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Ärzte Woche

13.12.2021 | Gesundheitspolitik

Ringel-Pieks mit Anfauchen

verfasst von: Martin Krenek-Burger

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Großer Wirbel um den kleinen Stich: Die COVID-19-Pandemie hat der Impfgegner-Bewegung die perfekte Gelegenheit gegeben, ihre Überzeugungen in der breiten Öffentlichkeit auszubreiten.

Skeptiker hat es schon immer gegeben, aber die COVID-19-Pandemie und ihr zeitweise schwaches Management haben der Impfgegner-Bewegung die perfekte Bühne geboten. Wie konnte unsere Gesellschaft so schnell von dieser Ideologie infiziert werden? Die investigative Recherche „Impfgegner – Wer profitiert von der Angst?“ (am 21. Dezember auf arte, 20.15 Uhr) von Marc Garmirian und Lise Barnéoud befasst sich mit dieser einflussreichen, aber auch gefährlichen Bewegung, der es nicht an Netzwerken, finanzieller Unterstützung und symbolträchtigen Persönlichkeiten mangelt. Sie sind aus dem politischen Diskurs und den Sozialen Medien nicht mehr wegzudenken, umso wichtiger ist es zu verstehen, mit wem wir es zu tun haben. 

Aber die Gesundheitskrise findet nicht nur vor unserer Haustür statt. Unsere globalisierte Welt steht vor der größten Herausforderung unserer Zeit: Wie überwinden wir gemeinsam und solidarisch die Pandemie, ohne in einen Machtkampf und Wettstreit der Ressourcen zu verfallen? „Impfstoff-Diplomatie: Geopolitik in Zeiten der Pandemie“ (Erstausstrahlung 21. Dezember, 21:45 Uhr, arte) von Gilles Cayatte versucht, diese neuen Machtverhältnisse zu entschlüsseln, die uns heute aus der Krise führen und morgen die Weltordnung bestimmen. Damit beschäftigen sich Menschen wie der UN-Generalsekretär António Guterres. Der forderte beim World Health Summit im vergangenen Oktober eine gerechte Verteilung von COVID-19-Impfstoffen: „Impfnationalismus und Horten von Impfstoff bringt uns alle in Gefahr. Die Pandemie kann unter Kontrolle gebracht werden, aber dazu müssen Regierungen und Hersteller viel mehr Impfdosen vor allem an die am stärksten gefährdeten Länder liefern. Impfstoffe müssen gerecht und solidarisch verteilt werden“, sagt WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus. „Der Schaden, den COVID-19 verursacht hat, macht deutlich, dass wir eine stabilere globale Gesundheitsarchitektur und politischen Willen auf höchster Ebene brauchen, und zwar in Form eines globalen Pandemie-Pakts oder Abkommens.“ Axel R. Pries, Präsident des World Health Summit, meint, dass eine größere Unterstützung supranationaler Institutionen geboten sei: „Um die Gesundheit der Weltbevölkerung zu verbessern, müssen die überstaatlichen Organisationen gestärkt werden.“

Impfbereitschaft erhöhen


Auf nationaler Ebene drehen sich die Argumente im Kreis. Appelle an die Ungeimpften, ihren Status zu überdenken, wechseln mit offener Ablehnung der Einmischung des Staates. Einzelne Vertreter der Zivilgesellschaft beginnen am Verstand ihrer Mitmenschen zu zweifeln ( siehe Seite 2 ). Dabei besteht kein Grund für Verzweiflung. Die Impfbereitschaft der Unentschlossenen ließe sich relativ leicht erhöhen.

Folgende Anreiz-Strategien hat die Humboldt-Universität untersucht und für geeignet erachtet:

  • Rückgabe von Freiheiten für Geimpfte
  • Finanzielle Anreize
  • Impfungen bei Hausärzten

Laut der Studie sind etwa 67 Prozent der Befragten sind bereit, sich impfen zu lassen, oder sind bereits geimpft. Weitere 17 Prozent sind unentschlossen und 16 Prozent lehnen eine Impfung sogar komplett ab. Die Studienergebnisse zeigen, dass alle drei untersuchten Strategien in der Lage sind, die Impfbereitschaft in der Bevölkerung zu erhöhen. Insbesondere innerhalb der Gruppe der Unentschlossenen lässt sich die Bereitschaft zur Impfung merklich erhöhen: Einzeln kann jede der drei Strategien die Impfbereitschaft um etwa fünf Prozentpunkte erhöhen, in Kombination sogar bis zu 13 Prozentpunkte. Demgegenüber zeigen die drei Strategien in der Gruppe der Impfgegner kaum Wirkung. Darüber hinaus lässt sich beobachten, dass die drei Strategien für verschiedene Bevölkerungsgruppen unterschiedlich gut funktionieren. Während sich die Impfbereitschaft von älteren Befragten vor allem durch das Impfen beim Hausarzt erhöhen lässt, können jüngere Befragte besonders gut durch die Aussicht auf mehr Freiheiten von einer Impfung überzeugt werden.

Ab 50 Euro wird es interessant


Auch ein finanzieller Anreiz kann die Impfbereitschaft merklich erhöhen, wobei die Höhe der Zahlung durchaus eine Rolle spielt. Nur wenn der Betrag ausreichend hoch ist (50 Euro), zeigt sich eine Wirkung, wohingegen eine zu geringe Summe (25 Euro) kaum von Bedeutung ist. Die Erhöhung der Impfbereitschaft ist wichtig. Sie wird in naher Zukunft ein Baustein werden, um ausreichend Bürger zu impfen, um eine Herdenimmunität herstellen zu können und die Corona-Pandemie zu stoppen. In der Kakofonie der Maßnahmen-Verlautbarungen, Impfaufrufe und Schreiduelle bei Corona-Demos wird ganz auf die junge Generation vergessen. Arte hat auch diesen einen Film gewidmet: „Viral Dreams – Eine ausgebremste Generation“ von Udi Nir und Sagi Bornstein erzählt am Beispiel einer Reihe junger Protagonisten mit ganz unterschiedlichen Zielen und Träumen, wie die Welt in den Lockdown ging. Aber es gibt keinen Platz für Bitterkeit und Wut. Im Gegenteil, Solidarität und Kreativität dominieren diesen ausschließlich aus YouTube -Material montierten Film, der die Unsicherheit dieser Krisenzeit auf den Punkt bringt. Beginnzeit an diesem Fernsehabend: 22.40 Uhr. Ein stichhaltiges Infopaket am Ende der Adventszeit. Und gut ist es.

Über Weihnachten und zwischen den Jahren möchte man sich vielleicht doch mit was anderem beschäftigen als mit der Pandemie.


Metadaten
Titel
Ringel-Pieks mit Anfauchen
Schlagwort
Gesundheitspolitik
Publikationsdatum
13.12.2021
Zeitung
Ärzte Woche
Ausgabe 50-52/2021

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