Wasserwirtschaft, Energieplanung, Umwelt, Kommunikation und Kultur von entscheidender Bedeutung“. Am 30. Juni und 1. Juli plant die UNESCO eine Eröffnungskonferenz zum IYBSSD. Bis zum 30. Juni 2023 soll es gemeinsam mit Partnerorganisationen aus verschiedenen Ländern Veranstaltungen rund um die Grundlagenforschung geben ( https://www.iybssd2022.org ).

Erbsen, Schafe und Genetik


Wie lange es dauern kann, bis Ergebnisse der Grundlagenforschung in der Praxis ankommen, zeigt das Beispiel des mährisch-österreichischen Bauernsohns, Priesters und Forschers Gregor Mendel. Geboren am 20. Juli 1822 in Heinzendorf im damaligen Österreichisch-Schlesien, dem heutigen Tschechien, veröffentlichte er 1866 in seinem Werk „Versuche über Pflanzen-Hybriden“ die heute weltbekannten Mendelschen Vererbungsregeln. Diese formulierte er nach Versuchen mit 28.000 Erbsenpflanzen zwischen 1856 und 1863 im Garten des Augustinerklosters in Brünn. Im 20. Jahrhundert haben Mendels Vererbungsregeln nicht nur die Biologie und Agrarwissenschaft revolutioniert: „200 Jahre nach Mendels Geburt dominiert die Molekulargenetik alle Lebenswissenschaften“, heißt es in einer Aussendung des Gregor-Mendel-Instituts für Molekulare Pflanzenbiologie (GMI) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW). Dieses feiert das Mendel-Jahr 2022 mit einer Reihe an Aktivitäten und begleitet es online ( www.gregormendel200.org ). Auch in seiner Heimat Brno/Brünn wird gefeiert, dort soll ein Denkmal für den „Vater der Genetik“ errichtet werden.

Folgt man dieser Familienchronik der Genetik, dann kann man eine Linie von seinen Versuchen bis zum Schaf Dolly ziehen. Vor 25 Jahren, im Februar 1997, berichtete ein Team um den britischen Embryologen Ian Wilmut im Fachjournal Nature über den ersten Klon eines Säugetiers. Das am 5. Juli 1996 geborene Schaf entstand mithilfe des somatischen Zellkerntransfers. Dabei wurde einer Eizelle der Zellkern entfernt. An seiner Stelle platzierten die Forscher den Zellkern einer Körperzelle aus einem Schafseuter. Die veränderte Eizelle wurde in einer Nährlösung zur Teilung angeregt und dann einer Ersatzmutter eingepflanzt. Auf Dolly folgte ein wahrer Klontierzoo – etwa aus Pferden und Rindern für die Zucht.

Geniale Jubilare


Nicht nur Gregor Mendels Geburtstag jährt sich 2022 zum 200. Mal, auch andere prominente Forscher hätten heuer ein sensationell hohes Alter erreicht: Am 6. Januar wäre der deutsche Archäologe Heinrich Schliemann 200 Jahre alt geworden. Bei Grabungen in den Jahren 1870 bis 1873 entdeckte dieser das antike Troja. Am 27. Dezember 1822 wurde der französische Chemiker, Physiker und Mikrobiologie Louis Pasteur geboren. Neben der Entwicklung des Verfahrens zur Haltbarmachung flüssiger Lebensmittel „Pasteurisierung“, leistete er auch wichtige Beiträge im Kampf gegen Infektionskrankheiten durch Impfung.

Abgerundet wird der Reigen vom 200. Todestag des deutsch-britischen Astronomen, Musikers und Komponisten Friedrich Wilhelm Herschel am 25. August. Er entdeckte unter anderem den Planeten Uranus. 1822 scheint somit ein entdeckungsfreudiger Jahrgang zu sein. Wer Grundlagenforschern über die Schulter schauen möchte, kann dies übrigens bei der „Langen Nacht der Forschung“ am 20. Mai 2022 tun ( https://www.langenachtderforschung.at/2020 ).

Kosmische Großereignisse


Der Grundlagenforschung widmet sich auch das europäische Kernforschungszentrum CERN, wo der Large Hadron Collider (LHC) nach einer mehr als zweijährigen Wartungspause wieder hochgefahren wird. Ab Frühjahr 2022 sollen mehr Proton-Proton-Kollisionen pro Sekunde, erhöhte Protonenenergie und verbesserte Detektoren neue Entdeckungen ermöglichen. Weiters will man sich auf die Spur der rätselhaften Dunklen Materie machen und das am CERN entdeckte Higgs-Teilchen genauer untersuchen. Neben dem LHC wurden auch vier Gravitationswellendetektoren aufgerüstet. Diese messen, wie von kosmischen Großereignissen wie Sternenexplosionen oder verschmelzenden Schwarzen Löchern ausgelöste Gravitationsfelder den Raum in winzigen Dimensionen dehnen und stauchen, um auf diese Ereignisse rückschließen zu können.

Aktuelle Forschung in Österreich


Auch in der österreichischen Forschungspolitik hat das neue Jahr einiges zu bieten: Mit dem neuen „Fonds Zukunft Österreich“, zu dem die Nationalstiftung weiterentwickelt wird, stehen jährlich 140 Millionen Euro bis 2025 für Forschungszwecke zur Verfügung. Was konkret gefördert wird, wollte Ex-Bildungsminister Heinz Faßmann mit der Scientific Community, den Förderagenturen und dem Forschungsrat bis zu einem Forschungsgipfel im ersten Quartal 2022 diskutieren. Noch ist offen, was die umgestaltete Regierung und der neue Ressortchef Martin Polaschek vorhaben.

Neue Fördermittel gibt es auch für die Quantenforschung: Im Rahmen der neuen Forschungsoffensive „Quantum Austria“ werden erste Projekte starten. Bis 2026 stehen 107 Millionen Euro aus dem EU-Wiederaufbaufonds zur Verfügung, in der ersten Ausschreibungsrunde werden 60 Millionen Euro über den Wissenschaftsfonds FWF und die Forschungsförderungsgesellschaft FFG ausgeschüttet. Aus dem EU-Wiederaufbaufonds gibt es laut FFG weitere Fördermittel, etwa für emissionsfreie Busse und Nutzfahrzeuge oder für „Vorhaben von gemeinsamem europäischem Interesse“ (IPCEI) in den Bereichen Mikroelektronik und Wasserstoff.

Einen ersten Eindruck vom neuen Exzellenzzentren-Programm des FWF wird man sich im Sommer verschaffen können. Bis dahin wird eine internationale Jury eine Shortlist aus jenen 35 Forscherteams erstellen, die im Rennen um die mit Abstand höchste Forschungsförderung Österreichs sind: Pro „Cluster of Excellence“ winken bis zu 70 Millionen Euro für zehn Jahre.

Auch institutionell tut sich im neuen Jahr einiges. So soll mit der Einrichtung der Forschungsdaten-Plattform „Austrian Micro Data Center“ (AMDC) bei der Statistik Austria begonnen werden. Im ersten Jahr sind dafür rund 500.000 Euro vorgesehen. Über die neue Plattform llen Mikrodaten der Statistik Austria sowie von Verwaltungsregistern leichter für die wissenschaftliche Forschung zugänglich gemacht werden, Forscher sollen Zugriff auf anonymisierte Daten erhalten.

Ebenso wurde für 2022 der Start für das neue, universitätsübergreifende Ignaz-Semmelweis-Institut (ISI) angekündigt. Dieses soll kunftig ähnlich wie das deutsche Robert-Koch-Institut in Infektionsfragen als Ansprechpartner für Politik, Wissenschaft und Forschung dienen sowie selbst Grundlagen- und klinische Infektiologie-Forschung betreiben.

Im neuen Jahr wird die Fusion der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG), die 2021 ihren 170. Geburtstag feierte, und der Geologischer Bundesanstalt (GBA) zur GeoSphere Austria (GSA) vorbereitet. Als neue „Bundesanstalt für Meteorologie, Geophysik und Geologie“ soll sie dann ab Anfang 2023 aktiv werden.

Weitere Informationen:
https://www.iybssd2022.org
www.gregormendel200.org
https://www.langenachtderforschung.at/2020

Metadaten
Titel
Wissenschaftsjahr 2022
Schlagwort
Gesundheitspolitik
Publikationsdatum
17.01.2022
Zeitung
Ärzte Woche
Ausgabe 1-2/2022

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