Der Innsbrucker Infektiologe Günter Weiss erhält den mit 14.000 Euro dotierten Landespreis für Wissenschaft des Landes Tirol. Im Interview benennt er die Problemzonen der Forschung, die schwachbrüstige Förderung, vor allem aber den geringen Bekanntheitsgrad der Forscher selbst, etwa im Vergleich zu Sportlern. Das hat strukturelle Gründe, liegt aber auch an der berühmt-berüchtigten Elfenbeinturm-Mentalität hierzulande.
„Wir haben hier ein gesamtgesellschaftliches Problem vor uns“, sagt Weiss und führt aus, dass in Österreich Wissenschaft und Forschung nicht als so „sexy“ wie etwa Sport wahrgenommen würden. „Selbst wenn ein Wissenschaftler den Nobelpreis bekommt, ist dieser noch immer nicht auf dem gleichen Wahrnehmungslevel wie ein Olympiasieger“, sagt Weiss im Gespräch mit der Ärzte Woche .
Zu wenig Außenwahrnehmung
Preise, wie der an ihn vergebene Landespreis, seien diesbezüglich eher nur „eine erfreuliche und schöne Anerkennung für das langjährige Forschen und Tun“, würden aber in Sachen Wahrnehmung in der Öffentlichkeit kaum etwas bewirken. Das gelte auch für sämtliche vergleichbare Bereiche: „Egal ob Wissenschaftsförderung, Auszeichnungen oder Preise, die Wahrnehmung von außen ist eher überschaubar.“ Einige würden sich zwar „mit einem freuen“, die breite Öffentlichkeit nimmt aber wenig Notiz davon, sagt der Direktor der Innsbrucker Universitätsklinik für Innere Medizin II.
Aufstockung der Fördermittel
Was es hingegen brauche, sei eine Aufstockung der finanziellen Mittel, etwa des Forschungsfonds FWF: „Dieser ist natürlich wichtig und gut, hat aber nur limitierte Mittel.“ Von einer Förderungskultur wie im anglo-amerikanischen Raum oder in Deutschland könne man hierzulande nur träumen: „Das führt natürlich zu Frustration und gute Köpfe gehen der Forschung verloren, wenn Projekte nicht unterstützt werden.“ Auch von Privatpersonen aufgesetzte Fonds oder Stiftungen hält Weiss für mögliche Mittel, um Forschungsinnovationen stärker voranzutreiben.
Gesellschaftliches Umdenken
Um das zu ermöglichen, brauche es ein „gesellschaftliches Umdenken“. Es müsse klar werden, dass „Wissenschaft Innovation ist“ und damit nicht zuletzt auch „Wirtschaftsleistung“ bringe. „Forschung und Wissenschaft bringen – man denke etwa an Spin-Offs – reale Arbeitsplätze und damit auch Wertschöpfung“, erläutert Weiss. Das alles sei in Österreich „noch zu wenig angekommen“.
Ansetzen bei einem solchen notwendigen Umdenken müsse man bereits in den Schulen. „Es gilt, das Bild über Forschung und Forscher zu revidieren und zu verändern“, sagt Weiss. Der Forscher sei „nicht der zerstreute Professor, der stundenlang in einem rauchenden Labor steht“, sondern Forscher leisteten „ganz handfeste Arbeit für die Gesellschaft und lösen wichtige Probleme“. Um das zu verstehen, müsse man Menschen bereits in jungen Jahren nahebringen, wie Wissenschaft und rationales Denken funktionieren, so der Wissenschaftler.
Klarer kommunizieren
Nicht zuletzt müssten sich aber auch die Wissenschaftler und Forscher selbst an der Nase nehmen: „Viele von uns kommunizieren zu komplex und für eine breitere Öffentlichkeit unverständlich.“ Es gehe diesbezüglich auch um „Klarheit“ und darum, „komplexe Sachverhalte gut zu erklären“. In dieser Hinsicht sei es zudem auch wichtig, dass die Universitäten und deren Angehörige den oftmals zurecht beschworenen „Elfenbeinturm“ verließen, nennt Weiss einen weiteren Faktor, um die Innovationskraft von Wissenschaft und Forschung in der Öffentlichkeit und deren Bewusstsein zu verankern. Man müsse „darlegen, wie unglaublich faszinierend, aber auch wie wichtig für alle Wissenschaft und Forschung sind.
Weiss genießt „weltweite Anerkennung durch zahlreiche Forschungsarbeiten zu immunologischen Mechanismen der Infektionsabwehr und des Eisenstoffwechsels“, hieß es in der Entschiedung der Jury. Er trage damit „maßgeblich zur Stärkung des Wissenschaftsstandorts Tirol und zur überregionalen Strahlkraft der Medizinischen Universität Innsbruck bei“, sagte Landeshauptmann Anton Mattle (ÖVP). Auch Gesundheits- und Wissenschaftslandesrätin Cornelia Hagele (ÖVP) führte die „außerordentliche internationale Reputation“ des Mediziners, der insbesondere während der Corona-Pandemie einer breiteren Öffentlichkeit bekannt geworden war, ins Treffen.