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Ärzte Woche

10.02.2020 | Gesundheitspolitik

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Die Generation, die heute aufwächst, ist im Grunde immer online. Eltern sind versucht, ihren Kinder die internetfähigen Geräte als digitale Schnuller zu geben. Die Kinder sehen ihre Eltern kritisch.

Morgens beim Frühstück checken die Eltern rasch ihre Mails am Smartphone, nachmittags spielt der große Bruder seine neueste Online-Challenge am Laptop und abends gibt es noch eine Folge der Lieblings-Zeichentrickserie am Tablet, bevor Alexa das Licht ausmacht: Internetfähige Geräte sind mittlerweile praktisch von Geburt an im Alltag von Kindern präsent. Das Österreichische Institut für angewandte Telekommunikation und die Internet Service Providers Austria ISPA gaben daher eine Studie zum Thema „Die Allerjüngsten und digitale Medien“ in Auftrag. Ergebnis: Der Erstkontakt erfolgt extrem früh. Zunächst ohne, dass die Kinder davon etwas bemerken, denn viele Eltern posten die Ultraschallbilder ihrer Babys in sozialen Netzwerken. Kaum geboren, geht es Schlag auf Schlag. Durchschnittlich kommen die Kinder im Alter von einem Jahr erstmals mit digitalen Medien in Kontakt. 72 Prozent der befragten Eltern geben an, dass ihr Kind sogar jünger war, als es zum ersten Mal ein internetfähiges Gerät verwendet hat. Die digitalen Hauptbeschäftigungen sind: Videos (73 %) beziehungsweise Fotos anschauen (61 %), Musik hören (61 %) und Spiele spielen (51 %).

Selbst junge Eltern sind nicht derart früh in Kontakt mit internetfähigen Geräten gekommen. Eltern befinden sich generell in einer Zwickmühle. Einerseits sehen sie Kinder, die nur stumm nebeneinander sitzen und auf Bildschirme starren, andererseits setzen Eltern selbst digitale Endgeräte ein, um ihre Kinde ruhig zu stellen, quasi als digitaler Schnuller, sei es in der U-Bahn, im Restaurant oder zu Hause vor dem Einschlafen. Hier rät die Ärztekammer jedenfalls zur Vorsicht. Eine Stunde sollte der zeitliche Abstand vor dem Schlafengehen betragen.

Martin Krenek-Burger

Jüngere tun sich leichter, das Handy liegen zu lassen

„Mit dem Ausdruck Internetsucht sollte man vorsichtig umgehen. Ich beobachte, dass sich Jüngere leichter tun, das Handy liegen zu lassen, als die ältere erwachsene Generation, die völlig unreflektiert permanent online ist. Wenn wir ein Kind sehen, dass sich mit dem Tablet in sein Zimmer setzt und voller Begeisterung spielt, nehmen wir das wahr, aber dass wir, bis auf die sechs Stunden die wir schlafen, die ganze Zeit online sind und alle vier Minuten ein E-Mail beantworten, dieses Brett vor unseren eigenen Augen sehen wir nicht.

Man muss sich auch die Frage stellen, was die Kinder machen, wenn sie nebeneinander sitzend stumm ins Handy starren? Unter Umständen sitzen da zwei Kinder nebeneinander und tauschen gerade Ausrüstungsgegenstände in einem Spiel und einer tauscht zwei Handschuhe gegen drei paar neue Schuhe, damit er im Spiel schneller unterwegs ist. Die Annahme, dass jedes Kind, das auf das Gerät schaut, alleine vor sich hin brodelt, stimmt nicht. Jeder, der einen Teenager zu Hause hat, wird sprachlos sein, wenn er weiß, dass Teenager über Kontinente hinweg gemeinsam spielen. Die sitzen mit ihrem Headset da und man merkt plötzlich, dass die Kinder auch bruchstückhaft Englisch beherrschen, weil sie sich mit anderen Kindern darüber unterhalten, wie sie in einem Spiel konkret vorgehen. Den Eltern muss man raten, dass sie mit ihrem Kind reden, was es macht. Das Kind wird nicht in aller Ruhe eine digitale Briefmarkensammlung pflegen, sondern mit hoher Wahrscheinlichkeit mit anderen interagieren, Fotos austauschen, sich dazu äußern was andere online gemacht haben und sich damit – unter Umständen – sozialer verhalten, als der eine oder andere Erwachsene.

Alle Erwachsenen beschweren sich drüber, dass die Kinder die ganze Zeit nur vor dem Gerät hängen. Wenn sie mit offenen Augen ein öffentliches Verkehrsmittel benutzen, werden sie feststellen, dass auch die Erwachsenen am Gerät hängen und nicht miteinander reden. Wenn man sich Schüler anschaut, die nach Hause fahren, wird man merken, dass diese Kinder den Schultag nachbesprechen. Unsere Generation sitzt still auf der Bank und liest am Handy oder kommuniziert. Den großen Zeigefinger auszupacken und zu sagen, dass die Jungen alles falsch machen, das ist kritisch zu hinterfragen.“

Maximilian Schubert, Generalsekretär der ISPA (Internet Service Providers Austria)

Hören wir hin und wieder auf unsere Kinder!

„Wenn man in Restaurants, in der U-Bahn, in der Straßenbahn Kinder mit ihren Eltern sieht, bemerkt man häufig, dass die Kinder ruhig vor einem Bildschirm sitzen; sie werden gewissermaßen vor dem Gerät geparkt. Man fragt sich, inwieweit Kinder die Nutzung internetfähiger Geräte schon brauchen, um zur Ruhe zu kommen, etwa indem sie sich ein Video vor dem Einschlafen anschauen. Das ist immerhin bei jedem Zehnten der Drei- bis Sechsjährigen der Fall. Zieht man die Empfehlungen der Ärzteschaft zum Vergleich heran, ist das ein alarmierendes Zeichen. Dort heißt es nämlich, dass Kinder vor dem Einschlafen nicht auf Bildschirme schauen und keine Videos konsumieren sollen, denn sonst kommen sie nicht zur Ruhe (Anm.: innerhalb einer Stunde vor dem Einschlafen).

Brauchen die Kinder in manchen Situationen also digitale Geräte als Ritual? Wir haben das abfragen lassen. Laut unseren Daten ist das nur bei 14 Prozent der Fall. Auch die Frage, ob es den eigenen Kindern schwer fällt, sich ohne digitale Geräte selbst zu beschäftigen, ergab mit elf Prozent keine sehr hohe Zahl. Wir vermuten, dass die Eltern Wege und andere Rituale gefunden haben, wie sich Kinder selbst beschäftigen können; die Eltern sehen daher bei ihren eigenen Kindern kein großes Problem. Wenn die Eltern aber generell auf zum Internetverhalten der Altersgruppe der Null- bis Sechsjährigen befragt werden, sagt die Hälfte das, was wir immer wieder zu hören bekommen, dass nämlich die Kinder zu lange im Internet sind.

Aber die digitalen Medien erleichtern den Eltern eben auch das Leben: beim Restaurantbesuch, auf der langen Autofahrt oder im Wartezimmer beim Arzt. Immerhin 20 Prozent der befragten Eltern äußern ein schlechtes Gewissen, dass sich die Kinder zu häufig mit dem Internet beschäftigen. Eltern sind in einer Zwickmühle. Sie sind sich bewusst, dass das Internet ein Problem ist, es aber im Alltag auch eine Erleichterung bedeuten kann. Hier die richtige Dosis zu finden, ist eine Herausforderung. Umgekehrt beschweren sich 17 Prozent der Kinder über ihre Eltern, die zu viel am Handy hängen. Etwa ein dreijähriger Bub, der sagt , das er mit seinem Papa nicht spielt, weil der dauernd aufs Handy schaut. Hören wir hin und wieder auf unsere Kinder! Legen wir das Handy zur Seite, wenn wir mit ihnen unterwegs sind!“

Barbara Buchegger, Pädagogische Leiterin von Saferinternet.at

Die Hälfte der Geräte gehören den Eltern

„Eltern stehen gerade bei der Mediennutzung ihrer Jüngsten vor einer großen, aber wichtigen Aufgabe. Geräte als ‚digitalen Schnuller‘ zu missbrauchen oder der Kontakt mit ungeeigneten Inhalten sind typische Risiken in dieser Altersgruppe. Aktuell ist es so, dass vier bis fünf internetfähige Geräte in Haushalten mit Kindern zwischen 0 und 6 Jahren vorhanden sind. In 97 Prozent der Haushalte gibt es das Smartphone, gefolgt von Computer und Laptop mit 91 Prozent, danach rangieren gleich das Tablet, der internetfähige Fernseher und die Spielekonsole. Im Vergleich zur vorangegangenen Untersuchung im Jahr 2013, sieht man einen starken Anstieg beim Smartphone, das damals in 44 Prozent der Haushalte zur Verfügung stand, sowie beim Tablet, das vor sieben Jahren nur 13 Prozent hatten.

Wenn man den Fokus auf die Allerjüngsten und ihre Mediennutzung richtet, sieht man, dass sich 72 Prozent der Null- bis Sechsjährigen zumindest gelegentlich mit internetfähigen Geräten beschäftigen. Wenn man die Gruppe der Drei- bis Sechsjährigen herausgreift, dann stellen wir dort fast eine Verdoppelung der Mediennutzung im Vergleich mit den Zahlen aus dem Jahr 2013 fest.

Mit welchen Medien beschäftigen sich die Allerkleinsten genau? Ganz vorneweg das Tablet, nämlich das Familientablet, das daheim irgendwo herumliegt, darauf folgen das Smartphone und der internetfähige Fernseher. Mit vier Prozent weit abgeschlagen: Computer und Laptop, die von den Kindern kaum benutzt werden.

Safer Internet unterstützt Eltern mit Informationsmaterial zu häufigen Fragen, etwa über TikTok ( Anm. ein chinesisches Videoportal, das als soziales Netzwerk genutzt wird ). Wir bieten technischen Kinderschutz an. Das ist wichtig, weil 50 Prozent der Eltern-Handys von Kindern genutzt werden. Es liegen bei uns eigene Broschüren für die Sicherheitseinstellungen auf den eigenen Geräten auf, sowohl bei IOS als auch beim Betriebssystem Android. Für die Allerjüngsten gibt es „Die drei Freunde“, eine Vorlesegeschichte auf der Website von Safer Internet. Für die Eltern gibt es dort das Angebot Frag Barbara! mit der Internet-Expertin Barbara Buchegger (Anm.: www.saferinternet.at/services/frag-barbara ), die in zweieinhalb Minuten die wichtigsten Themen erläutert.“

Matthias Jax, MA, Österreichisches Institut für angewandte Telekommunikation (ÖIAT)

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Metadaten
Titel
Surf, Kindlein, surf
Schlagwort
Gesundheitspolitik
Publikationsdatum
10.02.2020
Zeitung
Ärzte Woche
Ausgabe 7/2020

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