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Ärzte Woche

03.09.2021 | Gesundheitspolitik

Kommentar von Ärzte Woche-Chefredakteur Raoul Mazhar

Solidarität: die Zeit zwischen den Mahlzeiten

verfasst von: Raoul Mazhar

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© franckreporter / iStock

Die Zivilisation ist drei verloren gegangene Mahlzeiten von der Barbarei entfernt, sagt man. Und falls die Raserei entflammt, gehen vor allem Empathie und Solidarität verloren, wobei erstere die unabdingbare Voraussetzung für zweitere ist. Die Motivation für Solidarität in Reinkultur ist altruistisch und freiwillig determiniert. Zudem hält sich die handelnde Person für moralisch verpflichtet, so zu handeln, wie sie es tut. Alles andere wäre Symbiose.

Aber bis wohin erstreckt sich die Solidarität? Reicht sie bis zum Lebenspartner oder weiter zu fernen Blutsverwandten? Reicht sie bis an Österreichs Grenze oder darüber hinaus? Ist es möglich, solidarisch mit der ganzen Welt zu sein; oder gar mit ungeborenen Generationen, die jene Ressourcen dringend brauchen werden, die wir heute großzügig ver(sch)wenden? Solidarität ist, so die Philosophen, eine moralisch-ethische Frage. Man kann sie durch gesetzliche Regeln oder religiöse Gebote zwar unterstützen, sie ist aber zuallererst ein Kind der Empathie.

Der Mensch orientiert sich an Vorbildern, lässt sich emotional von ihnen führen. Es wäre daher wichtig, dass die Stützen der Gemeinschaft lautstark und vernehmlich Solidarität einfordern, wobei es besser wäre, den erhobenen Zeigefinger stecken zu lassen. Ein kürzlich von mir geführtes Interview mit dem Meister des Marketing und Buchautor, Prof. Dr. Christian Mikunda („Der verbotene Ort“, „Hypnoästhetik“), führte mir einmal mehr vor Augen, dass sich Gefühle und Empathie durchaus vermitteln lassen. Wir müssen uns ständig bewusst machen, wohin Solidarität uns geführt hat. Dass sie der wertvollste Kitt einer humanistischen Gesellschaft ist, dass wir einerseits in Wohlstand leben und uns andererseits nicht fürchten müssen, fallengelassen zu werden, wenn wir alt oder kränklich sind oder vom Unglück heimgesucht werden. Die Solidarität ist die Basis einer gesunden Zivilisation und stand wohl am Beginn unserer evolutionären Reise zum Homo sapiens.

Teil unserer DNA


Diese Grundlage des Menschseins begleitet uns nun Tausende Generationen lang und lässt sich nicht einfach abschütteln, nicht durch ein Shit-stürmendes Internet oder durch geifernde Hetzer. Zugegeben, im Laufe der Geschichte gelang es Demagogen und Tyrannen, die Solidarität unter dem Motto „Divide et impera“ zu erschüttern und sie für dunkle Perioden aus der Mitte der Gesellschaft zu verbannen, sie fehlzuleiten und sie zu missbrauchen. Auch heute wird sie von Predigern des Sozialdarwinismus als Schwäche oder Gefühlsduselei diffamiert, dennoch wird sie sich nicht auslöschen lassen. Es kann dennoch nicht schaden, sie juristisch zu unterstützen. Doch braucht es kein gesetzliches Brecheisen, um sie am Leben zu halten, schon gar nicht, wenn die Verordnungen verfassungsrechtlich auf tönernen Füßen stehen. Die Solidarität ist Teil unserer gesellschaftlichen DNA, selbst wenn sie nur drei Mahlzeiten andauert.

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Titel
Kommentar von Ärzte Woche-Chefredakteur Raoul Mazhar
Solidarität: die Zeit zwischen den Mahlzeiten
Schlagwort
Gesundheitspolitik
Publikationsdatum
03.09.2021
Zeitung
Ärzte Woche
Ausgabe 35/2021

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